• Ochtelbur

    15.–16. okt. 2024, Tyskland ⋅ ☀️ 9 °C

    3.032 TAGE AUF UNSERER
    LEBENSREISE IM BLAUEN BUS (Fahrtstrecke 100 km/ Gesamt 367.903 km / Ø121,34 km)

    Landvergnügenhof
    26632 Ochtelbur
    Deutschland

    Spätestens an diesem Morgen im Oktober, als ich total verschnupft mich morgens räuspern muss, um Hilde zu begrüßen, denke ich, dass ich es nächstes Jahr mit den Reisezielen dringend ändern muss. Die Knie schmerzen, und ich bin froh, dass die Hilde es morgens nicht eilig hat.

    Es gab eine freundliche Einladung in Emden, aber ich fühle mich nicht gesellschaftsfähig, um jemanden zu treffen. Damit tue ich niemandem einen Gefallen. So gehe ich über Nacht auf einen Landvergnügenhof, weil die freien Stellplätze gegenüber der holländischen Küste mit freundlichen Grüßen des Straßenverkehrsamtes zu Halteverbotszonen degradiert wurden.

    Hier kann ich dem Sonnenuntergang auf einem Stück Asphaltsackgasse zusehen, und den Morgen begrüßen, während wir in der eisig kalten Nacht im Schutze des Steinhauses schlafen konnten. Bis auf ein kurzes freundliches Gespräch zur Begrüßung und zum Abschied will hier niemand was von mir. Und Hilde möchte sowieso ihre abendliche Ruhe haben, so ein Reisetag ist an sich schon aufregend genug.

    Von Bunde aus nehmen wir die Autobahn nach Leer, biegen allerdings vor dem Unterwassertunnel ab, um die Brücke über die Ems zu nehmen. Ja, man kann die Zeit nicht zurückdrehen. Wenn man Tunnel bauen kann, dann will mensch immer mehr davon. Länger, tiefer, weiter. Norwegen ist ein gutes Beispiel dafür.

    Natürlich hält so eine Brücke den Verkehr auf, und vermutlich würde sie bei der Menge der Lastwagen, die über sie donnern, auch keine lange Lebenszeit haben. Mir reicht sie aus. Solange ich weit genug gucken kann und das Tageslicht sehe, ist alles in Ordnung.

    Trotzdem müssen wir sozusagen zu ihrem Ausgang zurück, um die Küstenstrasse nach Emden zu nehmen, die nicht immer beschaulich ruhig ist, weil sie ebenfalls gut befahren ist. Das stört weder die Schafe auf dem Deich, noch die alten Schöpfwerke an der Seite.

    Und am Emsseitenkanal bei Oldersum finden wir einen Raubvogel, der gemütlich auf einem Baum hockt und sich die Biber- oder Bisamrattenkinder anschaut, die auf die Wiese am Fluß spielen. Das sieht Hilde ganz anders und bellt sie wütend vom blauen Bus an, denn nach wie vor ist die körperliche Wunde nicht geschlossen. Und bei der seelischen Verletzung vermute ich eine lebenslange Erinnerung, wenn ich an die Attacken durch andere Hunde denke, die ihr Verhalten sehr verändert haben.

    Ein Rundblick oben auf dem Deich übers Wasser am Emsseitenkanal, gerade sind Segelboote durchgeschleust worden, auf der Ems arbeitet ein Frachtschiff sich der Nordsee zu. Einige Kilometer weiter am Emssperrwerk ist der Frachter noch nicht zu sehen, aber ich erkenne in der Ferne die Windmühle von Ditzum, während die Fähre gerade vom Hafen ablegt und kurz vor uns in Petkum ankommt. Sie hat Platz für ein Fahrzeug, ob es für einen größeren Camper reicht, wage ich nicht zu beurteilen. Der mir da in der kurvigen Dorfstrasse begegnet, mag vielleicht auch nur wie wir einen Blick gewagt und für ein leckeres Fischbrötchen angestanden haben.

    Emden. Nordkai. Südkai. Immer nah am Wasser entlang, ist unser Motto. Und so kommen wir zum Außenhafen mit der Gedenkbaake für die Seebestattungen. Hier, zwischen Küstenwache, Polizeischiffahrt, und den starkmotorisierten Schleppern, legt das Schiff für die Seebestattungen ab.

    Am Ende der Straße ist ein Parkplatz, auf dem übernachtet werden darf, obwohl er als laut und lärmend in der Nacht bezeichnet wird, weil junge Männer hier Rennen fahren sollen. So sind meine Nachbarn auch schon im Greisenalter, das dem Lärm mit Schwerhörigkeit entgegen wirkt.

    Wir sehen die Borkum abfahren, auf der ich auch eines Tages nochmal auf die Insel übersetzen möchte. Jetzt kommt mir das zu früh, aber wenn ich die Nordseetour an der holländischen Grenze beende, dann würde ich das auf jeden Fall versuchen. Vielleicht als ein schöner Familienausflug, denn ohne den blauen Bus ist manches deutlich schwieriger für mich mit Hilde.

    Wir bleiben nicht am Außenhafen, sondern fahren weiter am Radarturm in Wybelsum vorbei, zum Schöpfwerk Knock, das weithin ausgeschildert ist. Auf der anderen Seite der Emsmündung in die Nordsee liegen die Windräder und Industrieanlagen der niederländischen Stadt Delfzijl, bei uns sind es weite Wiesenflächen, die sich ins Landesinnere ziehen.

    Vom sogenannten "Steg am Nordseestrand" beim Restaurant "Strandlust", den man nicht betreten darf, aber von Strandkörben aus das große, blaue Tor bewundern kann, machen wir einen Spaziergang am Wasser entlang, das auch hier den Schlick freigegeben hat, auf dem die Sonne glänzt.

    Am Deich zurück, auf dem Spaziergänger einen endlos scheinenden Weg nehmen können, fahren wir zum Landvergnügenhof auf der anderen Stadtseite. Knapp 25 km sind es, ich kaufe Schwarzbrot, Eier, Wurst und Käse, von dem ich selber nicht alles verwerten kann, aber vielleicht einen armen Wanderer zu stärken in der Lage bin.

    Falls du auf der Durchreise bist, schau doch einfach mal vorbei. Vielleicht lässt sich auch eine Übernachtung außerhalb vom Landvergnügen gegen einen Hofeinkauf arrangieren. Ich vermute mal, dass das möglich sein könnte. Auf jeden Fall füge ich dir mal die entsprechenden Verbindungen bei.

    https://www.lhv-ostfriesland.de/milchtankstelle…

    https://www.instagram.com/fennenhof_pupkes?igsh…

    In die Zwischenzeit ist die Sonne wunderschön aufgegangen, wovon du dich bei den Bildern überzeugen kannst. Ich ziehe mich jetzt an und gehe mit Hilde spazieren. Würde mich sehr freuen, von dir zu hören, ob dir der Text und/oder die Bilder gefallen haben. Vielleicht konnte ich eigene Erinnerungen bei dir wecken, so wie bei einer Leserin, die mir noch gestern Nacht geschrieben hat, dass ich sie weit in ihre Kindheit zurückgebracht habe.

    Auch wenn das Vergangene nicht immer licht glänzt, ist es manchmal wichtig, es anders einordnen zu können, um sich selber ein wenig mehr Freiraum zu schenken.
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