• Zeitreise in die Berber-Kultur

    February 22 in Morocco ⋅ ☀️ 18 °C

    Ich habe das Glück, über die Mittagszeit alleiniger Besucher zu sein im "maison traditionelle berbère" im alten Ortsteil von Oumesnat. Mustafa Ahras (sein Vater Abdessalam - der legendäre blinde Führer im maison berbère - sei vor drei Jahren verstorben) führt mich durch das Haus seiner Großeltern.

    Auf sehr sympathische und authentische Weise wird ersichtlich, wie Menschen, Grossfamilien und sogar deren Nutztiere in echter "Synergie" in einem intelligent durchdachten Gebäude zusammenleben konnten. Und das selbst in diesem sehr herausfordernden Klima mit extrem heißen Sommern und kühlen Wintern.

    Mustafa vermittelt sehr glaubwürdig die Achtung und den Respekt gegenüber dem Wissen der vorausgehenden Generationen und er verkörpert gleichzeitig eine große Offenheit für den Austausch und die Gemeinsamkeiten unter den Kulturen. Mustafa ist auch Musiker, der mit Kollegen (die Gruppe Adrar Amarg, Tafraoute) gerne an traditionellen Hochzeiten aufspielt.

    Besonders berührt haben mich die sehr persönlichen Gespräche mit Mustafa. Einmal mehr die Erfahrung, dass echte Begegnung erst entstehen kann, wenn man sich Zeit nimmt und sich aufeinander einlässt.
    So etwa:
    - Der Austausch über Familie und Kinder und Vorfahren - und gar gemeinsame Bekannte.
    - Das Philosophieren über die Vorhersehung, "le déstin", - oder die Freiheit, die Perlen zu pflücken, die uns der "Zufall" beschert bzw. die uns einfach so zu-fallen.
    - Die Erzählung, wie ich 2001, dank der unvergleichlichen Gastfreundschaft im berberischen Süden Marokko's, den Marokko-Virus erwischt hatte.

    Dann seine kundigen Ausführungen zum Haus:
    - Das Erdgeschoss ist für Tiere (Schafe, Ziegen, Hühner und ein Esel), Futter und Vorräte reserviert. Hier wurden auch das Mehl gemahlen, das Oliven- + Argan-Öl gepresst, Gewürze gemörsert etc.
    - Im ersten Stock besticht die Küche im Zentrum des Hauses: durch ein einziges Fenster effektvoll belichtet und durch kluge Anordnung der Arkaden wirksam belüftet. Das Loch in der Küchenecke dient als Abwurf der Rüst-und Essensreste, direkt in die Futterkrippe der Tiere.
    - Die umlaufende Galerie neben der Küche ist auch Wohn- und Schlafbereich der ganzen Großfamilie. Davon abgesetzt ein einziges Zimmer, in dem sämtliche Kinder geschlafen hatten, oft nur von der Großmutter beaufsichtigt.
    - Auf der Dachterrasse frage ich nach den Schiefertafeln, die senkrecht auf der Balkonbrüstung eingemauert sind? Sie entsprechen den Steintafeln auf den Friedhöfen und seien das "memento mori" der Berber-Kultur.
    - Bei der Teezeremonie im Gästezimmer erzählt mir Mustafa weitere Details aus dem Leben seiner Familie und spielt auch noch ein altes Saiteninstrument sowie sein Banjo.

    Wunderschön. Eine rundum bereichernde und in der Tiefe berührende Erfahrung.
    Ganz herzlichen Dank, Mustafa, und alles Gute für Dich, Deine Frau, Deine zwei Buben und Deine Mutter.

    Und zuletzt noch eine technische Notiz für Zaïd: für die laufende Renovation der Aussenmauern verwendet Mustafa natürlichen Lehmputz aus der Gegend, überstreicht diesen am Ende jedoch mit speziellem Leim (Binoulit), was die Fassade wasserabweisend mache.
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