• Die beiden Schwestern

    5–6 août 2024, Norvège ⋅ ☁️ 15 °C

    DAY 39 A JOURNEY ALONG
    THE COASTLINE OF EUROPE
    (Fahrtstrecke 133 km)

    Über die 44 nach Rekefjord zum Tanken und die 14 km zurück zum Rastplatz - Abzweig nach Mong und zurück zu 44 - Abzweig nach Birkefeld über die 33 - Nesvåg - Rekefjord - 44 Hauge i Dalane - Sogndalstrand - Abzweig Bu - zurück auf 44 - Åna Sira - Abzweig 469 bis Fähre Andabeløy - zurück auf 44 - Flekkefjord - E39 - Flikka - Tronvik

    Es ist der Tag des blauen Wassers, der kleinen Dörfer und Straßen, der großen Felsen und der Einsamkeit, der vielen Menschen und der Autos. Es ist Sonntag, vielleicht der Beginn des Urlaubs oder der Tage mitten drin.

    Es ist einer der Tag, an dem mir die Pärchen besonders auffallen. Zu zweit sein. In seiner eigenen Welt. Also der Teamwelt, die nach außen sichtbar wird, deren innerer Zusammenhalt aber manchmal zu bröckeln scheint. Vielleicht erahne ich es eher, als dass ich es weiß.

    Alleine zu leben, setzt die Möglichkeit frei, auf eine besondere Art zuzuhören, zuzusehen. Oft sind es nur Sequenzen, eine Frage, keine Antwort, eine plötzliche Leere, die im Raum stehen bleibt.

    Ich begegne einem dunkel gekleideten Radfahrer dreimal. Und einmal hätten wir die Gelegenheit gehabt, miteinander zu reden. Aber er ist mit seinem Rad beschäftigt, nur einen Blick vom Bus entfernt. Da wo die Seerosen das Wasser am Ufer bedecken. Ich habe angehalten, aber er hat sich abgewandt.

    Später unten am Berg hat er sehr gekämpft mit der steilen Straße, dem schweren Rad, vielleicht seiner Erschöpfung. Oben haben wir lange gewartet, aber vielleicht hat er sich an einen See gesetzt und ausgeruht. Mit dem Rad, zu Fuß bist du noch dichter dran an der Natur, aber viele sind sie in einem Tunnel, wenn sie mir begegnen.

    In voller Konzentration sehen sie weder mich noch sonst was? Ich würde ihnen gerne meine Bewunderung zuwinken, aber ihre Zielsetzungen zwingen ihr Leben anscheinend zu dieser Fokussierung. Vielleicht bin ich auch einfach nur draußen, gehöre als Autofahrer zu diesem anderen Genre der Umweltverschmutzer.

    In and Out. Abgrenzung. Gegen jedermann, gegen sich selbst. Ich will nicht behaupten, dass Radfahren einsam macht, oder Autofahren, Wandern. Aber es gibt schon eine deutliche Tendenz dazu. In der virtuellen Welt sind wir zusammen, in der persönlichen werden wir uns vielleicht nie begegnen.

    Dabei sind wir an so schönen Orten unterwegs. Das blaue Wasser, die grauen Felsen, der bunte Farbenumschlag der Häuser. All das macht doch was mit mir. Endet das nur in leblosen Bildchen, in Erinnerungen einmal später in unserem Leben.

    Für mich mag es kein Kraftakt sein, in dieser Welt unterwegs zu sein. Obwohl die engen Straßen mit den wenigen Ausweichstellen gerade in den Begegnungen äußerste Konzentration bedeuten. Die Straße, auf der ich dem dunklen Radfahrer begegnet bin. Vor jeder Kurve, in allen kleinen Orten, dazu die Warnhinweise auf spielende Kinder. Gerade an einsamen Gehöften. "Barn leker".

    Tatsächlich möchte ich gerne unterwegs mit anderen Menschen reden. Sie sind eine Bereicherung für mich, mit ihren Gedanken, ihrer Sicht der Dinge, vielleicht auch mit ihren Ängsten und Sorgen, ihren oft hilfreichen Tipps zu besonderen Zielen.

    Unsere virtuelle Welt gibt uns den Eindruck, dass an jedem Ort schon mal jemand war. Trotzdem sind wir der Überzeugung, dass wir diesen Wegkreuzungen unseren individuellen Stempel aufdrücken können. Sonst macht Reisen doch auch wenig Sinn. Trotzdem gibt es Ziele, die vielleicht nur ein anderer Mensch kennt. Gehen Sie mal dorthin, das ist ein ganz besonderer Ort, höre ich immer mal wieder.

    Und stehe ich staunend ob der Schönheit dort, die sehr individuell ausgeformt sein kann. Gestern abend sagt Jeremy, mein Nachbar auf dem Parkplatz, dass es doch toll ist, wenn wir heute Kontakt mit Menschen halten können, denen wir unterwegs begegnen.

    Auf seinen früheren Reisen waren Begegnungen immer mit dem Makel behaftet, dass sie einmalig geblieben sind. Selbst wenn wir uns sehr mögen, haben wir selten die Möglichkeit gehabt, ohne eine Adresse den anderen erreichen zu können.

    1973 bin ich Andy aus den USA in Kopenhagen begegnet. Wir sind eine Weile zusammen gereist. Sein Ziel war die Welt, meins das Studium. Später haben wir oft miteinander geschrieben, da er einen festen Wohnsitz hatte, während meine Anschrift sich ständig geändert hat. Eine tiefe bereichernde Freundschaft über Kontinente hinweg.

    1998 sind wir uns noch einmal begegnet. Wieder war er in Europa, auf der Durchreise von Prag nach Frankfurt haben wir uns morgens um vier Uhr an einem stillen Bahnhof in Gemünden am Main getroffen, sind einen Tag nochmal zusammen gereist.

    Heute könnten wir skypen, aber all diese Möglichkeiten haben wir nie mehr genutzt. Lediglich versucht, den Briefkontakt aufrecht zu erhalten. Bis vor ein paar Jahren. Warum? Ich weiß es nicht, erahne es vielleicht. Möglich, dass der Schmerz zu tief sitzt, voneinander zu wissen, einander nicht mehr begegnen zu können.

    Dann ist es doch vielleicht besser, alleine zu bleiben, oder in einer unpersönlichen Begegnung sich zu begegnen. Ich habe geträumt, dass eine Frau mir begegnet, um mir von ihrer Schwester zu erzählen, die schwer krank ist, und mit der sie keinen Frieden mehr hat, sie aber aus irgendeinem Grund nicht mehr treffen kann.

    Im Schlaf begegnet mir ihre Schwester dann in ihrem Sterben, um mir für ihre Schwester mitzugeben, dass sie in Frieden sterben wird, weil sie ihr vergeben hat. Ich habe beide vorher nie gesehen, und doch verbindet uns dieser Traum.

    Es ist ein Tag voll mit blauem Wasser, grauen Felsen, pittoresken Dörfern, grünen Wiesen und Schafen, die in all dieser Schönheit einfach still ihren Kopf senken und fressen, manchmal aber mit ihren Blicken mir begegnen.
    En savoir plus