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  • Day 342

    Akihabara

    May 19, 2019 in Japan ⋅ ⛅ 22 °C

    Nach einem gemächlichen Start in den Tag fahren wir mit der Metro in das Tech-Viertel Akihabara. Hier soll es vor allem viel Elektronik zu kaufen geben. Wir fahren heute dort hin, da sonntags die Hauptverkehrsstraße abgesperrt wird und nur für Fußgänger benutzbar ist.

    Ziemlich schnell bemerken wir die Technikläden zu allen Seiten, nur ab und zu unterbrochen von Geschäften, die Mangas, Filme oder Fan-Merchandise verkaufen, sowie ein paar Restaurants und Maid-Cafés. In den Maid-Cafés servieren japanische Mädchen und Männer verkleidet als Hausmädchen in sehr kurzen Röcken. Mit seinem/seiner Lieblings-Maid kann man dann noch ein Foto machen, natürlich nicht kostenlos und auch um nur das Café zu betreten muss man schon Eintritt zahlen. Da wir das Konzept etwas dubios finden, nehmen wir diese kulturelle Erfahrung nicht mit und wollen nur einmal einen Blick in den Souvenirladen eines Maid-Cafés werfen. Als wir mach Öffnen der Tür nur Fotos der Maids in allen möglichen Posen sehen, drehen wir direkt wieder um und verschwinden ganz schnell.

    Da es schon fast Mittagszeit ist, machen wir uns zuerst auf zu einem Ramen-Restaurant. Die auch in Deutschland erhältlichen Ramen sind eine auf Weizennudeln (mit Ei) basierende Nudelsuppe, die je nach Region und Restaurant etwas unterschiedlich ausfallen kann oder einem eine entsprechende Auswahl bietet. Sie ist nicht besonders teuer (zwischen 6 EUR und 9 EUR) und sehr lecker. Sollte man nicht satt werden, kann man sich hier für nur 1 EUR noch eine weitere Portion Nudeln nachreichen lassen. Die Brühe wird soweit wir es gesehen haben ohnehin nicht aufgegessen, sondern lediglich der gesamte Inhalt herausgefischt. Das geschieht am ehesten mit einem Löffel in der linken Hand und Stäbchen in der rechten Hand (oder umgekehrt). So haben wir es auch bei den anderen Gästen gesehen, aber es gab auch abweichende Stile. So haben wir auch ein einrollen der Nudeln auf den Stäbchen wie bei Spaghetti gesehen. Die Standardvorgehensweise scheint dagegen für Leute mit guten Tischmanieren zuerst etwas unangenehm: Man schnappt sich einige der recht langen Nudeln mit den Stäbchen, nutzt den Löffel als Absicherung und schiebt den Anfang in den Mund. Die herunterbaumelnden und manchmal leider auch Soße verspritzenden Nudeln werden jetzt zum Teil in den Mund gesogen, zum Teil wird mit den Stäbchen weiter unten angepackt und etwas nachgeholfen. Einige unserer Sitznachbarn geben dabei ein fröhliches Schlürfgeräusch von sich, für das man in Deutschland wohl schnell vorwurfsvolle Blicke ernten würde. Unser kultureller Hintergrund hält uns zwar davon ab, das nachzumachen, aber auch ohne Geräusche funktioniert und schmeckt es so ganz wunderbar. Mal schauen, ob uns eine ähnliche Erfahrung auch bei Soba und Udon, anderen Arten von Nudeln, bevorsteht. Als kleine Hintergrundinfo (nach bestem Wissen und Gewissen) gelten alle Gerichte als typisch japanisch, wobei historisch Soba und Udon wohl auch hier entstanden sind und Ramen etwas später aus China bzw. von Immigranten in die Esskultur eingeführt wurden.

    Nachdem wir also gut gespeist haben, geht es weiter mit der Erkundung des Viertels. Direkt um die Ecke stoßen wir auf ein mehrstöckiges Geschäft, wo eine Virtual Reality Erfahrung bzw. ein Spiel angeboten wird, das uns empfohlen wurde. Dafür müssen wir in das oberste Stockwerk und entdecken auf dem Weg einige simple Greifautomaten, aber auch viele Spieleautomaten im Arcade-Stil. Besonders beeindruckend finden wir die Tanz- und Musikspiele, bei denen die anscheinend gut geübten Locals nicht nur vollen Körpereinsatz zeigen, sondern teils komplette Choreografien einstudert haben. Wir schauen uns die Performances eine Weile an, bevor wir uns selber an ein Spiel trauen, bei dem man auf bunten Pfeilen am Boden herumhüpft. Das macht uns so viel Spaß, dass wir gleich noch eine zweite Runde einlegen.

    Anschließend geht es dann wirklich in das oberste Stockwerk, wo mehrere Virtual Reality (VR) Spiele auf uns warten. Sie kosten etwas mehr als die einfachen Automaten, bieten dafür aber auch eine ganz andere Erfahrung. Bei dem empfohlenen Spiel bewegt man sich auf einer durch das Spiel clever begrenzten Fläche in einem echten, leeren Raum. Ausgerüstet mit einer VR-Brille, Kopfhörern, dem zum Spielen notwendigen PC in einem Rucksack auf dem Rücken und einem - natürlich nur digital funktionierenden - Gewehr in der Hand muss man sich in einer kurzen, leicht gruseligen Geschichte gegen fiese Monster zur Wehr setzen. Die Immersion durch die Möglichkeit sich zu bewegen und 360° um sich herumzuschauen ist erstaunlich. So fühlt man ohne Probleme Höhenangst durch einen Abhang im Spiel, obwohl ja eigentlich klar ist, dass man in einem geschlossenen Raum mit ebenem Fußboden steht oder geht. Es ist eine spaßige und als Neulinge auf dem Gebiet beeindruckende technische Spielerei.

    Zurück auf der Straße schauen wir uns noch etwas um und gönnen uns mehr Esskultur, um das mal sehr positiv zu beschreiben. Zuerst gibt es eine Art Donut, der mehr so aussieht als wäre er aus mehreren Poffertjes mit Verbindungsstücken zusammengesetzt worden, mit Farbe oder Matcha grün angemalt, aufgeschnitten und mit einer cremigen, aber geschmacklosen weißen Paste bestrichen worden. Mal etwas anderes, aber kein kulinarisches Highlight der Reise.

    Direkt im Anschluss gibt es ein Getränk, das hier anscheinend nach wie vor Kult ist, bei uns aber nach einem maßlos übertriebenen Hype eher in Ungnade gefallen ist: Bubble Tea. Er ist hier allerdings auch nicht ganz so süß und voller bunter Kugeln wie es in Deutschland der Fall war. Wir entscheiden uns für einen klassischen Milchtee und einen Grüntee mit einem Schuss Grapefruit mit den typischen "Bubbles" (Tapiokakugeln). Tatsächlich schmecken solche neutraleren Drinks wirklich ganz gut und können zum Teil ohne Zucker (oder anderer Süßung) bestellt werden. Die Kugeln sind hauptsächlich eine interessante Erfahrung, steuern aber nichts zum Geschmack bei.

    Wir trinken den Bubble Tea auf unserem etwas längeren Fußmarsch zum Kaiserpalast im Zentrum Tokyos. Bei geschlossenen Getränken ist das wohl okay, aber wir haben gelesen und schon mehrfach den Eindruck bekommen, dass ansonsten sämtliches Essen und Trinken auf der Straße bzw. abseits von Restaurants, Bars etc. nicht gerne gesehen wird. Soweit wir es bisher herausgefunden haben, zeugt insb. essen während des Gehens von schlechten Manieren (was nicht bedeutet, dass man nicht ab und an auch Locals sieht, die das machen).

    Während unseres Fußmarschs kommen wir noch durch Jimbo-Cho, ein Viertel in dem sich Buchliebhaber wahrscheinlich tagelang verlaufen können. Es ist zwar nicht so weitläufig, bietet aber angeblich über 180 Buchläden, häufig auch mit älteren und gebrauchten Werken, teils auch international.

    Bei unserer Ankunft am Kaiserpalast bemerken wir, dass das Gelände an sich nicht für die Öffentlichkeit zugänglich ist. Macht irgendwie Sinn, man kann ja auch nicht einfach in den Buckingham Palace spazieren... Leider sind wir auch zu spät für die anliegenden kaiserlichen Gärten, die an mehreren Tagen der Woche tagsüber für die Öffentlichkeit zugänglich sind. Wir wandern noch ein wenig weiter um den Graben und die dahinter liegende Mauer, die das Gelände umschließen, bevor es für eine kurze Pause zurück in die Wohnung geht.

    Zum Abschluss des Tages treffen wir uns erneut mit Maria aus den USA und bekommen die letzten Feierlichkeiten am gestern schon besuchten Asakusa Schrein mit. Hier futtern wir uns durch einige Straßenstände (z.B. Okonomiyaki und Oktopusbällchen) und ein kleines Restaurant und beenden unsere vorerst letzte gemeinsame Begegnung mit einem Umtrunk.

    Um Mitternacht sind wir wieder zu Hause und treffen jetzt auch endlich Rayan, unseren Gastgeber, der über das Wochenende selber verreist war. Gemeinsam lassen wir den Tag auf dem Balkon im 17. Stock mit Blick auf einen Teil der Skyline ausklingen.
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