France
Malleret-Boussac

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Travelers at this place
    • Day 10

      Flucht

      April 30, 2019 in France ⋅ ☀️ 14 °C

      Trip 5, Tag 10, Wandertag 8:
      Archignat - Malleret-Boussac, 27,5 km, Steigung 310 Meter, Gehzeit 5:37, Dienstag, 30.4.2019

      Bei Kaiserwetter schlenderten wir durch das gepflegte „Archignat“. Zum ersten Mal seit unserem Start in „Vézelay“, versprach ein strahlend blauer Himmel von Anfang an einen fantastischen Wandertag. Es war, als ob sich der Himmel für all die „Unannehmlichkeiten“ bei uns entschuldigen wollte. Wir dankten es ihm mit einem Klimaerwartungsindex von unerreichten 90%. Die zehn Prozent die noch fehlten waren der noch relativ kühlen Temperatur geschuldet.

      Unten im Tal kämpften die letzten Nebelfetzen vergeblich ums Überleben. Die morgendliche Szenerie erinnerte an unseren fantastischen, vierten Wanderabschnitt im letzten Jahr, von Koblenz nach „Vézelay“. Fast sechshundert heiße Sommerkilometer, in denen der Regen so fern war wie Sibirien von Deutschland und jeder Sonnenmorgen so vielversprechend und energiegeladen wie der Heutige. Nur mit der Hitze war es nicht so weit her und Sibirien doch deutlich näher als wir es wahrhaben wollten.
      Der Abschied vom „Château de Peufeilhoux“ war herzlich. Zwei Verrückte, die zu Fuß aus Hamburg angelatscht kamen und nach zwei Tagen wieder weiterlatschten, gab es ja schließlich nicht jeden Tag.
      Es war seltsam, die Gastgeber sahen zwar einerseits, dass wir zu Fuß ankamen, andererseits reichte ihre Vorstellungskraft aber nicht wirklich aus, um zu glauben, dass unsere Wanderung in Hamburg ihren Anfang nahm. Erzählten wir Einheimischen davon, wurden sie unsicher. Gedanken wie „will der mich jetzt verarschen" oder "hab ich etwas im Leben verpasst“, konnten wir deutlich spüren. Daran, dass uns mit jedem weiteren Wanderkilometer ein weiterer Punkt auf unserer Glaubwürdigkeitsskala abgezogen wurde, gewöhnten wir uns, es war uns wurscht, oder etwa doch nicht? Eigentlich tat es uns sogar ein bisschen weh, dass uns kaum einer glaubte, wo wir doch so stolz auf unsere Leistung waren.
      Nach diesem Tagesstart würde sich Marion jedenfalls beim besten Willen nicht mehr vorstellen können wie hart es gestern für mich war, diesen Ort hier zu erreichen.

      Egal, ich hatte eh nur noch die knusprig frischen Baguettes im Kopf die wir heute Morgen mit den gestern von Marion eingekauften Leckereien, akribisch belegten. Zuerst ordentlich Butter, dann Salamischeibchen, drüber Ziegenkäsestreifen, und zum Abschluss, als Doping, ein- oder zwei Gürkchen. Allein der Gedanke an die durchdesignten Baguettes brachte meine Zähnchen zum Tropfen. Bis zu ihrem Todesurteil mussten die traurigen Weißbrotstangen mit der unheilbringenden Vorahnung, allerdings noch in der „Todeszelle“-, den Tiefen unseres Rucksacks, „schmoren“.

      Auf der „Route d'Huriel“ (D 916 / D 148) schlichen wir uns auf leisen Sohlen aus dem Ort. Die offizielle „Straße“ fühlte sich eher an wie ein asphaltierter Luxus-Wanderweg in herrlicher Natur, was sich später noch ändern sollte.
      Nach drei Kilometern navigierte uns Komoot nach links, auf einen abzweigenden Feldweg.
      Abzweige sind immer spannend, weil man nie weiß was einen erwartet.
      In diesem Fall konnten wir gar nicht glauben was uns der gepflegte Weg präsentierte. Alles was eine grandiose Natur unter strahlend blauem Himmel so bieten konnte, wurde aufgetischt, wirklich alles.
      Wir wussten gar nicht wo wir zuerst hinsehen sollten. Alleen, Blumen, saftige, hügelige Weiden, Rinderherden mit Müttern, Kälbchen und Stieren, kleine Seen und Wäldchen, alles strotzend grün und weit und breit kein Mensch, nur wir.
      Hier war er wieder, der Moment, den man nur als Fernwanderer so erleben darf, danke, du herrliches Frankreich, Vive la France!

      Die Schönheit unserer Route mit den dafür nötigen Worten zu beschreiben, würde meinen nur begrenzten literarischen Horizont sprengen.
      Mit dem elften Kilometer passierten wir auf der „Route de Montluçon“ die „Grenze“ des nächsten Départements, das „Département Creuse“, der Region „Nouvelle-Aquitaine“ (Eine Art Bundesland). Ein kleines blaues Straßenschild wollte, dass wir das unbedingt erfahren.
      Die Einsamkeit der Gegend habe ich mal mit spaßeshalber Bayern verglichen. Während sich im „Département Creuse“ rund 20 Franzosen einen Quadratkilometer teilen, sind es in Bayern durchschnittlich 184 „Freistaatler“ die sich die Erde untertan machen dürfen, also rund 90% weniger Menschen. Entsprechend gering ist hier der Eingriff in die Natur, keine Strommasten, keine Autobahnen und nur wenige Gebäude die das Augenmaß für die Landschaft ins Verhältnis zur eigenen Größe gesetzt, noch nicht verloren haben, nichts beleidigt hier das Auge.
      Obwohl wir nun schon seit einigen Kilometern auf der kaum befahrenen Bundesstraße „D 916“, der „Route de Montluçon“, so vor uns hin schwebten, vermochte auch sie nicht unser „Naturflash“ in irgendeiner Weise zu beeinträchtigen.
      In anderen Sphären und nach knapp 13 Kilometern „besuchten“ wir die 146 Einwohner von „Leyrat“ von denen wir, wie so oft, keinen Einzigen zu Gesicht bekamen. Wieder ertappten wir den „Gaul“ dabei, wie er einige der verkommenen Immobilien adoptierte und mit viel Fleiß allen möglichen exotischen Nutzungen zuführte, er war dabei kaum zu bremsen.

      Gleich hinter „Leyrat“ verabschiedeten wir uns von der Bundesstraße, um nunmehr unserem absoluten Lieblingstypen von Wanderwegen zu folgen, einer Mischung aus winziger, autoloser Straße und einem breiten Komfortwanderweg, asphaltiert und herrlich zu gehen. Es waren die „Lebensader“ zu den einzelnen Häuschen oder Gehöften die sich irgendwo, hier und da, unauffällig in die Landschaft integrierten. Wurden es einige Häuschen mehr, wie beispielsweise in „Merveranges“, das wir gerade passierten, protzten die vielleicht 20 Einwohner gleich wieder mit einem Ortsschild. Zufälligerweise habe ich im Internet später entdeckt, dass man hier Baugrundstücke für 5 Euro den Quadratmeter erwerben kann. Also auf ins schöne Frankreich, worauf wartet Ihr?
      Mittlerweile wieder zurück auf der Bundesstraße „D 916“ und einige missratene und kläffende Kötern später, war es soweit. Mit dem achtzehnten Kilometer marschierten wir in „Boussac-Bourg“ ein – unser Ort für unsere Tagespause, Ort der Hinrichtung! Die letzten Minuten unserer in der „Todeszelle“ schmorenden Baguettes hatten geschlagen, ein prächtiger Ort, um zu sterben, wie wir fanden.
      Irgendwo im alten 700 Seelen Dorf, saßen wir auf einer der reichlich vorhandenen, alten Mauern, und exekutierten unsere Baguettes, Bissen für Bissen ein Genuss. Wie es den Baguettes dabei ging war uns ziemlich wurscht.

      Noch den letzten Bissen kauend, besuchten wir das einmal mehr vor sich hin modernde, kleine romanische Kirchlein „Saint-Martin“, seit 1930 als „Monument Historique“ klassifiziert. Sicherlich wäre es in Deutschland, mit seiner massiven Eichenvertäfelung ein kleines Superlativ, in Frankreich aber erliegt man in dieser Hinsicht der Reizüberflutung. Man registriert es und legt es dann auch gleich wieder ab, irgendwo auf der „Festplatte“ im Ordner moderndes Gemäuer.

      Nächstes Zwischenziel war das gut zweieinhalb Kilometer entfernte fünf Häuser Kaff „La Planche au Pré“, am nördlichen Rand der Gemeinde „Bousac“ gelegen. Mit seinen unglaublichen 1.267 Einwohnern ist "Bousac" der Hauptort des gleichnamigen Kantons. Egal, dieser Ort hatte Pech, er lag nicht auf der imaginären Luftlinie vom Startpunkt unserer Wanderung, „Vézelay“, bis zu ihrem Endpunkt, „San Sebastian“, der wir routentechnisch immer folgten. Nur Orte die annähernd das Glück hatten, von ihr „gestreift“ zu werden durften unsere Bekanntschaft machen. Natürlich machten wir auch Ausnahmen, die mussten jedoch von den Orten sehr gut begründet werden.
      Obwohl es deutlich kürzer gewesen wäre wieder der Bundesstraße „D 916“ zu folgen, jetzt, nach „Boussac“, „Route de Boussac-Bourg“ genannt, zogen wir es lieber vor wieder in die Natur einzutauchen und links hinter dem Ort die Einladung einer kleinen Straße vom Typ „Lieblingsweg“, anzunehmen. Die zwei Kilometer Umweg waren uns egal.
      Irgendwann auf dem kleinen Sträßlein durchquerten wir ein landwirtschaftliches Gehöft. An einer kleinen Mauernische, am alten Hauptgebäude, stolperten unsere Augen über ungewöhnliches, dass sie nicht einzuordnen vermochten. Hier gab es skurriles Neuland zu entdecken. Wer hat schon jemals einen großen Münz-Automaten-, mitten im Nirgendwo und inmitten einer meterdicken Mauer eines einsamen alten Bauernhofes, gesehen, in dem man sich per Münzeinwurf unterschiedliche Honigsorten in Gläsern rausziehen kann? Wir waren tief beeindruckt von derart hoher Innovationskraft und Kreativität.

      Wieder zurück auf der „Route de Boussac-Bourg“ passierten wir „La Planche au Pré“ und hatten wieder das Glück, auf Lieblingswegen betörende Landschaften zu genießen. Allerdings entzog sich der schöne blaue Himmel mehr und mehr der Szenerie. Das nun etwas diffusere Licht tauchte das endlose Grasland rechts und links des Weges, das gleichzeitig die eingezäunte Heimat großer Rinderherden irgendwo am Horizont war, in nun strotzend-saftiges Dunkelgrün. Die fortschreitende Tagesdämmerung gebar gleichzeitig eine ganz besondere-, nunmehr mystische Stimmung.

      Mit fortschreitender Müdigkeit, immerhin hatten wir schon rund vierundzwanzig Kilometer auf dem „Buckel“, machte sich er „Gaul“ wieder in unseren Köpfen breit. Er realisierte, dass wir morgen am Ziel unserer heutigen Wanderung, dem „Le Rianon“, einem alten Bauernhaus irgendwo bei „Malleret-Boussac“, unseren nächsten freien Tag zelebrieren würden.
      Immerhin hatten wir in den letzten fünf Tagen einhundertfünfundvierzig Kilometer eliminiert. Besonders ich selbst hatte dazwischen keinen Tag Pause und der gestrige Tag brandmarkte immer noch fast jeden meiner erschöpften Muskeln. Insofern gab sich der Gaul in meinem Kopf besonders viel Mühe mir den morgigen Pausentag in allen Fassetten, als eine Art heiligen Wandergral, ins Hirn zu brennen.
      Da lagen wir also am Pool, richtig gehört, auch den sollte es dort geben, sonnten uns, schliefen bis Mittag, luden Dateien in die Cloud hoch, schrieben unsere Notizen nach, planten die kommenden Touren, ich schrieb an meinem Block, und, und, und ...
      Der Gaul war ein bisschen blöd, denn wir hätten eine ganze Woche freihaben müssen, um alle in unsere Köpfe projizierten „Urlaubsaktivitäten“ zu realisieren. Ich verscheuchten ihn, auch weil ich schon jetzt realisierteÜ 0, dass ein Tag wohl nur ein Tropfen auf einem sehr heißen Stein sein konnte. Dennoch, morgen war frei, great, yea!

      Die letzte kleine Straße der wir nun bis zu unserem heutigen Ziel folgen würden, war an Einsamkeit kaum noch zu überbieten, keine Ahnung wann hier der letzte Mensch gesehen wurde. Am bereits dämmernden Horizont war weit und breit kein Bauernhof oder sonst ein Anzeichen von Zivilisation auszumachen, obwohl es nur noch rund zwei Kilometer Strecke bis zum „Le Rianon“ waren.

      Mangels Gelegenheit entzückten wir jede der weit entfernt am Horizont grasenden Rinderherden rechts und links der kleinen Straße. Sobald sie uns entdeckten kamen sie angerannt, egal wie weit entfernt sie waren, erstaunlich, wie schnell sie „größer“ wurden. Es waren große Rinderherden, sehr große, mit Müttern, Kälbchen und angsteinflößenden „Auvergne-Bullen“. Derjenige, der solche Monster schon einmal gesehen hat, weiß wovon ich hier schreibe. Die herantrabenden Tiere, mit ihren massigen, rund einer Tonne schweren Wächtern, bescherten uns jedes Mal ein reichlich beklemmendes Gefühl auf das wir gut hätten verzichten können. Gut alle hundert Meter eine andere Herde, immer aber feinsäuberlich durch elektrische Stacheldrahtzäune voneinander- und von uns, getrennt. Nur der parallele Teil des Zaunes hin zu unserem Stäßlein, vermochte die geballte Neugier uns gegenüber, zu bändigen.

      Irgendwann, einen Kilometer vor unserem Ziel, hatte es wieder eine Herde auf uns abgesehen. Wir wägten uns in trügerischer Sicherheit denn auch hier erkannte wir in einiger Entfernung Zaunpfosten parallel zur Straße. Während sich die Herde rasend schnell vor uns aufbaute, angeführt von einem Wächter der aussah, als ob er den größten Teil des Tages im Fitness-Studio verbringen würde, bemerkten wir, dass etwas nicht stimmte. Die Herde kam an den Zaunpfosten nicht wie erwartet zum Stehen, es fehlte der Stacheldraht, vermutlich zuvor schon einmal niedergetrampelt. In Zeitlupe realisierten wir, dass diese Herde nichts, aber auch gar nichts davon äüabhalten würde uns zu überrennen.

      Wir machten uns schnellen Schrittes aus dem Staub, immer der einsamen Straße entlang. Instinktiv war uns klar, dass wir keinesfalls rennen durften, dass hätte sie vermutlich provoziert.
      Die Herde erreicht nun unsere Straße die sie in Gänze, über bestimmt 100 Metern Länge, füllte. Wir marschierten schneller, die Herde auch, in gleicher Geschwindigkeit hinter uns her. Der Abstand betrug nur weniger als zwanzig Meter, Tendenz fallend.
      Keine Frage, wir waren Opfer des durchtrainierten „Stiernackens“ und seiner unterwürfigen Herde. Wir verdrängten den Gedanken was passieren würde, wenn er und sein Harem uns einholen würden. Laufen war keine Option, es hätte die Situation, wie schon gesagt, eskaliert. Wir hatten Angst, große Angst, wir waren auf uns allein gestellt, mitten im Nichts. Es blieb uns nichts anderes übrig als cool zu bleiben, oder zumindest so zu tun, was uns nicht besonders gut gelang.

      Und dann, kurz vor der Distanz Null, Glück im Unglück.

      Einige hundert Meter weiter stand die nächste Herde voller knuspriger Kühe auf einer anderen Weide, diesmal innerhalb des Zauns. Natürlich kam auch diese Herde zuvor aus der Ferne angerannt. Die kokettierenden Mädels am Zaun verschoben die Aufmerksamkeit „unseres“ Bullen schlagartig. Was waren schon zwei blöde Wanderer gegen eine ganze Herde wohlriechender, hübscher Frauen die man, vorausgesetzt man schafft es deren „Bodyguard“ zu überlisten, erobern- und in seinen Harem einzuverleiben konnte?
      Nach einer „Vollbremsung“ unseres, von Muskeln übersäten Machos, dem selbstverständlich auch sein sich hinter ihm zusammenrottender Harem folgte zu leisten hatte, machte er sich ans Werk.

      Ich muss gestehen, dass wir diesen Teil der Geschichte, fluchtbedingt, weniger aufmerksam beobachteten.
      Was weiter geschah und welche Rolle dabei der noch intakte Zaun spielte, wissen wir insofern nicht. Beide Herden standen sich jedoch unmittelbar gegenüber, die eine jenseits- und die andere diesseits des Zauns.
      Wir nutzten die Gelegenheit zur erfolgreichen Flucht.
      Nachdem sich unser Puls wieder um die achtzig einpendelte, erreichten wir bei fortgeschrittener Dämmerung unser Ziel, das „Le Rianon“.

      Wunderschön war es hier und die Begrüßung ebenso herzlich. Eigentümer war eine holländische Familie, Erica, Rob und deren beiden jugendlichen Söhne.
      Sofort erzählten wir von unserem Abenteuer. Rob telefonierte umgehend mit einigen Bauern in der Nachbarschaft, um den ahnungslosen Eigentümer der wildgewordenen Herde ausfindig zu machen und diesem dann seine neue Herausforderung schonend zu erklären. Wir konnten uns beim besten Willen nicht vorstellen, wie man eine solche Herde-, und vor allem den Stiernacken, wortgewaltig davon überzeugen konnte, freiwillig, doch bitte wieder nach Hause, auf die langweilige Weide zu traben, und den gerade erst neu entdeckten Mädels wieder das gewaltige Hinterteil zuzuwenden.
      Nicht unser Problem, verriet unser grinsen.

      Gemeinsam mit der Familie saßen wir an einem großen, rustikalen Esstisch. Wir genossen die von Erica zubereiteten Nudeln, mit Salat, einfach aber gut. Selbstverständlich gab es auch eine Vorspeise und ein Dessert, das musste in Frankreich wohl so sein, egal ob man Holländer war oder nicht.

      Müde und erleichtert ließen wir den Abend gemütlich mit der Familie, in historischer Ambiente, ausklingen. Das „Le Rianon“ war dafür die erste Wahl!

      Aber da war doch noch was? Ach ja, morgen war ja Pause, wow, und der Wetterbericht dazu meinte es gut mit uns.

      Die Vorfreude auf den langen Urlaubstag morgen hatte etwas Weihnachtliches.
      Noch lange beschäftigte uns der Stiernacken, sein Harem, und sein Eigentümer mit seiner gewaltigen Aufgabe, in dieser Nacht. Hier waren wir geschützt, ein beruhigendes Gefühl.
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    • Day 11

      Urlaub

      May 1, 2019 in France ⋅ ⛅ 16 °C

      Trip 5, Tag 11, freier Tag im „Le Rianon“, Malleret-Boussac, Mittwoch, 1.5.2019

      Für mich gibt es kaum etwas schöneres als vom Krähen eines Hahnes und dem Gacker seiner Weiber irgendwo da draußen, bei gleißendem Licht, dass nur durch den halbtransparenten Stoff unserer teilweise zugezogenen Vorhänge ein wenig gedämpft wurde, aufzuwachen. Das Frühlingskonzert der paarungsbereiten Vögel im Hintergrund und das Summen erster Insekten ergänzte das Konzert in einer Perfektion, die nur eines zuließ, im Bett festkrallen und nie mehr aufstehen.
      Wie gerne hätte ich diesen Moment für die Ewigkeit konserviert. Kein Wecker der uns gnadenlos um halb sieben, zur zeitlich limitierten Morgenroutine der danach folgenden Wanderung treibt. Einfach nur liegen, einfach nur genießen, herrlich.
      Wir lagen im Bett und erfreuten uns der akustischen- und visuellen Szenerie, die kaum zu überbieten war.
      Das wunderschöne, alte Bauerngehöft, „Le Rianon“ mit seinen dicken, hell getünchten Natursteinmauern, war die perfekte Kulisse dafür. Hier fühlte es sich geborgen an, wie auf einer kleinen Insel in grüner Einsamkeit, die von Erica und Rob und seinem verstorbenen Vater, erschaffen wurde, was für eine Krönung unseres freien Tages.

      Als wir so gegen zehn vormittags, zwar noch verpennt aber dennoch bereits akustisch und visuell reizgesättigt, runter zur Stube kamen, wo unser seit Stunden gelangweiltes Frühstück auf uns wartete, realisierten wir, dass gut ein Viertel unseres Urlaubs bereits vorbei war bevor er überhaupt begann.
      Nach unserem Abenteuer mit dem Stiernacken und seinem Harem wurden wir hier gestern mit einem netten Abend inmitten der Familie entschädigt. Besonders die beiden Söhne beeindruckten durch ihre offene und freundliche Art.
      Von den vielen Aufgaben, die uns der Gaul gestern für den heutigen Tag ins Hirn brannte, würden wir kaum noch welche erledigt bekommen, Depp blöder.
      Von wegen am Pool sonnen, bis Mittag schlafen, Dateien in die Cloud hochladen, Notizen nachschreiben, kommende Touren planen, und meinen Block weiterschreiben, Spinner.

      Erica gab sich reichlich Mühe zwei „ausgemergelte“ Wanderer durch ein reichhaltiges Frühstück wieder einigermaßen auf Vordermann zu bringen. Viel gab es dabei zu erzählen, von uns, von ihrer Familie, über Frankreich und natürlich über unser Abenteuer. Als wir damit gegen Mittag fertig waren, verblieben nur noch zweidrittel unseres kostbaren Urlaubs und damit kaum noch Zeit für vom Gaul eingebrannte Aufgaben, Spinner.

      Wir erkundeten das Gehöft, die Sonne gab sich alle Mühe, um es entsprechend in Szene zu setzen.

      Neunzig Grand zum Hauptgebäude schloss sich die große Scheune an. Auch ihre dicken Natursteinmauern ließen keinen Zweifel daran, dass hier einmal für die Ewigkeit gebaut wurde.
      Das große- und durchaus beeindruckende Scheunentor war zur Hälfte geöffnet. Wir konnten gar nicht anders als einen verbotenen Blick ins Innere zu riskieren, dabei entdeckten wir Sonderbares.
      In der Scheune stand ein großer Zirkuswagen, so ein schöner alter wie beim Zirkus Roncalli. Es roch wunderbar nach Holz, wie in einer Schreinerei. Seine Außenwände waren offenbar neu aufgebaut oder abgeschliffen, vermutlich Kiefernholz. Wir wagten einen Blick in das wohlriechende Kleinod, das, noch ohne Einbauten, so riesig wirkte als hätte es mit seinem Äußeren nicht das Geringste zu tun.
      Mittendrin werkelte Rob, es war das Reich des Tausendsassas der unsere Neugier als Interesse wertete, sich darüber freute, und uns gerne davon erlöste.
      Der vermeintliche Zirkuswagen war eigentlich keiner. Seine Basis war das alte, heruntergekommene Chassis eines landwirtschaftlichen Anhängers. Mit ganz viel Hingabe und Schweiß wurde es zu dem, was es vorgab zu sein, Phoenix aus der Asche sozusagen.
      Robs Plan war den Gästen irgendwann einmal eine Art Zirkus-„Gite“ anzubieten.
      Ein „Gite“ ist ein kleines, freistehendes Häuschen, das meist zu einem „Chambre d'hôtes“ (Bed & Breakfast) gehört und zusätzlich als eine Art Suite angeboten wird. Franzosen lieben „Gites“, weshalb sie fast überall zu haben sind. Das „Le Rianon“ war ein „Chambre d'hôtes et table“, also ein Bed & Breakfast bei dem gegen Aufpreis auch Vollpension "mit Familienanschluss" angeboten wird. Zwar verfügte das „Le Rianon“ bereits über eine „Gite“ aber die Zirkus-„Gite“ würde das Highlight werden, keine Frage, wer hatte so etwas schon?

      Rob bot uns eine Führung über das Anwesen an die wir dankbar annahmen.
      Das „Le Reunion“ lag auf einem sanft nach Süden abfallenden Hang umgeben von Wiesen und Weiden die kaskadenförmig ins Tal des Flüssleins „Petite Creuse“, abfielen. Auf der anderen Seite des Tals, war der Ort „Malleret-Boussac“ zu erkennen und am Horizont, vielleicht fünfzig Kilometer dahinter, bäumte sich das französische Zentralmassiv mit erloschenen Vulkanen und bis zu 1.885 Metern hohen Bergen auf.
      Egal wohin man sein Auge schweifen ließ, nichts störte die Harmonie aus Anwesen Landschaft und Sonne. Eine Harmonie die mich stark an meine Heimat im westlichen Chiemgau erinnerte.

      Hinter dem Haus gab es einen einladenden- aber noch zu kalten Pool, daneben die „normale Gite“. Dem leicht ansteigenden Gelände hinauf erstreckte sich der leere Campingplatz. Eigentlich nur eine gemähte Wiese mit weitläufig vereinzelten Bäumen die im Sommer den begehrten Schatten spenden sollen. Zum Westen und Norden hin begrenzte ein kleines Wäldchen das Gelände. Zentrales Schmuckstück des Campingplatzes aber würde die Zirkus-„Gite“ werden, davon war Rob genauso überzeugt wie wir.
      Rob und Erica hatten noch viel vor, in ihrer nicht mehr ganz so neuen Wahlheimat. Holland war ihnen zu voll und zu teuer geworden, welch ein mutiger Schritt hin zu einem alternativen- und ruhigeren Leben mit Kindern, bewundernswert.

      Die Sitzgruppe zum Chillen auf der Wiese vor dem Haus, lud zum Verweilen ein. Der freie Blick zum Zentralmassiv, die Blumen, die Insekten, das Gacker der Hühner, das Krähen des Hahns und die wärmende Sonne, es war einfach herrlich. Wir waren die einzigen Gäste, niemand begehrte unsere kostbaren Plätze. Ab und zu konnten man Rob an seinem Projekt aus dem Schuppen im Hintergrund werkeln hören.
      Abhängen, einschlafen, abhängen, einschlafen und ein bisschen braun werden, zu mehr waren wir in diesem „Urlaub“ nicht mehr fähig.
      Zum ersten Mal erreichte der Klimaerwartungsindex die mittlerweile unerwarteten 100%. Dennoch, das noch zarte Grün der Blätter an den Bäumen zeugte davon, dass hier noch Frühling war und man mit allem rechnen musste, obwohl wir hier schon ziemlich weit im Süden waren.
      Erste Schlieren am Himmel, die unserer geliebten Sonne die ersten Kräfte entzogen, ließen es dann auch schnell „Unchillig“ werden. Gleichzeitig vermittelten sie eine Vorahnung dessen, was morgen wieder auf uns zukommen könnte. Ganz schnell warfen wir den Frühindikator wieder aus unseren Köpfen, der Gaul warf ihn wieder zurück, Spinner.

      Sechzehn Uhr, dreiviertel des Urlaubs gehörte bereits der Vergangenheit an, da fiel mir auch der Gaul wieder ein. Von seinem ganzen Gequatsche schaffte ich nur noch Fotos in die Cloud hochzuladen und wenigstens die wichtigsten Notizen der letzten Tage festzuhalten. Marion und Erica nutzten die Zeit, um unsere Vorräte an frisch gewaschener Wäsche wieder auf Vordermann zu bringen.
      Es war ein Jammer, dass wir hier nicht länger bleiben konnten, unsere enge Planung ließ keinen Raum dafür. Außerdem wäre der unvergessliche Eindruck vom „Le Rianon“ bei Regen sicherlich etwas entwertet worden.
      Umso mehr genossen wir abends das Dinner mit der Familie. Wir ahnten noch nicht, dass die Bäume morgen nicht weiter zum Himmel wachsen würden.
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    Malleret-Boussac

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