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  • Day 69

    Castelo de Vide, literarische Annäherung

    November 8, 2022 in Portugal ⋅ ☁️ 12 °C

    Wir haben "Die portugiesische Reise" des Nobelpreisträgers José Saramago im Gepäck und ab und zu begeben wir uns ein wenig auf seine Pfade. "Der Reisende", wie sich der Autor selbst nennt, bemerkt zur Altstadt von Castelo de Vide:

    "Die Viertel Judiaria und Arçário sind von unvergleichlicher rustikaler Schönheit. Die Haustür-Umrandungen sind mit so viel Liebe und Respekt instand gehalten, dass es den Reisenden rührt. Ihre Steine sind Steine aus vergangenen Jahrhunderten, manche schon aus dem 14. Jahrhundert, und Generation auf Generation haben die Bewohner sie wertschätzen und pflegen gelernt. Der Reisende möchte fast glauben, daß in den Testamenten von Castelo de Vide, notariell beglaubigt, zu lesen steht: Ich hinterlasse meinen Kindern eine Tür, die ungeteilt in der Familie bleiben soll." (S. 466)

    "Ein so reich mit Wasser gesegneter Ort muss einen monumentalen Brunnen besitzen. Da ist er, Fonte da Vila, mit seiner auf sechs Marmorsäulen ruhenden Überdachung und den vier Düsen, aus denen das Wasser läuft. Nur bedauerlich, wie verwahrlost alles ist - die Steine von der Zeit und unpfleglicher Behandlung beschädigt, das Wasserbecken und der Gang ringsherum verdreckt. Der Brunnen von Castelo de Vide steht dort wie verwaist - wenn es Mitleid gibt, möge man sich um diese Steine kümmern, sie haben es verdient." (S. 465)

    Ich möchte dem Schriftsteller posthum zurufen: Ihre Anregung ist auf fruchtbaren Boden gefallen. Der Brunnen macht heute einen ehrwürdigen Eindruck - und seine Lebensspuren darf man ihm ja beileibe ansehen. Es sind heute Menschen da, die sich kümmern, die angrenzenden Häuser sind schon oder werden gerade sorgfältig renoviert. Die Stadt macht einen wohltuend natürlichen Eindruck: nicht auf Marketing gebürstet, nicht mit pipapo herausgeputzt, aber gepflegt und belebt. Sehr sympathisch, selbst beim gegenwärtigen Regenwetter.
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