France
Cercles

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Travelers at this place
    • Day 19

      Templer mit Seeigel

      May 9, 2019 in France ⋅ 12 °C

      T5, Tag 19, WT 15:
      Nontron – Cercles, 31,8 km, H390, A490, reine Gehzeit 6:17, Donnerstag, 9.5.2019

      Der Morgen zeigte sich von seiner besten Seite, vergessen waren die Strapazen von gestern. Die klare Luft, der blaue Himmel, und das satte grün der Landschaft zogen uns förmlich hinaus zu unserer heutigen Wanderung von knapp zweiunddreißig Kilometern, nach „Cercles“. Unseren englischen Gastgeber ließen wir wieder allein in seiner Einsamkeit.
      Wir folgten der kaum befahrenen „Route du Marquis“ inmitten herrlichen Natur. Leider war es nach ein paar Kilometern schon wieder vorbei mit dem schönen blau am Himmel. Auch mit den intensiven Farben hatte es ein Ende als das triste Grau das strahlende Blau ersetzte. Alles Liebliche wandelte sich schlagartig in einen kalten, grauen Frühlingstag.
      Nach sieben Kilometern passierten wir die wenigen, versprengten Häuser von „Brissonneau“, ein Straßenkaff, das wir mit Ignoranz straften, es gab ja eh keinen Franzosen zu sehen.

      Zwei Kilometer weiter betraten wir „Saint-Front-sur-Nizonne“ und suchten nach seinen einhundertneunundfünfzig, unsichtbaren Einwohnern. Hier zog uns die romanische Dorfkirche „Eglise Saint Front“ aus dem 12. Jahrhundert in ihren Bann. Leider wollte aber die Kirche nichts von uns wissen, sie war geschlossen. Dennoch, der Bau- und besonders das Eingangsportal beeindruckten einmal mehr durch sein archaisches Äußeres.
      Wir folgten der „Route de la Chapelle“ und erspähten beim zwölften Tageskilometer eine alte Ruine am Straßenrand, keine Ahnung, um welche es sich dabei handelte. In jedem Fall spukte der Gaul wieder ordentlich in unserem Hirn herum und brachten unsere Fantasie wieder so richtig in Wallung, eine willkommene Abwechslung von der Wandermonotonie. Was hätten wir alles daraus machen können, wir träumten von einer einzigartigen Event-Location.
      Die Landschaft war makellos, hier gab es nichts, was sie in irgendeiner Form beeinträchtigen könnte, reine Natur, keine Windmühlen, keine Strommasten, wenige alte Käffer, keine Menschen, fast wie immer, wir waren ganz allein.

      Nach weiteren drei Kilometern erspähten wir nahe „Les Brageaux“ so etwas wie ein einsames beeindruckendes Gutshaus oder Schloss, in jedem Fall war es alt und vermutlich bewohnt, worauf einige geöffneten Fenster hinwiesen. Der Park davor erschien uns wie geschaffen für eine Rast. Weil die Wiese zu nass war, kauerten wir uns an einen trockenen Baum, zelebrierten einmal mehr unser Baguette und lauschten der Stille, die trotz der feuchten und noch kühlen Jahreszeit von dem Zirpen der ersten Grillen gekrönt wurde.
      Wir folgten immer weiter der „Rue du Passadour“. Die Weite der jungen-, leicht hügeligen-, und strotzend grünen Getreidefelder rechts der unbefahrenen Straße war beeindruckend. Nur der Horizont zeigte den im Wind tanzenden Feldern ihre Grenzen.
      Nach gut Siebenundzwanzig Kilometern verließen wir die einsame Straße, um auf einem Feldweg der Natur noch näher zu sein.
      Plötzlich riss mich Marions plötzlicher Aufschrei aus meiner tiefen Wanderlethargie. Sie blickte auf den Feldweg und deutete auf einen runden Stein, es war ein versteinerter Seeigel, vermutlich Kreide Zeit, siebzig Millionen Jahre alt, hier, völlig unerwartet. Fossilien waren das Letzte, was ich auf diesem Feldweg erwartet hätte. Dazu muss man wissen, dass ich manchmal wie besessen nach Fossilien suche, beispielsweise auf Helgoland, dann erliege ich dem „Jagdinstinkt“.
      Wegen ihres enormen Alters ziehen sie mich förmlich in ihren Bann. Immer schon gab es auch in der Familie einen Wettstreit wer die besten davon findet. Umso herber war diese „Niederlage“ für mich. Ich gönnte Marion dennoch den Triumpf, bin ich doch sonst oft der „Gewinner“.

      Nach gut dreißig Kilometern erlöste uns endlich der Wegweiser nach „Cercles“ von unserer Ungeduld. Die kleine, links abzweigende Straße „C1“, führte den Berg hinauf und hatte sich fest vorgenommen es uns noch einmal so richtig zu zeigen. Nach der bereits hinter uns liegenden Strecke hatte sie es jedoch nicht besonders schwer.

      Am Horizont kam „Cercles“ langsam näher.
      Als wir den kleinen Ort mit vielleicht zwanzig bis dreißig Häusern betraten war klar, dass dieser-, mit seinen einundsechzig Einwohnern, eingebettet in grandiose Natur, ein ganz Besonderer war. Es sah so aus, als wäre nur ein kleiner Teil der Häuser bewohnt, einige der historischen Gebäude wirkten verfallen.
      Viele Orte in Frankreich sind alt, aber der hier war historisch, uralt. Die Häuser waren keine „normalen“ alten Gebäude, nein, fast alle Häuser waren kleine Monumente, gebaut aus großen Quadern. Und so erinnerte das Dorf-Ensemble auch eher an eine alte Burg. Umso mystischer, weil auch hier keine Menschen zu sehen waren, vermutlich irgendwo versteckt hinter den meterdicken Mauern.
      Auf die Idee, dass überhaupt hier jemand wohnt, kamen wir eigentlich nur, weil vor den Häusern vereinzelt Autos standen. Es hätte aber auch genauso gut ein Museumsdorf sein können.
      Im Zentrum des kleinen Ortes war die beeindruckende Kirche „Cercles - Église Saint-Cybard“, beschützt von einer Ringmauer. Beeindruckend, weil auch Sie anders war, besonders alt, erbaut 1169, zur selben Zeit als auch der Ort entstand.
      Über die Geschichte des Ortes gibt es nur wenig Überliefertes, vermutlich aber wurde er von den Templern errichtet, so sah er auch aus.
      Wir suchten unsere Unterkunft, das Chambres d'hôtes „L'Echappée Belle“ von Marie Descreaux. Nicht einfach zu finden, da sich die Häuser von außen mit ihren gewaltigen Mauern und kleinen Türen, ohne Namen und Hausnummern alle sehr ähnlich waren, und zum Fragen gab es keinen.
      Irgendwann klopften wir dann an der richtigen Tür, und Marie, vielleicht um die Mitte vierzig, öffnete uns mit ihrem netten französischen Lächeln, sie erwartete uns bereits.
      Sie wohnte alleine hier, Ihre Kinder studieren irgendwo in Frankreich. Das altehrwürdige Gemäuer, von ihr selbst mit eigenen Händen restauriert, war innen ein schwieriger Kompromiss zwischen einem archaisch-historischem Gebäude und ein bisschen Wohnkomfort.
      Beides in einer passenden Form in Einklang zu bringen war eine schwierige Herausforderung. So saß man beispielsweise am Küchentisch in einer Küche mit einer modernen Kochzeile aber direkt vor einem gigantischen, offenen, Steinkamin aus dem Mittelalter, inmitten von meterdicken Quader-Mauern.
      Unser Zimmer war im zweiten Obergeschoß unter dem Dach und von gleicher Monumentalität. In die Wand vor den beiden Fenstern waren Steinstufen als Sitze eingebaut, ganz so wie es früher die Wachposten bei den Burgen zur Beobachtung der Umgebung hatten. In meiner Fantasie sah ich hier noch die Templer sitzen.
      Die Zimmer-Einrichtung war frech und farbenfroh Französisch, eine wilde und witzige Mischung.
      Marie sorgte für uns und zauberte uns ausgehungerten Wanderern noch ein köstliches Abendbuffet. Wir hatten viel Spaß mit ihr und dank „Google Translate“ eine angeregt-witzige Unterhaltung auf Deutsch-Französisch, es gab viel zu lachen.
      Später im Bett ließ uns die weitgehend unbekannte Geschichte des Gemäuers nicht los, der Raum war erfüllt von seiner tausendjährigen Geschichte. Auch die absolute Stille leistete ihren anregenden Beitrag dazu, sorgte sie doch im Einklang mit dem Gemäuer für einen gewissen „Spukfaktor“.
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    You might also know this place by the following names:

    Cercles, Cercle, Серкль, Серкл, FRCC5, 塞尔克莱

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