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  • Day 228

    Medellín - die erste Woche

    January 24, 2020 in Colombia ⋅ ⛅ 25 °C

    Erstmal ein großes 'Uff!'.
    Ich bin ganz schön erledigt. Mein letzter Besuch in einer Lehranstalt liegt fast 11 Jahre zurück, und ich glaube, ich muss mich erst mal wieder an das Gefühl gewöhnen...
    Aber der Reihe nach.

    Am Sonntag bin ich umgezogen, von meinem kleinen Hotel im Stadtteil 'Los Colores' in das zur Schule gehörende Hostel im Touristenviertel 'El Poblado'.
    Habe einen langen Spaziergang gemacht und festgestellt, dass die Gegend eine einzige Partyzone ist. Hostels, Bars, Clubs und Restaurants en Masse.
    Auch die ersten Gespräche im Hostel haben diesen Eindruck bestärkt - und leider auch meine Befürchtungen hinsichtlich der Altersstruktur der anderen Sprachschüler. ;)
    Mit 36 bin ich etwa 10 Jahre älter als der Durchschnitt, und die Mehrheit gehört zur globalen Backpacker-Bubble, wie ich sie mal nennen möchte.
    Gespräche drehen sich viel darum, wo man am besten feiern geht, wo der Alkohol am günstigsten und die Partys am legendärsten sind (mal abgesehen davon, wo man in Kolumbien schon war, was die nächsten Ziele sind, wie viele Monate man unterwegs ist und wie viel von der Welt man generell schon gesehen hat).
    Ich denke mit etwas Sehnsucht an den Camino zurück und weiß im Nachhinein die Diversität der Menschen, die man dort getroffen hat, noch viel mehr zu schäzen.

    Aber ich bin ja zum einen vorrangig zum Lernen hier und zum anderen kann und will ich nicht typisch Deutsch sein und nur nach den Mängeln suchen. ;)
    Einen muss ich dennoch kurz aufgreifen, und das ist der Mangel an Privatsphäre und Platz. Das Hostel ist sehr beengt, vor allem hat man abgesehen von seiner Schlafkoje nicht wirklich Gelegenheit, irgendwo zu entspannen oder zu lernen. Die versprochene Ruhe (weil ja alle 'lernen' wollen) kehrt auch nicht wirklich ein, da für viele die Party wesentlich wichtiger ist, als der Unterricht. Und da bin ich dann vielleicht doch typisch Deutsch, jedenfalls möchte ich auch etwas lernen, wenn ich schon dafür bezahle (und 3 Wochen in der Großstadt verbringe, statt zu wandern). ;)
    Ab Freitag werde ich daher umziehen, habe ein Zimmer über Airbnb gebucht. Das kostet mich zwar umgerechnet etwa 13 Euro pro Nacht, im Vergleich zu gut 5 Euro für das Hostelbett, aber ich habe Ruhe, Platz und ein eigenes Badezimmer sowie einen Schreibtisch, um brav meine Hausaufgaben zu erledigen.

    Und damit sind wir auch schon beim Thema Unterricht: Ich habe täglich von 9 bis 13 Uhr Gruppenunterricht sowie eine Stunde Einzelunterricht am Nachmittag.
    Nach einem Einstufungstest sind wir alle einem bestimmten Niveau zugeordnet worden, allerdings hat mir meine Lehrerin nach dem ersten Tag dringend geraten, in eine höhere Gruppe zu wechseln. Das war auf jeden Fall die richtige Entscheidung. Bin zwar auch in dieser Gruppe noch die Beste (wenn ich das mal so sagen darf), aber es ist gut, meine Grammatikkenntnisse wieder aufzufrischen. Ansonsten bin ich total überrascht, welch großer Teil meiner Spanischkenntnisse sich bereits den Weg aus den hintersten Winkeln meines Gehirns ans Licht gebahnt hat. Abgesehen von ein paar (immer gleichen) Sätzen auf dem Camino habe ich seit fast 12 Jahren kein Spanisch mehr gesprochen. Aber es scheint doch noch jede Menge hängengeblieben zu sein, vor allem ein Gefühl dafür, was richtig und falsch klingt. Ich frage mich, wie viel Wissen und Fähigkeiten sonst noch so in uns allen schlummern, passiv zwar, aber offensichtlich doch ziemlich schnell wieder zum Leben zu erwecken?

    Meine Einzelstunden sind reine Konversation, was auch sehr hilfreich ist. Da ich vor allem erzählen muss, kennt mein Lehrer inzwischen meine halbe Lebensgeschichte - allerdings sprechen wir auch viel über Kolumbien, seine Politik und Geschichte, was eine angenehme Abwechslung zum sonstigen Smalltalk ist (der mir ja ohnehin weder besonders liegt noch gefällt).

    Außerhalb des Unterrichts konnte ich in dieser Woche nicht allzu viel unternehmen, da meine Einzelstunden alle um 15.30 Uhr stattfanden. Gegen 18.30 Uhr ist es dunkel, und im Dunkeln sollte man wie in den meisten Städten nicht unbedingt alleine unterwegs sein. Für die nächste Woche habe ich allerdings um ein paar 'freie' Nachmittage gebeten, damit ich noch ein bisschen mehr von Medellín sehen kann.
    Aber auch so war die Woche für mich voll genug - am Montag waren wir mit ein paar Leuten im Escape Room, am Mittwoch haben wir Tejo gespielt.
    Tejo ist Nationalsport in Kolumbien und merkwürdig, aber unterhaltsam. Ziel des Spiels ist es, eine steinerne Scheibe so in ein Lehmfeld zu werfen, dass er eine mit Schwarzpulver gefüllte Tasche trifft, woraufhin es zu einer kleinen Explosion kommt. ;) Falls kein Spieler eine Explosion zustande bringt, gewinnt derjenige, dessen Stein am nächsten an der Mitte liegt. Gespielt wird in Gruppen und scheinbar ist es quasi Pflicht, dabei zu trinken. Ich habe mich allerdings mit ein paar Bier begnügt.

    Gestern Abend gab es eine Stunde Salsa für Anfänger, die alle ziemlich ins Schwitzen gebracht hat, und im Anschluss ebenfalls noch algunas cervezas, und heute Abend werde ich die Ruhe in meinem neuen Zuhause genießen. Vom Wochenende gibt es dann hoffentlich ein paar mehr Fotos!
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