• Gunung Inerie

    June 4, 2023 in Indonesia ⋅ ⛅ 25 °C

    Wir kamen am frühen Abend in Bajawa an. Als Erstes sprang uns der Gunung Inerie ins Auge. Mächtig erhebt sich dieser perfekt kegelförmige Vulkan 1150 m etwas hinter Bajawa in den Himmel. Ich wusste bereits davor, dass ich ihn besteigen möchte, als ich ihn in sah, wusste ich, dass ich da hoch muss.

    Zuerst klapperten wir paar Unterkünfte ab, bevor wir eine passende fanden. Etwas kostspielig, doch der unglaubliche Blick auf den Vulkan überzeugte sogar mich, Geizhals das Zimmer zu nehmen. Danach gingen wir etwas essen und als ich gemütlich mein Bier trank, meinte Martina plötzlich, möchtest du nicht bereits Morgen auf den Berg, das wäre praktischer.

    Um mein verdutztes Gesicht nachvollziehen zu können, muss man vielleicht erwähnen, dass man um 1:30 morgens losgehen muss für die Wanderung. Es war 18:30 Uhr ^^
    Also gut, kurz 4 Guides auf Whatsapp angeschrieben, ob jemand in dieser Nacht Zeit hat und wie viel es kostet. Eilig das Bier fertig getrunken und Wasser, Snacks und Batterien für meine Stirnlampe einkaufen gegangen. Natürlich gab es wieder nur diese Schokoladenbrötchen als Snacks, doch die gehören schon fast zu Wanderungen in Indonesien dazu.

    19:30 im Hotelzimmer, tatsächlich ein Guide gefunden, der diese Nacht Zeit hat und sogar für einen sehr guten Preis. Top, die Vorfreude steigt, doch jetzt ab ins Bett in 6h geht es bereits los. Wie vor jedem Berg, auf den ich hochgehe, kann ich nicht richtig schlafen, dieses nervöse kribbeln in mir, lässt mich nur tranceartig im Bett liegen und etwas erholen ... bip bip bip, es ist 1:00 morgens. Im Vollmondschein ist die Silhouette des Mount Inerie unter dem Sternenhimmel gut auszumachen. Trotz der kurzen Nacht bin ich energiegeladen und hellwach. Minuten später sitze ich bereits beim Guide hinten auf dem Roller und wir düsen durch die doch ziemlich kalte Nachtbrise, denn wir befinden uns bereits auf 1300 m.ü.m. Nach zwanzig Minuten kommen wir am Ausgangspunkt (1100 m.ü.M) der Wanderung an.

    Zuerst geht es ziemlich flach durch dichten Wald und der Lichtkegel meiner Stirnlampe hilft über den verwurzelten Waldoden. Langsam gewinnen wir an Höhe, der Weg ist erstaunlich gut angelegt und schlängelt sich, wenn auch mit höheren Stufen in einem angenehmen Zigzag nach oben. Ab 1600 m.ü.M wird der Weg steiler, die Stufen merklich grösser und durch die Regensaison ist der Weg z.T. bis auf Brusthöhe eingefressen. Dadurch entstanden neue Wegspuren nebenan, die gut helfen, um den alten Weg zu umgehen.
    Es wird immer rutschiger, der Vulkanschutt lässt einen 1 Schritt nach vorne machen wieder zwei zurück. Ich schaue auf meine neue Sportuhr, die Martina mir geschenkt hat. Wir sind bei 1800 m. ü.M. angelangt. Jetzt sollte bald der richtig mühsame Teil anfange, doch es ist gar nicht so schlimm, denke ich mir. 1850M ü. m. Plötzlich ändert sich alles, zu früh gefreut.
    In von Vulkanschutt überzogenen Steinplatten wird mein Vertrauen in meine neuen Trailrunning Schuhen getestet (Martina hatte mich halbwegs überzeugt, dass Trailrunning Schuhen Wanderschuhen gleichwertig sind). Die Schuhe bewährten sich zu meiner Überraschung. Dennoch war jeder Schritt eine Lotterie, hält der Fuss oder nicht? Herausfinden kann man dies erst, wenn man Gewicht darauf verlagert. Zum Glück hatte Lorenzo mein Guide Handschuhe für mich mitgenommen. Denn unter dem rutschigen Vulkanschutt war das Vulkangestein rasiermesserscharf. So gut wie möglich versuchte ich meine Sohle auf die Rasierklingen zu setzten und nicht auf rutschigen Schutt. Die Nacht war dabei keine grosse Hilfe.

    Nach 150 qualvollen Höhenmetern flachte es merklich ab und es fühlte sich wie ein Spaziergang an bis zum Kraterrand auf 2090 m.ü.M. Durch die Nacht konnte man den Krater nur erahnen. So merkte ich auch nicht, dass wir weitere 110 Hörmeter auf den Gipfel hochstiegen. Die letzten Meter im Vollmondschein fühlten sich surreal an. Um 5:10 erreichten wir den Gipfel, nur 3 km gelaufen und doch 1150 Höhenmeter hoch. Plötzlich sah ich auf die andere Seite, wo sich der Lichtstrahl des Mondes im Meer spiegelte, unglaublich. Wir waren etwas schnell, weshalb wir nun 1h im kalten Wind schlotternd, zusammengekauert ausharren musste und mit Mühe eine Zigarette nach der andern anzündeten.

    Plötzlich stieg ein mir bekannter Geruch in die Nase. Das ist doch der Geruch von aufgeweichten Schokoladenbrötchen ... und tatsächlich, Lorenzo hatte eins ausgepackt und bot es mir freundlich an. Ich musste schmunzeln, anscheinend hat jeder ausschliesslich dies als Nahrungsmittel beim Wandern dabei in Indonesien, sogar die Locals.
    Über Lorenzo habe ich euch gar noch nichts erzählt. Er ist der beste Guide, den ich mir vorstellen konnte, wir hatten auf dem Weg nach oben lustige Gespräche und wurden schnell Freunde, auch hatte er ein unglaubliches konstantes und doch zügiges Tempo. Ich, der Schwierigkeiten hat ein konstantes Lauftempo zu halten, habe das sehr geschätzt. Es hat mit ihm echt Spass gemacht und ein guter Freund dabei zu haben ist für die Moral bei Nachtwanderungen essenziell.

    Langsam verfärbte sich der Himmel im Osten in ein unglaubliches Spektrum von rötlichen Tönen, im Westen immer noch der riesige Vollmond über dem Meer. Kurz vor 6 Uhr trafen noch eine Gruppe von Teenager aus dem Dorf und vier Touristen ein, mit einem Guide, wie könnte es anders sein, der Guide hatte Flip-Flops an. Es wäre kein Indonesischer Berggipfel würde nicht mindestens einer mit Flip-Flops oben stehen.

    Wir genossen dieses wunderbare Farbenspiel und die ersten Sonnenstrahlen, die auf meinen eingefrorenen Körper trafen, fühlten sich wie Balsam auf der Seele an. Die Sonnenstrahlen aus dem Osten projizierten eine perfekte Schattenpyramide aufs Meer im Westen. So perfekt, dass es sich übernatürlich anfühlte.
    Durch das Tageslicht eröffnete sich auch der riesige Krater unter mir und die Dimensionen, was für ein Loch bzw. Bergkuppe die Kraft der Natur hier weggesprengt hat, überwältigte mich. Nachdem wir die unter uns liegende Berglandschaft, die von unglaublichen Kreten mit steil abfallenden grünen Hängen geprägt war und den Gunung Ebulobo in der Ferne genossen hatten, ging es an den Abstieg.

    Zum Glück konnte man ab 1900 m.ü.m nach Nordosten in eine grosse Rinne ausweichen und 500 Höhenmeter in Vulkanschutt herunterrutschen und den mühsamen Teil des Aufstiegs, Zeit-, Knie- und Nervensparend umgehen. Es war fast wie Skifahren. Wieder ein Mal wurden meine Schuhe einem Härtetest unterzogen, doch sie liessen meine letzten Zweifel verstummen und ich musste Martina später beichten, dass Trailrunning Schuhe ihren Platz verdient haben. Das einzige Problem am Herunterrutschen war, dass dies zum Teil Steinbrocken von beängstigender Grösse ins Tal herunterrollen liess. Ich war zum Glück gerade Abseits eine Pinkelpause am einlegen, als ein riesiger Stein auf der Abstiegsspur herunterraste. Weiter unten trafen wir wieder die indonesischen Teenager, anscheinend hatte der Stein einen erwischt :/ zum Glück kam er mit üblen Prellungen und Schürfwunden am Rücken davon. Da mein indonesisch-Wortschatz sehr beschränkt ist und die Jugendlich kein Wort Englisch sprachen, gestaltete sich die Kommunikation schwierig. Doch nichts bricht das Eis so einfach wie eine Schachtel Malboro rot (In Indonesien wird so ziemlich jeder ab 12 zum Kettenraucher und die überteuerten Malboro rot, sind schon fast ein angehimmeltes gut). Gemütlich rauchten wir alle zusammen eins, währen Lorenzo den verletzten Jugendlichen notdürftig verarztete.

    Danach ging es weiter runter und schon bald waren wir wieder im Wald unten. Lorenzo zeigte mir noch die Wurzeln aus dem Tigerbalsam gemacht wird, Ingwer sowie Aloe vera Pflanzen und schon waren wir wieder unten. Kurz mit dem Roller zurück und um 9:00 Morgens bestaunte ich von unserem Balkon bereits den Mount Inerie an und genoss ein Bier. Ja Martina hat mich komisch angeschaut, als ich um 9:00 morgens mit einem Bier auf dem Balkon sonnte, sie war kürzlich erst aufgestanden, doch für mich fühlten es sich nach den intensiven letzten 7.5 h an, als wäre es bereits später Nachmittag. Träumerisch, diesen perfekt geformten Berg bestaunend, liess ich mich von den erlebten Emotionen überwältigen und lächelte.
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