• Holzcamper

    22–23 lug 2024, Norvegia ⋅ ⛅ 20 °C

    DAY 25 TOUR DE EUROPE
    (Fahrtstrecke 66 km)

    Tautra - Brønnøysundbrücke - Klippfisch AG/Bagger - Brücke - Brønnøysund - Horn - Fähre - Høyholm - Vevelstad - Forvik - Tjøtta - Campingplatz Ottersøy - Hamnes - zurück zum Parkplatz nahe dem russischen Kriegsgräberfriedhof

    Als ich durch die Tür der Rezeption reinschaue, blicken wir uns an. Für einen Moment meine ich, dass wir uns kennen, aber wir sind einander nur freundlich gesinnt. Was das ausmacht. Ja, sie haben den Campingplatz 2019 übernommen, der alte Lehrer kommt fast jeden Tag auf einen Schwatz vorbei, ich werde ihm deine Grüße ausrichten.

    2017. Wir kommen Mitte Oktober von den Lofoten zurück. Ein Sturm peitscht über die Insel, wir fragen nach einer Unterkunft. Er würde sie uns für 50 Euro am Tag geben, und klar, unser Freund Mogli @Marcus Breitfeld könne auch gerne hier wohnen. Für ihn ganz besonders ein Paradies mit heißer Dusche für seine schulterlangen Dreads, wlan zum Arbeiten, eine Heizung gegen die Kälte.

    Hier war die Geburtsstunde für unser erstes Buch, hier haben wir gesehen wie ein Elch auf der stillen Straße ein Auto anhält, hier haben wir eine wunderschöne Nordlichtnacht verbracht. An dem alten Haus gegenüber gab es einen Briefkasten, der ab und zu geleert wurde. Und am letzten Abend im Gemeindehaus eine Bürgerversammlung.

    Heute kann ich mir das alles gar nicht mehr vorstellen und denke, es liegt vielleicht an der wuseligen Sommerzeit. Aber das ist es nicht nur. Mit den Jahren, die sehr schnelllebig sind, fallen manche Situationen, manche Menschen einfach durchs Raster. Sie wirken nicht mehr zeitgemäß, auch wenn wir uns sehnen nach dem Guten, nach dem Alten, dem Gestern der Hoffnung, unserer Jugend.

    Denn immer waren wir jünger, als wir es heute sind. Im Herbst ist es ruhiger, im Winter wird es still. Ja, sagt der Niederländer, der den Platz übernommen hat, sie möchten in Norwegen sterben. Nein, das hat er nicht gesagt. Sie wollen bleiben, haben ein Haus gebaut, werden hier in Rente gehen. Aber übers Sterben spricht man nicht, der Tod in der Ferne, die nicht Heimat werden kann, da liegen so viele Unwägbarkeiten drin, das mag man nicht berühren wollen.

    Und doch sprechen die Menschen so oft darüber. Nicht nur, wenn sie alt werden. Ich gucke nach der Hütte, die ganz still am Wasser steht, nehme Abschied. Denn jetzt ist es klar, an all diese Orte werde ich nicht mehr zurückkommen, die Menschen werden bleiben, und ich werde gehen. Es wird sicher Ausnahmen geben, aber das sind die Besonderen, die mir ins Herz gewachsen sind.

    Ich nehme aber auch Abschied vom Land, in dem ich jung war. Das mache ich seit Beginn unserer Reise, vielleicht ist es jetzt eben endgültiger. Brønnøysund am Sonntagmorgen, schon um sieben Uhr bombardiert uns die Sonne am Meer, wir fahren bis zum Ende des Landes, über die Brücke und zurück. Horn am anderen Ende, die Fähre ist schon da, aber sie frühstücken alle noch. Fast nur Norweger sind morgens früh unterwegs. Mein Sohn fragt, wie weit ich gedenke, noch weiter nach Norden zu fahren.

    Er kennt mein Zeitfenster, unsere finanzielle Situation, macht sich Gedanken um den alten Bus. Es ist eine Frage, wie ich nach Westen fahren kann, ohne diese Monstertunnel zu benutzen. Und wo ich genauso einfach rüber nach Schweden komme. Und es zeichnet sich eine Lösung ab, ganz überraschend, sehr kurzfristig.

    Überhaupt die einzige Möglichkeit, wenn ich nicht einen riesigen Bogen fahren will. Das ist alles ein bisschen plötzlich, aber ich muss auch sagen, dass dieses schroffe, steinige Land, Hilde und mich im Spaziergang sehr einschränkt. Privatweg und Steinstrand, Berge und Schafe sind unsere Kontrahenten, da wird es Zeit für einen Seitenwechsel.

    An der Fähre treffe ich zwei belgische Radfahrer auf dem Weg zu den Lofoten. Von dort kommen täglich Dutzende, die meisten sind in Eile. Hundertzwanzig Kilometer im Schnitt, heute müssen sie schnell sein, um Wartezeiten an den Fähren zu vermeiden. Wir biegen von der Durchgangsstrasse nach Høyholm ab, das näher am Wasser liegt. Halten im Schatten auf dem Parkplatz in Vevelstad zwischen Heimatmuseum und Friedhof an. Auf der langen Dorfstrasse passieren wir eine alte Dame mit zwei Stöcken, die bedächtig auf dem Weg zur Kirche ist. Es ist Sonntag.

    Wir suchen Schatten. Hier und später am Nodvikahavn. Ich bin spät dran mit Schreiben, und zu früh, um Neues zu erleben. Weil sich die Bilder sonst überlappen, was mir zuviel ist. Auch Hilde ist so arg unruhig, dass ich sie anbinde, sodass sie nicht jeden Passanten kommentieren muss. Wir stehen in Hamnes am ersten Parkplatz in Norwegen, neben dem das kleine Wäldchen voller Müll liegt. Offensichtlich werden hier kurze Wege benutzt, um sich zu erleichtern, in dem man die Umwelt beschwert.

    Aber wir haben Schatten. Und ich kann die Welt nicht mal ansatzweise ändern. Später spiegelt sich der sonnenbestrahlte Berg in einer Pfütze wie ein Versprechen. Wir fahren zurück nach Tjøtta, wo wir einen Parkplatz zum Schlafen gesehen haben. Dort stand schon der selbstgebaute Camper einer holländischen Familie, die einen interessanten Blog haben, den ich hier verlinke @thewoodentraveler

    Kaum sind wir angekommen, parkt uns gegenüber eine Schweizer Familie aus Luzern, mit der wir lange reden. Wir treffen uns am Strand. Tatsächlich gibt es hinter der grasbewachsenen Böschung am See eine Art Strand. Eine Form von Sand zwischen häufig muschelbewachsenen Steinen und nassen Algen, zwischen denen Hilde manche Geheimnisse vermutet, gar einen ganzen Krebs findet.

    Da wir alleine sind, lasse ich sie rumstrolchen, bis sie so erschöpft ist, dass sie darauf drängelt, zurück zum Bus zu gehen. Noch lange sehe ich den Abend über den Seen schlafen gehen. Obwohl ich so komplett erschöpft bin, kann ich nicht vor Mitternacht schlafen.

    Träume entsprechend schlecht, und werde von der frühen Sonne geweckt, die von den wandelnden Wolken bald verdeckt wird. Als ich mit Hilde rausgehe, beginnt es leicht zu regnen. Später kommen Schafe aufs Gras vorm Fenster, die Übernachter fahren alle früh ab. Beim Aufräumen finde ich an der Windschutzscheibe unterm Wischer eine liebe Nachricht der Schweizer, ich bin sehr berührt. Ob wir uns je wiedersehen.

    PS: Mein Sohn hat jetzt das Konto überprüft, ich bin überwältigt von den vielen Spenden. Einigen kann ich nicht persönlich danken, weil sie wohl über unsere Geschichten kommen. Deshalb möchte ich das hiermit tun! DANKE
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