• Vinstra

    Jul 28–29, 2024 in Norway ⋅ ⛅ 12 °C

    DAY 31 TOUR DE EUROPE (Fahrtstrecke 248 km)

    Ulsberg - Abzweig E3 - Kvikne - Alvdal - Atna - Abzweig 219 - Abzweig 2204 - Abzweig 385 - Storfjellseter - Friisbua - Ringebu E6 - Hundorp - Parkplatz bei Vinstra

    Die beiden großen E's tragen gegensätzliche Emotionen in sich. Ferne und Heimat, Illusion und Wirklichkeit. Auf der 6 und der 3 fährst du entweder nach Norden in Richtung solcher illustren Ziele wie Lofoten und Nordkap, oder in den Süden. Oslo, Kopenhagen, Hamburg, und weiter fächert sich das auf in die europäischen Länder.

    Durchaus reizvolle Ziele, wenn man in einem Bus lebt, aber für die meisten Reisenden geht es nachhause. Wir freuen uns, drauf, sagt das ältere Ehepaar aus Potsdam, das ich auf einem Parkplatz treffe. Einmal im Jahr zum Angeln nach Norwegen. Zwei Wochen. Jetzt haben wir wieder genug Fisch.

    Zuhause ist Familie, Haus und Garten, die Enkel freuen sich auf uns. Wir haben viel zu tun. Sie hätten die Reise auf die Insel seit einem Jahr geplant, erzählen die beiden Männer am Morgen, und nächstes Jahr wollen sie an den Gardasee. Dabei leuchten ihre Augen. Sie sind meine Nachbarn in Berkåk, beide um die 60 Jahre alt mit ihren jüngeren Frauen. Der Schwager war schon immer unterwegs. Kohlenmine in Grönland, Lastwagenfahrer durch Mitteleuropa, er spricht ein wenig Deutsch.

    Und dennoch ist das hier eine besondere Reise in ihren Wohnmobilen, die sie lange vorbereitet haben. Ein paar Wochen im Jahr. Urlaub von der Arbeit. Und trotzdem mit der Familie unterwegs. Darüber denke ich oft nach. Wie es gewesen wäre, wenn...Natürlich habe ich auch Versuche gestartet, ein, wie auch immer, bürgerliches Leben zu führen. Einzig, mir fehlen die Fähigkeiten, die Voraussetzungen dazu.

    Ich wollte immer weg, und zurückkommen war mir zwar nicht ein Graus, aber nie eine große Freude. Rechts und links der Straße, manchmal versteckt hinter Bäumen oder in einem Tal, auf einem Berg, am Ende der Straße. Es ist müßig, darüber nachzudenken, ob ich dort hätte, würde leben können. Aber der Gedanke überfällt mich schon manchmal. Wie gut es Hilde gehen würde, wenn sie auf einem Hof mit Wiesen drum herum sein könnte.

    Vielleicht. Vielleicht auch nicht. Denn wir leben ja in diesem alten Bus. Als wir am Abend vom Spaziergang kommen, bellt sie geradezu euphorisch unser Zuhause an. Das hat sie noch nie getan. Ja morgens, wenn wir los fahren, dann sind ihre Beller kleine Juchzer vor Freude, dass es wieder weiter geht, auch das macht sie erst seit zwei, drei Jahren.

    Und ich. Die Reise über die E6 und heute über die E3 stimmt mich traurig. Es fühlt sich wie das bekannte Ende einer Reise an, so wie früher, als ich noch gearbeitet habe. Dabei ist das doch jetzt nur eine Richtung. Du fährst Nachhause schreibt mir Mancher, weil mit Zuhause Deutschland verbunden ist, Braunschweig, die Kinder. Es ist lediglich ein Ort, ein Land, ein Zustand. Auch eine Freude. Natürlich freue ich mich, die Kinder und Enkel zu sehen. Weniger freue ich mich auf die Ärzte, die Notwendigkeit des Alters.

    Zuhause ist der blaue Bus. Und das wiederum ist ein Privileg des Reisen, des dauerhaften Unterwegsseins, dass unser Zuhause immer ganz in der Nähe ist, sozusagen unser Lebensmittelpunkt. Der Ort des Rückzugs vom Draußen, vom Regen, Sturm und der Sonne, aber auch von der menschlichen Unruhe um uns herum.

    Tür auf, Tür zu. Hier was kramen, dort was anders legen. Mittlerweile ist es längst 22 Uhr durch, und der ältere Norweger hinter uns macht einen Lärm. Mal geht er weg, mal sitzt er am Lenkrad, dann beginnt er wieder mit der Odyssee der Türen. Ich würde gerne schlafen, aber seine Unruhe überträgt sich.

    Als er endlich hinten in seinen Kastenwagen klettert, die Türe schließt, kann ich nur hoffen, dass der Schlaf bald kommt. Am Morgen steht sein Bus immer noch hinter uns, er konnte die Fenster nicht verdunkeln, aber zum Glück kommt hier unten bei Vinsta die Nacht mit ihrer Schwärze, allerdings bleiben die Lampen auf dem Parkplatz ziemlich hell. Aber wenigstens scheint es so, als habe er schlafen können.

    Wir hätten auch auf der E6 bleiben können, aber letztendlich bin ich glücklich über den Umweg der E3, die durch den bewaldeten Osten Norwegens führt. Mitten in die größte Population von Elchen. So ist zumindest die Werbung am Straßenrand, kurz bevor wir ins Gebiet der Rondane nach rechts, also zurück zur E6 abbiegen.

    Sofort verkleinert sich sie Straße, verringert sich der Verkehr, steigt die Höhe an. Letztendlich auf 1133 Meter, rund um uns herum das Blöken der Schafe, Kühe kreuzen unseren Weg, die Baumgrenze haben wir überschritten. Moose, Steine und Seen, drei Möwen. Das Plätschern der Flüsse, der beständige Wind, das Rauschen vorbeifahrenden Autos.

    Wir brauchen Stunden für 60 km, und ich bin verwundert, dass ich noch nie hier oben war. Denn immerhin habe ich 1972 im Tal in Hundorp bei der Familie meiner Freundin gewohnt. Aber niemand kam auf die Idee, mir dieses stille Land zu zeigen.

    Eindrucksvolle Bilder und Texte findest Du über diesen Link.

    https://www.visitnorway.de/reiseziele/ostnorweg…

    Wikipedia erklärt uns, "Rondane liegt östlich des Gudbrandsdalen in den Kommunen Dovre, Sel, Nord-Fron, Sør-Fron, Ringebu, Folldal und Stor-Elvdal im Fylke Innlandet.

    Rondane ist ein typisches Hochgebirge mit ausgedehnten Hochebenen und 10 Gipfeln über 2.000 m. Im zentralen und nördlichen Teil finden sich die höchsten Berge. Die höchsten Gipfel bilden Rondslottet (Rondaner Schloss) mit 2.178 m, Storronden mit 2.138 m und Høgronden mit 2.118 m Höhe. Der niedrigste Punkt liegt unterhalb der Waldgrenze, die hier mit 1.000 bis 1.100 m Höhe für Nordeuropa sehr hoch liegt, was an dem milden, aber auch sehr trockenen (500 mm Niederschlag pro Jahr) Klima liegt. Im Süden des Parks befinden sich flachere Hochebenen.

    Die Landschaft wird durch Berge und Täler deutlich geteilt... Zwischen den steil abfallenden Hängen dieses Tals liegt der schmale See Rondvatnet, der auch die Mitte des Parks bildet. Von ihm aus können alle über 2.000 m hohen Gipfel in weniger als einem Tag zu Fuß erreicht werden.

    ...An manchen geschützten Talhängen finden sich aber feste Schneefelder. Weit verbreitet finden sich Toteislöcher als Überbleibsel der Eiszeitgletscher. Weiterhin prägen eigenartige kleine Hügel die Landschaft. Diese Esker wurden in den abschmelzenden Gletschern durch die Grundmoräne gebildet."

    Alles Theorie. Du musst dort gewesen sein, dann weißt du, warum du immer wieder kommen wirst. Und vermutlich siehst du erst beim Wandern, in welcher unglaublich schönen Welt du unterwegs bist. Für mich ist es ein erstes Hineinschnüffeln gewesen, dem vielleicht die ein oder andere Übernachtung folgen könnte.

    Wir waren auch nur im südlichen Teil des Nationalparks unterwegs, die spektakulären Highlights hebe ich mir für später auf. Später. Was für ein Wort. In Hundorp kaufe ich ein, schaue mir die imposante Kirche am Friedhof an, während die E6 im Gudbrandstal durch Tunnel gleitet, die ich möglichst umgehen will.

    Das bringt mich dann tatsächlich an den unruhigen Stellplatz oberhalb von Vinstra, der emsig aufstrebende Kommunalort der Region. Hier gibt es die weiterführenden Schulen, die administrativen Büros der Gemeindeverwaltung, die eilige E6, der man einen Versorgungsplatz für Lkws und Wohnmobile anbietet.

    Am Samstagabend werden die schicken Autos spazieren gefahren, mit weithin röhrenden Motoren, hohem Benzinverbrauch, für den gleich die Tankstelle nebenan ist. Man schläft im weitläufigen Hotelbereich uns gegenüber, und speist mit Peer Gynt im romantischen Ensemble, das jetzt wieder für die Frühstücksgäste hell erleuchtet ist.

    Im Tal quert eine alte Eisenbrücke die früher stark befahrene Landstraße, die einstige Nordsüdverbindung zwischen den Hügeln, die das Tal einschließen. Hier war ich mal Zuhause, in einer Zeit, in der dieser Begriff mir auch schon nichts bedeutet hat. Halt ein Ort wie viele Orte, die mir im Laufe meines Lebens begegnet sind.

    Ohne Trauer, eher mit einem schönen Gefühl behaftet, das nicht nur aus der Erinnerung stammt, die ja vieles im Leben in farbigen Tüchern birgt. Hilde reckt sich, ich habe mich gerade im Bus "geduscht", gleich schauen wir mal, wo es gut riecht. Nicht wahr, Hilde, da wartest du schon drauf.
    Read more