Plain

Ich stehe vor den Schildern, auf denen die Distanzen zu den verschiedenen Wallfahrtsorten des Christentums beschrieben sind, und habe meinen Blick wie gebannt auf ein ganz bestimmtes geheftet.
2442 Kilometer, denke ich mir. Das ist noch verdammt viel.
Eine alte Dame bleibt neben mir stehen. "Nach Rom ist es aber noch ein bissl weit", sagt sie.
"Und nach Santiago noch viel weiter", antworte ich. "Würden Sie vielleicht ein Foto von mir machen?"
Die Frau lichtet mich neben den Schildern ab.
"Wo gehen Sie denn hin?", fragt sie mich, während sie mir das Handy zurückgibt.
"Nach Santiago."
Die alte Dame macht große Augen. "Und bis wann haben Sie Zeit?"
"Bis Ende Juli."
"Das reicht? Dann kommen Sie gesund zurück und beten Sie ein Vaterunser für mich mit", bittet mich die Dame.
"Gerne", sage ich, obwohl ich normalerweise nie bete. Dieser lieben alten Frau kann ich so einen Wunsch nicht abschlagen. "Wie ist denn Ihr Name?"
"Franziska. Und Ihrer?"
"Sophie."
"Ich habe eine Enkelin die heißt Sophie", sagt sie. "Das werde ich mir merken."
"Ich werde an Sie denken auf dem Weg", verspreche ich.
"Und ich werde Sie im Herzen tragen", sagt die Frau.
Wir verabschieden uns mit einem Lächeln.
Als ich die Wallfahrtskirche betrete, sitzen vereinzelte Menschen in den vorderen Reihen. Ich halte mich im Hintergrund. Erst als eine ältere Dame aufsteht und auf mich zukommt, merke ich, dass es Franziska ist.
Sie tritt auf mich zu, nimmt mich bei den Oberarmen und sagt: "Jetzt hab ich noch ein Gebet für Sie gesprochen. Es ist was Besonderes, jemanden wie Sie zu treffen. Man trifft so selten so liebe junge Leute."
"Das war auch für mich eine ganz besondere Begegnung", sage ich gerührt.
"Kommen Sie gut an", wünscht mir Franziska nochmal. "Und danke Ihnen."
"Danke Ihnen!", entgegne ich. "Ich wünsche Ihnen alles Gute."
Die Frau drückt nochmal fest meine Oberarme, dann wendet sie sich zum Gehen.Okumaya devam et