• Bunde

    Oct 13–14, 2024 in Germany ⋅ 🌬 9 °C

    3.030 TAGE AUF UNSERER
    LEBENSREISE IM BLAUEN BUS (Fahrtstrecke 147 km/ Gesamt 367.743 km / Ø121,36 km)

    Wohnmobilstellplatz
    Friedhofsweg
    26831 Bunde
    Deutschland

    Oft empfinde ich eine Umgebung langweilig, wenn sich mein Inneres nach Außen kehrt, sodass meine Sinne so sehr mit sich beschäftigt sind, dass die Augen das Schöne im Land nicht mehr wahrnehmen können. Aber heute bin ich mir sicher, dass das Äußere einfach so wenig Tiefe bietet, dass mir keine Bilder ins Auge springen können.

    Und dabei bin ich schon die kleinen Straßen gefahren mit den Ortschaften seltsamer Namen, die auf historische Ereignisse sich möglicherweise beziehen können. Die wenigen Blumen in den Vorgärten sind verblüht, ein paar Rosen zwischen Steinen wirken verkümmert. Viel nüchterne Wiese, kurz gehalten, diverse Zäune uniformiert.

    Das Land ist flach, dennoch wirkt es zugestellt mit dunkelgrüner Eiche, die an trüben Tagen eben nicht lustig anzuschauen ist, sodass nur die Spinner unter den Tieren sich in ihren Blättern festsetzen möchten. Überall Allergiegefahr und auch dort, wo kein Schild steht, gehen wir mit unguten Gefühlen spazieren.

    Ich erinnere mich an früher, dass mich erstaunt hat, wie lebendig die niederländischen Dörfer hinter der Grenze im Gegensatz zu ihrem sterilen Pendant gewirkt haben. Aber heute wollen wir die Landesgrenze nicht überschreiten. Erst als wir in Bunde ankommen, weiß ich, dass ich hier schon mal war.

    Und erinnere mich an Rhede, Simone und Papenburg. Die Meyerwerft ist gerade in aller Munde, ein leblos weißer Bau mit abblätterndem Schriftzug, der wie ein gefallener Pilz dem Land aufgepfroft ist. Ein Äquivalent zu dem Dunkelgrün der Eichenwälder, das jedes Haus klein und unscheinbar macht.

    In Rhede haben wir übernachtet, als Simone uns besucht hat. Heute ist nur der Schützenverein zu Gast, dessen knallende Schüsse in der Stille des Ortes lauter klingt als Rheinmetall in Unterlüß. Hilde erschreckt jedesmal, aber wenigstens ist die Wiese leer, und die Menschen haben sich versteckt, sodass sie sich endlich mal austoben kann, bis ein einzelner Schuß ihr den Spaß verdirbt.

    Es reicht, Papa, dann lass uns lieber am Friedhof übernachten. Vorher finden wir noch einen See mit Hundespaziergängern und Anglern, als gerade die Sonne ein bisschen herauskommt. Oder ist es das nette Gespräch mit einer junger Frau, der wir begegnen. Auf jeden Fall testet die Hilde die Wassertemperatur, nachdem ich vorher das Ufer taxiert habe nach verborgenen Höhlen.

    Die Sorge sitzt tief, die Wunde behandele ich immer noch jeden Abend, weil sie sich noch nicht schließt. Manchmal denke ich, dass sich so ein Ritual verselbständigt, und eines Tages ohne Behandlung ein leerer Raum in meinem Leben bleiben könnte. Mir fallen da viele Beispiele aus der Welt um mich herum ein. Vielleicht gibt es deshalb keinen Frieden, weil die Menschen nicht von ihrem Handeln und Denken ablassen wollen. Wir sind es so gewohnt.

    Nein, ich werde die Zeit anders füllen und Hilde noch mehr knuddeln, trotzdem bleibt die Vorsicht wachsam wie ein Lichtstrahl. Auch beim Friedhof gehen wir nochmal spazieren, die Gerüche sind lebendiger als ihre Nachbarn hinterm Zaun.

    Ich stolpere über ein altes Konzert mit Bob Dylan und Joan Baez.
    https://youtu.be/Nzlr6WflekY?si=7I94gttUcmKFWscs
    1976 sehe ich mich zwischen den zuschauenden jungen Menschen, gerade 25 Jahre alt, wir wollten die Welt zu einem besonders schönen Ort voller Hoffnung, Liebe, und Freundlichkeit machen.

    Und nein, ich stehe nicht vor den Trümmern meiner Vergangenheit. Mit meinen Möglichkeiten habe ich ihr all das gegeben, was aus mir heraus gekommen ist. Und jeder Einzelne ist jeden Tag gefragt, die Welt um sich herum zu gestalten. Es muss nicht immer das ganze Große sein, das ist Utopie.

    Realität ist meine Umgebung. Und wenn ich ein Lächeln auf ein Gesicht zaubern kann, dann wird meine Hoffnung deine werden können. Ist wie mit Dominosteinen spielen, nur viel intensiver. Ich zitiere hier gerne Anselm Grün.
    "Ich versuche, meinen Beitrag zu leisten, dass durch mich die Welt um mich herum sich wandelt, heller und wärmer und liebevoller wird."
    Read more