• Ernie und Bert
August 2025

Frau-Holle-Land-Kreisel

3 Tage Trekking im nordhessischen Geo-Naturpark Frau-Holle-Land Read more
  • Trip start
    August 6, 2025

    Frau-Holle-Land-Kreisel (Trail-Portrait)

    August 6 in Germany ⋅ ⛅ 19 °C

    […] „Wissen Sie eigentlich, dass Sie sich den schönsten Platz auf Erden zum Übernachten ausgesucht haben?“, fragte mich die sportlich gekleidete ältere Dame, die urplötzlich und wie aus dem Nichts hinter mir stand, als ich kurz nach Sonnenaufgang mit dem Abbau meines Zeltes beschäftigt war. Sie unterstrich ihre rhetorische Frage mit einer ausladenden Armbewegung, die alles mit einzuschließen schien: Das Hochplateau, auf dem wir uns gerade befanden, das kleine Dorf und die Wiesen im Tal unter uns, und auch die Berggipfel am Horizont, der sich in einem wolkenlosen Breitbildpanorama und in scheinbar unendlich weiter Entfernung vor uns abzeichnete. „Das weiß ich“, erwiderte ich und fügte lächelnd hinzu: „Und das war auch so geplant.“ Dabei ist es alles andere als selbstverständlich, dass ausgerechnet dieser Ort ein derartiges Wohlgefühl bei der Dame und mir auszulösen vermochte. Schließlich trafen genau hier einst zwei historische Staatsgrenzen aufeinander, deren endgültige Überwindung aus heutiger Sicht wohl für die Allermeisten einen freudigen Umstand darstellen dürfte. Sie trennten zum einen die Königreiche Preußen und Hannover voneinander, zum anderen die BRD von der DDR. Der „schönste Platz auf Erden“ war früher ein Todesstreifen. Die sportliche Dame erzählte mir noch, dass sie jeden Morgen aus dem Tal hier hinaufsteigen würde, Fernwanderern begegne sie dabei aber nur sehr selten. Das überraschte mich nicht, schließlich hatte ich auf den 20 zurückliegenden Trail-Kilometern nur viermal Wanderer und Mountainbiker zu Gesicht bekommen.
    Nachdem ich gefrühstückt und meine sieben Sachen zusammengepackt hatte, lautete die Devise: Time For Some Action. - Singletrail Action. Auch die Pfade, die mich talwärts aus der Hessischen Schweiz hinausführten, hatte ich ganz für mich allein und menschliche Stimmen vernahm ich erst wieder am Werratalsee. […]

    Liebe Trekking- und Wanderfreunde, mit diesem Teaser melde ich mich nach langer Sendepause auf diesem Kanal zurück, weil ich glaube, endlich mal wieder etwas Originelles berichten- und Euch mit dem Portrait einer selbstgebastelten Wanderroute eine Freude machen zu können. Schon oft habe ich von Euren Posts profitiert und bin durch sie an wertvolle Insider-Infos gelangt. Daher ist es mir ein Anliegen, mit meinem Bericht über einen Trail, den ich aus Mangel an guten Ideen „Frau-Holle-Land-Kreisel“ taufte, auch mal wieder in die „Vereinskasse“ einzuzahlen.

    Ich hoffe, dass unter Euch nach wie vor Glücksritter (und Ritterinnen) sind, die fest daran glauben, dass es da draußen noch viel Wunderbares zu entdecken gibt, und die sich unermüdlich zu Fuß auf die Suche danach machen. Wenn Ihr, so wie ich, die selbstgewählte „kleine Armut“ beim Weitwandern liebt und Trekking auch als willkommene sportliche Herausforderung betrachtet, habe ich hier vielleicht etwas Interessantes für Euch.

    Erzählen möchte ich Euch von einem 88 Km langen Rundkurs im nordhessischen Werra-Meißner-Kreis, den ich aus hochwertigen Einzelteilen selbst zusammengezimmert habe, und der mir bei einer ersten Begehung so viel Freude bereitete, dass ich ihn nur wenige Wochen später und nach einem Finetuning der Streckenführung gleich noch einmal abgelaufen bin. Der Trail befindet sich inmitten des Geo-Naturparks Frau-Holle-Land, dessen werbewirksamer Name dadurch gerechtfertigt wird, dass sich die Gebrüder Grimm auf der Suche nach neuem Stoff für ihre Märchen mehrfach in dieser Gegend herumgetrieben haben sollen. Das scheint mir plausibel, schließlich werden die Berge rund um das Werratal von märchenhaft urwüchsigen Wäldern bedeckt und beherbergen eine Vielzahl geologischer Ausnahmeerscheinungen, um die sich allerlei Sagen und Mythen ranken. Da ich ein knappes Jahr lang beruflich in der Stadt Eschwege beschäftigt war, hatte ich die Region vorab schon ausgiebig erkundet und schätzen gelernt. Allerdings zumeist auf einem dünnbereiften Fahrrad, das sich für Ausfahrten auf holprigen Wanderwegen nur bedingt eignete. Und holprige Wanderwege, soviel konnte ich auf meinen Touren allerorts sehen, gibt es im Frau-Holle-Land reichlich. Trotz einer guten Wanderinfrastruktur und zahlreichen landschaftlichen und biologischen Highlights, ist der Naturpark keinesfalls touristisch überlaufen. Wer Einsamkeit und Ruhe sucht, kann hier noch leicht fündig werden. Es lag für mich also nahe, das Beste aus diesen Top-Voraussetzungen herauszuholen und für ein mehrtägiges Trekking-Abenteuer ins Werratal zurückzukehren. Schnell entstand am Computerbildschirm eine Route, welche die mir bereits bekannten und noch unbekannten Attraktionen des Frau-Holle-Lands in einem Rundkurs miteinander verband.

    Der Weg begann für mich am Bahnhof von Wehretal-Reichensachsen und führte zunächst auf den mit ca. 750 m ü. NN höchsten Mittelgebirgszug der Region, den Hohen Meißner. Von dort verläuft die Strecke durch den sogenannten Frankershäuser Karst und den Söderwald bis nach Bad Sooden-Allendorf im Werratal. Weiter ging es durch die Hessische Schweiz und entlang der ehemals deutsch-deutschen Grenze („Grünes Band“) bis zum Werratalsee und nach Eschwege. Nun folgten noch fünf weitere Berggipfel, die erklommen werden wollten, bis sich der Kreis in Reichensachen schloss. Aber seht selbst:

    https://out.ac/Icxb3T

    Die Schönheit eines Trails liegt natürlich im Auge des Wanderers und die Erwartungen an eine gute Trekking-Tour daher oft meilenweit auseinander. Statt Euch also Märchen zu erzählen, will ich an dieser Stelle lieber die halbwegs objektiven Vorzüge des Frau-Holle-Land-Kreisels nennen, die mich diesen Weg mit großer Wahrscheinlichkeit noch ein drittes Mal einschlagen lassen werden:

    1) Die 88 Streckenkilometer und ca. 2.200 Hm Anstieg lassen sich von geübten Fernwanderern in nur 2 ½ bis 3 Tagen bewältigen. Somit eignet sich die Route ideal zur Stillung des kleinen Trekking-Hungers. Auch abseits des Jahresurlaubs.

    2) Das Frau-Holle-Land befindet sich unweit des geographischen Mittelpunkts Deutschlands und die Städte Wehretal-Reichensachsen, Bad Sooden-Allendorf und Eschwege sind sowohl mit dem Auto als auch mit der Bahn gut erreichbar (zumindest nicht schlechter als andere Orte 😉).

    3) Der Frau-Holle-Land-Kreisel setzt sich weitestgehend aus Abschnitten etablierter und größtenteils exzellent markierter Wanderwege zusammen. Hierzu gehören überregionale Fernwanderwege, wie der Werra-Burgen-Steig (X5H), der E6 und die Via Scandinavica (ein Jakobsweg), aber auch folgende lokale Wanderrouten: Frau-Holle-Pfad, Grimmsteig, Rhenanuspfad, Eichsfeld-Wanderweg, Dietemannpfad (HW 24), Wanderweg Reichenbach-Eschwege (HW 25) und der Gänsekerleweg. Außerdem bedient sich die Route an einem von der Naturparkverwaltung ergänzend eingeführten Netz aus sogenannten „Premiumwanderwegen“. Diese Abschnitte haben einen besonders positiven Eindruck auf mich gemacht.

    4) Die Wanderroute verläuft zu ca. 62 % auf meistenteils gut begehbaren Pfaden und Naturwegen und zu ca. 19 % auf Schotterwegen. Der Asphaltanteil liegt bei nur ca. 18 %, in den die barrierefreien Wanderwege am Ufer des Werratalsees und entlang des Eschweger Cyriakusbachs bereits inkludiert sind (Angaben gemäß Outdooractive). Ich finde, dass sich diese Bilanz für einen Rundkurs in deutschen Mittelgebirgen durchaus sehen lassen kann. Eine so hohe Konzentration an Singletrails findet man selten.

    5) Der Geo-Naturpark punktet außerdem mit weitgehend intakten Laub- und Mischwäldern, in denen Eichen, Buchen und Hainbuchen klar dominieren. Zahlreiche Natur- und Landschaftsschutzgebiete gehen nahtlos ineinander über. Borkenkäferwüsten und große Kahlschlagflächen gibt es hier hingegen nicht. Die Route bietet eine ausgewogene Mischung aus Wäldern, Wiesen, nacktem Fels, sowie fließenden und stehenden Gewässern. Selbst die aus kleinteiliger Landwirtschaft erwachsenen Kulturlandschaften schmeicheln dem Auge des Wanderers. Hobby-Biologen und -Geologen kommen hier auf ihre Kosten, genauso wie kulturell und geschichtlich Interessierte.

    6) Sofern ich mich nicht verzählt habe, gelangt man über den Kreisel auf 15 verschiedene Berggipfel, von denen derzeit elf tolle Aussichten auf das Umland ermöglichen. Auf zweien dieser Gipfel laden Aussichtstürme dazu ein, noch ein paar zusätzliche Höhenmeter zu machen. Aber auch sonst bietet der Trail sehr viele Spots mit spektakulärer Fernsicht. Nicht selten kann man seinen Blick unterwegs über die gesamte bereits zurückgelegte Strecke und den noch zu bewältigenden Weg schweifen lassen.

    7) Langweilig wird es nie. Und das nicht nur, weil der Weg alle paar Minuten mit Wissenswertem, Kuriosem und Naturerlebnissen zu überraschen weiß. Auch die Pfade selbst erfordern an vielen Stellen die gesamte Aufmerksamkeit des Wanderers, denn es geht immer wieder sehr steil bergauf und bergab. Wer Bock auf vollen Körpereinsatz, erhöhten Pulsschlag und brennende Oberschenkel hat, wird hier glücklich werden.

    8) Der FHLK touchiert mindestens 6 Bäche und 3 Süßwasserquellen, die der Fernwanderer zu seinem Vorteil nutzen kann. Die „Eisquelle“ am Fuße des Berges Kalbe auf dem Hohen Meißner verblüfft selbst im Hochsommer mit einer Wassertemperatur von nur 1,5 °C. (Aber Achtung: In der gesamten Hessischen Schweiz sowie auf dem größten Teil der Strecke zwischen Eschwege und Reichensachsen fließt kein Wasser!)

    9) Mindestens 18 Schutzhütten und Unterstände befinden sich direkt am Wegesrand oder in unmittelbarer Nähe davon.

    10) Den Wanderer erwartet -Gott sei Bank- eine Myriade von Sitzgelegenheiten und Picknickplätzen. Das birgt die Gefahr, übermäßig viele Pausen einzulegen. Der wahre Dank dafür gebührt natürlich der Naturparkverwaltung, den Dorfgemeinschaften und zahlreichen edlen Stiftern.

    11) Die Route eröffnet in Bad Sooden-Allendorf und in Eschwege zweimal die Gelegenheit für einen Supermarkt-Re-Supply. Allzu viel Proviant braucht man also nicht mit sich herumschleppen. Wer nur eine Teilstrecke des FHLK wandern möchte oder vorzeitig aussteigen will bzw. muss, findet in den Städten Anschluss an den ÖPNV.

    12) Last but not least: In BSA und ESW gibt es auch gut gepflegte Minigolf-Anlagen, die fußläufig erreichbar sind.

    Eine detaillierte Routenbeschreibung mit allen relevanten Wegpunkten, Schutzhütten, Wasserquellen, etc. und Fotos von den jeweiligen Streckenabschnitten lasse ich in den kommenden Tagen folgen.

    Beste Grüße und: Stay tuned!
    Bert
    Read more

  • Tag 1: Hoher Meißner & Mount Kalbe

    August 6 in Germany ⋅ ☀️ 19 °C

    Wehretal-Reichensachsen (ca. 12:30 Uhr, KM 0). Weil die Park & Ride-Fläche vor dem Bahnhof voll belegt war, parkte ich meinen Wagen auf einem ca. 100 m entfernt gelegenen Wohnmobilstellplatz, schulterte meinen Rucksack und los ging´s. Nach Überquerung der Bahngleise und der dahinter verlaufenden Landstraße, stieg ich zunächst in westlicher Richtung über den HW25 (Wanderweg Reichenbach-Eschwege) auf den vorwiegend von Eichen und Hainbuchen bewachsenen Trim-Berg (333 m). Nach wenigen Gehminuten gelangte ich bereits in das erste von vielen Naturschutzgebieten, die ich auf meiner Route in den kommenden Tagen durchqueren würde. Auf dem Trim-Berg wächst die äußerst seltene Frauenschuh-Orchidee, deren Blütezeit (Mai/Juni) ich jedoch leider um Monate verpasst hatte. Nur eine Hinweistafel (KM 2,0) und Holzzäune, die die Pflanzen vor Rehen und Vollidioten schützen sollen, zeugten vom hiesigen Vorkommen der Orchideen. [Gegen schädliche Stickstoffeinträge und die Verdrängung durch andere Pflanzen sind die Artenschützer aber natürlich machtlos. Seitdem ich mich einmal näher mit dem komplizierten und ewig dauernden Lebenszyklus dieser fragilen Pflanzenart beschäftigt hatte, betrachte ich es als großes Wunder, dass im späten Anthropozän überhaupt noch Exemplare von ihr übrig geblieben sind.]
    Wenige hundert Meter hinter der Frauenschuhfläche, an der Grenze des Naturschutzgebietes, vereinigt sich der HW25 mit dem Dietemannpfad (HW24). Ich folgte der Markierung der beiden Wege und verpasste kurz darauf beinahe die Stelle, an der sie von einem breiten Forstweg nach rechts auf einen grün bewachsenen Pfad abzweigten. Hier wurde zum ersten Mal deutlich, dass der Dietemannpfad zwar durchgehend vorbildlich gekennzeichnet ist, einige Abschnitte dieses Wanderweges aber offenbar nur wenig begangen werden. Ein Weiterkommen war zwar immer problemlos möglich, öfters stapfte ich aber auch durch eine kniehohe Krautschicht, was bei feuchter Witterung sicher unangenehm gewesen wäre.
    Bei KM 3,6 erreichte ich die sogenannte Hoffmannsbuche, oder besser gesagt, den modrigen Stumpf, der noch von ihr übrig geblieben war. Nur wenige Meter daneben, wurde 2010 ein neuer Baum gepflanzt und ein Schild mit der Aufschrift „Hoffmannsbuche II“ aufgestellt. Eine sonnig gelegene Bank lud mich hier dazu ein, eine kurze Kaffeepause einzulegen. Durch einen Mischwald wanderte ich weiter bis hinauf zum Finkenberg (462 m; KM 8,6). Kurz darauf mündete der Pfad in einen befestigten Weg und ich passierte mehrere in den Berg führende- und mit Stahltüren versehene Betonportale, deren Funktion sich mir nicht erschloss. Bunker?
    Bei KM 11,0 überquerte ich die Landstraße L3334. Auf der anderen Straßenseite wechselte ich auf den Werrataler Klosterweg, der mich über einen breiten, kurvenreichen Forstweg bergan leitete. Nach ungefähr zwei Kilometern vereinigte sich dieser mit dem Frau-Holle-Pfad (X4), dem ich weiter in Richtung Hoher Meißner folgte.
    [Wer bereits Wasser benötigt, kann der Landstraße ca. 500 m bergab folgen und wird dort auf den Schirrenhainsbach stoßen. Auch von hier kann man in den Frau-Holle-Pfad einsteigen, der untere Teil dieses Weges war im Sommer 2025 allerdings relativ stark zugewuchert.]
    Bei KM 14,8 bog ich scharf rechts auf den wildromantischen Grimmsteig ab und setzte meinen Anstieg fort. Dieser schmale Pfad ist gesäumt von moosbewachsenen Basaltblöcken, die teils auf natürliche Weise, teils von Menschenhand dorthin gelangt sind. So erreichte ich auf schnellstem Wege die sogenannten Seesteine (KM 15,3), einen kleinen Landschaftspark, der im 19. Jahrhundert mitten im Wald angelegt worden war. Heute ein wunderbar verwunschener Ort, an dem sich schmale Natursteintreppen steil durch ein von Moosen und Farnen bewachsenes Felsmassiv winden. Hier befindet sich ein Vorkommen des seltenen Brauns Schildfarn (Polystichum braunii) und eine Hinweistafel informierte mich über die Maßnahmen, welche zur Erhaltung der Art ergriffen worden sind. Nachdem ich die Oberkante der Seesteine erklommen hatte, bog ich nach links auf den „Premiumweg Hoher Meißner“ (P1) ab. Auf Forstwegen und steil ansteigenden Sigletrails erreichte ich schließlich die Skipisten und den flachen Gipfel des Hohen Meißners (722 m; KM 17,6). Neben einem verlassenen Gasthof befindet sich hier die höchstgelegene Bushaltestelle des Werra-Meißner-Kreises. Ob und wie viele Busse von dort abfahren, weiß ich allerdings nicht.
    Hinter dem Berggasthof wanderte ich auf einem Pfad mit herrlicher Fernsicht durch eine weite Wiesenlandschaft abwärts, vorbei am Denkmal für den Freideutschen Jugendtag (KM 18,0), der im Jahr 1913 hier stattgefunden hatte und büßte dabei einige hart erkämpfte Höhenmeter ein. Das lohnte sich jedoch in mehrfacher Weise. Neben einer Reihe anderer Wiesenpflanzen, die im Flachland selten geworden sind, wächst hier oben auch die anmutige Prachtnelke (Dianthus superbus). In Deutschland hatte ich sie zuvor noch nie am Naturstandort bewundern dürfen. Außerdem gelangte ich auf meinem Abstieg auch zur Quelle Wissenborn (KM 19,0), die oberhalb des Dorfes Hausen neben dem Steinbach entspringt. Dort, wo sich Quellstrom und Bach vereinigen, befindet sich eine Schutzhütte, neben der ich meine Wasservorräte für das spätere Nachtlager auffüllte.
    Anschließend führte mich ein steiler Pfad wieder 300 m bergauf bis zur Kitzkammer, einer äußerst sehenswerten Höhle aus querstehendem Säulenbasalt. Der Sage nach, wurden einst einige streitsüchtige Mädchen von Frau Holle in Katzen verzaubert und in die Kitzkammer verbannt, von wo aus sie guten Wanderern den Weg weisen-, böse Wanderer aber in die Irre führen sollten.
    Bei KM 19,9, kurz vor Überquerung der Landstraße L3241, kreuzt der Röderbach den Wanderweg P1. Bei meiner ersten Begehung der Strecke führte dieser jedoch nur wenig Wasser und zum Zeitpunkt meines zweiten Besuchs gar keines mehr.
    Hinter der Landstraße stieg ich am Rand der Struthwiese mit Blick auf die gigantischen Sendemasten des Hohen Meißners weiter bergauf und erreichte bald einen breiten Forstweg, dem ich in nördlicher Richtung folgte. Bei KM 22,0 bog ich rechts in einen grünbewachsenen Pfad ein. [Wer hier noch ca. 200 m weiter geradeaus geht, gelangt zur Kasseler Kuppe (748 m) und zu einer sehr brauchbaren Schutzhütte. Bei meiner ersten Begehung hätte ich dort gerne übernachtet, aber ein Jäger hatte sein Auto direkt neben der Hütte geparkt. Da ich die Konfrontation scheute, zog ich noch ein Stück weiter und zeltete in einem nahegelegenen Buchenwald.]
    Nach ca. einem Kilometer grünem Singletrail, mündete der P1 wieder auf den Frau-Holle-Pfad (X4), wo ich nach rechts abbog. Die Forststraße, auf der ich mich nun befand, war an einigen Stellen flankiert von steil aufragenden Basalthalden, die aus einem ehemaligen Braunkohletagebau stammten, den ich geradewegs ansteuerte. Der Kalbe-See, auf den ich bei KM 23,0 einen ersten Blick von oben werfen konnte, ist heute Zeugnis der bis 1973 andauernden Bergbauaktivität und inzwischen ein Naturschutzgebiet. Von dort führte mich die Route weiter über einen von Lupinen gesäumten Schotterweg bis zum Wanderrastplatz und Aussichtspunkt „Eitel O. Höhne“. Zu noch spektakulärerer Aussicht gelangt jedoch, wer von hier den ca. 300 m langen Anstieg zum Gipfel des Berges Kalbe (720 m; KM 24,1) in Angriff nimmt. Dort oben lohnt es sich durchaus, den markierten Weg zu verlassen und durch die Felsen zu klettern. Während ich mich auf dem Kalbe aufhielt, stieg mir immer wieder ein ganz leichter und merkwürdiger Geruch in die Nase, irgendwie schwefelig oder als ob gerade jemand einen Grill anfeuern würde. Ich lauschte, konnte aber kein Geräusch vernehmen. Da ich offenbar ganz allein war, kam ich zu dem Schluss, dass ich halluziniert und mir den Geruch nur eingebildet hatte. Erst am übernächsten Tag, während eines Smalltalks am Werratalsee, wurde ich eines Besseren belehrt. Am Kalbe, genauer gesagt an der sogenannten Stinksteinwand, schwelt nämlich seit rund 400 Jahren ein unterirdischer Flözbrand, der nicht gelöscht werden kann. Von Zeit zu Zeit macht er sich durch Rauchschwaden und besagten Geruch bemerkbar. Letztmalig wurde 2001 durch den Brand auch ein oberirdisches Feuer entfacht.
    Zurück am Rastplatz oberhalb des Kalbe-Sees (KM 24,4), der mit Picknickbänken und -tischen ausgestattet ist, richtete ich mein Nachtlager ein und ließ einen ereignisreichen, halben Wandertag ausklingen. Meine Nacht war ruhig und entspannt, außer ein paar Waldkäuzen hörte ich nichts. Wer hier übernachtet, sollte allerdings berücksichtigen, dass es auf ca. 700 m Höhe auch im Hochsommer bereits recht kühl werden kann. Das Schöne daran ist, dass man hier oben auch noch im August reife Himbeeren, blühenden Fingergut und eine Reihe anderer Pflanzen finden kann, die im Tal ihre beste Jahreszeit bereits hinter sich haben.
    Read more

  • Tag 2: Karst & Hessische Schweiz

    August 7 in Germany ⋅ ☁️ 22 °C

    Rastplatz am Kalbe-See (ca. 8:00 Uhr; KM 24,4). Nachdem ich mein Bündel geschnürt und gefrühstückt hatte, stieg ich noch einmal hinauf zum Kalbe-Gipfel, um dort in der Morgensonne eine zweite Tasse Kaffee zu trinken. Danach wanderte ich über einen steilen Pfad abwärts zum Fuß des Berges, wo unterhalb eines Basalt-Blockmeeres die Eisquelle entspringt (KM 24,8). Ein Dominoeffekt, hervorgerufen von speziellen Luftströmungen und Verdunstungskälte, führt während des Winters zu starker Eisbildung in der unter dem Blockmeer befindlichen Grundwasserschicht. Daher liegt die Wassertemperatur der Eisquelle auch im Sommer bei nur 1,5 °C. Weil meine Wasservorräte erschöpft waren, kam sie mir gerade recht. Außerdem nutzte ich die Gelegenheit dazu, mein Kochgeschirr und mich selbst neu herauszuputzen.

    Schon bald darauf erreichte ich den Frau-Holle-Teich (KM 25,3). Inmitten dieses idyllischen Stillgewässers, halb versteckt zwischen Rohrkolbenpflanzen, steht ein hölzernes Abbild der bekannten Märchenfigur.

    Auf der anderen Seite der Straße, die am Frau-Holle-Teich endet, zweigt ein bergab führender Pfad in Richtung „Jugenddorf“ und „Homburgslinde“ ab. Auf diesem setzte ich meinen Weg fort und hatte ein wenig mit wucherndem Grünzeug zu kämpfen. Nach etwa einem Kilometer mündete der Trail jedoch in den Rhenanuspfad, der an dieser Stelle über einen Forstweg verläuft. Dem Rhenanuspfad folgte ich nur wenige hundert Meter und bog unmittelbar vor der Homburgslinde (KM 26,7) nach links in den Dietemannpfad (HW24) ab.

    Am Waldrand, in der Nähe des Dorfes Wolfterode, passierte ich eine Schutzhütte (KM 28,0). Kurz darauf bog ich nach links in den „Premiumweg Frankershäuser Karst“ (P2) ab und lief sogleich am seerosenbewachsenen „Alten Teich“ vorbei, neben dem sich eine weitere Schutzhütte befindet. Durch eine offene Feld- und Wiesenlandschaft wanderte ich weiter und erreichte -nach Überquerung des Baches Berka und einer Landstraße- das Naturschutzgebiet „Kripp- und Hielöcher“ (KM 30,5). Hierbei handelt es sich um eine von Kalkmagerrasen, Wacholder und Obstgehölzen bewachsene Karst-Dolinenlandschaft, die zum Teil (Hielöcher) durchwandert werden kann. Eine Pilgerstätte für Pflanzen- und Insektenfreunde.

    Nachdem ich die Hielöcher hinter mir gelassen hatte, war es nicht mehr weit bis zur Karstquelle Breitenborn (KM 32,2), deren großer Quelltopf mich in der ansonsten eher trockenen Landschaft überraschte. Etwa 300 m davon entfernt befindet sich der Ellerstein, ein karstiges und von Hohlräumen durchzogenes Felsmassiv. An dieser Stelle verließ ich den P2 und wanderte gen Osten auf einer schmalen Straße in Richtung des Dorfes Orferode (KM 34,4) weiter. Ich durchquerte das Dorf und fand über einen schmalen Pfad Anschluss an den „Premiumweg Söderwald“ (P7). Oberhalb von Orferode führt der P7 an einem von alten Linden bewachsenen Plateau vorbei, das mir eine tolle Fernsicht auf den Hohen Meißner und die bis hierhin zurückgelegte Strecke ermöglichte. An diesem „Meißnerblick“ (KM 35,1) befindet sich (halb versteckt) auch eine dieser bequemen Sonnenliegen aus Holz. -Ein perfekter Platz für eine Mittagspause.

    Der Söderwald, den ich im Anschluss an meine Rast betrat, ist quasi der Stadtwald des Kurortes Bad Sooden-Allendorf und bedeckt vorwiegend mit alten Buchen die westliche Flanke des Flusstales. Im Wald gelangte ich schon bald zum Otterbachstein (KM 36,7), einem imposanten, von Farnen, Efeu und Moosen bewachsenen Dolomitkalkfelsen. Hier bog ich scharf rechts auf einen urigen Singletrail („Rundweg Joggelibrunnen“) ab, der mich ein Stück weit talwärts führte. Dabei kam ich auch am sogenannten Rabenstein vorbei (KM 37,5). -Ein schönes Plätzchen, aber ohne nennenswerte Aussicht. Kurz darauf mündete der Trail wieder auf den P7. Da ich für meinen Re-Supply zum ALDI in Bad Sooden-Allendorf wollte, wählte ich nicht den kürzesten Weg in die Stadt, sondern bog zunächst nach rechts ab, um wenig später steil nach links ins Tal abzusteigen. Beim ALDI (KM 39,3) erneuerte ich meine Vorräte, trank einen Teil der erstandenen Getränke noch im Gehen und tauschte die leeren Behälter bereits wenige hundert Meter weiter beim LIDL gegen Pfandgeld um. Hinter dem Bahnhof hielt ich mich links und machte noch einen kurzen Abstecher zum Kurpark. Dort befindet sich das sehenswerte Gradierwerk der Stadt. Das ca. 100 m lange hölzerne Bauwerk diente früher der Salzgewinnung. Heute sorgt die Verrieselung von Sole für ein kurtaugliches Heilklima. Minigolf spielen kann man im Kurpark übrigens auch.

    Auf dem Werra-Burgen-Steig (X5H) gelangte ich über die Werra und aus der Stadt hinaus. Etwa drei Kilometer wanderte ich dann durch das flache Tal, zunächst entlang des Flussufers und später zwischen Wiesen und Feldern. Schon von Weitem erkannte ich das Schloss Rothestein, das hoch über dem Tal thront, und an dem ich später noch direkt vorbeilaufen würde. Erst erschien es mir ganz klein und in unerreichbarer Ferne -wirklich zermürbend-, aber mit jedem Schritt, den ich tat, wurde das Schloss größer und irgendwann hatte ich den Fuß des Berges erreicht, auf dem es steht. Dort wanderte ich auch am Hainbach (KM 43,7) vorbei. Dieser Bach ist die letzte natürliche Wasserquelle vor den nun folgenden 20 Kilometern des Frau-Holle-Land-Kreisels. Meine Vorräte hatte ich allerdings schon vorher aufgefüllt; brauchte hier also kein Wasser zu schöpfen.

    Der Aufstieg in die Hessische Schweiz beginnt mit einem Kuriosum: Dem Wanderer stehen zwei parallel verlaufende Singletrails (E6 und X5H) zur Auswahl, die kurz hintereinander von der Privatstraße des Schlosses abzweigen und weiter oben am Berg wieder in die Straße einmünden. Der erste Trail verläuft als Hohlweg, der zweite direkt am Steilhang. Beide waren gut begehbar. Egal wie man sich entscheidet, beginnt an dieser Stelle der vermutlich anstrengendste Teil der gesamten Tour. Denn allein auf den folgenden 4 Kilometern Wegstrecke gilt es einen Höhenunterschied von mehr als 420 Metern zu überwinden. Die Gegend heißt schließlich nicht umsonst Hessische Schweiz.😉 Wie erwähnt, wanderte ich wenig später am Schloss Rothestein (KM 44,9) vorbei, das sich in Privatbesitz befindet. Es ist schon eine ironische geschichtliche Wendung, dass die verzinkten Stahlgitterelemente des ehemaligen DDR-Grenzzaunes ausgerechnet eine Wiederverwendung in der Einzäunung dieses bourgeoisen Anwesens gefunden haben. Der Adel musste eben auch sparen, wo er konnte, bis er das Schloss 2021 an ein Unternehmen veräußerte.

    Eine Zeit lang folgte ich dem Werra-Burgen-Steig weiter bergauf. Bei KM 46,5 bog ich scharf links auf einen Trail ab, der mich auf schnellstem Wege zum Gipfel des Berges Hörne bringen sollte. Dieser, ungefähr 400 m lange Abschnitt ist auf der Landkarte mit Schwierigkeitsstufe T3 gekennzeichnet, was laut Definition bedeutet, dass man seine Hände beim Aufstieg zur Hilfe nehmen muss -es wurde also scheißesteil- und tatsächlich ergriff ich dankbar das Sicherungsseil, das unterhalb der Bergspitze angebracht worden war. Auf dem Hörne-Gipfel (523 m) befindet sich neben einem Aussichtspunkt auch eine kleine Schutzhütte. Dort ließ ich mich kurz nieder, um Puls und Atmung wieder in Gleichgewicht zu bringen. Auch der nachfolgende Aufstieg zum Gipfel des Hohestein (569 m; KM 47,8) über den „Premiumwanderweg Hessische Schweiz“ (P4) hatte eine T3-Kennzeichnung und machte in sportlicher Hinsicht entsprechend Spaß. Nach dieser Kletterepisode gelangte ich wieder auf den Werra-Burgen-Steig (sowie auf den E6) und schon bald darauf zur geräumigen Schutzhütte „Schöne Aussicht“ (KM 48,2). Etwa 100 m von der Hütte entfernt, löste der Name dann das ein, was er versprochen hatte: Eine wirklich phänomenale Aussicht auf das Werratal.

    Nun dauerte es nicht mehr lange, bis ich den ehemaligen Grenzstreifen erreichte, der auch Grünes Band genannt wird, und der hier über einen Bergrücken verläuft. Dort, wo ich auf den Kolonnenweg einmündete, befindet sich die Schutzhütte „Am Sägewerk“ (KM 50,1) und ein Reststück des ehemaligen DDR-Grenzzauns. Den Werra-Burgen-Steig hatte ich vorerst verlassen und befand mich jetzt auf dem Eichsfeld-Wanderweg bzw. der Via Scandinavica. Dieser Route folgte ich in südöstlicher Richtung, allerdings auf einem schmalen Pfad neben dem Betonplattenweg. Der an die Hessische Schweiz angrenzende Teil des Grünen Bandes ist eine gigantische Kalkmagerrasenfläche und präsentiert dem Wanderer eine entsprechende Flora. Nach ca. 500 m erreichte ich die Abzweigung zur „Volkeröder Aussicht“. An diesem, nur einen Katzensprung von der Route gelegenen Ort, befindet sich auch eine Schutzhütte. Die Aussicht ist allerdings nur mäßig. [Während meiner ersten Begehung der Route habe ich hier übernachtet. Eigentlich eignet sich der Ort nur semi-gut als Camp. In der Hütte gibt es aufgrund fest installierter Tische und Stühle kaum Platz zum Schlafen und ebene Flächen zum Zelten findet man nur mit Mühe.]

    Der Kolonnenweg endete vorerst an einem Punkt, der auf der Landkarte als „Grenzeck Kahlschlag“ (KM 51,9) gekennzeichnet ist. Dabei handelt es sich um eine leicht abschüssige Wiesenfläche, die an einer Geländeabbruchkante endet und wegen dieser Eigenschaften von Gleitschirmfliegern als Startplatz genutzt wird. Ab hier hatte ich eine ungefähr drei Kilometer lange Extraschleife in meine Route eingebaut, die mich über verschiedene Pfade zur Pfaffschwender Kuppe (494 m) und wieder zurück zum Grenzeck führen sollte. Dafür folgte ich zunächst einem Trail, der an der Oberkante einer Klippe verlief und passierte dabei das „Eibenloch“, eine durch einen Erdrutsch verursachte Öffnung im Fels. Kurz darauf erreichte ich erneut einen Kolonnenweg und bog nach links auf ihn ein. Da ich die Gegend gut kannte, wusste ich, dass mehrere Singletrails zur Pfaffschwender Kuppe führen, ich also nicht auf demselben Weg zurücklaufen müsste, auf dem ich gekommen war. Einer dieser Pfade, auf den ich bald abbog, ist allerdings nicht auf Landkarten verzeichnet. Die Pfaffschwender Kuppe selbst (KM 53,0) punktet mit einer tollen Fernsicht auf das Eschweger Umland und thymianbewachsenen Steilklippen. Einen überdachten Picknicktisch gibt es dort auch. Zum Übernachten eignet sich dieser Ort aber weniger, weil der Boden uneben und von aggressiven Ameisen besiedelt ist. Auch deshalb schlug ich den zweiten Singletrail ein, der mich zurück zum Kolonnenweg leitete. Dort wählte ich einen vernachlässigten Abschnitt des Eichsfeld-Wanderweges, der unterhalb der „Eibenloch“-Klippen verläuft, um wieder zurück zum Grenzeck (KM 54,7) zu gelangen. Schweißtreibend, aber absolut lohnend! Zum Schluss des Tages hatte sich der Naturpark noch einmal von seiner besten Seite gezeigt. Die nötige Bettschwere hatte ich nun erreicht und richtete zufrieden mein Nachtlager ein.
    Read more

  • Tag 3: Hinter den sieben Bergen

    August 8 in Germany ⋅ ☁️ 24 °C

    Grenzeck Kahlschlag (ca. 7:00 Uhr; KM 54,7). […] Von meiner morgendlichen Begegnung mit der freundlichen Einheimischen hatte ich Euch ja bereits erzählt. Mein Tag begann also äußerst positiv. Mit dem Duft von Zitronenthymian in der Nase, der an meinem Lagerplatz allgegenwärtig war, setzte ich meine Wanderung fort. Zuerst schmeichelte der „Grenzweg“ meinen Augen und Füßen. Dieser Trail, der früher zwei Königreiche voneinander trennte (Grenzsteine „ANO 1837“) und heute die Grenze zwischen Hessen und Thüringen markiert, verläuft vom Gleitschirmstartplatz aus in südlicher Richtung und endet nach circa drei Kilometern an der Silberklippe unterhalb des Meinhard-Gipfels (491 m; KM 57,3). Der Werra-Burgen-Steig, der Franziskuspfad sowie der Premiumweg 4 teilen sich dieses Stück Wegstrecke.

    Von der Silberklippe aus konnte ich einen Blick von oben auf den Werratalsee und die Eschweger Leuchtberge werfen, also auf zwei meiner Zwischenziele an diesem Wandertag. In den Genuss dieser Aussicht gelangt allerdings nur, wer groß genug ist, um über das hohe Buschwerk an der Silberklippe zu spähen. Ganz in der Nähe mündete auch der Dietemannpfad (HW24) wieder in meinen Wegverlauf ein und bis auf Weiteres folgte ich nun seiner Markierung. [Bei KM 57,9 trennen sich X5H und HW24 voneinander. Wer hier dem X5H nach rechts folgt, gelangt nach ca. 500 m zur Rudi-Kaulfuß-Hütte bei Neuerode. Die Hütte befindet sich in einem hübschen kleinen Steinbruch.]

    In weiten Serpentinen stieg ich durch einen alten Buchenwald ins Tal hinab. Oberhalb des Dorfes Schwebda verließ ich den Dietemannpfad wieder und wanderte geradeaus auf der Kellaer Straße weiter. Ich lief zunächst am Friedhof von Schwebda (KM 64,1) vorbei und gelangte auf der anderen Seite des Dorfes an den Werratalsee (KM 65,2). Dort wählte ich einen Fuß- und Fahrradweg, der über eine schmale Landzunge in Richtung Eschwege führt. -Links von mir die Werra, rechts der See. Dort hatte ich einen netten Plausch mit einem Lebemann, der mit seinem SUP am Ufer angelandet war, als ich mich gerade für eine Rast auf einer Bank niedergelassen hatte. So lernte ich noch etwas mehr über die Gegend; unter anderem wurde ich in das Geheimnis der Stinksteinwand auf dem Berg Kalbe eingeweiht.

    Ich wanderte auf der Landzunge weiter, passierte einen Unterstand (KM 66,5) und bog schließlich auf eine Fußgängerbrücke ab (KM 67,1), um die Werra zu überqueren. [Wer sich nach Überquerung der Brücke rechts hält, erreicht schnell die ersten Supermärkte, den Minigolfplatz und die Innenstadt von Eschwege.] Hinter der Brücke bog ich links auf den „Premiumweg Blaue Kuppe-Leuchtberge“ (P3) (hier noch eine Straße) ab. Am Gasthaus „Felsenkeller“ stieg ich über Treppen und steile Pfade hinauf zur Schäferhalle, einem Säulenpavillon, der der Stadt Eschwege einst von einem reichen Industriellen gestiftet worden war. „Edel sei der Mensch, Hilfreich und gut!“ hatte sich Herr Schäfer gedacht, wusste mit seinem Geld aber eben doch nichts Besseres anzufangen.

    Von der Schäferhalle aus, stieg ich über Treppen und einen Kammweg hinauf zum Gipfel des Großen Leuchtberges (318 m; KM 68,3). Das ist gewissermaßen der Hausberg von Eschwege. Auf seiner Spitze befindet sich ein Bismarckturm, der ganzjährig in den Abendstunden angestrahlt wird und von weithin sichtbar ist. Zweimal im Jahr ändert der Turm seine Farbe, nämlich zum Johannisfest (blau) und während des Open-Flair-Festivals (rot). Beide Veranstaltungen verdoppeln jedes Jahr kurzzeitig die Einwohnerzahl von Eschwege. Vom Turm aus genoss ich die Aussicht auf die Stadt, den Werratalsee, die bereits zurückgelegte Strecke sowie auf die Berge, die noch vor mir lagen. In so luftiger Höhe zu stehen, ist ein erhebendes Gefühl und weckt offenbar auch das Mitteilungsbedürfnis des Menschen, jedenfalls hatten sich bereits viele hier oben verewigt und ihre Begeisterung kundgetan. Ein Beispiel dafür findet Ihr bei den Fotos.

    Über einen schmalen Pfad stieg ich vom Leuchtberg hinunter und folgte dem Premiumweg 3 noch bis zur Landstraße L3244. Hier wechselte ich für ein kurzes Stück auf den HW25, bis ich im Tal auf den Cyriakusbach stieß (KM 71,2). Am Ufer des Baches wanderte ich bergauf und kam schon bald unterhalb einer Bundespolizei-Kaserne aus, wo ich wieder Anschluss an den Werra-Burgen-Steig (X5H) und den E6 erhielt. Durch Felder, Wiesen und Streuobstwiesen lief ich leicht bergan, passierte den Segelflugplatz Stauffenbühl und gelangte schließlich zum Fuß des Berges Lotzenkopf (466 m). Dort befindet sich auch die Regener Hütte (KM 74,8). Der Anstieg zum Gipfel des Lotzenkopfes (KM 76,2) über den X5H ist stellenweise sehr steil, lohnt aber in jedem Fall, weil man von dort oben Zugang zu einem abwechslungsreichen Wegeverlauf erhält. So begegnete ich hier auch wieder einem alten Bekannten, dem Dietemannpfad.

    Über einen reizvollen Kammweg wanderte ich weiter, erreichte schließlich die Landstraße L3424, auf die ich nach links einbog, und folgte ab dort vorerst nur noch der Markierung des Dietemannpfads (HW24) in westlicher Richtung. Ich bestieg den dicht bewaldeten Lerchensberg (399 m; KM 80,8) und gelangte kurz darauf zu einer Wegkreuzung, wo ich auf den „Premiumweg Datterode“ (P19) bzw. den Gänsekerleweg wechselte (KM 81,3). Dieser Weg verläuft zunächst entlang einer weiten Wiesenlandschaft und später auf wurzeligen Singletrails durch einen Eichen-Hainbuchenwald. Diesen Abschnitt der Route mochte ich besonders gern. Nach einem elendig steilen Anstieg, erreichte ich den Hüppelsberg (410 m), auf dem sich auch der für Besucher geöffnete Berliner Turm und eine Schutzhütte befindet (KM 82,5). Als ich vom Turm hinabstieg, übersah ich beinahe ein Großes Grünes Heupferd, das auf dem Handlauf der Wendeltreppe nach oben wanderte. Weiß der Teufel, was es dort suchte.

    Über schmale Pfade erreichte ich den Spitzenberg (423 m; KM 84,4), dessen Spitze mit einem Kreuz nebst Gipfelbuch versehen ist, in das ich mich selbstverständlich eintrug. Unterhalb des Weges befindet sich hier ein alter Steinbruch. Knapp 100 m entfernt liegt der Pausen- und Aussichtsplatz Friedrichslust.

    Kurz darauf mündete mein Weg auf eine Wiese, die ich in Richtung der bewirtschafteten Schutzhütte „Wichtelbrunnen“ überquerte. Der Wanderweg führt hier über die Terrasse des Ausflugslokals und natürlich auch vorbei an der eigentlichen Quelle (KM 85,1). Ich nutzte die Gelegenheit dafür, um mich kurz vor Ende der Tour notdürftig zu waschen. Hinter dem Wichtelbrunnen wechselte ich ein letztes Mal auf den HW25, der mich auf den verbleibenden Kilometern noch einmal zu begeistern wusste. -Und zwar mit weichem Sandboden und dem urlaubstypischen Geruch von Pinien. Das Rauschen der nahegelegenen Autobahn holte mich aber sehr bald auf den Boden der Tatsachen zurück, und spätestens als das Dorf Reichensachsen in Sichtweite kam, musste ich mental den Abschluss eines wunderbaren Trail-Abenteuers einläuten. Erschöpft und glücklich erreichte ich mein Auto (KM 88,0).

    ...Und wenn er nicht gestorben ist, wird er auch nächstes Jahr wieder im Frau-Holle-Land wandern gehen.
    Read more

    Trip end
    August 8, 2025