• Goch

    12.–13. Sept. 2024 in Deutschland ⋅ ☀️ 12 °C

    2.999 TAGE AUF UNSERER LEBENSREISE IM BLAUEN BUS (Fahrtstrecke 105 km/ Gesamt 363.441 km /Ø121,18 km)

    DAY 58 A JOURNEY ALONG THE COASTLINE OF EUROPE (DISTANCE 105 km/9.166km
    / Ø158,03 km)

    11.09.2024
    Wohnmobilstellplatz
    Friedensplatz
    47574 Goch
    Deutschland

    Als mir ein guter Freund heute morgen zu den 3000 Gottes Segen aus dem herbstlichen Berlin wünscht, zucke ich kurz zusammen. Auch wenn es nur eine Zahl ist, hat sie doch eine magische Komponente in sich.

    Gerade wegen Hilde's Bisamrattenbegegnung wird mir wieder bewusst, wie sehr Gott unsere Reise beschützt, denn es hätte ja auch viel Dramatischer ausgehen können. Gestern der heftige Regensturm, oder als sie mich abends fast umreißt wegen dem Karnickel. Ein alter Mann fällt nicht mehr weich.

    Es gibt so viele Ereignisse jeden Tag, in denen ich Gottes Segen erfahre. Die Nacht war kalt, und ich habe zu lange kurze Kleidung getragen. Zu lange gelegen, wach im Halbschlaf mit Sorgen und Träumen. Vom Abschied, in dem immer ein kleiner Tod sich verborgen hält.

    Wache mit Schmerzen auf und ziehe mich warm an, oft bin ich einfach nur zu spät dran. Auch wenn ich Träume habe. Die Realität ist meist viel klarer. Halb acht und die Sonne scheint. Mit der Verletzung an der Schnauze ist Hilde's Geruchsinn stärker geworden. Ständig wachsam knurrend nimmt sie fast jedes wahr, was auch nur ein Rad oder ein Bein hat, selbst wenn es noch ein Stück vom Bus entfernt ist. Und ihr Bellen ist böse geworden, sie lässt sich eigentlich im Moment kaum beruhigen.

    Ich sehe schon den kausalen Zusammenhang, und trotzdem überrascht es mich. Die ganz andere Hilde, wenn ich ihr stilles Sein mit mir zusammen so betrachte. Dieses tiefe Vertrauen ist ungestört. Sie freut sich auf Menschen, die uns begegnen, aber sucht nicht mehr ihre Nähe. Wenn sie gehen, ist ihr Ärger kurz, dann dreht sie sich weg.

    Unser Leben verändert sich. Ich denke noch an den ersten Tag, als wir losgefahren sind, an jenem 27. Juni 2016. Wie schwer es mir damals gefallen ist. Und wie erleichtert ich war, am ersten Schlafplatz anzukommen.

    Über diese ersten 365 Tage erzählt unser erstes Buch, von dem es "nur" noch eine PDF gibt, die ich gegen eine Spende per Mail gerne verschicken kann. Bei Interesse einfach eine Nachricht mit dem Betreff "PDF Band 1" senden an spaziergaenge.mithilde@gmx.de

    Und jetzt, dreitausend Tage später, ist die Freude übers Reisen, die Begegnungen, das Sehen und Erleben, die Plätze für die Nacht, immer noch da. Wir haben auf dem Friedensplatz in Goch übernachtet, eine riesige Wiese für bestimmt hundert Fahrzeuge. Trotzdem stehen wir nicht nur auf dem Photo alleine, sondern haben räumlichen Abstand zur Vollversammlung.

    Nachmittags haben wir Jarlo an einem See bei Krefeld getroffen, der netterweise einige Frischwaren für mich eingekauft hat, weil ich Hilde jetzt nicht länger alleine lassen will. Er folgt unseren Reisen schon seit einiger Zeit, und so habe ich jetzt die Gelegenheit, auch ihn ein bisschen näher kennenzulernen.

    Wie immer spannend. Also Menschen und ihre Geschichten, so vielfältig wie das Leben in all seinen Schattierungen. Auch das ist immer noch da, die Freude an Begegnungen, von denen so einige es in unsere Geschichten schaffen.

    Als wir losgefahren sind, war ich mit 65 Jahren ein junger Hüpfer in der Kategorie der weitgereisten "Camperelite". Heute bin ich vom Alter mittendrin. Aber tatsächlich gibt es weitaus vitalere Achtzigjährige, die oft an der Seite ihrer zehn Jahre jüngeren Frau, die das Fahrzeug lenkt, auf Reisen gehen.

    Ein bisschen erinnert er mich an Einstein, nur mit dem Hören ist es schwieriger geworden. Unsere Geschichten interessieren beide, besonders wenn man mal so einen Schriftsteller persönlich trifft. Das ehrt mich, obwohl ich das nicht so fühle, bin ich doch nur ein vagabundierender Erzähler von dem, was ich sehe, höre und verstehe.

    Und die besten Storys schreibt das Leben. Nicht unbedingt das Spektakuläre, das ist oft jungen Menschen vorbehalten. Aber das fast Alltägliche, das gerne erst im Rückblick, in der Erwähnung, eine besondere Note bekommt.

    In der ersten Nacht auf unserer Reise haben wir an der Lahn gestanden, dreitausend Abende später dürfte es die Lippe sein, an der wir uns verabredet haben.
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