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  • Day 16

    Mutmacher

    March 22 in France ⋅ ☁️ 14 °C

    Als am Morgen die Sonne über den Horizont kommt und ihr Licht über Himmel und Erde wirft, bin ich ganz gespannt darauf, welch ein grandioser Sonnenaufgang folgen wird. Doch dann verdichten sich die Wolken im Osten und verdunkeln die Sonne, obwohl der Himmel strahlend blau wirkt.

    Wie oft hast du am Meer gesessen und auf den ultimativen Sonnenuntergang gewartet, doch wie ein himmlischer Fingerzeig taucht just dann eine Wolke auf und unterbricht den makellosen Strahl übers Meer.

    Warum ist das so in unserem Leben, dass es einfach nicht perfekt wird, wenn wir uns das wünschen. Wenn wir Zeit geben, vielleicht sogar finanzielle Aufwendungen betreiben, um ein besonderes Erlebnis zu haben, aber dann ist der Himmel immer bewölkt. Kein Nordlicht, kein Sonnenuntergang, Nebel am Nordkap, Hungersnot in Afrika, Krebs in unserem unmittelbaren Umfeld.

    Nachts kann ich vor Schmerzen kaum einschlafen, dass es mich fast verzweifeln lässt, aber dann denke ich, dass es doch nur die Gelenke sind, der Verschleiß, vermutlich die Folgen meiner sportlichen Aktivitäten. Forever young.

    Aber wenn dann jemand wirklich schwer erkrankt, wie gehe ich damit um, was kann ich sonst tun, außer hoffen. Auf einen schönen Sonnenaufgang, auf Heilung durch die Medizin, besonders begabte Ärzte, ein Wunder.

    Als der Krebs mir als Krankheit bei einem Freund begegnet, habe ich gedacht, dass das nicht sein darf, nicht sein kann. Weil er mich gebeten hat, ihn zu unterstützen, mit ihm die Wege zu gehen, ihm zu helfen, das Geschehen zu begreifen, habe ich gar keine Zeit gehabt, zu klagen. Gott anzuklagen.

    Meine Tage waren gefüllt damit, ihm Mut zu machen, ihn innerlich zu stärken, ihn aufzubauen. Natürlich gab es die anderen Momente, in denen ich alleine war, verzweifelt, mich in meiner ganzen Existenz bedroht sah, natürlich auch im Glauben.

    Aber Sozialarbeiter sind Mutmacher, was anderes haben sie eigentlich nicht gelernt. Natürlich haben wir studiert, und ich kann eine Menge bewegen mit meinen Möglichkeiten. Meine Fähigkeiten sind trotzdem deutlich eingeschränkt, was die Verhinderung von Leid, die Folgen von Machtmißbrauch und Ungerechtigkeit, die persönlichen und gesundheitlichen Niederschläge angeht.

    Aber Sozialarbeiter können Mut machen. Wir schaffen das schon, ist nicht eine leere Phrase, sondern die Voraussetzung dafür, "dass Glaube Berge versetzen kann". Auch im wirklichen Leben. Und natürlich gleichen die Berge eher Maulwurfshügeln, wobei viele kleine Erhebungen vor uns auch schon jede Menge Höhenmeter ausmachen.

    Wenn du Mut machen lebst, dann bleibt nicht viel Zeit zum Verzweifeln. Auch wenn du am Ende des Weges nur noch ein großes schwarzes Loch findest. Und die Leere dich zu erschlagen droht.

    Das waren meine Gedanken als ich früh am Morgen diesen Gottesdienst gehört habe. Gibt es eine Antwort auf das Leid, das uns begegnet. Mein Freund ist tatsächlich gesund geworden, er hat den Krebs überwunden, wie man zu sagen pflegt. Trotzdem ist er immer da, in seinen Gedanken, in meinen Denken.

    Ich weiß nicht mal, ob das medizinisch richtig ist, aber die Erinnerung bleibt präsent, wie wertvoll das Leben ist, und wie sehr wir daran hängen, gesund zu sein. Irgendwie. Nur nicht so krank zu werden. Was sind schon kaputte Gelenke im Verhältnis dazu.

    Als wir gestern oben auf dem Grand Ballon ankommen, ist die Straße gesperrt. Eine Sackgasse ist keine Ausweglosigkeit, wir können halt zurückfahren. Ob das mit jeder Krankheit auch so ist, ob es immer eine Möglichkeit geben wird, vielleicht ist das eine theologische Aufgabe, darauf antworten zu können.

    Als wir vor acht Jahren losgefahren sind, habe ich gedacht, dass ich mir die Welt anschauen werde. Einmal ganz in Ruhe, mit der nötigen Zeit wollte ich um die Welt fahren, dorthin wo ich noch nie gewesen bin. Dann wurde mir schnell klar, dass das nicht so einfach ist. Ich habe Familie, Kinder und Enkel. Das macht einen gravierenden Unterschied für mich aus. Früher bin ich schon einmal unterwegs gewesen, in einer Zeit, wo meine Eltern nie gewusst haben, ob ich lebe, wo ich bin.

    Aber trotz aller familiären Gebundenheit bricht man nun mal aus dem Elternhaus "in die Welt" auf. Umgekehrt finde ich es schwierig. Und so fahren wir in Kreisen durch Europa, ich schreibe Geschichten, und verbringe meine Zeiten, in denen ich mir die Umgebung anschaue, oft damit, für meine Mitmenschen, auch für die Tiere, zu beten.

    Früher habe ich dem gar nicht so eine große Bedeutung zugemessen, da war ich ja auch mit Mutmachen gut beschäftigt. Aber heute habe ich Zeit. Und da ich gerne mit dem blauen Bus fahre, kann ich diese Zeit dafür nutzen.

    Ich füge einfach mal den Link zu der Predigt bei. Vielleicht hast du Lust, dir ein eigenes Bild zu machen. Und man muss ja nicht Christ sein, um zuzuhören. Uns fehlt zu vielen Beiträgen, denen wir unsere Zeit widmen, ja oft auch der berufliche und persönliche Kontext.

    https://www.youtube.com/live/_mkbWiwPsmU?si=u_M…
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