• Von Demokratie und Faschismus

    September 10 in Germany ⋅ ⛅ 19 °C

    Liebes Tagebuch. Heute ist schon unser letzter Tag auf dem Weinsteig. Das Wetter soll in den kommenden Tagen wieder recht bescheiden werden. Regen und Kälte sind nichts womit wir unseren Urlaub abschließen wollen. Ein wenig Erholung bevor die Arbeit wieder los geht kann auch nicht schaden. Also planen wir einen schönen Abschluss. Wir kommen recht spät los und entscheiden uns den Bus hoch zum Hambacher Schloss zu nehmen. Damit gehen mir/uns leider ein paar KM flöten, aber die kann ich ganz in Ruhe bei meiner Rückkehr in naher Zukunft nachholen.
    Das Schloss scheint recht beliebt zu sein. Der Bus ist voll. Hinter mir sitzen zwei ältere Damen und ziehen über Alice Weidel her. Schön, dass es auch noch stabile Menschen hier gibt. Rechten Arschgeigen und AfD Losern ist das Hambacher Schloss vermutlich eh eher ein Dorn im Auge, da es als Geburtsort der deutschen Demokratiebewegung gilt. Der Bau ist recht schlicht, aber gut dieses Symbol mal gesehen zu haben. Vielleicht wichtiger denn je, wenn man sich mal unsere Gesellschaft und den Rechtsruck in der Politik anschaut. Die Ausstellung geben wir uns dennoch nicht. Uns ist eher nach Natur und Einsamkeit. Wir hoffen, dass es etwas leerer im Wald ist. Es ist Mittwoch und das Wetter ist eher kalt und feucht. Aber das hält die Leute nicht ab. Je näher wir der Hohen Loog Hütte kommen, desto mehr Menschen tummeln sich im Wald... Apropos Wald. Der ist heute mal wieder unfassbarer schön. Genauso wie die schmalen Wege und Pfade. Ich kann mich immer nur wiederholen.
    An der Hütte ist mächtig gewaltig was los. Es riecht nach Saumagen und Rieslingschorle. Aber wir ziehen weiter. Wir wollen erst eine Rast auf dem Kalmit machen. Bis dahin ist es nicht mehr weit. Der Weg ein Traum. Die letzten Meter auf die höchste Erhebung in Rheinland Pfalz gilt es über Stufen zu bestreiten. Oben angekommen muss ich fast kotzen. Das erste was ich sehe ist so eine dumme Nazisau in Thor Steinar Montur und dämlicher Burschenschaftsmütze. Sein Gesicht ein völliger Unfall. Entweder es stimmt, dass Hass hässlich macht oder seine Mensur wurde mit einem Zweihänder gezogen. Ausserdem würde ich gerne mal einen Blick in seinen Arierausweis werfen. Ich habe da so meine Zweifel. Aufrecht ist bei ihm auch nichts mehr. Was ist los hier in der Gegend? Anscheinend ist vom Tourismusprojekt Weinstraße der Nationalsozialisten noch zu viel in den Köpfen hängen geblieben. Als er an uns vorbeigeht entfahren mir einige Würggeräusche. Muss wohl an der dünnen Luft liegen hier oben.
    Wir gehen in die Wirtschaft und ich hoffe meinen inneren Druck mit einem leckeren Stück Maronenkuchen und einer Tasse Kaffee zu senken, aber der Wirt ist einfach nur ein unfreundlicher Drecksack, so dass ich meine Bestellung sofort bereue. Ausserdem überall Verbotsschilder. Hier nicht stehen, da kein Fahrrad anlehnen etc. wenn man sich eine Speise teilen möchte muss man 2,50€ für ein Extrabesteck zahlen. Angeblich wegen gestiegener Energiekosten. So einen Blödsinn hab ich noch nie erlebt. Wenn man keinen Bock auf Kundschaft hat einfach die Bude dicht machen. Ich kann nur jedem Menschen raten hier nicht einen einzigen Cent zu lassen. Es ist auch erstaunlich wenig los. Vielleicht ist es bekannt, dass dies kein schöner Ort für eine Rast ist. Der Ausblick ist leider auch etwas ernüchternd. Es ist sehr bewölkt. Bei klarer Sicht bestimmt eine tolle Aussicht.
    Wir sehen zu, dass wir hier weg kommen und steigen ab. Wir kommen an einem Parkplatz vorbei und ein Radfahrer fragt, ob die Hütte offen sei. Ich rate ihm davon ab.
    Dann geht es endlich wieder in die Natur und zwar durch ein Felsenmeer. Dicke Felsbrocken türmen sich auf und plötzlich strahlt die Sonne durch die Kronen der alten Buchen und sorgt für magisches Licht und eine mystische Stimmung. Von nun an gehts bergab und die letzten Kilometer haben wir den Wald für uns ganz allein. So wie wir es uns gewünscht haben.
    Nur zu schnell erreichen wir unser Ziel, den Campingplatz in St. Martin. Klein, fein, ruhig und mit einer schönen Zeltwiese. Und es gibt auch eine Wirtschaft, deren Biergarten von der Sonne bestrahlt wird. Das ruft nach einen leckeren Bier.
    Anschließend machen wir uns auf den kurzen Weg in das malerische Dorf St. Martin, um irgendwo unseren Urlaub mit einem leckeren Essen zu beenden. Aber anstatt in eine urige Wirtschaft zu gehen verschlägt es uns zu einem Italiener. Uns ist nicht nach deftig fettigen Rheinländer Speisen und die Pinsa, ja Pinsa nicht Pizza, ist unglaublich lecker und luftig. Die Getränkekarte überrascht mit einem IPA, welches mir ganz vorzüglich mundet. Was für ein schöner Abschluss.
    Auf dem Weg zurück juckt es uns doch noch irgendwie und wir kehren nochmal auf ein Glaserl Wein in eine Kneipe ein und spielen ein paar Runden Kniffel. Und ungewöhnlicherweise gewinne ich sogar mal gegen Kniffelgöttin Phoenix. Gegenüber sitzt Jonny Koksnase und reibt sich auffällig oft seinen Kolben und fuchtelt wild in der Gegend rum, während jedes dritte Wort aus seinem Mund Respekt ist. Ein amüsanter Anblick.
    Langsam wird es Zeit zu gehen und wenig später liegen wir zufrieden in unseren Schlafsäcken.

    Epilog.
    Es ist etwas schade, dass wir den Weinsteig nicht beenden werden, aber ich freue mich bereits auf meine Rückkehr im nächsten Jahr. Bis hier hin ist der Weinsteig wohl der schönste Fernwanderweg in Deutschland auf dem ich unterwegs war. Hoffentlich ist der Rest genauso.
    Am nächsten morgen werden wir vom Regen geweckt, der auf das Zelt prasselt. Irgendwie beruhigend. Wir liegen herum und machen etwas was wir noch nie so richtig gemacht haben. Gemütlich im Zelt frühstücken. Ein Eichhörnchen versteckt schonmal ein paar Nüsse. Süss.
    Unsere Abreise beginnt mit einer turbulenten Busfahrt gefolgt vom typischen Abfuck der Deutschen Bahn. Was auch sonst. Die Details erspare ich mir an dieser Stelle und hoffe einfach nur, dass wir heute noch ankommen...
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