• Frau-Holle-Land-Kreisel (Trail-Portrait)

    August 6 in Germany ⋅ ⛅ 19 °C

    […] „Wissen Sie eigentlich, dass Sie sich den schönsten Platz auf Erden zum Übernachten ausgesucht haben?“, fragte mich die sportlich gekleidete ältere Dame, die urplötzlich und wie aus dem Nichts hinter mir stand, als ich kurz nach Sonnenaufgang mit dem Abbau meines Zeltes beschäftigt war. Sie unterstrich ihre rhetorische Frage mit einer ausladenden Armbewegung, die alles mit einzuschließen schien: Das Hochplateau, auf dem wir uns gerade befanden, das kleine Dorf und die Wiesen im Tal unter uns, und auch die Berggipfel am Horizont, der sich in einem wolkenlosen Breitbildpanorama und in scheinbar unendlich weiter Entfernung vor uns abzeichnete. „Das weiß ich“, erwiderte ich und fügte lächelnd hinzu: „Und das war auch so geplant.“ Dabei ist es alles andere als selbstverständlich, dass ausgerechnet dieser Ort ein derartiges Wohlgefühl bei der Dame und mir auszulösen vermochte. Schließlich trafen genau hier einst zwei historische Staatsgrenzen aufeinander, deren endgültige Überwindung aus heutiger Sicht wohl für die Allermeisten einen freudigen Umstand darstellen dürfte. Sie trennten zum einen die Königreiche Preußen und Hannover voneinander, zum anderen die BRD von der DDR. Der „schönste Platz auf Erden“ war früher ein Todesstreifen. Die sportliche Dame erzählte mir noch, dass sie jeden Morgen aus dem Tal hier hinaufsteigen würde, Fernwanderern begegne sie dabei aber nur sehr selten. Das überraschte mich nicht, schließlich hatte ich auf den 20 zurückliegenden Trail-Kilometern nur viermal Wanderer und Mountainbiker zu Gesicht bekommen.
    Nachdem ich gefrühstückt und meine sieben Sachen zusammengepackt hatte, lautete die Devise: Time For Some Action. - Singletrail Action. Auch die Pfade, die mich talwärts aus der Hessischen Schweiz hinausführten, hatte ich ganz für mich allein und menschliche Stimmen vernahm ich erst wieder am Werratalsee. […]

    Liebe Trekking- und Wanderfreunde, mit diesem Teaser melde ich mich nach langer Sendepause auf diesem Kanal zurück, weil ich glaube, endlich mal wieder etwas Originelles berichten- und Euch mit dem Portrait einer selbstgebastelten Wanderroute eine Freude machen zu können. Schon oft habe ich von Euren Posts profitiert und bin durch sie an wertvolle Insider-Infos gelangt. Daher ist es mir ein Anliegen, mit meinem Bericht über einen Trail, den ich aus Mangel an guten Ideen „Frau-Holle-Land-Kreisel“ taufte, auch mal wieder in die „Vereinskasse“ einzuzahlen.

    Ich hoffe, dass unter Euch nach wie vor Glücksritter (und Ritterinnen) sind, die fest daran glauben, dass es da draußen noch viel Wunderbares zu entdecken gibt, und die sich unermüdlich zu Fuß auf die Suche danach machen. Wenn Ihr, so wie ich, die selbstgewählte „kleine Armut“ beim Weitwandern liebt und Trekking auch als willkommene sportliche Herausforderung betrachtet, habe ich hier vielleicht etwas Interessantes für Euch.

    Erzählen möchte ich Euch von einem 88 Km langen Rundkurs im nordhessischen Werra-Meißner-Kreis, den ich aus hochwertigen Einzelteilen selbst zusammengezimmert habe, und der mir bei einer ersten Begehung so viel Freude bereitete, dass ich ihn nur wenige Wochen später und nach einem Finetuning der Streckenführung gleich noch einmal abgelaufen bin. Der Trail befindet sich inmitten des Geo-Naturparks Frau-Holle-Land, dessen werbewirksamer Name dadurch gerechtfertigt wird, dass sich die Gebrüder Grimm auf der Suche nach neuem Stoff für ihre Märchen mehrfach in dieser Gegend herumgetrieben haben sollen. Das scheint mir plausibel, schließlich werden die Berge rund um das Werratal von märchenhaft urwüchsigen Wäldern bedeckt und beherbergen eine Vielzahl geologischer Ausnahmeerscheinungen, um die sich allerlei Sagen und Mythen ranken. Da ich ein knappes Jahr lang beruflich in der Stadt Eschwege beschäftigt war, hatte ich die Region vorab schon ausgiebig erkundet und schätzen gelernt. Allerdings zumeist auf einem dünnbereiften Fahrrad, das sich für Ausfahrten auf holprigen Wanderwegen nur bedingt eignete. Und holprige Wanderwege, soviel konnte ich auf meinen Touren allerorts sehen, gibt es im Frau-Holle-Land reichlich. Trotz einer guten Wanderinfrastruktur und zahlreichen landschaftlichen und biologischen Highlights, ist der Naturpark keinesfalls touristisch überlaufen. Wer Einsamkeit und Ruhe sucht, kann hier noch leicht fündig werden. Es lag für mich also nahe, das Beste aus diesen Top-Voraussetzungen herauszuholen und für ein mehrtägiges Trekking-Abenteuer ins Werratal zurückzukehren. Schnell entstand am Computerbildschirm eine Route, welche die mir bereits bekannten und noch unbekannten Attraktionen des Frau-Holle-Lands in einem Rundkurs miteinander verband.

    Der Weg begann für mich am Bahnhof von Wehretal-Reichensachsen und führte zunächst auf den mit ca. 750 m ü. NN höchsten Mittelgebirgszug der Region, den Hohen Meißner. Von dort verläuft die Strecke durch den sogenannten Frankershäuser Karst und den Söderwald bis nach Bad Sooden-Allendorf im Werratal. Weiter ging es durch die Hessische Schweiz und entlang der ehemals deutsch-deutschen Grenze („Grünes Band“) bis zum Werratalsee und nach Eschwege. Nun folgten noch fünf weitere Berggipfel, die erklommen werden wollten, bis sich der Kreis in Reichensachen schloss. Aber seht selbst:

    https://out.ac/Icxb3T

    Die Schönheit eines Trails liegt natürlich im Auge des Wanderers und die Erwartungen an eine gute Trekking-Tour daher oft meilenweit auseinander. Statt Euch also Märchen zu erzählen, will ich an dieser Stelle lieber die halbwegs objektiven Vorzüge des Frau-Holle-Land-Kreisels nennen, die mich diesen Weg mit großer Wahrscheinlichkeit noch ein drittes Mal einschlagen lassen werden:

    1) Die 88 Streckenkilometer und ca. 2.200 Hm Anstieg lassen sich von geübten Fernwanderern in nur 2 ½ bis 3 Tagen bewältigen. Somit eignet sich die Route ideal zur Stillung des kleinen Trekking-Hungers. Auch abseits des Jahresurlaubs.

    2) Das Frau-Holle-Land befindet sich unweit des geographischen Mittelpunkts Deutschlands und die Städte Wehretal-Reichensachsen, Bad Sooden-Allendorf und Eschwege sind sowohl mit dem Auto als auch mit der Bahn gut erreichbar (zumindest nicht schlechter als andere Orte 😉).

    3) Der Frau-Holle-Land-Kreisel setzt sich weitestgehend aus Abschnitten etablierter und größtenteils exzellent markierter Wanderwege zusammen. Hierzu gehören überregionale Fernwanderwege, wie der Werra-Burgen-Steig (X5H), der E6 und die Via Scandinavica (ein Jakobsweg), aber auch folgende lokale Wanderrouten: Frau-Holle-Pfad, Grimmsteig, Rhenanuspfad, Eichsfeld-Wanderweg, Dietemannpfad (HW 24), Wanderweg Reichenbach-Eschwege (HW 25) und der Gänsekerleweg. Außerdem bedient sich die Route an einem von der Naturparkverwaltung ergänzend eingeführten Netz aus sogenannten „Premiumwanderwegen“. Diese Abschnitte haben einen besonders positiven Eindruck auf mich gemacht.

    4) Die Wanderroute verläuft zu ca. 62 % auf meistenteils gut begehbaren Pfaden und Naturwegen und zu ca. 19 % auf Schotterwegen. Der Asphaltanteil liegt bei nur ca. 18 %, in den die barrierefreien Wanderwege am Ufer des Werratalsees und entlang des Eschweger Cyriakusbachs bereits inkludiert sind (Angaben gemäß Outdooractive). Ich finde, dass sich diese Bilanz für einen Rundkurs in deutschen Mittelgebirgen durchaus sehen lassen kann. Eine so hohe Konzentration an Singletrails findet man selten.

    5) Der Geo-Naturpark punktet außerdem mit weitgehend intakten Laub- und Mischwäldern, in denen Eichen, Buchen und Hainbuchen klar dominieren. Zahlreiche Natur- und Landschaftsschutzgebiete gehen nahtlos ineinander über. Borkenkäferwüsten und große Kahlschlagflächen gibt es hier hingegen nicht. Die Route bietet eine ausgewogene Mischung aus Wäldern, Wiesen, nacktem Fels, sowie fließenden und stehenden Gewässern. Selbst die aus kleinteiliger Landwirtschaft erwachsenen Kulturlandschaften schmeicheln dem Auge des Wanderers. Hobby-Biologen und -Geologen kommen hier auf ihre Kosten, genauso wie kulturell und geschichtlich Interessierte.

    6) Sofern ich mich nicht verzählt habe, gelangt man über den Kreisel auf 15 verschiedene Berggipfel, von denen derzeit elf tolle Aussichten auf das Umland ermöglichen. Auf zweien dieser Gipfel laden Aussichtstürme dazu ein, noch ein paar zusätzliche Höhenmeter zu machen. Aber auch sonst bietet der Trail sehr viele Spots mit spektakulärer Fernsicht. Nicht selten kann man seinen Blick unterwegs über die gesamte bereits zurückgelegte Strecke und den noch zu bewältigenden Weg schweifen lassen.

    7) Langweilig wird es nie. Und das nicht nur, weil der Weg alle paar Minuten mit Wissenswertem, Kuriosem und Naturerlebnissen zu überraschen weiß. Auch die Pfade selbst erfordern an vielen Stellen die gesamte Aufmerksamkeit des Wanderers, denn es geht immer wieder sehr steil bergauf und bergab. Wer Bock auf vollen Körpereinsatz, erhöhten Pulsschlag und brennende Oberschenkel hat, wird hier glücklich werden.

    8) Der FHLK touchiert mindestens 6 Bäche und 3 Süßwasserquellen, die der Fernwanderer zu seinem Vorteil nutzen kann. Die „Eisquelle“ am Fuße des Berges Kalbe auf dem Hohen Meißner verblüfft selbst im Hochsommer mit einer Wassertemperatur von nur 1,5 °C. (Aber Achtung: In der gesamten Hessischen Schweiz sowie auf dem größten Teil der Strecke zwischen Eschwege und Reichensachsen fließt kein Wasser!)

    9) Mindestens 18 Schutzhütten und Unterstände befinden sich direkt am Wegesrand oder in unmittelbarer Nähe davon.

    10) Den Wanderer erwartet -Gott sei Bank- eine Myriade von Sitzgelegenheiten und Picknickplätzen. Das birgt die Gefahr, übermäßig viele Pausen einzulegen. Der wahre Dank dafür gebührt natürlich der Naturparkverwaltung, den Dorfgemeinschaften und zahlreichen edlen Stiftern.

    11) Die Route eröffnet in Bad Sooden-Allendorf und in Eschwege zweimal die Gelegenheit für einen Supermarkt-Re-Supply. Allzu viel Proviant braucht man also nicht mit sich herumschleppen. Wer nur eine Teilstrecke des FHLK wandern möchte oder vorzeitig aussteigen will bzw. muss, findet in den Städten Anschluss an den ÖPNV.

    12) Last but not least: In BSA und ESW gibt es auch gut gepflegte Minigolf-Anlagen, die fußläufig erreichbar sind.

    Eine detaillierte Routenbeschreibung mit allen relevanten Wegpunkten, Schutzhütten, Wasserquellen, etc. und Fotos von den jeweiligen Streckenabschnitten lasse ich in den kommenden Tagen folgen.

    Beste Grüße und: Stay tuned!
    Bert
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