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  • Day 188

    Natron See

    September 19, 2018 in Tanzania

    Als wir den Serengeti Nationalpark verließen, entschieden wir uns für eine Route, die weiter nordöstlich entlang des Natron Sees in Richtung der Stadt Arusha führte. Dort würden wir schon bald unseren Mietwagen zurückgeben und den Flieger nach Sansibar nehmen müssen. Da wir schon einige Tage Safari Drives hinter uns, schon viele Tiere gesehen und uns andere Touris nicht viel Neues zu entdecken versprochen hatten, entschieden wir uns gegen den bekannten (aber auch extrem teuren) Ngorongoro Krater. Dieser wird häufig in Kombination mit der angrenzenden Serengeti angesteuert, da man dort vom Kraterrand aus viele Tierherden am Wasserloch beobachten kann. Wir haben uns also für einen leichten Umweg entschieden, der uns mehr Einblick in das alltägliche Leben der Masai Dörfer entlang der Strecke bieten würde. Nationalparkgebühren würden hier auch wegfallen. So die Theorie. In der Praxis erwartete uns allerdings (wieder einmal) eine fiese Überraschung.

    Wir fuhren stundenlang durch trockenes Land, das von der herrschenden Dürre sichtlich gezeichnet war. Wo uns im blühenden Kenia noch die Kinder barfuß unserem Auto hinterherliefen und mit grossen Augen „Pipi“ schrieen - das steht für „Süssigkeiten“ (und so manches Mal gaben wir alles an Bonbons her, was wir dabei hatten) - trafen wir hier in Tansania auf entschleunigtere, entkräftete Menschen, die uns um Wasser baten. 😳😢 Als wir das erste Mal von einem Mädchen, das gerade ihr Vieh ausführte, angehalten und um „Water“ gebeten wurden, waren wir sehr betroffen von dieser Erfahrung und Maggi stand den Tränen nah. Mit dieser Art von Armut wurden wir bisher noch nie auf unserer Reise konfrontiert. Von nun an teilten wir an alle Wasser aus, die an unserer Autofenster klopften. Zum Glück hatten wir in dieser Wüste einige Gallonen im Kofferraum vorrätig.

    Die Landschaft war wüstenähnlich. Man konnte weit in den Horizont blicken. Dabei wechselte der Anblick zwischen weiten Sanddünen, wohin das Auge reichte, und überdimensional großen Kakteengewächsen. Immer wieder zogen Sandwindhosen über uns drüber - schnell das Fenster hoch kurbeln, hieß es dann in unserem nicht-klimatisierten Jeep 😅 - oder wir beobachteten richtig große Sandstürme in der nahen Ferne. Was wäre eigentlich, wenn einem hier etwas passieren würde? Hier, wo es keine Städte und keine Infrastruktur gab, sondern nur mit dem geringsten ausgestattete Masai Dörfer; wo uns kein Auto folgte und wenn wir Glück hatten jede 2. Stunde mal jemand entgegen kam; hier wo es kein Wasser oder Schatten spendende Bäume gab; wo wir keinen Empfang hatten um Hilfe zu rufen...! Die Antwort auf diese Frage lieferten wir uns (leider) schon bald selbst. Denn die Strassen waren hier wirklich schrecklich holprig und felsig. Das ganze Auto wurde ständig durchgeschüttelt. Dass unser Zigarettenanzünder und somit die Stromversorgung für Kühlschrank und jegliche Elektrogeräte deshalb bereits den Geist aufgegeben hatte, haben wir schon erwähnt. Als wir jedenfalls einen ausgetrockneten Fluss im Schritttempo überqueren mussten, aus dem nur noch riesige Felsbrocken herausragten, hörten wir auf einmal einen Knall hinten am Auto. Wir nahmen an, dass wir nun mitten im Nirgendwo in schlimmster Mittagshitze einen platten Reifen haben müssten. Kaum hatten wir realisiert, was und wie um uns geschah, da hatten sich wie aus dem Nichts 2 Masai Schutzengel hinten unter unser Auto geschmissen, um die Lage zu checken. Als wir ausstiegen und sahen, dass es kein Platten war, lagen die beiden Herren allerdings schon halb unterm Auto. Ohne dass wir auch nur irgendwas sagten - geschweige denn rafften - hatten sie mit der Reparatur à la McGyver begonnen. Uns hatte es bei all dem Gerüttel und Geschüttel die hintere, recht massive Stoßstange abgerissen; der schwere Stahlträger hatte sich wohl unterwegs langsam aber sicher der Vibration ergeben. Die beiden Herren schnappten sich 2 Kordeln aus ihrem Lkw, der hier grade wegen Überhitzung pausierte, und schnallten uns die Stoßstange wieder fest. Unglaublich! Was für ein Einsatz! Und das sogar ganz ohne Bitte um Hilfe. Es ging alles so schnell, dass die beiden fleissigen Helferlein schon wieder fertig waren bevor wir den Mund vor Staunen schließen konnten. Was für ein glücklicher Zufall, dass sie grad hier im Gebüsch Siesta gemacht hatten. Wäre uns dies eine halbe Stunde vorher oder später passiert, wären wir keiner Menschenseele begegnet. Ausgerechnet dort saßen sie, wo unser Auto zum ersten (und letzten) Mal Faxen machte. Da hatte uns das Schicksal zusammengeführt, denn als wir sie fragten, womit wir uns erkenntlich zeigen könnten, baten sie nur um... WASSER. 😳 Als wir ihnen eine randvolle 1,5 Liter Flasche hinhielten, sah man ihnen die Erleichterung richtig an. Sie nahmen gaaanz tiefe Schlücke und gaben uns die Flasche wieder dankend zurück. Als wir klar stellten, dass sie die ganze Flasche behalten dürften, war ihnen die Freude ins Gesicht geschrieben. Dieses Erlebnis beschäftigte uns noch lange. Was wir uns in der 1. Welt nicht alles wünschen, wie verschwenderisch wir mit unseren Ressourcen umgehen, wie selbstverständlich für uns so ein „Gut“ wie Wasser ist. Für andere entscheidet dies über Leben und Tod. Krasse, tief sitzende Erfahrungen, die wir hier in Tansania machten, die wirklich ans Herz gingen und das Bewusstsein und die Dankbarkeit für so einiges „Normales“ im Leben schärften. 🙏🏼

    Am Nachmittag erreichten wir das Giraffe Garden Eco Camp nahe des Natron Sees. Der Name war Programm, denn dieser See war so salzhaltig, dass er nicht als Wasserquelle für die umliegenden Bewohner dienen konnte. Schon irgendwie sarkastisch von der Natur, wenn die hiesigen Menschen unter Wasserknappheit leiden und dabei ständig auf einen riesigen, „unnützen“ See blicken müssen. Das Eco Camp, das einer Belgierin gehört und gemeinsam mit Masai betrieben wird, war eine gemütliche und saubere Anlage umgeben von einem Vulkan nach dem anderen. Im Restaurant trafen wir auf einen jungen Lokführer der Deutschen Bahn aus Dortmund, der den Kilimanjaro bestiegen hatte, begleitet von einem privaten, 7-köpfigen, einheimischen Team bestehend aus Tour Guide, Koch, Ausrüstungsträgern... Man merkte, dass er sich in der vergangenen Woche nur wenig mit dieser Crew austauschen konnte, da er bei uns vor lauter Eindrücken nur so sprudelte. Mit viel Respekt für seinen sportlichen Erfolg lauschten wir seinen Geschichten und fühlten uns darin bestätigt, dass wir die richtige Entscheidung getroffen hatten, nicht einfach spontan, völlig (körperlich/mental) unvorbereitet und ohne richtige Ausrüstung den Berg hochzukraxeln, der ja auch immer wieder seine Tribute fordert. ⛰

    Die Nacht wurde hier so windig wie bislang noch nie. Wir dachten echt, es reißt uns das Zelt vom Dach. Aber alles ist nochmal gut gegangen. Ein emotionaler Tag ging zu Ende. Die nächste Krise erwartete uns schon morgen... und damit meinen wir nicht die eiskalte Dusche und weiterhin kein Strom für unsere Handys, weil die Solarpaneele noch nicht richtig angelaufen waren. 😉 Als wir nämlich das Camp verlassen wollten, warnte uns der Hotel Manager, dass wir eine SAFTIGE Strassenmaut zahlen müssten, weil wir in diesem Gebiet eine Nacht verbrachten. 😳 Strassenmaut, weil man über Nacht blieb? Die man nicht hätte zahlen müssen, wenn wir gestern einfach durchgefahren wären nach Arusha? Das machte ja mal so GAR keinen Sinn. Davor hätte uns das Hotel auch gestern beim Checkin warnen können und nicht erst bei Abreise. 😡 Totale Abzocke! Wir fuhren ins Masai Dorf, um uns Rat zu holen, ob es einen anderen Weg nach Arusha gab, um nicht diese willkürliche Steuer an die Geldhaie der Tansanischen Regierung zahlen zu müssen. 1 Stunde lang steckten wir die Köpfe mit „3 Weisen“ zusammen, doch kamen zu keiner todsicheren Lösung. So tranken wir einfach nur mit ein paar Einheimischen in einer kleinen Bar Cola. Das hatten wir einem Masai sogar gestern bei der Durchfahrt versprochen. Der hatte uns sicher nicht geglaubt, dass wir unser Wort halten und am nächsten Tag tatsächlich nochmal auf ein paar Drinks vorbeischauen. Schon seltsam zu sehen, dass es den Menschen hier an den kleinsten Dingen wie Frischwasser mangelt, aber dann ein Billardtisch mitten im sandigen Dorf steht. 😀 Hier fühlten wir uns mal wieder herzlich willkommen.

    Anders als kurz darauf an der Schranke, wo die korrupte Regierung von uns eine echt heftige Maut verlangte. Vor allem, weil man hier ja noch nicht mal wirklich von „Strassen“ sprechen konnte. Jedenfalls liessen sie nicht mit sich diskutieren. Hier begann wieder der Albtraum „Kreditkartenzahlung“. Für einen Teilbetrag akzeptierten sie diese, für den Rest jedoch wieder nicht. Machte alles mal wieder keinen Sinn. Wir mussten wieder zurück in unser Camp, denen dort das Geld überweisen, der Manager würde den Betrag an die Regierung abführen und wir mussten mit einer ausgedruckten Zahlungsbestätigung zurück zu der Mautschranke. Wäre auch alles easy gewesen, wenn die solarbetriebenen Generatoren des Camps angesprungen wären. Ohne Strom waren weder eine Kreditkartenzahlung, noch ein Ausdruck möglich. 🙈 Nach 2 Stunden hatten wir es dann auch endlich geschafft. Den halben Tag haben wir damit verloren, die Masai im Dorf zu konsultieren, um schlussendlich dann doch der Regierung Geld in den Rachen zu stecken. Doch auch hier waren wir wieder um eine Erfahrung reicher. Tja, mal gewinnt man, mal verliert man. Das schlimmste war jedoch die Diskussion mit einer kratzbürstigen, von sich und ihrem System überzeugten, streitsüchtigen Leitenden Regierungsdame an der Mautstation. Als sie uns vorwarf, dass wir reichen Westler das Geld doch eh haben und uns nicht so anstellen sollen, da platzte uns vollkommen der Kragen. Wir stritten uns kurz mit ihr, dass wir auch nichts dagegen hätten für etwas zu zahlen, das man auch tatsächlich nutzt (wie Strassen, die es hier aber nicht gab) bzw. wenn die Menschen im Lande von diesen Steuern profitieren würden. Doch dies war ganz offensichtlich nicht der Fall so häufig wie wir unterwegs um Grundnahrungsmittel angebettelt wurden. Sie war der Überzeugung, ihr Land mache alles richtig und sowieso sei Tansania die beste Regierung auf Erden. Die Diskussion, die zum Streit ausartete, war sinnlos. Wie das alles hier. Wir zahlten und düsten ab. 🚐💨
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