Coco on Rails

January - March 2024
Kein Ziel
Keinen Plan
Flucht nach vorn
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  • Day 2

    Wien

    January 30 in Austria ⋅ ⛅ 1 °C

    Reisen in der Schlafkapsel des neuen Nightjet: es ist sauber, man hat seine Ruhe (jetzt nicht wortwörtlich nehmen - aus der Kabine nebenan hört man jedes Wort) und morgens gibt es Frühstück im Bett. Ich fand’s perfekt und komme in guter Laune in Wien an.

    Das schwere Gepäck gebe ich ab und fühle mich kurz frei, und dann schlagartig doch recht verloren. Ich habe fast nichts geplant - ich war schon in Wien und wollte nicht unbedingt hierher, es war nur die scheinbar (!) beste Verbindung mit Nachtzügen gen Süden zu kommen - und das merkte ich morgens um 9 recht deutlich. Wie soll ich den Tag bloß rum bringen? Ich habe einen Termin nachmittags um 4 und der Zug fährt abends um 10.

    Einfach mal in eine Straßenbahn steigen, ohne zu wissen, wo die hin fährt - kann man machen, aber danach besser umsteigen in die 1, die fährt durch den schönen Bezirk und in den Prater.
    So viele weiße Fassaden vor blauem Himmel, der Pomp und Prunk dieser Stadt erschlägt mich.

    In der Hundeauslaufzone im Prater kann ich mich lange aufhalten, sowie am Donaukanal auf die Strömungen des Wassers starren. Es ist immer mal recht warm in der Sonne, fast frühlingshaft, aber eigentlich kalt. Sehr kalt. Der Ententeich hat noch eine dünne Eisschicht. Ich war so dumm, meine warmen Sachen mit dem Gepäck abzugeben. War wohl lange nicht mehr einen Tag mit wenig Bewegung draußen.

    Sehenswürdigkeiten werden auch abgehakt, der Stephansdom, Prachtstraßen und enge Gassen, die Hofburg. Fiaker, überall Fiaker.

    Im Café: ein Verlängerter und ein Stück Mozarttorte. Und noch eine Melange hinterher - mit dem
    Gefühl der Verschwendung leben lernen. Im Café sitzen zwei Männer mit fünf Handys und zwei Laptops und führen Gespräche über Business. Die beiden wirken seltsam, aber eigentlich hätte ich auch gerne meinen Laptop hier und würde etwas arbeiten. Dann hat man schonmal was zu tun, das Gehirn vor allem.

    Das einzige, was ich zu Hause schon geplant hatte, ist eine Führung in den Gebäuden der spanischen Hofreitschule, durch die Stallungen (schöne Pferde und eine kleine Katze im Stroh), die Sattelkammer und die wunderschöne barocke Reithalle. Lieber hätte ich beim Morgentraining zugesehen, aber das passte nicht in den Reiseplan. Beim nächsten Wien-Besuch?

    In der Dämmerung sind die Fassaden nochmal extra schön angeleuchtet, und auch an der Eisbahn ist es stimmungsvoll. Aber dann wird es langsam Nacht und kalt, so kalt!

    Ich wärme mich in der Straßenbahn auf (!) und finde dann Zuflucht im Café gegenüber vom Volkstheater. Der Kellner ist nett. Es gibt Weinschorle und Theatertoast mit Pommes. Zu Hause träume ich immer vom Schnitzel, ausgelösten Backhendl, Käsekrainer mit Kren - und habe nichts davon gegessen.

    Ich drehe noch eine Extra Runde mit der U-Bahn und bin dann trotzdem eine Stunde zu früh am Bahnhof. Der Wartebereich fuckt mich ziemlich ab und es ist ein großer Kontrast zu gestern, wo Ole die Idee hatte, das Warten auf meinen Nachtzug beim Asia Buffet zu verbringen und wir einen sehr schönen “letzten Abend” verbracht haben.

    Ich bin kaputt (die Uhr zeigt 15 km zu Fuß an) und habe Kopfschmerzen. Die Reise kommt mir bereits länger vor als ein Tag. Es war ein Tag mit vielen Eindrücken, positiven und negativen, und vielleicht hilft mir das dabei, fühlen zu können, was mir gefällt. Da ich mich bei vielen Aktivitäten neutral und emotionslos fühle, hänge ich mich normalerweise gerne an Menschen, die etwas gut finden - damit wenigstens einer was davon hat. So bin ich zum Beifahrer in meinem Leben geworden. Jetzt während der Reise ist nur entscheidend, was mein Gefallen trifft. Ich versuche es zu hören.

    Bin froh, dass der Zug 20 min früher bereit steht und kurz nachdem die Fahrkarte kontrolliert wurde und ich meinen Getränkewunsch zum Frühstück geäußert habe (das ist immerhin eine Entscheidung, die mir immer leicht fällt), schlafe ich schon.
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  • Day 4–5

    Über Rom nach Sizilien

    February 1 in Italy ⋅ ☀️ 3 °C

    Ich hatte mal angedacht, auf der Fahrt nach Sizilien einen eintägigen Zwischenstopp in Rom zu machen, dann am nächsten Tag Pompeji zu besuchen und anschließend mit dem Nachtzug von Neapel nach Catania auf Sizilien zu fahren. Ich habe aus verschiedenen Gründen keine Lust mehr auf den Plan und finde heraus, dass der Nachtzug bereits ab Rom und nach Siracusa fährt. Ich kann mir am Anfang den Namen der Endhaltestelle nicht merken (Sicarusa? Siracusa?), bis ich kapiere, dass es sich um Syrakus handelt.
    Jedenfalls geht es sich gut aus, am Tag nach Rom zu fahren und dann mit dem Nachtzug weiter. Es kostet dann auch nur einen Reisetag des Interrail Tickets.

    Der Zug nach Rom ist ein Frecciarossa, Italiens Schmuckstück, aber mich überzeugt er nicht. Es ist überheizt und das WLAN fällt immer wieder aus. Ich wollte eigentlich arbeiten und/ oder meine weitere Reise planen, aber komme während vier Stunden gerade mal dazu in einen Text Korrekturen einzuarbeiten und eine Unterkunft zu buchen. Draußen zieht die Toskana vorbei, aber es ist alles recht grau und gibt nicht sehr viel Schönes zu sehen.

    Rom erschlägt mich mal wieder ein bisschen. In Venedig waren viele Menschen, aber es war doch anders als in der Bahnhofshalle Roma Termini (über 20 Gleise). Draußen ist auch nicht besser: so viele Autos! Dass die auch bei Rot fahren und dabei fast Fußgänger erwischen, ist auch kein Klischee. Das Colosseum will ich trotzdem sehen während meiner drei Stunden Aufenthalt, auch wenn es mit dem schweren Rucksack und den ganzen Treppen ganz schön anstrengend ist. Sitze ein bisschen im Park in der Dämmerung vor dem beleuchteten Colosseum. Die Jugend ist auch da und hört arabische Musik und singt mit, eine Mischung aus Jammern und Rap, es ist eine Qual. Vor dem Colosseum schnackt jemand, der als historischer Römer verkleidet ist, Touristen an. Eine Dreiergruppe macht mit, lässt sich von ihm den Helm aufsetzen, sie machen gemeinsame Fotos - und am Ende gibt’s große Diskussion über die Kohle, die er dann haben will.
    Der Katzenjammer wird auch immer lauter und ich verziehe mich in eine Bar und esse ein Focaccia mit Aubergine und Mozzarella zum Abendessen.

    Der Nachtzug nach Sizilien ist teilweise noch älter als der vorherige (die Toilette hat das Loch auf die Gleise) aber die Abteile sind mit vier statt sechs Pritschen ausgestattet - genug Platz zum Sitzen und zum Liegen, sehr bequem. Kurz nach 9 schlafe ich und wache auch erst um 3 das erste Mal auf. Gegen 5 Uhr wird der Zug auf die Fähre gerollt für die Überfahrt über die Straße nach Messina. Auf dem Wasser schaukelt es sich angenehmer als auf den Schienen. Um kurz nach 6 wache ich von Stimmen auf, die wie ein Streit klingen. Die Schaffnerin steht mitten bei uns im Abteil. Der Streit scheint darum zu gehen, wo wir gerade sind, ich verstehe nur verschiedene Städtenamen. Es endet mit einem weiteren Schrei „Bellissima!“ und die Passagierin und Schaffnerin kleben beide am Fenster und fotografieren den Sonnenaufgang. Ich bin beruhigt, dass es doch keinen Streit gibt und die Sprache einfach ein bisschen energischer ist und mache auch ein Foto. Zum Frühstück gibt es Cannoli Gebäck und Kaffee, den eine Mitreisende aus Versehen in meine Schuhe schüttet. Als Entschädigung sagt sie mir immer Bescheid, wann ich aus dem Fenster schauen muss, um Vulcano Etna zu sehen. Bellissimo, eh? Es ist wunderschön, links das Meer mit immer mal Felsen im Wasser, der roten Sonne und vereinzelten Fischerbooten, rechts der Ätna, in den Städten die Häuser dicht an dicht an den Hängen gebaut. Auch die Pflanzen haben sich deutlich verändert, es gibt viele Palmen und Felder mit Orangen- und Zitronenbäumen.

    Um kurz nach 9 komme ich in Syrakus an und es gefällt mir sofort sehr gut. Der Bahnhof ist recht ruhig und beschaulich, aber mit einer angenehmen Umtriebigkeit. Ich gehe zwischen alten und neuen Häusern nur fünf Minuten zu meinem Apartment „la casa di Carola“.
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  • Day 5–7

    Syrakus

    February 2 in Italy ⋅ ⛅ 12 °C

    Über Syrakus wusste ich bisher nicht viel, außer - na klar - Archimedes. Eine kurze Recherche ergibt, dass der Nachtzug natürlich nicht nicht ohne Grund bis hierhin fährt, es ist durchaus eine für Touristen interessante Stadt. Als erstes wird meistens die Altstadt Ortigia genannt, die auf einer Insel liegt. Also mache ich mich nach meiner Ankunft direkt auf dem Weg dahin, bleibe aber nach 500 m in einer Café Bar hängen für einen Cappucino und Pistaccio Gebäck. Der Kaffee ist hier immer noch so unverschämt günstig und unverschämt lecker - muss mich zurückhalten, nicht jede Bar mitzunehmen. Morgens um zehn in der warmen Sonne sitzen und dem Trubel zuschauen... Ich habe keinen Zweifel daran, dass es mir in dem Moment gut geht. Weiter über die Brücke nach Ortigia. Auf google maps ist die Archimedes Statue eingezeichnet - ich erwarte nicht viel, aber sie gefällt mir persönlich ziemlich gut. Auf dem Sockel sind seine Errungenschaften in zwölf Piktogrammen dargestellt und es macht Spaß, sich zu erinnern, worum es dabei geht. Die Vielfalt seiner Themen und Erfindungen immer wieder beeindruckend. Weiter gehts durch die Altstadt bis an die Küste. Oben von der Stadtmauer blicke ich runter auf das Meer und möchte fast weinen, wie es schön klar das Wasser ist und wie die Farbe in der Ferne von türkis zu blau wechselt. Es geht weiter die Küste entlang und vereinzelt sieht man auch Leute schwimmen und gar nicht selten Sonnenbadende am Strand auf den Steinen liegen. Anfang des Jahres war ich auf dem "Eisbaden" Trip, aber jetzt bei fast 20 °C reizt es mich so gar nicht. Bin aber auch immer noch erkältet. Ich sehe Werbung für den Tecnoparco Museo die Archimede und merke, dass ich direkt Lust habe, da als nächstes hin zu gehen, obwohl ich von der Altstadt noch gar nicht viel gesehen habe.

    Der Park ist zwar wegen Bauarbeiten vorübergehend geschlossen, aber ich werfe einen interessierten Blick durch den Zaun auf die Exponate und eine junge Frau im Pi-Pullover spricht mich an, es sei mein 'special day' und ich könne trotzdem rein. Es kostet 7 € Eintritt und man bekommt eine Führung mit Erklärungen - das hatte ich vorher schon gelesen. Allerdings werden es sonst vielleicht eher Kleingruppen sein und heute bekomme ich eine Privatführung. Das ist sehr schön und sie erklärt alles sehr gut. Ich hatte zuerst bisschen Angst, als ich am Eintritt nur einen 20 € Schein hatte und sie das Wechselgeld mit dem Taschenrechner berechnen musste. Aber die Führung ist wirklich gut. Ich hab irgendwie am Anfang verpasst zu sagen, dass ich mich mit Physik eigentlich auskenne und so gibt es viele Geschichten, deren Pointe mir schon zu Beginn klar war, aber es macht trotzdem Spaß. Und viele historische Fakten sind auch dabei, die kannte ich nicht alle. Sie ist Studentin der Geschichte und irgendwas mit Sprachen - ich lobe sie auch für ihr Deutsch, mit dem sie die Führung startete, allerdings sind wir dann doch auf Englisch gewechselt. Am Ende der Führung frage ich, ob ich noch bisschen bleiben und die Katzen fotografieren kann, die uns während der Führung immer mal abgelenkt haben, weil sie sich laut maunzend und raunzend durch den Park gejagt haben. Als ich sie dann finde, teilen zwei davon gerade einen intimen Moment und die dritte kuckt dabei zu - ich nicht.

    Der Archimedes Park ist neben dem parco archeologico della neapolis, aber es sind nur mehr zwei Stunden bis Sonnenuntergang und ich hebe mir den für morgen auf. Auf dem Weg zum Apartment komme ich am Supermarkt vorbei und die Auswahl beim Obst und Gemüse ist reichlich, vielfach sieht man das Schild "io sono siciliano". Ich hole mir Tortellini, Sugo, Tomaten und Mozzarella für die nächsten beiden Abende. Ich habe echt Hunger, habe seit dem Frühstück nichts gegessen.

    Zurück im Apartment will ich kochen und Wäsche waschen und danach vielleicht nochmal in die Altstadt. Aber irgendwie ist der Wurm drin, zuerst bekomme ich den Herd nicht an und dann die Waschmaschine. Die Gastgeberin ist per WhatsApp super freundlich und hilfsbereit, aber ich merke doch den Nachteil von so einem "Der Schlüssel ist im Kasten"-Prinzip. Es kommt zwar auch jemand vorbei, zuerst das cleaning girl mit dem Schlüssel für die Waschmaschine und dann der Ehemann auf dem Weg von der Arbeit nach Hause, um mir zu helfen, die Maschine auch wirklich zum laufen zu bekommen, aber trotzdem ist es halt was anderes, als wenn jemand vor Ort ist. Am Ende hat alles geklappt, aber ich habe gar keine Lust mehr raus zu gehen und gehe schlafen. Die Nacht ist kalt im ungeheizten Apartment.

    Am zweiten Tag komme ich morgens nicht aus den Federn und merke die Unruhe, weil ich schon wieder nicht weiß, wo ich übermorgen übernachte. Es ist ein bisschen verfuchst, weil man entlang der Südküste fast gar nicht fahren kann und ich daher die "Hauptachse" Messina - Catania - Syrakus mehrmals werde fahren müssen, wenn ich noch nach Pozzalla wegen der Überfahrt nach Malta will (aber eben noch nicht jetzt sofort, sondern nachdem ich bisschen auf Sizilien war) und halt auch wieder über die kurze Fähre bei Messina auf das italienische Festland zurück. Ich überlege Hin und Her, recherchiere, raufe mir die Haare. Wie kann ich daraus noch eine schöne Reiseroute machen und trotzdem alles sehen, was ich sehen will? Alles so kompliziert.... Bis ich sage "Basta!" Machs halt einfach nicht so kompliziert. Denke nur bis zur nächsten Station, einen Schritt nach dem anderen - es war doch Absicht, keine durchgeplante Reiseroute zu haben. Also buche zwei Nächte im Hostel in Catania und stehe endlich auf und starte in meinen Tag. Heute. Es geht um heute.

    Als erstes gehts zu "meiner" Bar direkt um die Ecke. Heute das Gebäck mit Ricotta und dazu Cappuccino. Die meisten Einheimischen trinken Kaffee, auch am Morgen, gerne auch mit einem Schuss Hochprozentigem, aber das fühle ich nicht. Und wieder in die Altstadt, heute will ich wenigstens den Diana Brunnen, die Kathedrale und die Festung sehen. Es interessiert mich nichts so sehr, dass ich rein gehen muss. Eine arme Eidechse 'jage' ich dafür recht ausdauernd und mache ca. 100 Fotos von Orten, an denen vor einer Sekunde noch die Eidechse gewesen ist. Nach ein bisschen Schlendern stoße ich auf einen sizilianschen Streetfood Laden mit Fisch und Pommes und ich weiß gar nicht so richtig, warum es mich dahin zieht. So hungrig bin ich gar nicht, aber Pommes gehen immer. An den Nebentisch setzt sich dann ein Paar, stellt sich raus, dass sie Deutsche sind (common story) und es ist wirklich sehr nett, sich bisschen auszutauschen und ich erhalte einige Reisetipps. Eine gute Begegnung! Anscheinend ging es doch nicht um die Pommes.

    Ich mache mich auf den Weg zum Archeolgischen Park, damit ich noch genug Sonnenstunden zur Besichtigung habe und laufe über drei Stunden auf dem Gelände herum. Highlights sind das Ohr des Dionysos, die Grotten der Seilmacher, das griechische und das römische Theater und das so genannte Grab von Archimedes. Und was mir auch gefällt, ist der Rosmarinbusch, dessen Hauptstamm sicher 4 cm Durchmesser hat und dessen Blüten einige Insekten angelockt hatten, die Wandelröschen und der Granatapfelbaum, an dem die aufgeplatzten Früchte der letzten Saison hängen.

    Am Ende des Tages bin ich platt und nach dem Abendessen in meinem Zimmer ist klar, dass ich heute Nacht wieder nicht raus gehen werde. Meine flüchtige Bekanntschaft von heute Mittag hat mir den Hinweis gegeben, dass mein Zimmer wohl doch beheizbar ist. Und tatsächlich bekomme ich warme Luft aus dem Ding, was ich für eine Klimaanlage (im Sinne des Abkühlens) verstanden habe. Den ganzen Raum kann man damit trotzdem nicht beheizen, da über die halbe Fläche ein Zwischenboden für den Schlafbereich eingezogen ist (wie bei einer typischen tiny house Konstruktion) und die Luft nur dahin geblasen wird und natürlich auch nicht runter kommt. Ich sitze den halben Abend gut eingepackt am Küchentisch und die andere Hälfte der Zeit im Bett und sitze dort einige Stunden am Nebenjob, korrigiere einen Text und mache zwei Übungsaufgaben zum Review fertig. Ist ein gutes Gefühl, wenn ich daran denke, dass ich mir dadurch z. B. über 60 von den unverschämten Cappuccini zusätzlich leisten kann. Reisen ist schon teuer, und wenn ich mein Interrail Ticket aufbrauchen will, bin ich noch eine Weile unterwegs.

    Ich schlafe erst weit nach Mitternacht ein und verschlafe prompt am nächsten Morgen. Nach dem anfänglichen Schreck fällt mir auf, dass ich ehrlich gesagt gar nicht viel zu erledigen habe, die Sachen vom Wäscheständer sind schnell in den Rucksack geworfen und es bleibt auch noch genug Zeit für den morgendlichen Cappuccino (dieses Mal mit einem Gebäck, dass Ricotta UND Pistaziencreme enthält), bevor ich zum Bus muss. Bus auf der Interrail Tour? Ja, der kostet auf der kurzen Strecke nur 6,20 €, ist laut Fahrplan schneller und hat eine Haltestelle neben meinem neuen Hostel, während der Bahnhof recht weit entfernt ist. Werde schon auch noch wieder den Zug nehmen, wenn es passt. Goodbye Siracusa, du wunderschöne Stadt, vielleicht auf bald!
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  • Day 7–9

    Catania (Festa di Sant‘Agata)

    February 4 in Italy ⋅ ☀️ 17 °C

    Eins vorweg: Catania - ums vornehm britisch auszudrücken - ist nicht meine Tasse Tee. Die Tatsache, dass dort vom 3. - 5. Februar das größte und wichtigste sizilianische Fest statt findet, hat wohl noch zusätzlich dazu beigetragen. Agatha von Catania (um 300 n. Chr.) war eine Jungfrau und Märtyrerin, der zuerst die Brüste abgeschnitten wurden und die anschließend auf glühenden Kohlen den Tod fand. Sie wird als Heilige verehrt, insbesondere seit beim Ausbruch des Ätna ein Jahr nach ihrem Tod ihr Schleier in Richtung Krater getragen wurde, wodurch der Lava Strom endete. Das dreitägige Fest hat zur Folge, dass angeblich bis zu einer Million Menschen in die Stadt kommen (drei mal so viele wie Einwohner), überall in den Straßen Berge von Müll liegen, Hubschrauber über der Stadt kreisen, mehrmals am Tag und in der Nacht Feuerwerke abgebrannt werden und sich eben einfach alles um Agata dreht, von der Dekoration der Häuser und Straßen bis hin zu den angebotenen Speisen.

    Die Vorbereitungen auf das Fest laufen schon seit einem Monat, und daher hatte meine Reisebegegnung mir schon von dem Festival erzählt, aber ich habe es nicht so richtig ernst genommen und nicht danach recherchiert. Auf der Busfahrt nach Catania bin ich noch sehr gut gelaunt, freue mich ganz vorne neben dem Fahrer zu sitzen und Premium Aussicht auf den Ätna zu haben. Bald danach (allerdings wegen Stau einer Stunde Verspätung, also doppelter Fahrzeit) komme ich im Zentrum von Catania an, sehe die ersten Menschen in weißem Gewand und weiß noch genau, wie interessant der erste Anblick ist. Da habe ich noch nicht kapiert, dass ich die nächsten zwei Tage Tausende in diesen Sackleinen wandeln sehen werde. Der Busfahrer wirft uns irgendwo abseits der eigentlichen Haltestelle raus, weil mehrere Straßen gesperrt sind. Ich gehe zum Hostel durch Rauch Schwaden: unter der Eisenbahnbrücke stehen zig Grills und über Kohlen und offener Flamme werden Berge von Fleisch und Fisch gegrillt. Auch das ist am Anfang noch faszinierend und auch ganz schön fremd, es wirkt auf mich eher so wie ich es mir im Maghreb vorgestellt habe.

    Im Hostel angekommen ist dann wieder eine ganz andere Welt und es wird mir teilweise auch ganz schön auf den Senkel gehen in den kommenden Tagen. Erst ist es spannend, andere Reisende zu treffen und sich auszutauschen. Ich hoffe so sehr, gute Bekanntschaften zu machen und habe große Sorge, nicht Teil des inner circle zu werden. Bald merke ich, dass ich das eigentlich gar nicht will und im Zweifel meine Zeit lieber alleine als in schlechter Gesellschaft verbringe. Die scheinbar so tiefgründigen Gespräche sind in Wirklichkeit nur oberflächlich, oder vielleicht ist es doch einfach eine andere Generation oder halt andere Mentalität.
    Die erhofften Reisetipps gibt’s auch nicht: eine Reisende ist vergangene Woche auf Malta gewesen und dort war alles viel bedeutsamer für sie und sie hat wirklich Menschen kennen gelernt, bei denen sie fühlt, dass die Einfluss auf ihr Leben haben werden und deswegen will sie jetzt wieder dahin zurück. Ich frage, ob sie einen Geheimtipp hat, da die Überfahrt ja doch recht teuer ist (80 € one way). Was Überfahrt? Nein sie fliegt immer.
    Fliegen ist ohnehin recht weit verbreitet unter Low Budget Reisenden (Fehler im System) und ich habe manchmal den Eindruck, dass bei mir bald die 80er anrufen: sie wollen ihr Interrail Ticket zurück. Und meinen schönen Backpack gleich mit - obwohl ich den ehrlich erst nach der Jahrtausendwende gekauft habe!

    In Catania jedenfalls sind die nächsten Tage sind eine Mischung aus fasziniert sein und abgestoßen fühlen. Übermäßiger Personenkult ist mir nix, egal ob von Lebenden oder Toten. Anderseits kann ich es auch nicht ignorieren und muss mir immer wieder ansehen, was alles dazu gehört. Wie sie diese riesigen Kerzen durch die Gegend tragen. Wie auf der Straße Sägespäne aufgebracht werden für die heilige Prozession, bei der die sterblichen Überreste von Agatha auf einem Wagen von mehreren hundert Personen durch die Stadt gezogen werden. Auch das Gebäck, welches eine von Agathas Brüsten darstellen soll, muss ich probieren. Wie fremd ich mich die meiste Zeit fühle, wird mir besonders bewusst, als ich in einer Seitenstraße an einer alternativen Bar vorbei komme und denke: Oh hier läuft ja „westliche“ Musik. Dort trinke ich ein Bier zwischen dem Italienern, die mit Agatha nichts am Hut haben (die gibt es natürlich auch). Sie sehen alle aus wie Philosophie Studenten, tragen Brillen mit dünnen Rändern und rauchen selbst gedrehte Zigaretten. Eigentlich genau so, wie ich mir die italienische Jugend vorstelle. Sie sind mir auch fremd, aber nicht so sehr.

    Ein bisschen habe ich auch Catania abseits des Festivals versucht kennen zu lernen, aber viel Schönes habe ich nicht gefunden. Teilweise herunter gekommene Häuser, viele Schrottautos mitten in der Stadt, der Müll mit den Ratten bzw. Mäusen. Ich habe versucht das Stadtzentrum zu verlassen, aber bin entweder auf enge Straßen gekommen, wo der „Gehweg“ zugeparkt ist und ich auf der Straße laufen muss, oder direkt an eine mehrspurige Straße mit massivem Verkehr. Der Strand ist sowieso gar nicht zu erreichen. Einzig den Bellini Park finde ich sehr schön, eine richtige Oase. Ich lese erst hinterher zufällig, dass hier letzte Woche leider eine 13 Jährige vergewaltigt wurde.

    Die positivsten Erlebnisse sind mit Menschen, die sich über mich als Touristin gefreut haben: der nette alte Mann, an dessen Wagen ich frisch gepressten Orangensaft gekauft habe und er mit mir angestoßen hat sowieso der Kellner in der Bar, in der ich einen Aperol & Arancini hatte, der unbedingt wollte, dass ich was auf Italienisch sage und sich dann sehr gefreut hat. Ich wünsche ihnen und allen anderen in dieser Stadt alles Gute, ich werde wahrscheinlich nochmal durch Catania fahren, wenn ich Sizilien verlasse, aber bestimmt nicht aussteigen.

    Ich verlasse die Stadt mit der Bahn und bin überrascht wie wohl ich mich am Bahnhof fühle. Da weiß man halt auch, was man hat: Bahnhofshalle, Anzeigetafeln, Dingdong Lautsprecherdurchsage, Zug gefunden, nee doch wieder aussteigen, richtiger Zug, alles top
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  • Day 9

    Taormina

    February 6 in Italy ⋅ ☀️ 15 °C

    Es gibt nicht viel zu sagen: ein Tag zum Genießen!

    Von Taormina haben mir viele erzählt und daher habe ich es in meinen Reiseplan eingebaut. Manchmal ist es gut, dem Mainstream zu folgen, die Leute hatten Recht. War auf der Durchfahrt und hatte nur sechs Stunden im Ort, aber dafür 15 kg Gepäck auf dem Rücken. Laut Uhr 18000 Schritte und 14 km und die Höhendifferenz zwischen Kirche und Meeresspiegel/ Bahnhof ist 337 m. Musste auf den Treppen mehrmals Pause machen, aber jeder Schritt hat sich gelohnt. Der Ort ist einfach wunderschön und ja man hört auf den Straßen hauptsächlich deutsch, amerikanisch und ukrainisch. Aber zumindest jetzt im Februar ist es nicht zu voll und auch dass ich für eine Zitronen Limo und Cipolline auf die Hand einen Touri Preis von sechs Euro gezahlt habe, stört mich nicht.
    Fühlt sich an wie Urlaub!
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  • Day 9–12

    Palermo

    February 6 in Italy ⋅ 🌙 12 °C

    Von Palermo wusste ich bisher nicht viel, außer - na klar - Mafia.
    Ich glaube, ich fand die Stadt deswegen eigentlich schon seit ich Kind war interessant, aber als es jetzt soweit ist, habe ich Zweifel, ob ich wirklich Lust auf Großstadt habe. Höre vielfach, dass Palermo recht einfach im Umgang ist und beschließe, es drauf ankommen zu lassen. Reserviere aber erstmal nur eine Nacht in der vielfach empfohlenen Casa di amici. Direkt nach der Ankunft verlängere ich auf zwei Nächte und später auf drei. Das Hostel hat eine wirklich schöne und inspirierende Ausstattung (an den Wänden riesige Ölgemälde und Instrumente mit der expliziten Aufforderung, diese zu nehmen und zu spielen), liebevolle und gut gelaunte Rezeption und entsprechend offene und kontaktfreudige Gäste. Am ersten Abend will ich eigentlich nur kurz klären, ob es mit dem Ausflug nach Lo Zingaro klappt und sitze bis nach Mitternacht mit Mr. Seychellen-Südtirol und Laurentiu.

    Am ersten Tag bin ich in Lo Zingaro, so dass ich nach zwei Nächten immer noch keinen Fuß in die Stadt gesetzt habe. Das ändert sich am nächsten Morgen, und zwar habe ich um 10 direkt eine Führung: No Mafia. Unsere Tourenleitung, die auch involviert war in die Anti Mafia Bewegung, hält an verschiedenen Stationen in der Stadt einen insgesamt dreistündigen Vortrag. Es ist ein spannendes Thema, aber ich bin doch fast ein bisschen zu müde dafür. Immerhin habe ich jetzt einen lebendigeren Bezug zu den Namen, die immer wieder in Palermo und ganz Sizilien auftauchen, allen voran natürlich Falcone & Borsellino.

    Am Nachmittag stratze ich noch bisschen alleine durch die Stadt, kann mich bei dem ganzen leckeren Streetfood kaum entscheiden, aber es wird ein Sandwich mit gegrillter Aubergine und Parmesan. Über die WhatsApp Gruppe sammeln wir uns nochmal im Team “hot spring is our thing” zusammen, schlendern durch den Hafen und den botanischen Garten. Ich bin zufrieden mit Palermo, es ist wie angekündigt sehr entspannt (wobei ich auch festgestellt habe, dass optische und akustische Unruhe mich immer weniger tangieren), aber ich bin auch bisschen übersättigt und kann mir kaum etwas anschauen (habe mir z. B. dieses Mal keine Kirche mehr von innen angeschaut).

    Am Abend etwas, worauf ich mich schon den ganzen Tag über gefreut hatte: auf dem Piazza Bellini findet ein Tanz Treff statt, es gibt verschiedene Volkstänze aus verschiedenen Regionen (hauptsächlich Bretagne, Schottland und diverse osteuropäische) als Paartanz oder Formation, und jeder kann mitmachen. Wir sind pünktlich um 9:30 da und Younes (NL) stellt treffend fest, dass wir uns damit wohl als Nordeuropäer geoutet haben: es ist sonst noch keiner da! Viertelstunde später sind wir aber schon mittendrin, ein klassischer Tanz im großen Kreis, gegen den Uhrzeigersinn und dann mit und die Koordination in der Gruppe ist nicht so gut und ich werde fast zergerissen. Luca, der uns das ganze empfohlen hatte, kümmert sich auch heute um uns. Diverse Freunde von ihm stellen sich bei uns mit Handschlag vor. Man kommt sich direkt vor wie alte Freunde, als wenn wir ab jetzt jeden Donnerstag dabei sein werden (wobei Vedansh, der ab jetzt im Palermo studiert, das wohl tatsächlich tun wird). Dann fordert mich Luca auch zum nächsten Tanz auf, erklärt die Schritte, es ist ganz einfach: 4 vor, 4 zurück, aufeinander zu, voneinander weg, einmal drehen und schwups: neuer Partner. Und dann wieder von vorn. Gefällt mir ausnehmend gut. Beim nächsten Tanz sind auch Younes und Vedansh dabei. Ich tanze mit neuen Freunden und mit Fremden auf der Straße. Und es macht einfach nur Spaß, ohne Gedanken darüber, wie es aussieht und dass ich die Schritte eigentlich gar nicht kann. Weit nach Mitternacht sind immer noch welche am Tanzen, aber wie lange es geht kann ich nicht sagen, denn wir sind um 2 zurück ins Hostel.
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  • Day 10

    Lo Zingaro

    February 7 in Italy ⋅ ☁️ 15 °C

    Bester Tag, traumhafter Ausflug in den Nationalpark, habe lange nicht mehr so viel gelacht.
    Los ging’s um kurz nach 8 mit vier Jungs aus dem Hostel und Reiseleitung Luca. Er fährt uns souverän durch den palermitanischen Verkehr (das Auto hat keine weitere Beule bekommen). Die Stimmung ist ausgelassen, obwohl wir noch bisschen müde sind. In Analogie zu den überall bekannten schlechten Witzen lautet unserer heute „Ein Amerikaner, ein Niederländer, ein Sizilianer, ein Rumäne, ein Argentinier und eine Deutsche gehen in einen Nationalpark. ….“
    Im Zingaro 9 km Wanderung, die Ausblicke sind wunderschön. Luca zeigt uns verschiedene Pflanzen bzw. gibt sie uns zum Probieren. Auf der ersten Hälfte haben wir den Park ganz für uns alleine. Rast in einer kleinen Bucht mit sizilianischem Brot, das wir auf dem Hinweg in einem kleinen Dorf geholt hatten. Am Ende der Wanderung Badepause in einer anderen wunderschönen Bucht. Ich habe meine Schwimmsachen im Auto gelassen, weil ich dachte, dass mir eh zu kalt ist. Luca verleiht mir seine Badehose, beste Reiseleitung. Das Wasser ist kalt, aber es tut so gut da zu schwimmen. Ich war noch nie in so schönem Wasser.
    Danach entscheiden wir gemeinsam, dass wir noch nicht nach Hause wollen und fahren nach kurzer Kaffeepause zu den hot springs. In den ersten natürlichen Badewannen ist es recht voll (Einheimische und Touristen), aber wir gehen weiter flussaufwärts und finden einen Spot für uns alleine. Erst unter einer warmen Dusche/ Massagestrahl und danach über einen Felsen klettern und in die Grotte. Das Wasser ist heiß, heißer als in einer normalen Badewanne, ich kann nicht mit dem ganzen Körper unter Wasser tauchen, ohne dass es zu doll wäre. Wir können nicht glauben, wie cool es hier ist, aber auch Luca, der schon oft da war, ist richtig glücklich an diesem Ort zu sein und dem Moment mit uns zu teilen.
    Zurück im Hostel lassen wir den Mate Becher rum gehen und kochen Spaghetti all olio aglio e pepperoncino. Und sitzen noch so lange bis alle eigentlich viel zu müde sind

    Es ist ein perfekter Tag gewesen und wir hatten alle so viel Spaß miteinander. Jeder hat immer mal wieder drauf geachtet, alle mit ins Gespräch zu holen - oder wenn jemand die meiste Zeit gerne da war aber nicht viel Bock hatte zu reden (kann sein das ich das paar mal war), war das auch super. Der Soundtrack war auch gut, am Strand gab es Beatles und im Auto Alt-J. Ein Traum mit den Jungs heute, ich bin glücklich
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  • Day 12

    Über Caltanisetta nach Ragusa

    February 9 in Italy ⋅ ☁️ 14 °C

    Ich möchte nach Pozzallo, aber nicht auf dem gleichen Weg wie ich gekommen bin. Ich muss die Fahrplan Apps ganz schön austricksen, bis ich eine Verbindung quer über die Insel finde. Es gibt nur eine mit fünf Stunden Aufenthalt in Caltanisetta, daher ist die streckenmäßig längere Verbindung an der Küste über Messina natürlich zeitlich kürzer. Mich stört der lange Aufenthalt nicht - dann habe ich noch eine weitere Stadt zu besichtigen.

    Eine Recherche über Caltanisetta ergibt nicht viel, außer das Goethe auch da war (Wikipedia schreibt über ein Missverständnis bei einer Konversation Goethes mit Einheimischen auf dem Marktplatz). Ich habe die Italienische Reise leider noch nicht gelesen, aber bin jetzt doch ziemlich fasziniert. Aufbruch in Nacht und Nebel, ohne sich richtig zu verabschieden, inkognito reisen, weil keinen Bock auf den Prominentenstatus. Unterwegs in der Postkutsche, meistens ohne Bedienstete. Wie war’s denn, Johann - auch immer dreckig gewesen? Stress gehabt, den Weg von A nach B zu finden? Wie war das Gefühl, immer wieder Essen und Unterkunft suchen zu müssen, nicht zu wissen was morgen ist? “Jetzt fühl' ich wohl die Verwegenheit, unvorbereitet und unbegleitet in dieses Land zu gehen.” And I feel you.

    Die Fahrt von Palermo geht zunächst entlang der Küste, wunderschön (habe ich auf dem Hinweg in der Dunkelheit nicht sehen können) und dann ins Inland, gewissermaßen Hinterland. Wieder sehr schöne Ausblicke, viele Berge, immer wieder Tunnel. Es ist fast niemand in diesem Zug, der weniger als eine Handvoll Male pro Tag fährt. In Caltanisetta ist die Innenstadt und Goethes Marktplatz schnell erreicht, sagt mir nicht zu diese Ecke. Ich bin mit dem großen Rucksack nicht gerade unauffällig und so spricht mich einen Italiener an, der mal in Bozen gelebt hat und deswegen meint, Deutsch sprechen zu können, aber da ist nicht mehr viel. Englisch auch nicht. Er empfiehlt mir noch die Kirche von innen anzusehen und wir wünschen uns einen schönen Tag. Ich gehe weiter durch die Stadt und finde eine nette Parkbank für ein Nickerchen. In der Nähe noch eine Burgruine auf einen Friedhof, da will ich auch noch hin. Dieser ist mal wieder riesig und wirkt wie ein kleiner Ort mit Gassen, um die „Häuser der Toten“ / Familiengruften teilweise ein kleiner Gartenzaun wie beim Einfamilienhaus und am Stadtrand stehen die “Hochhäuser” mit mehreren Ebenen und vielen Grabstätten. Vor dem Friedhof ein paar Straßenhunde. Sie betteln nicht, sie wedeln nicht mit dem Schwanz, sie erwarten nichts, sie schauen mit traurigen Augen und geben den Blick in ihre gebrochene Seele preis.

    Auf dem Rückweg noch durch das “Arabische Viertel”, was so heißt weil die Architektur a die Zeit erinnert, als die Stadt Qalʿat al-nisā hieß. Aber es gibt auch das “Arabische Viertel”, wo man heute auf den Straßen kein Italienisch hört. Die Armut in machen Ecken insbesondere im Kontrast zu den herausgeputzten trifft mich doch ganz schön. An einer Anzeigetafel sehe ich Wohnungen, die für einen niedrigen fünfstelligen Preis zu kaufen sind. Weniger als ein Jahr meiner Miete in Hamburg.

    Ich gehe zurück in die Innenstadt und finde nach längerer Suche eine offene Bar und esse eine Teigtasche gefüllt mit Käse und Anchovis. Ich habe gerade aufgegessen, als mein Kumpel von heute Vormittag wieder da ist. Caltanisetta ist klein, sagen wir lachend. Er heißt Toni und setzt sich zu mir. Er ist Musiker und will wissen wie es in Hamburg ist. Das Smartphone in seiner Hand, will er alles von mir wissen, mich aussaugen. Ich bin ein Mensch aus einem Ort, wo er noch nie war und vielleicht nie hin kommt. Was macht ihr da, welche Musik hört ihr, was gibt es für Theater? Nun sag schon! Es tut mir so Leid wie noch nie zuvor, dass ich kein Italienisch kann. Goethe konnte halt die Sprache im Verlauf seiner Reise fließend. Ich zeige Fotos der Elbphilharmonie aus dem Internet und die Pferde aus dem Reitstall zu Hause. No, non e mio cavallo pero me piace. Cavallo: amore. Si. Toni möchte mein Essen bezahlen und ich tue so, als wenn ich nicht verstehe. Er holt den Kellner zur Hilfe, der Englisch kann. Als ich versuche abzulehnen, wird Toni böse und seine Augen schwarz. Ich sage schnell zu und bedanke mich vielfach. Wir werden Facebook Freunde - für den Tag, wenn Toni in in Hamburg ist und ich ihn einlade. Er begleitet mich noch zum Bahnhof. Ich fand die Begegnung teilweise anstrengend, aber andererseits ist die Zeit schnell vergangen und außerdem scheint Toni sehr zufrieden zu sein, mich getroffen zu haben, das freut mich dann auch.
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  • Day 12–13

    Ragusa

    February 9 in Italy ⋅ ☁️ 12 °C

    Der Weg von Palermo nach Pozzallo ist zu weit, um es so zeitig zu schaffen, dass man am selben Tag noch auf die Fähre kann. Daher plane ich einen Tag in Modica einzulegen. Als ich einen Reithof in der Nähe von Ragusa entdecke, entscheide ich mich um. In Ragusa finde ich ein Apartment ähnlich wie La Casa du Carola, eben wieder ein anonymes Ding mit Schlüsselkasten, aber die sind einfach günstiger als B&B oder Hotel und man hat viel Platz. Die Gastgeber sprechen/ schreiben kein nennenswertes Englisch, aber es klappt trotzdem alles.

    Am Abend mache ich meinen Plan fertig: da ich Antwort vom Reithof bekommen habe und der Ausritt am nächsten Tag klappt, verschiebe ich die Fähre nach Malta noch einen weiteren Tag nach hinten und buche eine zweite Nacht im Apartment. Das Ding ist zwar wieder nicht richtig warm zu bekommen, aber sonst sehr gemütlich und in freue mich drauf, einen entspannten Tag ohne viel reisen zu haben und möchte auch mal bisschen entspannt arbeiten. Inhaltlich denken statt Reiseplanungen, ich stelle es mir entspannend vor.

    Doch dann kommt es anders: durch Zufall stelle ich fest, dass es am Sonntag einen Streik gibt und kein Zug nach Pozzallo fährt, so dass ich die Fähre (die ich schon für 75 Euro gebucht habe) nur mit dem Taxi hätte erreichen konnten, denn einen Bus gibt es auch nicht. Also verlasse ich das Apartment fluchtartig und nehme den nächsten Zug (von zwei möglichen) nach Pozzallo. Die Nacht im Apartment wird später netterweise zu 100 Prozent storniert.

    Von Ragusa habe ich daher nicht viel mitbekommen, habe nur im Vorbeigehen bemerkt, dass es einen schönen Park in der Mitte gibt, eine Art Schlucht, über die auch drei große Bücken aus verschiedenen Epochen verlaufen. In das Tal wäre ich gerne rein gegangen, teilweise ist es bisschen verwildert und teilweise sind kleine Urban Garden Parzellen angelegt, auf denen ich noch viel Palmkohl gesehen habe. Dann muss ich wohl irgendwann nochmal Station in Ragusa einlegen.
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