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  • Day 141

    Es ist nicht alles Inka-Gold, was glänzt

    May 18, 2019 in Peru ⋅ ⛅ 19 °C

    Es ist Zeit ins Herzen des damaligen Inka-Reiches zu kehren, an den selbsternannten „Nabel der Welt“. Genau das bedeutet nämlich der Name „Cusco“ oder ursprünglich auch „Quosqo“ (bevor die Spanier die ursprünglichen Worte aus dem Quechua vernuschelt haben 😉). Betrachtet man das damalige Inka-Reich auf der Landkarte, so versteht man sofort, warum Cusco diesen Namen trägt, denn es war strategisch günstig am Schnittpunkt der vier großen Inka-Provinzen gelegen. Von hier führten alle wichtigen Inka-Trails in alle Himmelsrichtungen des sich über mehrere tausend Kilometer erstreckenden Reiches. Pferde oder Kutschen gab es damals nicht, alles wurde zu Fuß zurückgelegt. Um die riesigen Strecken in verkraftbarer Zeit zurückzulegen, und insbesondere um Nachrichten in annehmbarer Zeit zwischen den verschiedenen Städten des Reiches zu vermitteln, hatten die Inkas eine Art Staffellauf eingerichtet. So standen entlang einer Route Hunderte von Läufern in jeweils einer kurzen Etappe bereit, um bei Bedarf im Rekordtempo wenige Kilometer der Strecke zurückzulegen und die Nachricht an den nachfolgenden Läufer weiterzureichen. Auf diese Weise gelang es zum Beispiel beeindruckenderweise eine Nachricht zwischen Cusco und Lima in weniger als zwei Tagen zu übermitteln. Zum Vergleich: selbst heute noch dauert eine Busfahrt zwischen den beiden Städten auf Grund der unwegsamen Landschaft fast 24 Stunden.

    Ich war gespannt darauf, was mich in Cusco erwarten wird. Eines war mir im Vorfeld schon klar, dies ist die mit Sicherheit touristischste Stadt Perus, alleine schon, weil sie Basis für die Ausflüge zum Machu Picchu darstellt. Dennoch hatte ich von vielen anderen Reisen bereits gehört, dass Cusco seinen Charme behalten hat, hier Moderne und Tradition zusammenkommen und die Stadt auf jeden Fall einen mehrtägigen Aufenthalt Wert sei. Ich habe daher reichlich Zeit eingeplant und werde ganze sechs Nächte in Cusco verbringen, allerdings davon die Hälfte der Zeit bereits mit einem Ausflug zum Rainbow Mountain und Machu Picchu verbringen, so dass sich die großzügige Dauer bereits wieder relativiert. Cusco wird außerdem die Endstation meines Aufenthalts in Peru und meines kleinen Road-Trips per Bus sein. Ich habe mir vorgenommen, anschließend nach Kolumbien weiterzureisen, und die beachtliche Strecke dann per Flugzeug zurückzulegen, um etwas Zeit zu sparen.

    Die letzte Etappe meiner Busreise soll es aber nochmal in sich haben. Etwa zwölf Stunden Busfahrt sind vorgesehen. Am späten Abend vor der Abfahrt von Arequipa erhalte ich vom Busunternehmen eine Benachrichtigung, dass für den Tag der Reise Streiks der Bauern angekündigt sind und auf Grund von Straßensperrungen evtl. mit erheblichen Verzögerungen zu rechnen ist. Auch wenn das Busunternehmen die Option anbietet, die Reise um einen Tag nach hinten zu schieben, entscheide ich mich dagegen. Zum einen denke ich tatsächlich, dass so ein Streik ja irgendwie auch zum Reiseerlebnis dazugehört und ich will schließlich nicht verpassen, wie die Bauern gegebenenfalls ihre Lama-Herden zum Zweck der Blockade über die Straße treiben, zum Anderen hatte ich ursprünglich geplant, bereits am darauffolgenden Tag zum Machu Picchu aufzubrechen (später wird sich allerdings herausstellen, dass die Tour auf Grund von mangelndem Reiseagentur-Feedback nicht zu Stande kommt und ich mir den Stress vergebens gemacht habe).

    Die Busfahrt beginnt pünktlich um 5:30 Uhr in Arequipa, der Guide ist noch zuversichtlich, dass wir die Blockaden eventuell umfahren können. Auf halber Strecke macht der Bus dann aber in einem abgelegenen verwahrlosten Dorf Halt. Es geht nicht weiter, die Straße ist blockiert, wir befinden uns im Streit, wahrscheinlich einige Stunden, vielleicht aber auch viele Stunden. Das kann keiner sagen. Der Guide versucht das Beste aus der Situation zu machen. „Let‘s explore the city“ ruft er euphorisch. „But please don‘t speak any English, just to avoid problems with the people“. Hmm, wirkt jetzt nicht so vertrauenserweckend, aber gut. Ich will mir das „echte“ Peru nicht entgehen lassen und schließe mich der kleinen Stadtführung an. Nach ca. 500 m und ca. 10 Minuten später haben wir das Ende des Ortes erreicht, so bekommen wir die Zeit schonmal nicht rum. Also auf die Suche nach etwas Essbarem gehen. Das scheinbar einzige Restaurant des Ortes weist uns aber ab (dabei hätten sie doch das Geschäft ihres Jahres gemacht 🙂). Schließlich werden wir doch noch in einer kleinen Lagerhalle fündig, in der ein paar Mamas Lamm-Suppe und Kartoffeln brodeln und für ein Schnäppchen an den Mann bringen. Allerdings auch echte lokale Küche, in der Suppe ist wohl das ganze Lamm verkocht worden. Ich kann nur erahnen, was da so alles rumschwimmt. Nichts für einen schwachen Magen. Froh darüber, dass ich bisher von ernsthaften Magenproblemen in Südamerika verschont geblieben bin, fordere ich mein Glück nicht heraus und begnüge mich mit ein paar gekochten Kartoffeln und etwas gebratenem Käse. Da kann ich ja nicht soviel falsch machen. Auch nach zwei Stunden ist noch kein Ende des Streiks in Sicht. Unser Guide improvisiert und denkt sich spontan das nächste Ausflugsziel aus. „Let‘s visit the blockade and see what the people are doing there“. Die eigentliche Straßenblockade soll außerhalb des Ortes in knapp 1 Kilometer Entfernung liegen. Spannend, was da wohl so los ist. Ich beschließe mich auch diesem kleinen Abenteuer beizuwohnen. Mit knapp 20 Leuten ziehe wir los, auf dem Weg werden wir von den Einwohner etwas skeptisch und verdutzt, aber eigentlich freundlich begutäugelt. Ich glaube, dass hier eher selten eine Ausflugstour stattfindet 😂 Die Blockade ist schließlich schnell erreicht: auf der Straße liegen ca. 20 etwas größere Steine in einer schmalen Reihe. Rundherum gesellen sich vielleicht maximal 50 Bauern, die die Zeit abzusitzen scheinen. Ach ja, und ich meine auch ein einzelnes Protest-Plakat zu erkennen. Das soll der Streik sein??? Ich bin fast schon etwas enttäuscht, nach all den Ankündigen hatte ich etwas mehr erwartet. Trotzdem reicht es, um den Verkehr zu blockieren. Als Polizei gab es nur einen einen einzelnen Streifenwagen im Ort, der Polizist schien es sich aber gemütlich gemacht und die Füße auf die Armatur hochgelegt zu haben. Hier wird sicher kein Finger krumm gemacht... Voraussichtlich wird der Streik noch 3 Stunden andauern, dann ist Feierabend für die Streiker. Als ich mich schon innerlich darauf eingestellt habe, nicht vor Mitternacht Cusco zu erreichen, entwickelt sich die Situation dann doch noch überraschend zu unseren Gunsten. Regenwolken ziehen auf, es beginnt zu tröpfeln. Anlass genug für die Schönwetter-Streiker, das Lager abzubrechen und frühzeitig den Feierabend einzuläuten. Wer will schon nass werden??? Wenig später ist die Straße wieder frei und wir können unsere Fahrt tatsächlich mit nur wenigen Stunden Verspätung und ohne weitere Zwischenfälle fortsetzen. Ein außergewöhnliches Erlebnis außerhalb des Standard-Reiseplans... 😄

    In Cusco angekommen, erwartet mich am nächsten Morgen satter Sonnenschein und schöner Blick von meiner bescheidenen Bleibe („Killany Inn“) über die historische Altstadt. Auch wenn mir am Abend wie gewohnt meine heiße Dusche mal wieder verwährt geblieben ist und ich mich stattdessen in meine Thermounterwäsche verkriechen musste, bin ich mit der Unterkunft zufrieden. Ruhig gelegen mit bequemen Bett und sehr netter Gastgeberin (die ständig freundlich lächelt und mir versucht viele Tips für Cusco zu geben. Wie so oft, verstehe ich leider mal wieder nur die Hälfte, lächele aber freundlich zurück und bedanke mich 😂). Einzig und allein die Lage meines Zimmers neben der Rezeption ist unvorteilhaft. Mehrere Male werde ich nachts durch das Klingeln der Haustür aus dem Schlaf gerissen, wenn einer der Gäste zu später Stunde um Einlass gebeten hat. Seltsamerweise werde ich die Türklingel in den folgenden Tagen aber bereits überhören 😉 Ich bin positiv überrascht von Cusco. Die historische Altstadt ist tatsächlich sehr schön, grüne Parkanlagen und enge steile Gassen mit vielen netten Restaurants, Cafés und Geschäften. Alles sehr sauber. Prächtige Kirchen zeugen von der spanischen Herrschaft und prägen das Stadtbild, dazwischen immer wieder vereinzelte Überreste aus der Inka-Zeit zu sehen, wenn auch nur minimal. Denn die Spanier haben nahezu rückstandslos sämtliche Inka-Gebäude mit Kirchen oder anderen Gebäuden überbaut. Erhalten geblieben sind aber noch die wunderschönen Inka-Mauern mit perfekt geradlinig geschliffenen Steinen (angeblich hat es für die Inka-Handwerker 6 Monate gedauert, um einen einzelnen dieser Steine herzustellen).

    Wie es bereits schon zur Routine geworden ist, begleite ich zum Einstieg meiner Entdeckungsreise mal wieder eine Free Walking Tour, in der ich einiges über die Inkas und die darauffolgende Regierungszeit der Spanier und der Peruaner lerne. Im Kopf geblieben ist mir, dass anscheinend praktisch alle der vergangenen zehn peruanischen Präsidenten nach ihrer Amtszeit während Korruption ins Gefängnis gewandert sind. Spricht nicht gerade für den peruanischen Staat. Der Guide ist aber zuverlässig. Zumindest das Justizsystem scheine inzwischen gut zu funktionieren 😊 Weiterhin lustig finde ich, dass bis vor kurzem auf dem Hauptplatz von Cusco eine große Apachen-Statue gestanden hat. Warum ein Apache? Die amerikanische Firma, die mit der Statue beauftragt wurde, hatte zu dieser Zeit mehrere parallele Aufträge, darunter auch eine Apachen-Statue für eine Stadt in Mexiko. Bei der Auslieferung gab es dann eine Verwechslung: der Inka-Herrscher ging nach Mexiko, der Apache nach Cusco. Reklamation war anscheinen ausgeschlossen 😂 Erst vor wenigen Jahren hat sich eine Studentengruppe erbarmt und in einer Nebel- und Nachtaktion den Apachen entfernt. Erst zu diesem Zeitpunkt, war die Stadt gezwungen, Geld für eine neue Statue in die Hand zu nehmen.

    Unsere Tour führt uns schließlich entlang einiger wichtiger historischer spanischer Gebäude und vorbei an den verbleibenden Inka-Ruinen. Auf dem lokalen, aber doch touristischen Markt lernen wir dann noch die exotischen Früchte des Landes kennen, und erfahren, was wir auf dem Markt später einmal verkosten sollten und für was unsere Mägen eher nicht gemacht sind 😊 (ich werde zumindest später hier ein vegetarisches Reisgericht und leckeren frisch gepressten Saft zu mir nehmen und dafür weniger als zwei Euro zahlen).

    Um mich noch etwas mehr unter das Volk zu mischen, beschließe ich auch wenige Tage später, den „Black Market“ Cuscos zu besuchen. Hier wird einfach alles auf der Straße verkauft: Nüsse, gebrauchte Autoteile, Handys, Elektronik, Unterwäsche, Bücher, Musikinstrumente, Küchengeräte, gebratene Meerschweinchen, Hundewelpen, Kleidung, Souvenirartikel, Heilpflanzen, Obst und Gemüse, Handwerkerbedarf, und vieles vieles mehr. Ähnliches hatten Susi und ich bereits auf dem lokalen Markt in Santiago erlebt. Die Bezeichnung „Black Market“ kommt übrigens daher, dass hier nicht alle Artikel 100% legal verkauft werden. Wem zum Beispiel sein Handy entwendet wurde, hat hier gute Chancen, es wiederzuentdecken 😁 Ich lasse mich von der quirligen und lauten Atmosphäre treiben, es wird gedrängelt, es wird Musik gespielt, diskutiert, mit lauten Rufen Werbung gemacht, aber alles auf friedliche Weise. Die Straße lebt hier, authentisch, das gefällt mir.

    So positiv auch mein erster Eindruck von Cusco ist, nach einigen Tagen spürt man auch mehr und mehr die Schattenseiten des Massentourismus. Ich kann keine Straße entlang gehen, ohne das mir Straßenverkäufer Gemälde, Ketten oder Sonnenbrillen anbieten, ohne dass für Massagen geworben wird, ohne dass ich in ein Restaurant gebeten werde, ohne dass die nächste Tour zum Machu Picchu offeriert wird, ohne dass ich für ein weiteres Foto mit einem kleinen Alpaca posen soll. Wenn ich entspannt auf einer Parkbank Platz nehme, kann ich Gewiss sein, dass sich wenige Minuten später ein Bettler zu mir gesellt und seine Hand aufhält oder dass ein Schuhputzer seine Dienste anbietet (hier muss ich allerdings zugestehen, dass meinen Schuhen eine Reinigung tatsächlich nicht schaden würden... 😊). Und zu etwas späterer Stunde werden mir in den etwas dunkleren Gassen dann natürlich auch verschiedene Drogen flüsternd offeriert.

    Cusco ist unzweifelhaft schön und gehört mit Sicherheit zum Pflichtprogramm eines jedes Peru Wer allerdings glaubt, das „echte“ Peru gesehen zu haben, wenn er sich ein paar Tage im historischen Zentrum aufhält, liegt wohl eher falsch. Aus meiner Sicht wird hier ein „geschöntes“ Peru gezeigt, dessen Fassade nach einigen Tagen etwas zu bröckeln scheint. Nach einigen Tagen freue ich mich darauf, weiterzuziehen. Die Nächte werden auch zu kalt, Abende lassen sich nur in Daunenjacken verbringen (auch innerhalb der Gebäude), Heizungen sucht man vergeblich und auf richtig heißes Wasser werde ich wohl noch etwas warten müssen. Es ist Zeit für mich, in wärmere Gefilde aufzubrechen. Der heiße Norden Kolumbiens erwartet mich. Ich freue mich auf Sonne, Wärme, heiße Rhythmen, karibischen Lifestyle und 100% Luftfeuchtigkeit 😄
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