• Ha Giang und sein Loop

    11.–15. huhtik., Vietnam ⋅ ☀️ 28 °C

    Lesezeit: 20 Minuten 😉

    Zweihundert außerordentlich steile Meter sind es zum Parkplatz, wo schon das Auto für die längste Strecke auf der gesamten Vietnamreise auf uns wartet. Der Fahrer lässt gerade seine Schlaffecke im Gepäckraum verschwinden, als ich oben ankomme.
    Oha - denke ich.
    Er ist also nachts hergekommen.

    Mit diesem Auto haben wir wohl echt Glück. Flüsterleise ist diese Hightech-Sänfte. Geräumig und extrem bequem. Auf dem Lenkrad steht ein V 🤔 Sagt uns nichts. Wahrscheinlich ein Chinese.
    Doch dann entdecke ich auf der Fußmatte den Namen Vinfast. Schnell mal gegoogelt und gucke da: Vinfast ist ein vietnamesischer Autohersteller. Wusste gar nicht, dass die auch Auto können.
    Vf9 heiß unser Modell und ist das größte. In Deutschland werden die auch vertrieben, lese ich. Doch nur in einer kleineren Ausführung.

    Nach Siebeneinhalb Stunden inklusive zweier Ladepausen sind wir da. In Ha Giang. Was übrigens Ha Gang (das G wie bei Garage) gesprochen wird.
    Die Skybay Lodge ist eine recht große Anlage mit Bungalows, Zimmern und einem dekorativen großen aber etwas speckigen Pool.
    Unser Bungalow ist riesig und recht spartanisch eingerichtet.
    Was soll’s 20€ kostet die Nacht.
    Das Geschäftsmodell dieser Familie ist nämlich nicht die Unterkunft, sondern die Fahrten auf dem Ha Giang Loop. Die gibt es als Fahrt mit einem Easyrider, das heißt der Kunde wird auf einem Motorrad gefahren oder eben mit einem Jeep. Wegen meiner bekannten Rücken-Probleme entscheiden wir uns für die Alte-Leute-Variante: Einen Jeep mit Fahrer und Guide.
    Winnie, eine Angestellte im Unternehmen, ist meine Kontaktperson per WhatsApp. Sie hat schon das Taxi aus Pu Luong geordert und sie verhandelt mit uns über die Fahrt auf dem Loop. Wegen dem schlechten Wetter, das da kommen soll, entscheiden wir uns für die Variante 2D/1N.
    Und so vertrödeln wir den „freien“ Tag. Denn es regnet. Erst als es aufhört, leihen wir ein Moped aus, mit dem wir zu einem nahgelegenen Wasserfall fahren. Weit kommen wir nicht. Denn es beginnt wieder an zu nieseln. Boa. Daraufhin planen wir um und lassen uns im Massagesalon verwöhnen. Frisch durchwalkt geht’s zu einem hippen Café das sich weit oben auf einem Berg befindet. Der Weg ist so steil, dass unser Scooter mit seinen Insassen schwer zu tun hat. Hier gibt es nicht nur einen ausgezeichneten vietnamesischen Kaffee sondern einen Traumblick auf die Stadt, die von oben fast schon liebenswert aussieht. Zu guter letzt gönnen wir uns eine echt gute Pizza (die könnte von mir sein), Bruschetta und Spaghetti.
    Dieses Essen hat mal richtig gut getan. Langsam nämlich sind uns die vietnamesischen Speisen über.

    Das große Abendteuer beginnt dann bei leicht trübem Wetter mit über 25Grad. Jacken nehmen wir dennoch mit, denn oben soll es kühl sein, meint Winnie.
    Pünktlich steht unser Jeep auf dem Hof. Das auf US-Army getrimmte Fahrzeug ist mit allerlei Gimmicks ausgestattet und fällt überall auf. Anfangs glauben wir, es sei ein Wrangler. Recht bald wird klar: Das ist ein Fancy Fake Wrangler. Ohne Türen, ohne Stoßdämpfer und vor allem die fehlenden Pferdestärken entpuppen sich recht bald als Problem. Die ersten Steigungen und Kurven, die nicht selten Kehren sind, krächzt das Auto. Der Reifenabrieb stinkt und die immer heißer werdende Mittelkonsole verwandelt unser Trinkwasser in Kochendwasser. Hätten wir vielleicht hier schon intervenieren sollen? Ja. Aber wir haben es nicht getan.

    An jeder Kurve - davon gibt es Hunderte - muss ich mich wegen der fehlenden Türen an einem Gurt festkrallen, was furchtbar nervig ist.
    Der Fahrer trägt Badelatschen und versucht das Beste. Erst glauben wir, er hat keine Ahnung vom Schalten. Recht bald wird klar, es ist nicht seine fehlende Leistung, sondern die Leistung des Getriebes.

    Die Landschaft wird bald zur Nebensache. Ich warte nur noch auf den Moment, bis das Auto ne Grätsche macht. Denn mit vier Personen ist es eigentlich überlastet. Leider tut mir das Auto nicht den Gefallen.

    Der Norden Vietnams ist das Zuhause der Hmong.
    Ihre Gesichter haben einen Chinesisch-Mongolischen Einschlag. Die schroffe Landschaft ist alles, was sie haben.
    Ich kann selbst im Vorbeifahren erkennen, wie hart sie mit primitivsten Werkzeugen arbeiten. Auch Frauen. Und Kinder.
    Sie schleppen schwere Körbe mit Gras und sonstigem Grünzeugs. Manche krabbeln an den steilen Hängen und sammeln es händisch. Sieht alles andere als ungefährlich aus. Reisfelder gibt es so gut wie keine. Wenn überhaupt dann sind diese Terrassen mit Mais bepflanzt.

    Auf unserer Route gibt viele Aussichtspunkte. Natürlich machen wir diese Tour nicht allein. Zig Motorradgruppen ziehen an uns vorbei.
    An typischen Stopps stehen die Hmong mit Kind und Kegel und bieten allerlei Typisches aus dieser Gegend an und hoffen auf ein Geschäft. Auch Kinder müssen hier mitmachen. Auf dem Rücken tragen sie diese riesigen Körbe mit Kamilleblumen. Oder kehren die Straße. Kleinstkinder werden einfach abgesetzt und sich selbst überlassen. Irgendwo.
    Die Hmong zählen zu der ärmsten Minderheitengruppe Vietnams.
    Hier möchte ich weder Frau noch Kind sein!

    Das unbequeme Sitzen, das Rütteln des Möchtegern Jeeps, zeigt am frühen Nachmittag schon die ersten Zeichen. Mein Rücken schreit.
    Während ich mich die ganze Zeit schon frage, welchen Mehrwert unser Guide hat, folgt kurz darauf die Antwort: Auf mein Klagen über die Rückenschmerzen, spendiert „ganz überraschend“ der Owner eine Dusche in einem Spa. Eine Dusche??? Ok. Es stellt sich heraus, dass die Dusche eine Sauna und ein Kräuterbad in einer Holzbadewanne sind.
    Diese Maßnahme tut gut. Kommt aber zu spät. Meine Schmerzen sind so groß, dass ich nach dem Check-in nur noch aufs Bett fallen kann. Auch Rainer ist geschafft von dieser Fahrt. Wir verzichten auf das Dinner. Es folgt eine Diskussion an der Tür , die in einer Forderung nach einem geeigneten Auto endet. Einem, wie es auf dem Prospekten abgebildet ist.

    Am nächsten Morgen geht es mir genauso schlecht wie am Abend zuvor. Ein neues Auto ist auch nicht da. Nach anderthalb Stunden Fahrt offerieren wir dem Guide endgültig, dass wir die Tour an dieser Stelle sofort beenden möchten und auf eigene Kosten ein Taxi nehmen werden. Denn mit diesem Auto stünden uns noch etwa fünf weitere Stunden Fahrt bevor.

    Das versteht er, bittet uns aber, noch sein Elternhaus, ein Hmong-Haus, zu besuchen. Bis dorthin sollen wir noch durchhalten. Ok. Wir lassen uns darauf ein. Denn eine solche Gelegenheit wird sich wahrscheinlich nie wieder bieten.
    Vor dem Haus erwartet uns schon seine Mutter. Sie ist zart gebaut. Und die Haut von Sonne und Trockenheit gegerbt.
    Der Eingangsraum ist dunkel. Die Wände grob verputzt. Die Decke mit Holz verkleidet. Hinter der Tür befindet sich das Elternschlafzimmer. Ein paar verblichene eingerahmte Fotos von Angehörigen hängen an der einen Wand und ein „weißes Blatt“ an der anderen. Ich frage, was das ist. Und denke an eine Maske gefertigt von einem zweijährigen Kind. Ein Blatt mit drei Löchern. Gut, dass ich es nur gedacht habe. Es ist das Abbild des Schamanen Txiv Neeb. Der Schutzpatron dieses Hauses, der Wohlstand bringt und vor Gefahren schützt. Jedes Jahr wird es erneuert.

    Im dahinter liegenden Raum ist es genau so dunkel. Das Fensterlose Loch, lässt so gut wie kein Licht rein. Hier befindet sich die Küche. Auf dem Zwischenboden darüber liegen unzählige Maiskolben. Sie werden hier getrocknet. Über dem Topf in einer Größe für etwa zehn Familien hängen rußige, getrocknete Fleischreste. Der Raum ist jedoch geruchsneutral.
    In den folgenden Räumen, die praktisch nur durch Trennwände von der Küche getrennt sind, befindet sich ein Schweine- und Kuhstall. Ausgewachsene Enten und Gänse watschen fröhlich durch die Räume. Und die kleinen Ferkel flitzen hin und her wie kleine Kinder.
    Am Ende ist eine weitere Tür. Die führt zum Hof, wo überwiegend Mais und Grünfutter für die Tiere angebaut werden.
    Ich will ganz ehrlich sein. Ich bin verstört geschockt, dass Menschen so leben. Nicht verachtend. Nur sprachlos. Mir schiesst dieser Satz durch den Kopf, den wir in Anfangszeiten von Covid so oft gehört haben, nämlich dass in China mit den Tieren zusammen gelebt wird. Jetzt erst verstehe ich, was damit gemeint war. Dass so gelebt wird, habe ich mir nie vorstellen können.
    Am Ende des Rundgangs gehen wir nochmals in die Küche. Das Licht wird angemacht und ich sehe eingeweichte Nudeln in einem schwarzen Topf. Ich hoffe nicht, dass wir zum Essen eingeladen werden. Werden wir nicht. Die Mutter stellt lediglich zwei kleine Becher Flüssigkeit hin. Auf der Oberfläche meiner Flüssigkeit schwimmt etwas. Nur etwas Schmutz oder eine Obstfliege? Wasser oder Tee?
    Ich möchte nicht unfreundlich sein und denke unwillkürlich an diesen Satz: Was mich nicht umbringt, macht mich stark. Unter diesen Motto setze ich an. Auch Rainer.
    Und? Es ist hochprozentiger, ganz sauber schmeckender Selbstgebrannter aus Mais.
    Boa! Unser Guide lacht. It’s happy Water 🤣

    Ok. Das wird wohl für immer mein Höhepunkt des Ha Giang Loops sein.

    Inzwischen steht das Taxi vor der Tür. Ganz klar dass der Fahrer nicht irgendwer ist. Es ist der Freund unseres Guides. Der sieht aus wie ein Kind und ich frage, ob er überhaupt eine Fahrerlaubnis hat. Eine eindeutige Antwort erhalte ich nicht. Aber er hat eine vierjährige Erfahrung auf dem Loop. Hm. Scheint das Gleiche zu sein 😎
    Der Vf34 ist spritzig. Der Fahrer fährt zu forsch für meinen Rücken und muss immer mal wieder ermahnt werden. Nach Dreieinhalb Stunden sind wir wieder in Ha Giang, trinken noch einen Kaffee im Bergcafé und anschließend geht’s zum Hotel zurück. Ich kann definitiv nicht mehr schmerzfrei gehen und bin froh, als ich endlich liegen kann. Rainer indes bemängelt die Qualität des Autos und die damit verbundenen Folgen für mich. Aber Winnie will erst den Fahrer sprechen. Der ist natürlich immer noch nicht da.
    Wir schlafen bis zum frühen Abend.
    Abends lassen wir uns das Essen liefern. Ich kann jetzt weder stehen noch sitzen. Die Tabletten bringen keine Wirkung.
    Winnie lässt sich spät abends bei uns blicken. Sie ist der Meinung dass es ein tolles Auto ist und genau wie auf ihren Fotos, die sie mir zugeschickt hat. Ihr das Gegenteil zu beweisen, ist so einfach. Sie bietet uns 100USD Entschädigung an. Das sind 20% der Reise. Und sie übernimmt auf meine Forderung die Taxikosten.
    Letztendlich ist diese Entschädigungszahlung bedeutungslos.
    Denn die Nacht ist furchtbar für mich. Wir spielen zum ersten Mal mit dem Gedanken, die Reise hier abzubrechen. In diesem Zustand können wir praktisch nichts unternehmen. Am Morgen schaue ich nach Verbindungen nach Hause. Es gibt noch einen Meilenflug ab HKG. Das würde gut passen. Denn für den gleichen Tag haben wir eh einen Flug van HaNoi nach HKG. Leider ist die Umstiegszeit sehr knapp.
    Was also tun?
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