• Werne

    25–26 sept. 2024, Alemania ⋅ ☁️ 15 °C

    3.012 TAGE AUF UNSERER
    LEBENSREISE IM BLAUEN BUS (Fahrtstrecke 136 km/ Gesamt 365.312 km /Ø121,28 km)

    24.09.2024
    Wohnmobilstellplatz
    59368 Werne
    Deutschland

    Natürlich habe ich gewusst, dass späteres Aufstehen Stress verursacht, weil ich mich "duschen" und die frischen Stützstrümpfe anziehen muss. Also ich hätte dran denken müssen, aber weil ich von meinem Vater geträumt habe, als wir alle jünger waren, dachte ich, es gäbe vielleicht eine neue Erkenntnis.

    Etwas, das ich bei ihm übersehen habe, oder damals nicht erkennen konnte. Irgendein Muster, in dem ich mich wiederhole, jetzt wo ich so alt bin wie er. Außer den Erkenntnissen, die ich eh schon habe. Die Tendenz zum Rückzug, das Aushalten können von Stille und Einsamkeit, die Neigung zu Asthma.

    Als ich aufwache, muss ich mich beeilen. Der Platz ist unruhig, und wir fahren zehn Kilometer weiter. Auf die Rückseite der Marina Rünthe, an einem dunklen Parkplatz unter alten, hohen Bäumen. Vorne Brombeerranken, ein grünes Männchen mit Kappe, das Zähler ablesen und montieren kann, eine riesige Satschüssel über einem löchrigen Zaun, ein vergessenes Außenlicht.

    Manchmal spielt der SV gegen andere Sportfreunde in so niedrigen Klassen, dass die Nachbarn sich alle kennen. Der grüne Rasen das Herz des Viertels. Hundegebell, Hilde hebt ihren Kopf, den sie neben mir ausruht nach dem Frühstück aus Fleisch und Fisch.

    Mein Vater hat mal erzählt vom Stabhochsprung und letztens habe ich gelesen, dass Rolf Wohlshohl verstorben ist, den haben wir mal auf einem Querfeldeinrennen in Solingen gesehen. Selbst habe ich meinen Vater nie Radfahren gesehen, im Krieg brauchte man seine Beine, um zu laufen.

    Ich kann mich nicht erinnern, wie ich Radfahren gelernt habe, ich weiß nur, dass ich mit 16 Jahren von einem Autofahrer umgefahren wurde, der meine Vorfahrt nicht beachtet hat. Da kam keine Polizei, ich konnte aufstehen und das Rad nachhause schieben.

    Dass es schon damals Schutzengel gegeben hat, war mir lange nicht bewusst. Aber irgendwie habe ich das alles überlebt, damals als Jugendlicher. Und manchmal wacht eine gute Erinnerung auf. Davon leben wir später, wie von den Sonnenstrahlen, die gerade das Laub auf dem Asphalt in Licht und Schatten teilen.

    Das Mordkreuz der Mersche von Tilbeck, ich habe das Wort lange nicht verstanden, weil ich es in dieser Konstellation noch nie gesehen habe. Wir sind von Nottuln gekommen mit der Christopheruskirche im Zentrum des alten Städtchen, und ich wusste mir keine Richtung. Dann habe ich diese Historische Sehenswürdigkeit entdeckt und wollte wissen, was es ist.

    "Der Sage nach wurde die Frau nach einem Gastwirtschaftsbesuch von Landsknechten beraubt und ermordet. Diese hatten das spätere Opfer demnach zuvor in der Gastwirtschaft in einem vollen Beutel nach Geld kramen sehen und ihr daher in der Hoffnung auf reiche Beute aufgelauert. Der Beutel enthielt jedoch nur Nägel. Das Kreuz...ist stark verwittert und stammt aus dem Jahr 1164, wurde jedoch im Jahre 1764 erneuert." (Wikipedia)

    Folgende Inschrift ist zu erkennen "INRI
    ANNO 1164 ALDA BI DIG CRe.IST.RebORHReT.DAS.
    AL= =HIeeINeMeIRSCHe.TILBICK VeRMOR DeT IST"

    Inri - Jesus von Nazareth, König der Juden. Als habe sich jemand an diese Tat erinnert, die auch wie ein sinnloser Mord gesehen werden könnte. Das kleine Kreuz steht zwischen ausufernden Wurzeln alter Bäume am Beginn eines Hohlweges, dessen Sandstein ausgewaschen wirkt.

    Ich staune über die gelben Blüten am Wegesrand, hinter denen sich ein farbenfroher Pfau von https://www.lackaffen.de/
    befindet. An einem vertrockneten Maisfeld gehen wir spazieren, dem gegenüber sind Früchte gewachsen, die mich an Tomaten erinnern, was sicherlich falsch ist, weil der Acker so gewellt ist wie beim Spargelanbau.

    Hilde würde gerne in den Wassergraben dazwischen gehen, aber mein Bedarf an Überraschungen ist grade ziemlich gedeckt. Wir übernachten in Werne vorm Gradierwerk, hinter dem ein Seerundweg viel besucht ist. Kastanienzeit, die Wege werden zu einem gefährlichen Hindernislauf. Manchmal bin ich geneigt, mich zu einer schönen Kastanie runterzubeugen.

    Ich glaube, es gab eine Mark pro Kilo, damals als ich den Unfall mit dem Rad hatte, beim Tierpark, wobei das Trinkgeld als Schloßführer in Braunfels ungleich höher und deutlich leichter zu verdienen war. Zumal sich mein Taschengeld in Grenzen hielt, während die Zigaretten im Preis nicht gleich geblieben sind.

    Ach, die guten alten Zeiten. Ja, die habe ich mit den guten, neuen Zeiten getauscht. Vielleicht nicht eins zu eins, aber dennoch ist heute vieles ziemlich gut und lebenswert. Und wenn ich vergleichen können würde, dann wäre ein Tausch eher ein Verlust. Aber ich habe die ersten zwanzig Jahre überlebt, und danach war zwar nicht alles perfekt, aber in einem, wenn auch nicht stetigen, Wachstum begriffen. Fast bin ich geneigt zu sagen, dass ich mir eine Never- -ending-story durchaus vorstellen kann.
    Leer más