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  • Day 30–32

    Skopje und Matka Canyon

    February 27 in North Macedonia ⋅ ☁️ 14 °C

    Wenn ich das nächste Mal die Stadt besuche, geht’s wieder in das “Hi Skopje” Hostel. Es liegt zwar etwas außerhalb (was ich bei der Ankunft verflucht habe, hatte nicht gedacht, dass ein Taxi wirklich nicht mehr als 200 denar/ 3 € kosten würde und außerdem will ich aus Prinzip schon den ersten Weg in einer neuen Stadt zu Fuß gehen), aber dafür in einer sehr angenehmen und ruhigen Nachbarschaft und ich werde einfach sehr nett willkommen geheißen - nicht nur vom Hostelhund Zhele. Am ersten Abend bisschen am Kamin sitzen mit selbst gebackenen Kuchen, Rotwein und Raki. Während einer Diskussion mit paar Briten, ob ein Ausflug zum Millennium Kreuz oben auf dem Berg mit der Seilbahn sich lohnen würde, sagt einer: “you can see the whole city and some of the hinterland.” Als ich Überraschung äußere, dass das ein englisches Wort ist, will er mir erklären, was es bedeutet, entgegne ich, dass es mir das nun wirklich nicht erklören müsse, es sei ein deutsches Wort. Ich finde es lustig. Er schaut verwirrt und stellt fest, dass sein liebstes deutsches Fremdwort “schadenfreude” ist. Touché.

    Für den nächsten Tag plane ich direkt den Matka Canyon ein. Ich teile mit meiner Zimmernachbarin aus Istanbul ein Taxi zum Busbahnhof, von dort fährt man 40 min nach Matka. In den Bus steigt eine Schülerin mit einem selbst gebastelten Plakat ein, hält es ganz vorsichtig in der Hand. Aus irgendeinem Grund rührt es mich immer wieder zu Tränen, wie die Jugend überall in Europa mit Klemmbrettern und Plakaten tapfer loszieht, um sich der Komplexität der Welt zu stellen und sich zu bilden.

    Am Eingang des Canyon gibt’s ein Café, Paddelbootverleih und es werden Bootsfahrten zur Höhle angeboten. Meine Begleitung entscheidet sich für letzteres und ich möchte gerne weiter wandern. Ich genieße neben den schönen Aussichten vor allem die Ruhe in Canyon. Wie schön muss es erst sein, wenn alle Bäume grüne Blätter haben. Allerdings könnte die Ruhe verloren gehen, jetzt in der Nebensaison hört man nur alle 20 min ein Boot zur Höhle runter knattern und Fußgänger treffe ich auch nur eine Handvoll.

    Eine davon kommt mir entgegen und erklärt, dass man die Höhle zu Fuß gar nicht sehen kann, dafür hätte man ein Boot nehmen müssen. Während sie redet, tritt sie in ein Loch und rutscht fast den steilen Abhang runter. Wir müssen beide vor Schreck quietschen und dann erleichtert lachen, weil sie sich doch noch am Zaun festhalten konnte. Ich gehe den Wanderweg bis zu Ende (von der Höhle kann man wirklich nicht viel sehen) und den gleichen Weg zurück.
    Nach gut 7 km Wanderung bin ich wieder am Café, tappe in die Tourifalle und esse einen Kuchen, der noch halb gefroren ist, für das Doppelte des ortsüblichen Preises. An der Bushaltestelle treffe ich das Mädel von vorhin wieder, sie kommt aus Japan und ist Reiterin, wie sich heraus stellt, als ich sie darauf anspreche, dass meine Reitstiefel genauso aussehen wie ihre “Wanderschuhe” (weiß nicht, wie sie geschafft hat in den Botten so weit zu laufen).

    Im Bus zeigen wir uns gegenseitig Pferde Fotos auf unseren Handys und ich bin überrascht, dass ein Stall in Japan genauso aussieht wie jeder andere Stall, den ich bisher gesehen habe - mein Bild von dem Land ist wohl doch sehr von Gadget Videos auf YouTube geprägt. Danach reden wir darüber, was man sich noch in Skopje anschauen sollte und als wir aus dem Bus aussteigen, sagt sie “Ich glaube, wir müssen da lang“. Ok cool. Es bleibt beim “wir” für die nächsten drei Stunden, wir schauen uns den alten Bazaar an, insbesondere der Bereich mit den Lebensmitteln, alle schön zu Pyramiden aufgetürmt, ist beeindruckend. Danach Freddo bzw. Chimney Cake auf einer der Straßen des alten Bazaar, während langsam die Lichter an gehen, sehr stimmungsvoll. Dann auf der alten Steinbrücke über den Vardar in die andere Seite der Stadt. Hier stehen die überdimensionalen Statuen und Fassaden, wegen derer der Stadt Kitsch und Surrealismus nachgesagt wird. Zum Sonnenuntergang ruft nicht nur Muezzin, sondern riesige Scharen von Vögeln sammeln sich auf den Dächern der hohen Gebäude. Meine Begleitung verspricht mir, Hitchcocks Vögel zu sehen. Danach stolpern wir noch über dasd Mutter Theresa Gedenkhaus und schauen uns die Ausstellung innen an. Dort finde ich vor allem die vielen handgeschriebenen Originale (Briefe, Notizen...) von ihr interessant. Insgesamt sind meine japanische Freundin und ich aber sehr müde und jede will in ihr Hostel und wir verabschieden uns. Es ist die Reisebekanntschaft, mit der ich mich bisher am besten verstanden habe, gab ernste Themen und auch viel zu lachen, aber ausgerechnet mit dieser habe keinen Kontakt ausgetauscht. Aber was soll’s, manchmal ist die Erinnerung am Schönsten.

    Später am Abend hatte ich mich mit meiner Zimmernachbarin aus Istanbul verabredet, in eine Bar zu gehen. Wir werden begleitet von einer Niederländerin und einem Koreaner, die zwischenzeitlich angereist sind. Der Koreaner wohnt inzwischen in Kambodscha und die anderen finden das alles total spannend, und so bestimmt Asien das Gespräch, was mich nervt, ich bin doch gerade vom Balkan genug gefordert, warum soll ich mich jetzt in einen anderen Kontinent reindenken? Unüberraschenderweise arbeitet er in der Bekleidungindustrie: “We produce clothes. Real and fake”. Er bestätigt, was man über die schlechten Arbeitsbedingungen hört, nämlich dass ein Arbeiter 1000 Dollar im Jahr verdient und Schulbildung über das 13. Lebensjahr hinaus 500 pro Jahr. Er versucht uns zu erklären, dass es trotzdem gut so sei, denn die Arbeiter seien froh, überhaupt einen Job zu haben. Aber sein Englisch und meine Kenntnis über kulturelle Gepflogenheiten sind nicht gut genug, als dass ich mich auf die Diskussion einlassen sollte. Es ist besser, dass sich der Abend bald auflöst.

    Kaum acht Stunden später bin ich schon wieder im gleichen Laden, denn es ist auch ein Workspace und ich habe Lust bekommen, ein bisschen an meinem Laptop zu arbeiten. Ich bekomme die mazedonische Karte, und da ich die englische Karte am Abend vorher schon studiert habe, finde ich die pochierten Eier wieder und bestelle mein Frühstück in der Landessprache, was den Keller richtig freut.

    Aber nach zwei Stunden muss ich schon wieder gehen, da ich gerne noch an einer free walking tour teilnehmen will. Am Treffpunkt wartet schon der Guide und andere Touristen - und unser Hütehund. Ein Straßenhund hat sich dazu gesellt, sobald eine Gruppe von Menschen da stand, und er wird uns die halbe Tour lang begleiten und beschützen. Sehr süß. Unser Guide sagt zwar, dass er auch schonmal Straßenkatze gerissen hat, aber ich hoffe, das gehört in den Bereich der Legenden. Alle anderen Geschichten erscheinen sehr fundidert, er erklärt drei Stunden an verschieden Stationen Besonderheiten der Stadt, in der er seit über 50 Jahren lebt. Vor allem geht es um das Projekt "Skopje 2014", ein Prestige Programm der damaligen Regierung, durch das die Stadt ihr Gesicht komplett verändert hat. Wegen Kritik und Korruptionsvorwürfen wurden die Bauprojekte bei Regierungswechsel gestoppt und deswegen stehen seit sechs Jahren mehrere halbfertige Großprojekte in der Stadt rum. Er zeigt auch die "Berlin"-Ecke der Stadt - Brandenburger Tor und Siegessäule hätte ich ohne entsprechenden Hinweis nicht erkannt. Die Tour ist kurzweilig und eine schöne Abrundung, um die Stadt ein bisschen besser zu verstehen. Insgesamt fand ich Skopje entgegen vieler Warnungen gar nicht so "schlimm". Ich glaube, mit ein bisschen Chaos kann ich in einer Großstadt auch besser umgehen als in eher ländlichen Gegenden. Dass ich hier das erste Mal bettelnde Kinder gesehen habe, ist allerdings auch nicht zu leugnen. Und im Kontrast dazu die Einkaufsmeilen, in denen man sich in Bezug auf Geschäfte und Ausstattung direkt nach Westeuropa versetzt fühlt - die kotzen mich eigentlich noch mehr an als die Skopje 2014 Projekte. Nach einem kurzen Abstecher zum alten Bahnhof, Mahnmal für das Erdbeben 1963, muss ich wirklich zurück zum Hostel, um mein Gepäck zu holen. Ich möchte einen Zug um kurz nach 16 Uhr nehmen oder falls es den nicht mehr gibt, habe ich einen Bus um 16:30 gesehen. Die Besitzerin fährt eh gerade in die Stadt, und nimmt mich im Auto mit. Ich frage im Bahnhof, ob es einen Zug nach Pristina gibt (online ist er noch zu finden), aber ich werde auf den Bus verwiesen. Ich bin viel zu früh, aber habe Glück und der nächste Bus fährt schon in 10 min, um 15 Uhr. Manchmal ist es am besten, sich ohne Ticket auf den Weg zur Station zu machen.

    Es ging ein am Ende alles ein bisschen schnell und auf dem Weg aus Skopje raus versuche ich mich auf ein neues Land einzustellen. Das geht halt wirklich ein bisschen schnell hier auf dem Balkan, man muss nicht weit fahren und schon ist man in einem neuen Land, mit neuer Sprache und neuer Kultur.
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