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  • Day 73

    Untertage schuften mit Panoramablick

    March 11, 2019 in New Zealand ⋅ ☁️ 14 °C

    Der Tag ist noch jung. Nachdem ich die abenteuerliche Fahrt zum Operara Basin erfolgreich überstanden habe, setze ich gegen Mittag bereits wieder meine Rückreise Richtung Westport an, wo ich eine weitere Nacht verbringen möchte. Der restliche Tag soll eher entspannt verlaufen, die Seele braucht auch mal etwas Ruhe, um die vielen Eindrücke zu verarbeiten, und der Adrenalinspiegel muss etwas Zeit finden, sich wieder in den Normalbereich zu senken. Für die heutige Nacht gönne ich mir daher auch mal wieder einen Stellplatz in einem luxuriösen Camperpark, anscheinend einer der Top 10 Camperparks Neuseelands. Die knapp 50 $ Gebühr finde ich zwar inakzeptabel hoch, aber ich brauche einfach mal wieder halbwegs zivilisierte Infrastruktur: eine gute heiße Dusche, normale Toiletten, Frischwasser und Strom, um die Batterien meines Campers aufzuladen 🙂 Zudem verliert Pasta mit Tomatensauce auch so langsam seinen Reiz und so gönne ich mir zur Feier des Tages zwei schöne neuseeländische Rindersteaks, die ich mir am Abend gemütlich in meiner kleinen Küche zubereiten und dann bei einem kühlen Bierchen genießen werde. Ein besonderer Genuss, den man erst richtig zu schätzen weiß, wenn man eine Zeit lang auch mal auf den im Alltag schon fast selbstverständlichen Luxus verzichtet 😀

    Noch ist es aber nicht Abend. Auf dem Rückweg mache ich zunächst noch einen kurzen Zwischenstopp an einer Lagune kurz hinter Karamera, um auf Vogelbeobachtung zu gehen. Es herrscht gerade Ebbe und so ist die Lagune trocken gelegt und lädt zu einem Spaziergang in der weiten Sandlandschaft ein. Mein kühner Entdeckungstrieb wird jedoch bestraft. Unerfahren wie ich bin, werde ich jedoch von den Gezeiten überrascht und die schnell zurückkehrende Flut schneidet mir den Rückweg ab und beschert mir nasse Füsse. Auf sicherer Anhöhe angelangt lasse ich mich auf einem Stein nieder, um meine Füße trocknen zu lassen, und beobachte, wie die Flut zügig die Lagune füllt und Vögel nahrungssuchend durch das seichte Wasser stolzieren. Ich nehme mir Zeit und genieße die Ruhe. Lediglich einige Sandfliegen, die mich hungrig umgarnen, mindern ein wenig die schönen Eindrücke. (Zur Erklärung: Sandfliegen haben etwa die Größe unserer heimischen Fluchtfliegen und schwirren absolut lautlos durch die Lüfte. Allerdings haben sie ein sägeartiges Werkzeug, mit dem sie die Haut aufreißen können und sich dann am Blut ihres Opfers laben. Dabei injizieren sie ein blutverdünnendes Mittel, welches nach ihrer Attacke ein nerviges Jucken verursacht. Leider bemerkt man die Sandfliegen erst, wenn sie bereits eine kleine Wunde in die Haut gerissen haben 😩).

    Wieder auf der Rückfahrt nach Westport entdecke ich zufällig ein Straßenschild mit der Aufschrift „Denniston Coal Mining Historic Area“. Ich meine mich wage zu erinnern, dass es sich hier um ein verlassenes Dorf der Kohle-Minen-Industire handelt. Das könnte interessant sein und so biege ich spontan in eine Nebenstraße ein, die mich schließlich einige Kilometer lang über sehr steile Serpentinen auf eine ca. 600 m hohe Anhöhe bringen wird (Road Runner wird hier ein weiteres Mal ordentlich gefordert, diesmal aber auf einer gewöhnlichen Straße 🙂). Auf der Anhöhe angelangt erwartet mich ein exzellent ausgebautes Freilichtmuseum: ein Rundweg führt mich entlang der Ruinen des einstigen Dorfes, alte Maschinen und schwere Stahlwerkzeuge befinden sich noch immer auf dem verlassenen Gelände, die Überreste des Schienensystem mit den schweren Transportwagons schaffen eine besonders eindrucksvolle Szenerie. Zahlreiche Stationen mit alten Fotos, Geschichten von ehemaligen Kumpels und technische Erklärungen lassen einen für einen kurzen Moment zurück in die Vergangenheit versetzen. Vom frühen 19. Jahrhundert bis in die zweite Hälfte des 20. Jahrhundert wurde ihr mit schweren Maschinen Knochenarbeit verrichtet. Einzigartig und von den damaligen Einwohnern als „Achtes Weltwunder“ bezeichnet, war das Schienensystem, welches die tonnenschwere Kohle über eine extrem steile Route vom 600 m hohen Gipfel bis zum Hafen beförderte. Leicht vorstellbar, dass hier auch einige Kumpels ihr Leben lassen mussten, wenn Maschinen oder Material versagten und ein tonnenschweren Wagon ins Tal raste. Denniston war ein kleines Dorf, welches eine komplette Infrastruktur fürs alltägliche Leben bietete: Wohnkasernen, eine Schule, ein Arzt, Werkstätten, eine Kapelle, Gemischtwarenladen und natürlich als Lebensmittelpunkt die Kneipe, die nach einem harten Arbeitstag den Kumpels einen warmen Zufluchtsort bot. Jeder kannte hier jeden, eine besonders feste Gemeinschaft. Bei all dem harten Arbeitstag wurden die Kumpels allerdings auch mit einem besonders schönen Panoramablick belohnt, wenn sie abends die Minen verließen und in die Ferne blickten. Von Denniston aus hat man einen tollen Ausblick über die Westküste und die Tasmanische See. Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass hier am Abend einige kühle Bierchen beim Sonnenuntergang genossen wurden (ähnlich wie bei mir 😊).
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