• Alsfeld

    28–29 sept. 2024, Alemania ⋅ ☀️ 9 °C

    3.015 TAGE AUF UNSERER
    LEBENSREISE IM BLAUEN BUS (Fahrtstrecke 91 km/ Gesamt 365.705 km /Ø121,29 km)

    27.09.2024
    Wohnmobilstellplatz
    36304 Alsfeld
    Deutschland

    Wir sind mit Carmen in Neustadt verabredet, dessen Wahrzeichen der Junker Hansen Turm ist.

    "Mit einem Durchmesser von 12,60 m und einer Gesamt­höhe von 48,80 m ist der Junker-Hansen-Turm der größte erhaltene Fachwerkrundbau der Welt.

    Errichtet wurde dieses imposante Gebäude um 1480–1483 vom landgräflichen Baumeister Hans Jakob von Ettlingen. Auftrag- und Namensgeber war Hans von Dörnberg, Hofmeister des hessischen Landgrafen Heinrich III. und seit 1477 alleiniger Pfandherr von Neustadt.

    Das Besondere am Junker-Hansen-Turm ist, dass er die vielen Kriege fast unbeschadet überdauert hat und sich außerdem ca. 90 % originale Bausubstanz erhalten haben. Dank der Wiederherstellung der historisch belegten Schieferabdeckung an der Wetterseite sowie der aufwändigen Neueindeckung des Daches präsentiert er sich heute in seinem ursprünglichen Erscheinungsbild."

    https://www.schloesser-hessen.de/de/junker-hans…

    Carmen ist deutlich jünger und macht sich immer mal auf, uns zu treffen, sobald wir durch die Gegend streifen, denn around Alsfeld ist irgendwie in der Mitte von Deutschland, also fahrtechnisch. Ich habe sie gebeten, mir einige Lebensmittel einzukaufen, da ich Hilde aktuell nicht gerne alleine lasse.

    Früher in meiner Arbeit haben wir für alte, gebrechliche Menschen Einkäufer gesucht, die sich jede Woche eine Stunde oder zwei Zeit genommen haben, die notwendigen Lebensmittel zu besorgen. Im Gegensatz zu der bezahlten Tätigkeit sind meine Helfer Menschen, die stattdessen noch Leckerlis für Hilde mitbringen.

    Am Freibad in Neustadt ist ein ziemlich offener Stellplatz, sodass wir die Spaziergänger im Blick haben. Aktuell treffen wir selten jemand, so ist es schön, den Geschichten eines anderen Menschen zu folgen. Immer wieder fallen heftige Regenschauer vom Himmel. Mal hält ein Lastwagen zur Pause, der Schulbus, und später die Eltern, die ihre Kinder noch persönlich von der Schule abholen.

    Sommer ist vorbei, schon stehen die Herbstferien vor der Tür. In Deutschland zu reisen ist anders. Frisches Wasser gibt es am schicken Terminal nur gegen Wertmarken und dann gleich im Hunderterpack. Gut gemeint ist nicht immer gut durchdacht. Und nicht allein die Vorstellung eines Bauherrn macht das Ergebnis sinnvoll.

    Im Gegensatz zum Junker-Hannes-Turm beispielsweise. Dafür hat der Stellplatz in Oberaula eine kostenlose "Quelle", die ich erst finde, als ich in der App ein Bild sehe. Trotz eines Klebeverbandes, der das Ganze zusammenhält, kommt Wasser raus. Und alleine dieses Konstrukt ist mitteleuropäisches Denken wert.

    Eine metallene Säule, vielleicht einen Meter hoch und zehn Zentimeter im Durchmesser, hat zwei Wasserhähne, die sich gegenüber liegen und nur in der Funktion unterscheiden. Der eine gibt Trinkwasser, der andere reinigt Klos.

    Praktisch, quadratisch, gut. Sozusagen die Rittersport der Entsorgungsanlagen. Vielleicht nicht unbedingt hygienisch perfekt, da kenne ich ganz andere Systeme, wo der Eindruck entsteht, dass es tatsächlich zwei unterschiedliche Wasserleitungen für verschiedene Aufgaben gibt.

    Also fülle ich die Kanister auf der richtigen Seite, wasche gleich noch meine Haare, und verschwinde im warmen Bus. Der Nachmittag sonnt sich wie gewohnt im schönsten Lichte. Wir durchfahren kleine Orte am Wegesrand, die Künstlerkolonie Willingshausen hatten wir ja schon kurz hinter Neustadt besucht.

    Jetzt ist Zeit für einen schönen Spaziergang, und da bietet sich doch geradezu ein Sonnenblumenfeldweg an. Gegenüber abgeerntete Rüben mit Rückständen von zu klein, zu dick, zu hässlich, oder was auch immer der Maßstab dafür sein mag, dass so viele Früchte auf dem Feld liegenbleiben. Hilde holt sich eine kleine Rübe zum Abendessen, die sie genüsslich unter Sonnenblumen frisst.

    Durch eine schöne Landschaft nähern wir uns sozusagen Alsfeld von hinten. Der Stellplatz quillt aus allen Nähten. Fast jeder Parkplatz ist mit Campern besetzt, die treu fünf Euro Gebühren zahlen, auch wenn sie den speziellen Komfort der richtigen Plätze gar nicht nutzen können.

    Es ist Wochenende, und wir haben den Platz mit offenem Blick hinaus zum Sportplatz und nette Nachbarn, die das Abenteuer Camperleben heute zum ersten Mal in geliehenen Fahrzeugen testen. Zwei freundliche Ehepaare aus dem Ruhrgebiet, die sich mal gleich nach unseren Beweggründen erkundigen, und beruhigt sind, dass wir aus Hobby und nicht aus Not in einem VW Bus leben.

    Sie gehen Alsfeld bei Nacht angucken, und gleich mal was Leckeres essen. Sie wären früh am Morgen weg, aber nun schlafen sie doch länger, während die ersten Reisenden schon um sechs Uhr morgens aufgebrochen sind. Wir bekommen von all dem nur wenig mit, denn wenn ich den Bus von innen verdunkele, dann bleibt uns die kleine Hülle zum guten Leben zu Zweit.

    Der Blick zum Sonnenaufgang oder nachts die Sterne, dafür müssen wir nicht auf einem Berg schlafen. Das geht zur Not auch in einer Stadt. Es hat geregnet, die Straßen sind noch nass, wir fühlen uns wohl. Das sei doch die Hauptsache, dass Menschen glücklich sein können. Denn noch leben wir in einem befriedeten Land, das kann man gar nicht oft genug betonen.
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