• The Beginning

    6 Julai 2024, Norway ⋅ ☁️ 9 °C

    DAY 8 TOUR DE EUROPE
    (Fahrtstrecke 170 km)

    Sel - Dombås - Bjørli - Marstein - Åndalnes - Parkplatz am Romdalsfjorden vor Ijsfjorden

    Bis Bjørli ist die Strecke ziemlich langweilig, sodass ich zügig fahren kann, ohne in tiefere emotionale Achterbahnen zu gelangen. Es gibt Erinnerungen an vorherige Reisen über die E6, freundliche Begegnungen auf Rastplätzen, günstiges Tanken für 1,70€/ltr, und wieder mal ein paar Sonnenstrahlen.

    An einer Tankstelle ist ein offener Wasserhahn, dann kommt die erste öffentliche Überschlagung vom versteinerten, verengten Flußbett des Rauma. Direkt neben dem blauen Bus sozusagen. Und mit dem Zusammenrücken der Felsenhänge, die erst bewaldet und dann kahl werden, kommen die Wasserfälle immer näher, höher, intensiver.

    Es ist sozusagen ein Übermaß an Wasserläufen, die von links und rechts, von vorne und hinten über mich hereinbrechen. Mich umzingeln, zu erschlagen drohen, meine Bereitschaft zur Aufnahme einer solchen Vielzahl von bewegten Bildern überfordern.

    Ich bekomme Bauchweh, denn gleichzeitig finden sich vor meinen Augen die Opfer anderer Versuche wieder, in dieser Übermacht leben zu wollen. Ruinen von Häusern und anderen Wohnformen säumen die Straße. Und die, die geblieben sind, wirken klein im Anblick der mächtigen Wände voller schlangenförmiger Wasserflüsse, die sich herabstürzen.

    Sicherlich, aus dem emotionalen und räumlichen Abstand einer Nacht am Fjord, kann das Ganze sich relativieren, wenn nicht für mich hier ein besonderer Beginn liegen würde. Ich habe das Glück, tatsächlich auf dem Handy Fußball gucken zu können, dabei zur Beruhigung der Nerven eine halbe Flasche Spätburgunder zu einer Tüte Chips in mich hineinzustreuen, aber mit der unglücklichen Niederlage von Kroos & Co kommt jetzt auch keine Entspannung auf.

    Dann eine eisigkalte, regentrommelnde Nacht, der ich mit zeitweiser Standheizung entgegenwirke, während gleichzeitig unglückliche Träume mich heimsuchen.

    Als ich verspätet aufwache, liegt die Hundeschnauze neben mir. Im grünen Wasser des Fjords spiegelt sich das gegenüberliegende Ufer mit den Bergen, die eine zarte Schneehaube tragen, während sich gleich einem Schal, Wolken in die Spitzen der dunklen Tannen gelegt haben.

    Hier beginnt nach einer einwöchigen Anfahrt der erste Teil unserer Küstenwanderung. Bisher nur Theorie soll jetzt Wirklichkeit von einer Idee werden, deren Umsetzung ferne von irgendwelchen Planungen liegen. Ein bisschen Bauchziehen habe ich dabei, ob mir das wirklich gelingen mag, was ich mir gewünscht habe.

    Entlang des Meeres zu fahren klingt simpel, aber selbst an der Ostsee wird das nicht immer einfach. Ich nehme Flüsse in ihrer Länge aus meiner Planung, denke aber, dass ich ihren Mündungstrichtern schon ein Stück folgen werde, denn letztendlich vermischt sich ja ein bisschen Meer mit dem Fluss.

    Bei Fjorden ist das eindeutig, die sind - wenn auch manchmal tief im Land - begrenzt, obwohl in ihnen ja auch so mancher Fluß endet. Ich möchte weitgehend auf Brücken und Fähren verzichten, sofern das möglich ist. Und werde zahlreiche Sackgassen wohl mitnehmen müssen, um tatsächlich das befahrbare Festland zu erfassen.

    Die große britannische Insel gehört für mich ebenso dazu wie Island und vielleicht sogar Grönland. Sizilien oder Kreta, die vorgelagerten Inseln wie Korsika, Gotland und Sardinien. Ich weiß noch nicht, wie weit ich diese Ausdehnung tatsächlich für sinnvoll halte, und habe auch das Glück, nicht jetzt alles entscheiden zu müssen. Aber ich wollte dir die Gelegenheit geben, mal das mögliche Ausmaß meiner Träume zu überschauen.

    Und natürlich ist die Frage, ob das zeitlich in meinem Leben zu schaffen ist. Vielleicht hätte ich eher vor acht Jahren damit beginnen sollen. Aber besser jetzt als nie. Und - egal wie weit ich komme - Hermann Hesse hat im Gedicht 'Stufen' dazu Folgendes gesagt,

    "Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne
    Der uns beschützt und der uns hilft, zu leben
    Wir sollen heiter Raum um Raum durchschreiten
    An keinem wie an einer Heimat hängen
    Der Weltgeist will nicht fesseln uns und engen
    Er will uns Stuf' um Stufe heben, weiten."
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