Czech Republic
Bedřichov

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Travelers at this place
    • Day 58

      Frau im Bus

      July 27, 2023 in Czech Republic ⋅ ☁️ 12 °C

      Gestern Abend habe ich mich entschlossen, die 600 Höhenmeter mit dem Bus zurückzulegen. Eine Bushaltestelle lag direkt an meinem Wanderweg und ich musste im Zentrum von Liberec nur 1 mal umsteigen. Bei meiner letzten Busfahrt kaufte ich ganz anständig ein Ticket beim Busfahrer und wunderte mich über dessen, nicht zu übersehenden, Missmut und die Wechselgeldkasse in Form einer Tupperdose. Als ich platzgenommen hatte sah ich direkt vor mir einen Fahrkartenautomaten. Mit dem beruhigenden Wissen, Tickets jederzeit im Bus kaufen zu können, bestieg ich heute in aller Frühe die Linie 12 in die Innenstadt. Natürlich gab es hier keinen Ticketautomaten und der Versuch erneut beim Fahrer zu bezahlen endete mit einem deutlichen Fingerzeig auf ein Schild, das auch mir zu verstehen gab, dass der Fahrer nicht wünschte, angesprochen zu werden. So wurde ich ungewollt zum Schwarzfahrer und verließ den Bus nach endlosen 10 Minuten, leicht vom Angstschweiß durchnässte, am Busbahnhof von Liberec. Im nächsten Gemischtwarenladen deckte ich mich mit neuen Vorräten ein und begab mich auf die Suche nach der Bushaltestelle für die Linie 18. Trotz einer sehr guten Ausschilderung und mehrfachen Nachfragen fand ich sie erst nach gut 20 Minuten. Sie war so abgelegen, hinter einem Gebüsch versteckt und heruntergekommen, das ich befürchtete, in wenigen Minuten in einen Bus voller Aussätziger zu steigen. Ich setzte mich in die Bushaltestelle neben eine Frau, und bei dieser Beschreibung schäme ich mich beinahe, deren Optik meine Befürchtung noch verstärkte. Sie trug eine Frisur, die ehr einem Helm glich oder einem Legomännchen entwendet wurden war. Ihre pinkfarbene Leggins zierten übergroße Zifferblätter und auf den Knien prangten 2 große Tiegerköpfe. Anscheinend war der Modeschöpfer bereits erblindet, als er dieses Werk modeschöpfte. Vollendet wurde alles von Tennissocken und weißen Badelatschen. So saß sie also da und verzehrte in einer Tour diese staubtrockenen, überall erhältlichen Frühstückshörnchen, die irgendwann ein Psychopath von Bäcker erfunden hatte, um tausende durch Erstickungstot ins Jenseits zu befördern. Auch ich habe immer ein paar davon bei mir, weil sie sich hervorragend dazu eigen, in Flüssigkeiten getunkt zu werden. Mit Vorliebe tue ich das mit Olivenöl, welches ich ebenfalls immer im Rucksack mit mir führen. Sie aber verzehrte dieses Gebäck, mit dem man problemlos ganze Schwimmbäder austrocknen kann, ohne auch nur einmal etwas zu trinken. Respekt! Wer das kann, kann auch Katzenstreu essen. Als ich überlegte, ob ich ihr vielleicht etwas zu trinken anbieten könne, sah ich wie sie sich genüsslich mit ihrem Zeigefinger Hörnchenreste aus den Zähnen pulte, um auch noch diese zu vertilgen. Mein Gehirn schlug mir vor, ihr statt eines Getränkes den Zahnstocher aus meinem Taschenmesser anzubieten, was ich aber während eines kurzen, aber lautstarken, inneren Dialoges mit "Geht's noch?" entschieden ablehnte. Kurz darauf bestieg ich den Bus und es erübrigt sich an dieser Stelle zu erwähnen, wer mir genau gegenüber einen Sitzplatz einnahm. Die nächsten 30 Minuten viel es mir gleichzeitig schwer aus dem Fenster und auch nicht aus dem Fenster zu schauen. Der Bus verließ die Stadt und begann Serpentine für Serpentine zu verschlingen, um sie bei der Fahrt nach oben stöhnend und ächzend hinter sich wieder auszuspucken. Erst jetzt bemerkte ich, dass das Leben irgendwann der ungnädigen Meinung gewesen sein musste, im Gesicht dieser Frau sowohl Mr. Bean als auch Dobby den Hauself zu einem unglückseeligen Cocktail zu verwursten. Anscheinend ließen sich in den Zahnzwischenräumen nun keine erwähnenswerten Nährstoffvorräte mehr finden, denn sie hatte unlängst begonnen, ihre Erntetätigkeit auf ihre Nasenlöcher zu verlagern. War sie fündig geworden, wurde das Erntegut eingehend begutachtet und ebenfalls genüsslich verspeist, ohne dabei jedoch darauf zu verzichten, anständig zu kauen. Ein Psychologe in einem meiner Klinikaufenthalte, fragte stets und ständig "Was macht das mit Ihnen?" Ich weiß es nicht. Verdammt nochmal ich weiß es nicht. Vielleicht träume ich die nächsten Nächte schlecht, vielleicht kann ich nie wieder Knusperflocken essen, oder mit einem öffentlichen Verkehrsmittel fahren. In diesem Moment fragte ich mich einfach nur, warum? Doch jetzt folgte der Höhepunkt. Die Nasenlöcher waren beräumt und bereit für die frische Bergluft, aber es gab noch etwas zu tun. Auf dem linken Nasenflügel hob sich deutlich eine verschorfte, kreisrunde Wunde ab. Geübt gelang es ihr die Schorfdecke mit ihren Fingernägeln von der sofort blutenden Haut zu ziehen. Bisher hatte ich ab und zu gern Cornflakes gegessen. Das war in dem Moment vorbei, als sie sich diese menschliche Cerialie, zum Abschluss ihrer Mahlzeiten ebenfalls zwischen die freudig wartenden Kiefer schob. Hätte die Busdurchsage in diesem Moment nicht die Zielhaltestelle angekündigt, wäre ganz sicher überall im Bus ein lautes Knuspergeräusch zu hören gewesen. Ich stieg aus und verlor sie aus Notwehr sofort aus den Augen. Jetzt sitze ich unter blauen Himmel in der Sonne, trinke ein Frühstücksbier und frage mich, was das mit mir macht.Read more

    You might also know this place by the following names:

    Bedřichov, Bedrichov

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