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  • Day 5

    Überleben auf Vietnams Strassen

    January 23 in Vietnam ⋅ 🌧 22 °C

    Klingel, Trillerpfeife und Langenscheidts "Ohne Wörter Buch" - die heilige Dreifaltigkeit im Radfahrerdasein auf Vietnams Strassen.

    Den Langenscheidt führe ich seit dem Abflug aus der Schweiz mit. Die Trillerpfeife habe ich mir in Christchurch zugelegt, als ich in einem Radreiseforum darüber gelesen hatte. In Hôi An kam nun noch eine laute Klingel hinzu. Dies nachdem Hien, meine Gastgeberin, beim Testen der bisherigen Klingel nur ungläubig den Kopf schüttelte. Seither bin ich also gerüstet, um gegen die Heerscharen von Motorradfahrern, Ochsenfuhrwerken und Hunde zu bestehen.

    Die Verkehrsregeln sind einfach: den Blick nach vorne, links und rechts richten und permanent klingeln. So wissen die Verkehrsteilnehmer, dass sich von hinten jemand nähert. Ansonsten gibt es nicht viel zu beachten. Ob die Ampeln nun rot oder grün leuchten, kümmert offensichtlich niemanden. Trotzdem oder vielleicht gerade wegen der wenigen Regeln scheinen alle viel achtsamer unterwegs zu sein. Ich fühle mich als Radfahrer in diesem ganzen Chaos jedenfalls viel sicherer, als auf gewissen Highways in Neuseeland. Einzig an die lauten Lastwagenhörner muss ich mich noch gewöhnen.

    Kläffende, nach frischen Velofahrer-Wädli lechzende Strassenhunde sind das viel grössere Übel. Die Trillerpfeife musste ich noch nicht oft einsetzen. Ob die Hunde deswegen von mir abliessen, bleibt zu hoffen. Ansonsten werde ich mich auf dem Markt nach drastischeren Mitteln wie Pfefferspray umsehen.

    Die meisten Hunde tummelten sich bislang vor allem an Kreuzungen, am Rande von Siedlungen sowie in der Nähe von Abfallhalden. Auf Nebenstrassen fährt es sich entspannter, dafür verteidigen Hofhunde lautstark ihr Revier, was mich manchmal fast vom Velo springen lässt. Ebenso scheinen die Strassenhunde an stark befahrenen Highways weniger aggressiv zu sein. Tagsüber dösen zudem die meisten friedlich im Schatten von Büschen und Bäumen. Erst in der Nacht ziehen sie in Rudeln umher und raufen sich auf der Strasse, teilweise auch in der Innenstadt.

    Da ich bekanntlich über keinen starken Magen verfüge, hüte ich mich vor irgendwelchen kulinarischen Besonderheiten. Ungeschältes Gemüse und Früchte sind ein No Go. Ebenso versuche ich Fleischspeisen bestmöglich zu umgehen, was in Vietnam in Orten ohne buddhistischen Klöster schwierig ist. Hier kommt der Langenscheidt zum Einsatz. Gerade auf dem Land ist die Analphabenrate hoch. Mit den Bildern kann ich erklären, was ich essen möchte und was definitiv nicht geht.

    Das hat bisher ganz gut funktioniert. Die Suppe erhielt ich ohne Kuhpansen und der fettige Schweinebauch landete auch nicht im Teller. Meine derzeitige Leibspeise ist übrigens Morning Glory. Das ist eine Art Spinat, welche zusammen mit Knoblauch gebraten wird und sehr lecker schmeckt. Bánh Mì, die vietnamesische Sandwich-Variante habe ich mir erst einmal im Restaurant bestellt. An den Strassenständen werden die beliebten Brötchen zwar überall feilgeboten, aber die Fleischfüllung sah jedes Mal unappetitlich aus.

    Es scheint, dass meine diesbezügliche Experimentierfreude im fortschreitenden Alter abnimmt. Oder vielleicht sind es auch die noch immer sehr präsenten Erfahrungen aus der Südamerikareise mit Martina, welche mich vor erneuten Streetfood-Eskapaden abhalten.
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