• Söhlde

    28–30 мар., Германия ⋅ ☀️ 9 °C

    3.196 TAGE AUF UNSERER
    LEBENSREISE IM BLAUEN BUS (Fahrtstrecke 27 km/ Gesamt 387.779 km / Ø121,33 km)

    Landvergnügen
    Hof im Greth
    Söhlde
    Deutschland

    Als ich ins grelle Sonnenlicht trete, schmerzen meine Augen und können durch den Schleier der Augentropfen kaum was erkennen. Ich drücke mich an der Hauswand entlang, die zum Glück im Schatten liegt, hoffe auf keine Absätze im Stein, und sehe Claus schemenhaft mir zuwinken, als ich um die Ecke komme.

    Er war in der Zwischenzeit mit Hilde spazieren gewesen und bringt uns jetzt zurück zur Schafsfarm in Söhlde, wo wir die zweite Nacht stehen dürfen. Mir ist übel auf der Fahrt. Ich war schon immer ein schlechter Beifahrer, aber mit dem Schleier vor den Augen ist es nochmal so schwierig. Hilde sitzt zwischen meinen Beinen, Augen geschlossen, Kopf auf dem Knie.

    Zuhause am Bus will sie dann auch ganz schnell rein, man merkt deutlich, wie anstrengend solche Aktionen für sie sind. Und der jährliche Ärztemarathon hat gerade erst angefangen. Sechs Stunden darf ich nicht Autofahren, bin froh, dass ich auf den Hof zwei Nächte stehen kann, Claus uns hin und her fährt, die Ärztin mir sehr positiv zugewandt ist.

    Wir haben uns zwei Jahre nicht gesehen, und sie ist überrascht, wie weiß meine Haare geworden sind. Sie ist 61 Jahre alt und kann sich kaum vorstellen, nicht mehr zu arbeiten, obwohl ihr Mann schon in Rente ist. Ich verstehe sie gut, und doch, wenn ich die Zeit zurückdrehen könnte, wäre ich gerne früher aufgebrochen, denn nach hinten heraus wird das Leben nicht unbedingt länger.

    Aber ich hatte einen ganz anderen Plan als die Ärztin, die auch ein anderes, ihr eigenes Leben hat, das sich nicht mit meinem vergleichen lässt. Kommen Sie in zwei Jahren wieder, die Werte sind in Ordnung. Als ich die Daten später in meinen Kalender eintrage, schaue ich die Jahreszahlen lange an. Sie haben noch keinen Inhalt, wirken ein bisschen utopisch, und drücken dennoch viel aus. Uns in zwei Jahren wiedersehen zu dürfen, das klingt hoffnungsvoll.

    Wir leben Tag für Tag. Mehr geht nicht. Auch wenn ich Pläne und Ideen habe, und um bestimmte, feste, medizinische Verpflichtungen herum meine Sehnsüchte setze. Was ist dein nächstes Ziel, werde ich manchmal gefragt, und niemand würde verstehen, wenn ich antworten würde, morgen früh aufzuwachen.

    Es ist noch nicht vier Uhr morgens, und die Temperatur soll noch bis fast zum Gefrierpunkt fallen, die Energie der Batterien ist so vage, ob die Standheizung anspringt. Im linken Fussgelenk habe ich Schmerzen, schläfrig denke ich, so kann ich überhaupt nicht auftreten. Und mir ist überhaupt nicht klar, woher der Schmerz kommt. Als sei ich nachts umgeknickt.

    Beim Spaziergang gestern am Feld sehe ich die Rehe wachsam zu uns hinüberlauschen, immer bereit, sofort zu starten, wenn wir unsere Haltung verändern. Sie leben hier, haben am Morgen unseren Weg gekreuzt, und warten ab. Weidenkätzchen in der Blüte, auf der Wiese eine kleine Schafherde, die schwarze Katze an der Hütte, mit dem Hund halt sich Hilde schon fernmündlich unterhalten.

    Am Tag nach Königslutter sind wir lange auf einem Parkplatz in Cremlingen. Zeit zum Lesen und Nachdenken, die nächsten Schritte planen. Als ich den Post auf Instagram setze, dass ich keine Beiträge ab April dort hinterlassen werde, bekomme ich viele Likes, sodass ich fast ins Grübeln komme.

    Veränderungen sind mit Schmerzen verbunden, und vielleicht freuen sich ja alle, dass ich diesen Schritt machen. Grundsätzlich gibt es ja genügend Möglichkeiten, unseren Geschichten weiterhin zu folgen, auch wenn der Mensch nach Gewohnheiten strebt und Veränderungen ablehnt.

    Mein Sohn bestellt noch einige wichtige Dinge für unser Leben im Bus, wir machen einen letzten Spaziergang im hellen Licht des Sonnentages, und fahren dem Untergang der Sonne Richtung Westen zu, wie sie noch lange zwischen den dunklen Wolken gleich einem lächelnden Mund die Fahrt begleitet.

    Heute gibt es Joghurt satt beim Hofladen, der mit Vanille und Schafsmilch macht mich fast süchtig. Kurz bevor wir früh am Morgen abreisen, spielt die Sonne noch Verstecken mit mir. Sie ist heute gut drauf und wird uns den Tag versüßen.
    Читать далее