France
Mauvaisin

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    • Day 25

      CALENDARIUM ROMANUM GENERALE

      January 2 in France ⋅ ☁️ 12 °C

      "Das Calendarium Romanum Generale (auch Allgemeiner römischer Kalender, römischer Generalkalender) ist der weltweit gültige Rahmen des liturgischen Kalenders des römischen Ritus, der neben dem Weihnachts- und Osterfestkreis sowie den Sonntagen und den Festen des Herrn im Kirchenjahr zahlreiche Gedenktage von Heiligen enthält, die für die gesamte Kirche von Bedeutung sind oder beispielhaft als Vertreter bestimmter Regionen oder Gruppen aufgeführt sind.

      Der aktuelle Generalkalender wurde auf Beschluss des Zweiten Vatikanischen Konzils von der Kongregation für den Gottesdienst und die Sakramentenordnung erarbeitet: diese Grundordnung des Kirchenjahres und des neuen Römischen Generalkalenders (lateinisch Normae universales de anno liturgico et de calendario) wurde 1969 von Papst Paul VI. promulgiert und gilt – mit späteren Ergänzungen – seit dem 1. Januar 1970 (siehe Liste von Änderungen durch die Reform des Calendarium Romanum Generale 1969). In den meisten Regionen, Diözesen und Ordensgemeinschaften wird er durch deren Eigenkalender ergänzt (z. B. Regionalkalender für das deutsche Sprachgebiet)."
      (Wikipedia)

      Ich benutze einen profanen Jahreskalender eines Premium-Pferdefutter-Herstellers aus dem Jahr 2023, den meine Tochter geschenkt bekommen hat und nicht braucht. Er enthält überraschenderweise zwei Seiten Sudoko, aber soweit ich sehen kann, keine reiterundpferdespezifischen Termine, zumindest nicht auf den Umgebungsseiten.

      Im Laufe eines Jahres finden sich immer wieder wichtige Informationen, die hauptsächlich das Folgejahr betreffen, und hinten im Kalender gesammelt werden. Arzttermine, TÜV, Urlaube von Kindern und Enkeln. Gestern habe ich die Geburtstage übertragen und heute die anderen Daten. Was sich da alles angesammelt hat, das weckt Erinnerungen und Vorfreude, manchmal auch ein bisschen Sorge. Gerade, wenn du älter wirst und siehst, ja da ist ein neuer Arzttermin dazu gekommen, noch etwas auf dass ich achten muss. Regelmäßigkeit ist ein Kampfwort des letzten Lebensabschnitts. Da kannst du dann nicht mehr so locker mit umgehen.

      Wobei ich durchaus in einer glücklichen Lage bin. Andere Menschen müssen vierwöchige Termine machen. Hin und zurück nach Deutschland, dazwischen reisen können. Ich habe zwischen zehn Wochen und vier Monaten Zeit, da sind viele Möglichkeiten gegeben. Natürlich könnte ich auch unterwegs zum Arzt gehen, aber gerade bei Chronischem will ich lieber das Altbewährte nutzen können.

      Morgens ist meine aktivste Zeit, sodass ich schon lange darüber nachdenke, den Wecker noch eine Stunde früher klingeln zu lassen. Heute ist es soweit. Fünf Uhr, das schaffe ich nicht. Na gut, erstmal Standheizung an und Kaffee kochen. Dann bin ich wach. Hilde liegt natürlich noch im Bett, die hält mich bestimmt für völlig bescheuert.

      Mit Kerzenschein und Lichterkette wirkt der Bus gemütlich, und weil ich abends schon um 21 Uhr schlafen gehe, genieße ich diese stillen Stunden am Morgen besonders. Meist schläft der Verkehr noch genauso wie die Nachbarn, und wenn dann die Sonne rauskommt, bin ich rechtzeitig da.

      Heute ist Körperwäsche angesagt, und schon immer habe ich gedacht, du musst mit der Flamme vom Teelicht vorsichtig sein. Dann ist es geschehen. Im Augenwinkel wird es kurz hell, dann stinkt es, und der nasse Waschlappen landet in den langen Haaren. Perfekt. Hatte ich doch schon länger darüber nachgedacht, die Haare zu kürzen, aber es wieder verworfen, nachdem letztens jemand meinte, sie habe sich den Petrus an der Himmelstür immer so vorgestellt.

      Nun, der Verlust hält sich in Grenzen. Ich kämme einmal alles durch und wasche dann gleich früh am Morgen draußen die Haare, den Geruch im Bus muss ich wohl noch ein Weilchen ertragen. Später, wenn die Haare wieder trocken sind, muss ich mal kräftig durchlüften. Wie dumm der Mensch sein kann.

      Vor dem Seitenfenster blüht noch eine Rose, der Himmel war erst rot wie ein Streifenhörnchen, um sich jetzt zu einer geschlossenen Wolkendecke zu formen, die von unten nach oben im rötlichen Ton verdunkelt und langsam an Farbe verliert.

      "Schöner Wohnmobilbereich mit acht stabilisierten Stellplätzen. Alle Dienstleistungen: Entleeren, Füllen, Strom, Wifi. Herzlich willkommen. Gegend am Ortseingang von Alzonne, ideal für Spaziergänge im Dorf: zwei Bäckereien, eine Apotheke, ein Restaurant ..."

      https://park4night.com/de/lieu/147142/open/

      Bis zum Abend hat sich der Stellplatz gefüllt, das Wifi habe ich nicht benutzt. In einer Ecke wohnt ein freundlicher Franzose, der in Nettoyage unterwegs ist. Also wohl der typische Staubsaugervertreter, der nebenbei gerade durchsichtige Plastikboxen mit Stoffteilen füllt. Ja, es sei ein schöner Platz hier, er arbeitet in Carcassonne, ist morgens mit seinem Pkw auch schon früh unterwegs.

      Zwölf Euro mit Strom, Wasser und Wlan, für 360 Euro und vermutlich weniger Kosten, weil er ja dauerhaft hier lebt, dafür kann man vermutlich selbst hier auf dem Land keine schöne Wohnung bekommen. Und manche Menschen mögen eben lieber alleine leben. Das wird einem manchmal sozusagen in die Wiege gelegt. Und dabei sind sie gar nicht mal von Natur aus so eigenbrötlerisch, wie wir uns das ab und an vorstellen.

      Als kleine Schulkinder mussten wir in Solingen morgens an einem Bunker vorbeigehen. Gegenüber waren kleine Häuser mit Gärten, und vermutlich haben unsere Eltern gedacht, das sei der sicherste Weg. Im Bunker lebte ein älterer Mann, und wenn er manchmal raus gekommen ist, sind wir gerannt, als sei uns ein Geist begegnet.

      Fünfzehn Jahre später als Student habe ich ein Praktikum im Landeskrankenhaus in Dortmund-Aplerbeck gemacht und Menschen kennengelernt, die im Krieg verschüttet wurden. Damals gab es den Begriff Trauma und seine Bedeutung noch nicht, also lebten sie unter Aufsicht in einem Haus zusammen. Und wenn einer Panik bekommen hat, dann gab es nur ein Medikament zur Dämpfung der Erregung.

      Ich sehe uns immer noch spazieren gehen, ein Mann wie mein Vater, im freundlichen Gespräch miteinander, und eigentlich habe ich erst viel später begriffen, wie es ihm, dem Mann im Bunker, und meinen Eltern gegangen ist. Keinem habe ich je helfen können, aber ich trage sie in meiner Erinnerung wie einen Schatz.

      Jetzt wo ich älter bin, und keiner von ihnen mehr lebt. Aber ich hoffe, dass ich gelernt habe, jedem Menschen mit Freundlichkeit entgegenzutreten. Weil sie zuerst einmal Geschöpfe Gottes sind. Ich muss nicht jeden umarmen, und es ist selbstverständlich, dass wir in dieser Welt nicht nur 'Dem Guten' begegnen. Trotzdem wäre es für uns selbst hilfreich, wenn wir unser Handeln, unser Denken hinterfragen.

      In einem Gespräch habe ich mal jemanden gefragt, mit dem ich mittlerweile befreundet bin, ob sie mich auf der Straße angesprochen hätte, wenn sie mir begegnet wäre. Ihr Gesichtsausdruck in der ersten Reaktion war Antwort genug. Ja, wir gehen oft vom Äußeren aus, und legen uns fest wie wir Kinder am Bunker.

      Eigentlich dachte ich erst, dass wir ein paar Tage in Montblanc bleiben können. Oder wenigstens zwei Nächte. Aber als die Sonne scheint, weiß ich, dass das nicht so sein wird. Da kann man schnell auf die Idee kommen, dass ich unruhig bin, vor mir oder etwas fortzulaufen scheinen, ständig auf der Suche bin.

      Aber nein, ich freue mich auf den neuen Tag, und das Fahren ist die Begegnungen mit dem Unbekannten, dem Leben. Ich bin ein glücklicher Autofahrer, und ich habe einen glücklichen Reisehund. Wir kommen an den Canal du Midi, nach Capestang und Alzonne, wo wir übernachten. Der 'Kanal des Südens verbindet über 240 km Toulouse mit dem Ort Sète, das Mittelmeer mit dem Atlantik über die Verlängerung des Flusses Garonne, der in den Pyrenäen entspringt, und seine ersten 47km spanisches Land durchfließt.

      Nicht speziell mein Weg, eher kommt der Canal mir ein bisschen überraschend in den Blick. Aber wenn er nun schon da ist, dann nimm ich ihn halt mit. Die Sonne scheint mit warmen fünfzehn Grad und leichtem Frühlingswind, während die nächtlichen Temperaturen immer noch gen null Grad fallen. Die kleinen Orte pittoresk wie eh und je. Beziers streifen wir, und Carcassonne wird umfahren. Der Rest ergibt sich so, wie der Navi uns geleitet. Für die "Umwege" trage ich selber Verantwortung.

      Viele Franzosen sind im Inland unterwegs, sie bevölkern die Stellplätze und Ortschaften. Auf dem Canal ruht der Verkehr, es ist nicht die Zeit von Urlaub und Mietboot. Lediglich einige Spaziergänger flanieren an seinen Ufern und da die Radwanderer noch fehlen, wirkt alles beschaulicher. So halt noch im Winterschlaf. Schlafen könnte ich auch schon wieder, die Zeitumstellung und die Aktion mit der Kerze haben mir doch ziemlich zugesetzt, das braucht man nicht jeden Morgen.

      Aber wie Hermann Hesse so schön sagt, "Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne,
      Der uns beschützt und der uns hilft zu leben."
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