• Sjøan

    Jun 7–8 in Norway ⋅ 🌧 6 °C

    Wir haben die längeren Tunnel über Soknedal umgangen. Just am Ende der Tunnelöffnung biegt unsere Straße auf die E6 wieder ein, nur einige wenige hundert Meter entfernt von einem kleinen Parkplatz, der am Ufer der Midtre Sokna bei der Korporalsbrua liegt. Eine kleine Brücke aus dem Jahr 1901, deren Straßenbelag im verwachsenen Grün der unbefahrenen Jahrzehnte liegt, seit es die Europastrasse gibt.

    Unser kleiner, wilder Fluss mündet in die Gaula, unter Lachsfischern bestens bekannt, da man auf 120km in ihr nach diesen Köstlichkeiten angeln kann. Die Gaula mündet bei Gaulosen in den Trondheimsfjord. "Die Gaula ist berühmt für ihren reichen Lachsbestand, ihre malerische Umgebung und eine starke Tradition im Flussmanagement. Sie zieht Angler aus aller Welt an und bietet unvergessliche Erlebnisse – sowohl im als auch am Wasser."

    https://www.hindrumfjordsenter.no/de/aktivitate…

    Am Mittag brechen wir vom Dovrefjell auf. Für einen Moment bleibt die Ebene noch im Blick, bevor sich die Straße dann unaufhaltsam ins Tal senkt. Viel Verkehr, wenig Zeit für die Umgebung, die entgegenkommenden Fahrzeuge sind genauso eilig unterwegs. Achtzig Stundenkilometer sind erlaubt, die musst du auch fahren, sonst werden die Lastwagenfahrer wild.

    Eigentlich schade, weil die Gegend weiterhin schön ist. Vielleicht nicht mehr so spektakulär, aber dennoch imposant. In Hjerkinn biegt die 29 nach Alvdal und weiter nach Schweden ab. Das war mal mein Plan gewesen, aber noch fühle ich mich im Norden wohl. Bei Oppdal gibt es eine Umgehung für Radfahrer auf dem Weg nach Trondheim, die als normale Straße beginnt und in eine weitgehend ausgefahrene Schotterpiste übergeht, auf der wir das einzige Fahrzeug sind. Und froh bei der roten Kirche in Fagerhaugen wieder auf die 6 einbiegen zu können.

    Die nächste Umgehung ist um Soknedal, da stammt das Bild mit dem Baum, und das mit dem Fromage du Chevre her. Also Ziegenfrischkäse auf Zwieback, das ich auf einem Parkplatz vorbereitet habe, wo wir spazieren gegangen sind, und wo ich den Navi auf Melhus eingestellt habe. Dort sollte es kurz vor Trondheim, und nicht fern von der Mündung der Gaula, einen bezahlbaren Stellplatz geben.

    Doch kaum habe ich mein Brettchen leer gefuttert, sehe ich kurz nach der Tunnelöffnung, bei der wir wieder auf die E6 einbiegen, diesen kleinen Parkplatz, auf dem ein kleiner Camper und ein Wohnwagen gerade Platz nehmen. Zwei ältere, dänische Ehepaare. Die Männer bauen oberhalb vom Wasser ihre Sitzgarnituren auf, damit die Frauen, eingewickelt in warme Decken, dort ihr Kaffeekränzchen haben können, bei dem sie ihr Strickzeug gleich zwischen die Hände nehmen, und mir zunicken, als ich mit Hilde oben über dem Wasser zu ihnen hinblicke.

    Derweil sind die Männer gleich zu einer kleinen Wanderung aufgebrochen, und setzen sich anschließend mit einer kleinen Flasche Bier an den Tisch, während die Frauen längst im warmen Wohnwagen verschwunden sind. Leider kann ich es den Männern nicht gleich tun, die körperlich viel vitaler sind, sondern muss mit Hilde an der Straße entlang laufen, wo der Widerhall des permanenten Verkehrs unsere Sprache verschluckt und uns furchtbar erschreckt. Hilde zieht, ich bin genervt, mein Rücken sticht mir ins Gehirn, dort bei dem überraschend hellen Farnkraut drehen wir um, aber der gegenüberliegende Hang, wo die beiden Männer in den Wald verschwunden sind, geht mir zu steil bergauf. So schauen wir noch ein bisschen am Fluß entlang, als eine Frau aus ihrem Auto aussteigt und ihre Katze spazieren führt. Der armen Hilde bleibt heute gar nichts erspart.

    Fünf alte Menschen treffen sich auf einem Parkplatz, und vermutlich liegen wir vom Alter ziemlich nah beieinander, aber trotzdem trennen uns Welten. Andere Lebenswege führen dazu, dass wir uns eigentlich nichts zu sagen haben, obwohl wir vielleicht ähnliche Lebenserfahrungen haben. Und dass ich vielleicht mit einem Tee zu ihnen rübergehe und frage, ob ich ihnen Gesellschaft leisten kann, steht in keiner Überlegung.

    Diese Reise ist anders. Ich sage sonst immer, dass ich die Menschen am Abend brauche, um mit ihnen zu reden, weil ich den Tag über alleine bin. Stattdessen habe ich vielleicht mit einem halben dutzend Menschen einen Smalltalk tagsüber gehabt, und die Unterhaltung an der norwegischen Grenze war vermutlich das längste Gespräch dabei.

    Gestern abend habe ich ein wunderschönes, sehr aktuelles Konzert mit einem meiner Lieblingsgitarristen auf dem Handy gehört, was für Feinschmecker zum Banausentum zählt. Warren Haynes sieht man seine 65 Jahre auch nicht an, die Musik ist vital wie das Leben, auch wenn seine Töne rauher klingen als meine sanften Wege sich gerade anfühlen.

    https://youtu.be/AiDteZuEeB4?si=_HR06T6Nz12jvEyn

    In der Nacht regnet es. Nicht viel, aber beständig, sodass am Morgen Pfützen auf dem Platz stehen. Wir werden heute Trondheim weiträumig umgehen, und in Steinkjer werde ich eine Entscheidung treffen müssen, wie unsere Reise weiter verläuft.

    Ach ja. Gestern vor acht Jahren habe ich ein Profilbild bei Facebook eingestellt, an das mich Meta gerade erinnert. Ein schöner Stellplatz unter den Bäumen auf dem Campingplatz in Isny in der Abendsonne, als der Bus noch richtig unschuldig aussah, und sein Dach sich noch öffnen ließ.
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