Satellite
Show on map
  • Day 230

    Medellín - Wochenende

    January 26, 2020 in Colombia ⋅ ⛅ 24 °C

    Mein Wochenende war gemischt. Ein perfekter Start am Samstagmorgen - Paragliden in San Felix, einem kleinen Örtchen nordwestlich von Medellín.
    Ich bin mit zwei 'Schulkameraden' (klingt echt lustig) hingefahren, so dass wir uns die ohnehin günstigen Taxikosten (hin und zurück, jeweils 45 Minuten, haben insgesamt etwa 17 Euro gekostet) teilen konnten. Ich habe das Paragliden 2018 in Oberstdorf ausprobiert, und es hat mir gefallen, war aber viel zu teuer für eine Wiederholung.
    In Kolumbien kostet der Spaß nicht mal ein Drittel! Und im Gegensatz zu Oberstdorf, wo es vom Berg ins Tal ging, sind wir hier zunächst aufgestiegen, und dann nach zwanzig Minuten auf dem gleichen Platz wieder gelandet, mit wunderschönen Blicken ins Aburrá-Tal. Ich habe den Flug, die Stille, die Natur und die deutlich frischere Luft richtig genossen!

    Den Rest des Tages habe ich im Prinzip nur gegammelt. Bisschen durch die Straßen geschlendert, eingekauft, gegessen (die Küche ist ziemlich fleischlastig und man isst möglichst alles frittiert - aber da wir hier im Touri-Viertel sind, gibt es von Falafel bis Sushi alles) und war nicht wirklich produktiv.

    Heute Morgen war ich im Parque Arví, einem Naturpark im Nordosten von Medellín, der deutlich höher als die Stadt liegt und mit der Seilbahn zu erreichen ist.
    Für die Aussicht hat es sich auf jeden Fall gelohnt. Allerdings wollte ich eigentlich mal wieder ein bisschen wandern, aber der freundliche Parkmitarbeiter sagte mir, dass die abgelegeneren Wege alleine zu gefährlich seien. Und auf den nicht abgelegenen Wegen gab es die reinste Völkerwanderung (und es waren mehr Straßen als Pfade), so dass ich mir das gespart habe.
    Ein bisschen schade, die Stadt ist umgeben von Bergen, aber alleine zu wandern empfiehlt sich hier einfach nicht. Habe ein bisschen recherchiert und überall Warnungen gefunden, dass es zu Überfällen kommen könnte. Und das muss ich dann doch nicht riskieren. ;)

    Also bin ich wieder ins Tal gegondelt, habe Mittagspause in Envigado, einem kleinen Ort im Süden, gemacht und mich mit einem frischen Milchshake und einem Crepe auf den Marktplatz gesetzt, Leute beobachten. Und ein bisschen Spanisch üben, denn eine Gringa alleine zieht in der Regel Aufmerksamkeit auf sich. Allerdings meistens die der falschen Leute. ;)

    Den Nachmittag habe ich dann im Museum Casa de la Memoria verbracht. Rein informationstechnisch hatte ich etwas mehr erwartet. allerdings war das Museum sehr gut und modern aufgemacht und hat sich vor allem auf die Opfer der letzten Jahrzehnte konzentriert. Und das war schon bedrückend. Und hat mir einmal mehr klargemacht, dass wirklich fast ausnahmslos jede Familie von den Konflikten und der Gewalt betroffen war. Im Kopf geblieben ist mir die Geschichte eines Mannes, der 1990 mit Freunden in einer Bar saß, als vermummte und bewaffnete Männer alle Gäste der Bar nach draußen bugsiert und auf dem Parkplatz erschossen haben. Bis heute weiß man nicht, ob es Mitglieder einer linken Gruppierung waren, die einfach eine Wut auf die höheren Klassen hatten, oder Regierungstruppen. Massaker, Morde, Entführungen, Vergewaltigungen, Vertreibungen - vieles scheint sehr willkürlich passiert zu sein, und von allen beteiligten Parteien. Auch heute gibt es im Übrigen noch Regionen in Kolumbien, die tabu und jeglicher staatlicher Kontrolle entzogen sind.
    Das Thema ist also immer noch aktuell - und der Frieden, auf den man zumindest in Teilen Kolumbiens gehofft hatte, nachdem vor einigen Jahren ein Friedensabkommen mit der Guerilla-Gruppierung der FARC geschlossen wurde, ist momentan wieder stärker in Gefahr, da der aktuelle Präsident sich nicht daran gebunden fühlt.

    Ein sehr komisches Gefühl, zu wissen, wie viel Unruhe, Konflikt- und Gewaltpotential immer noch vorhanden ist, während ich mich zugleich in den Gegenden Medellíns, in denen ich mich bisher aufgehalten habe, so sicher fühle wie in jeder europäischen Großstadt...
    Read more