• Lachtehausen

    March 13 in Germany ⋅ ⛅ 5 °C

    3.181 TAGE AUF UNSERER
    LEBENSREISE IM BLAUEN BUS (Fahrtstrecke 190 km/ Gesamt 386.355 km / Ø121,45 km)

    Wohnmobilstellplatz (frei)
    Nienhagen
    Deutschland

    Das Beste kommt zum Schluß, so sagt man gerne mal so lapidar, ohne sich über die Folgen im Klaren zu sein. Nach der fünf Tage dauernden Odyssee habe ich schon geglaubt, dass ich sie unbeschadet überstanden hätte, doch beim abendlichen Blutdruckmessen spüre ich, wie sich der Herzschlag verändert. Es ist fast ähnlich, wie wenn man eine Decke über den Kopf zieht dass alles gedämpft wirkt, ich leicht weggetreten wirke.

    Vorhofflimmern ist da, just zwölf Stunden vor dem nächsten Betablocker, den mir der Kardiologe wieder verschrieben hat. Ab morgen wäre ich wieder geschützt gewesen. Nun ja, am nächsten Tag ist die Sinuskurve wieder regelmäßig, die Anspannung läßt nach, wir wachen spät in Nienhagen auf, die Sonne ruht schon in den Ästen.

    Da lag sie ja auch an jenem Samstagmorgen, als ich auf dem Gehsteig umgefallen bin. An einer Wegkreuzung schreibe ich die letzte Geschichte im warmen Sonnenschein, dann kommt mir die gute Idee, übers Wochenende zu meiner Tochter zu fahren, weil ich da die nächste Nacht mal in einem Bett schlafen und Hilde mit den anderen Hunden übers Feld laufen kann, und immer ein Mensch da ist, der sie ggf an die Leine nehmen kann. Denn jede falsche Bewegung läßt einen heftigen Schmerz mir durch den Körper ziehen. Fast wie ein elektrischer Schlag.

    Die Nacht auf einer weicheren Matratze ist gut für den Rücken und die Gelenke, aber mehr Bequemlichkeit würde sich gleich ins Gegenteil schlagen. Sonntag abend in Braunschweig, bringen wir früh den Enkelzwerg zur Tagesmutter, geht mein Sohn mit Hilde spazieren, während ich in meinen Möglichkeiten hinterher kommen.

    Mittags ist ein Orthopädietermin in der Innenstadt von Hannover, den ich kurzfristig bekommen kann. Eine Freundin setzt sich zu Hilde in den Bus, diese bekommt einen Knochen und ist vollends beschäftigt, sodass ich die neunhundert Meter Asphalt unter meine Schuhe nehmen kann.

    Alleine der Wanderstock verändert den Eindruck von mir in einer Stadt, wo die Eile der Ruhe ihre Kraft genommen hat. Wenn Blicke erfolgen, sind sie abschätzig, fast gleichgültig, es geht mir auch niemand aus dem Weg. Stattdessen muss ich den jungen Menschen Vortritt lassen, ggf stehen bleiben.

    Zu gewohnt ist der Anblick von Pennern, dass Menschen ihr gleichgültiges Handeln hinterfragen könnten. Ich bin ein Niemand, von dem sie sich nicht aufhalten lassen. Und selbst, wenn sie bemerken würden, dass mir das Gehen schwerfällt, lassen sie es sich nicht anmerken. Das betrifft nicht nur junge Menschen, das ist gesellschaftsübergreifend.

    Und übrigens in der Eins-zu-Eins-Situation bei der Reifenreparatur ganz anders. Oder soll ich es so ausdrücken, mit dem blauen Bus und unserer Reisegeschichte, verändert sich meine Stellung in der Gesellschaft. Der Orthopäde meint, ich hätte mir beim Sturz nichts gebrochen, für die Knie schlägt er eine Operation vor, also natürlich zwei Eingriffe, die jeweils zur Folge haben würden, dass ich danach mindestens ein halbes Jahr intensivstes Training machen müsste, um bei meinem Gesundheitszustand (fett, träge, muskelschwach) wieder fit zu werden.

    Also zwei Jahre mal den VW Bus in die Ecke stellen, um danach wieder mehr Lebensqualität gewonnen zu haben. Die kaputten Fussgelenke, die verschlissen sind, so wie er sich ausdrückt, behalte ich natürlich. Das erinnert mich fatal an diese Geschichte vom Fischer, der nur so viele Fische fängt, wie er braucht, um seinen Lebensunterhalt sicher zu stellen, darüber hinaus aber sein Leben genießt.

    Der Tourist, der ihm vorschlägt, sein Unternehmen zu erweitern, um dann wieder sich auf seinen "Lorbeeren" auszuruhen, hat ihn genausowenig verstanden, wie der Orthopäde mich. Der Aufwand ( finanziell und logistisch, um Hilde adäquat versorgen zu können), den eine solche Veränderung für uns mit sich bringt, steht in keinem Verhältnis zum Ergebnis. Und zweitens sind die Einschränkungen derzeit nicht so wesentlich, dass es diesen Aufwand lohnt. Wer weiß denn schon, was in zwei Jahren ist.

    So beiß ich lieber die Zähne zusammen und schluck hin und wieder eine Ibu, dafür habe ich, so wie der Arzt sagt, die Freiheit, von a nach b zu fahren, die er naturgemäß nicht so hoch einschätzt wie neue Kniegelenke. Also verabschieden wir uns, ich befreie die Freundin von Hilde, und wir fahren zurück nach Braunschweig.

    Die Nächte sind weiterhin sehr kalt, sodass die Wiesen im Rauhreif liegen, während der Sohn mit Hilde auf dem Weg ist, sich die Beine zu vertreten. Am Dienstag müssen wir für den Kardiologentermin in den Harz fahren, allerdings stelle ich fest, dass einer der neuen Reifen Luft verliert. Perfekt

    Aber erstmal besuchen wir Freunde über Nacht. Das sind die mit dem bequemen Gästebett und der Dusche für mich, sowie dem umzäunten Garten für Hilde. Ein Abend voller Gespräche, ein reich gedeckter Tisch mit einer leckeren, heißen Suppe, eine ruhige Nacht voll erholsamem Schlaf.

    Am nächsten Morgen verlassen wir wie Diebe das Haus früh durch die Seitentür, um niemanden zu wecken. In der Nacht hat es geregnet, wir parken an einem Seitenstreifen der Waldstrasse, um zu frühstücken. Das Laub wartet getrocknet auf das Verrotten, die kahlen Bäumen wirken anklagend unterm grauen Himmel. Im Ort fahren die Menschen zur Arbeit, ich bin um viertel nach acht bei meinem Termin, der zufriedenstellend verläuft.

    Mittags eine Verabredung beim Reifenhändler, an einer kleinen Stelle hat der Mitarbeiter einen Hauch Rost an der Felge übersehen, der der Verursacher für den Luftverlust ist. Ein kleines Dankeschön in die Kaffeekasse für die kompetente und freundliche Behandlung, dann können wir endlich wieder nordwärts fahren, der Kälte entgegen.

    Denn die Prognose für Fehmarn klingt nicht so vielversprechend wie am letzten Wochenende. Temperaturen zwischen null und acht Grad sind durchaus als frisch zu verstehen. In Nienhagen stehen wir gerne, weil dort ein Park sich den Stellplätzen anschließt, ich habe ein nettes Gespräch mit einem Ehepaar, das seine Kinder besucht, und für die Zeit dazwischen, ein Buch von uns erwirbt.

    Dann messe ich den Blutdruck, und bin nicht wenig begeistert. So also beginnt der nächste Reiseabschnitt. Nach dem Spaziergang fahren wir ein Stückchen weiter auf einen kleinen Parkplatz bei einem Friedhof am Ortsrand von Lachtehausen.

    "'Aber so ein Ort ist mehr als eine Anlage mit Gräbern. Es ist ein Stück Ortsgeschichte, die von den Menschen erzählt, die dort gelebt und gearbeitet haben – und in heimatlicher Erde bestattet wurden', meint Annegret Pfützner, stellvertretende Ortsbürgermeisterin von Lachtehausen. Ein Gang über den Friedhof macht das deutlich: kaum eine Grabstelle, zu der Annegret Pfützner nichts zu sagen weiß. Dort liegen Honoratioren aus dem Dorf, Menschen, die 'n der Welt' was geworden sind, und doch zumindest zum Ende ihres Lebens wieder nach Hause gekommen, neben Landwirten und Handwerkern, die nie weit weg von der heimatlichen Scholle gewesen sind.

    Auch ein paar eindrucksvolle Bauerngräber finden sich auf der Anlage. Das sind große Familiengräber – oft nach dem landwirt- schaftlichen Hof und Familienname benannt –, meist mit einer kleinen Mauer oder Hecken- umfriedung begrenzt, in denen ganze Generationen zur letzten Ruhe gebettet werden... Auf dem Gelände, vor den Stufen zum Friedhof, steht – auf einem großen Findling, von Findlingen umgeben und geschickt bepflanzt, ein Denkmal für die Kriegsgefallenen aus dem Ort."

    https://www.cz.de/lokales/celle-lk/celle/friedh…
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