• Die Überbleibsel der Festung (Kala)
    Diyana, die Nachbarin und Lukas bei der FestungSehr fotogen die beiden :)Lukas kam nicht darum herum...Kurz vor der Zeltplatzsuche

    Tag 130: Karatau bis Neben der Straße

    June 27, 2023 in Uzbekistan ⋅ ☀️ 35 °C

    Morgens werden wir langsam wach. Ausgeschlafen ist wahrlich etwas anderes!
    Die Frauen des Hauses sind schon unterwegs, haben uns aber glücklicherweise noch schlafen lassen. Immer noch in den Fahrradklamotten brauche ich mich gar nicht umzuziehen. Diyana kommt herein, merkt dass wir wach sind und ist direkt wieder fokussiert auf mich. Ich frage nach der Toilette und sie bietet sich an, sie mir zu zeigen. Wieder nimmt sie mich an die Hand und leitet mich 10 m hinter dem Haus zu einem Bretterverschlag mit Loch im Boden. Entgegen aller Erwartungen setzt sie sich allerdings selbstverständlich vor den Bretterverschlag bis ich wieder heraus komme. Privatsphäre wird hier wohl auch anders angesehen!
    An der Hand wieder zurück geführt bekommen wir Tee, Brot, Nüsse, Süßes, Salat und Spiegeleier. Elmurat schläft noch, seine Frau ist aber wieder einmal auf den Beinen und versorgt uns. Helfen darf ich nicht, meint Diyana zu mir, nachdem ich sie frage.
    Als Elmurat dann heraus kommt und auch gegessen hat, will er uns unbedingt zu der Festung bringen, wegen der wir überhaupt erst hier her gefahren sind. Elmurat, sein zweijähriger Sohn Sauirxan, Diyana, die Nachbarin (ich habe mir ihren Namen leider nicht aufgeschrieben) und wir steigen also wieder in das Auto ohne Rückbank ein und fahren zu der Festung. Anschnallgurte gibt es selbstverständlich nicht und der kleine Sauirxan klettert am Amaturenbrett herum und darf nur ein wenig von Lukas gehalten werden, der jetzt vorne sitzt.
    An der Festungsmauer, dem einzig erhaltenen Teil, steigen wir aus. Die Mädels führen mich direkt zur Mauer und sagen immer wieder "Foto, Foto". Wir reichen ihnen unsere Handys und sie knipsen munter drauf los.
    Im Gemäuer haben sich viele Wespen eingenistet vor denen uns die Mädels ständig warnen, damit wir bloß nicht gestochen werden.
    Es geht wieder zurück ins Auto. Diyana deutet mir mit Händen und ein paar Worten an, ob wir nicht schwimmen gehen wollen. Wir haben nichts zum Schwimmen dabei, aber die anderen ja auch nicht. Also stimmen wir zu und fahren zum Amudarya.
    Elmurat legt bis auf die Unterwäsche alles ab und deutet Lukas an ihm zu folgen. Schnell wird mir bewusst, dass mit dem Schwimmen nur die Männer gemeint sind. Die Mädels setzen sich ans Flussufer und warten geduldig. Im ersten Moment verspüre ich ein bisschen Neid. Warum dürfen die Männer bei der Hitze ins Wasser, Frauen und Mädchen aber nicht?
    Als ich dann aber die Brühe, in der die beiden stehen, genauer betrachte, ist der Neid schnell verflogen. Mit etwas angeekeltem Ausdruck folgt Lukas unserem Gastgeber in den Fluss und meint direkt: "Sei froh, dass du nicht rein darfst. Es stinkt!"
    Verwunderlich ist das eigentlich nicht, da nicht weit entfernt ein Zementwerk am Flussufer steht und sicherlich auch andere Abfälle in den Fluss geleitet werden. Die beiden versuchen ein wenig gegen die Strömung anzuschwimmen und ich hoffe nur, dass es nicht nötig wird einen der beiden aus der Brühe retten zu müssen.
    Gerade denke ich, dass sie wieder ans Ufer kommen, als Elmurat auch mit dem Kopf unter Wasser taucht und danach Lukas (er ruft immer "Lux, Lux") dazu ermutigt, ebenfalls unter Wasser zu tauchen. Mit Widerstreben leistet Lukas den Worten Folge und taucht unter Wasser, jedoch nicht ohne dauerhaft auszuatmen, damit ja nichts von dem Wasser in Mund oder Nase gerät.
    Dann stehen die Mädels auf und deuten mir an, dass wir im Auto warten sollten bis sich die Männer umgezogen haben. Das tun wir dann auch und ich lenke noch ein bisschen den kleinen Saurixan ab, damit er nicht zu sehr nach seinem Papa ruft.
    Als wir alle wieder im Auto sitzen, geht es über die Holperpiste zurück zum Haus. Dort steigen wir aus und setzen uns erneut um den kleinen Tisch im "Wohnzimmer" herum. Wieder bekommen wir Tee und Brot.
    Jetzt ist es an der Zeit für einen Mittagsschlaf, meint Elmurat. Was der Gastgeber und Hausherr sagt, wird getan. Wir legen uns wieder im "Wohnzimmer" hin, die Klimaanlage wird für uns angeschaltet (sonst ist es einfach zu warm) und im Haus wird es leiser. Tatsächlich können wir sehr gut schlafen und zumindest ein pasr Stunden der Nacht nachholen.
    Danach gibt es wieder einmal etwas zu Essen und diesmal sogar noch eine Nudel-Kartoffelsuppe.
    Zum ersten Mal setzt sich Ayxan, Elmurats 20-jährige Frau, zu uns, allerdings nur, um die Kinder zu füttern. Zu unserer großen Verwunderung stillt sie tatsächlich auch den Jüngeren vor unseren Augen und dreht sich nur leicht weg. Wieder etwas, das wir in einem muslimischen Land nicht gedacht hätten.
    Erneut versuchen wir das Handy zu nutzen, um etwas mehr über unsere Gastgeber zu erfahren. Wir geben Fragen auf Englisch ein, sie werden übersetzt und reichen das Handy an Elmurat weiter. Dieser versucht den Text mit Mühe zu entziffern und gibt das Handy dann nach dem vergeblichen Versuch an Ayxan weiter. Diese wirft einen kurzen Blick auf den Text, tippt auf usbekisch etwas ein und gibt uns das Handy mit vollkommen verständlicher Antwort zurück. Das wiederholt sich noch einige Male und immer wieder gibt sie den Text ein und wir erhalten die perfekt verständliche Antwort. Erst im Nachhinein kamen wir dann darauf, dass sie vermutlich die Einzige in dem Haushalt ist, die vernünftig lesen und schreiben kann und der Übersetzer das "Schreiben nach Gehör" von unserem Gastgeber und Diyana nicht erkannt hat.
    Wir erfahren nun, dass Elmurat jeweils 4 Monate in Almaty (Kasachstan) auf dem Bau arbeitet und dann nur für einen Monat wieder nach Hause kommt. Auch sein Vater, den wir nicht kennen gelernt haben, arbeitet momentan auf dem Bau und kommt auch nicht häufiger nach Hause. Auch Ayxan fragen wir woher sie stammt und ob sie schonmal außerhalb von Usbekistan war. Sowohl Elmurat als auch seine Frau stammen beide aus dem selben Ort und Ayxan hat tatsächlich auch schon Kasachstan besucht. Wir sind so froh, dass wir endlich etwas besser kommunizieren können und sind gleichzeitig so interessiert an dieser Familie, dass wir erst etwas spät merken, dass Elmurat dazu drängt uns mit dem Auto aus dem Dorf zu geleiten.
    Sowohl Diyana, Ayxan und Ulbolsin (Diyana und Elmurats Mutter, 49 Jahre, aber schon schwer gezeichnet von der harten Arbeit) bitten uns, noch einen weiteren Tag zu bleiben. Zum einen wollen wir auch wegen des Visums weiter und zum anderen merken wir nun mehr und mehr, dass Elmurat möchte, dass wir gehen.
    Wir machen noch zum Abschied ein paar Bilder mit den Frauen des Hauses, da Elmurat schon ungeduldig im Auto wartet.
    Wir verabschieden uns und fahren Elmurat hinterher, bis wir eine Kreuzung erreichen. Hier deutet er uns noch den weiteren Weg an und verabschiedet sich dann sehr freundlich.
    Dem Schotterweg folgend fahren wir immer weiter aus dem Ort hinaus und lassen uns das Erlebte nochmal durch den Kopf gehen. Vermutlich war es dem Hausherr nicht ganz recht, dass wir seiner Frau so viele Fragen gestellt haben, beziehungsweise dass sie diejenige war, die uns antworten konnte und er nicht. Hier haben wir noch eine ganz andere Welt kennen gelernt, die noch klare Rollenbilder vertritt.
    Wir fahren auf der recht schlechten Straße zurück auf die nicht gerade bessere Hauptstraße und folgen dieser noch eine ganze Weile. Direkt wird uns wieder bewusst, wie laut und nervend die Autos sind, die pausenlos ihr Hupkonzert neben uns veranstalten. Natürlich kommen wir auch nicht um ein weiteres Foto mit einigen Usbeken herum, die am Straßenrand halten.
    Wir fahren noch ein Stück und schlagen dann hinter einem Hügel neben der Straße das Zelt auf. Wirklich leise ist es nicht, aber die Müdigkeit lässt uns trotzdem bald schlafen.
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