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  • День 10

    Pa Pae - Meditations Retreat

    16 января, Таиланд ⋅ ⛅ 25 °C

    Davids gebrochene Rippe zwang uns unsere Aktivitäten in Thailand umzuplanen. Eigentlich wollten wir Motorrad fahren oder in den Bergen nochmal wandern gehen. Wir suchten nach Ruhe in der Natur - so, wie wir sie in Nepal gefunden hatten. Die langen Wanderungen in Stille waren fast meditativ. Uns beiden tat es gut und danach sehnten wir uns irgendwie nun zum Ende der Reise wieder. Die letzten Monate reisten wir alle zwei bis drei Tage von Ort zu Ort, waren jeden Tag aktiv und entdeckten die Welt. Also entschlossen wir uns in den letzten Tagen komplett zur Ruhe zu kommen und für uns selbst Zeit zu nehmen. Wir entschieden uns für fünf Tage ein Meditationsretreat in einem buddhistischem Kloster in Pa Pae zu besuchen.

    In Pa Pae gibt es ein spezielles Programm, das Meditation, den Buddhismus und die spirituelle Welt dahinter für Menschen aus dem westlichen Kontext näher bringen soll. Statt 10 Tage zu schweigen und stundenlang im für Beginner schmerzenden Lotussitz „auszuharren“, geht es in diesem Retreat darum die Grundpfeiler des Buddhismus zu beleuchten und eigene Meditationserfahrungen zu sammeln. Das Programm umfasst einen Lehrplan, Meditionszeiten als auch das Leben der Mönche, deren Lebensweise und Aufgaben kennenzulernen. Ein Kloster zum Anfassen, fasst es gut zusammen.

    Beide waren wir aufgeregt, als wir ankamen. Denn wir hatten beide wenig Meditationserfahrung und waren bisher in keinem buddistischem Kloster zu Gast. Männer und Frauen sollten nicht gemeinsam in einer Unterkunft übernachten und alle Teilnehmer*innen bekamen bei Ankunft ein weißes Outfit ausgehändigt. Warum fragte ich? Antwort: weniger externe Faktoren, damit es uns einfach fällt unser Bewusstsein zu stillen. Alles klar!

    Während David mit einem anderem Mann ein Zimmer teilte, wurde ich einem achter Frauenzimmer zugewiesen. Die Matratzen waren quasi nicht existent. Warum? Damit es uns leichter fiel morgens um 5:30 Uhr zur ersten Meditation aufzustehen. Nun gut … ich war offen und neugierig. Die Leute kamen aus der ganzen Welt und allen merkte man an, dass sie ein bisschen aufgeregt waren. Irgendwie ein ermutigendes Gefühl nicht alleine zu sein.

    Die wunderschöne Anlage des Klosters lag mitten in der bergigen Natur. Es war ein riesiges Areal bestehend aus Meditationsräumen, Aussichtspunkten, Kantine, Feuerstellen und kleinen Cafés. Alles war mit Liebe zum Detail selbstgebaut. Besonders schön waren die vielen Baumhäuser, Schaukeln und Sitzgelegenheiten.

    Die Introduction wurde von dem Australischen Mönch Karl gehalten. Er war ganz anders als ich es mir vorgestellt hatte. Karl war so alt wie wir, wuchs in der westlichen Welt auf und fand seine Erfüllung in der Spirituellen. Er war nahbar und hatte sein Herz auf der Zunge - auch wenn er ein komplett anderes Leben lebte, als wie wir es taten. Aber irgendwas musste an seinem Lebenswandel dran sein. Warum sollte jemand wie er, der alles materielle hatte, nun ohne jeglichen Kapitalismus und Konsum leben wollen? Es war spannend! Bereits bei seiner Einführungsrede saßen wir gebannt vor ihm und hörten zu. Wie funktioniert Meditation? Welche Techniken und Hilfestellungen gibt es meinen Kopf „abzuschalten“? Wie kann das funktionieren wenn wir unser Leben immer denken? Und was kann mir die Meditation eigentlich geben? Fragen über Fragen.

    Warum Meditation? Ein kurzer Abriss: Aufgewachsen in der westlichen Welt, sind wir alle egozentrisch aufgewachsen und geprägt immer effizienter zu arbeiten und zu leben. Unser Bewusstsein ist täglich mit tausenden von Impulsen, Kommunikationsbotschaften, To dos, Erinnerungen aus Vergangenheit und zukünftiger Selbstoptimierung beschäftigt. Es denkt immer. Jede Minute, jede Sekunde, jeden Moment. Unser Kopf ist niemals still. Selbst, wenn wir still sitzen oder im Bett liegen, gibt es etwas zum „Nachdenken“. Das kostet uns Energie, stiftet Unruhe und lässt uns manchmal an unwichtigen Dingen festbeißen, die - von außen betrachtet - für unser wirkliches Glück im Leben gar nicht wichtig sind. Aber was, wenn wir unser Bewusstsein in eine absolute Leere bringen und keine Gedanken mehr zulassen? Was, wenn wir nicht durch kurzweilige externe Faktoren Freude, Harmonie, Spaß und schöne Gefühle in unser Leben bringen sondern nur durch uns selbst? Was wenn wir dadurch mehr Ausgeglichenheit, weniger Ärger, Gier oder Ignoranz gegenüber anderen und schlussendlich Selbsterfüllung verspüren? Hier setzt die Meditation an.

    Um besser zur Ruhe zu kommen, sollten wir die ersten 24 Stunden schweigen. Wer mag konnte anschließend weiter schweigen. Generell war die Teilnahme aller Sessions oder Schweigestunden uns über lassen. Letztendlich waren wir es, die etwas lernen und erleben wollten.

    Um 21 Uhr ging das Licht aus. Die Nacht war kalt und der Boden war hart. Morgens um 5:30 Uhr versammelten wir uns in der Center Hall, dem Hauptmeditatiosraum. Nur mit Kerzen saßen wir im Dunkeln und warteten auf den Mönch. Dieses Mal kam ein anderer Mönch in den Raum. Er war Thai und deutlich älter als Karl. Wir begannen auf Pali (damalige Sprache Buddhas) Lieder zu singen. Diese für uns nicht verständlichen Buchstabenfolgen sollten uns ebenfalls helfen unser Bewusstsein zur Ruhe zu bringen. Also wieder „no food for thoughts“ - ergibt Sinn. Dann mal los mit dem Singen. Danach schwiegen wir wieder, schlossen die Augen und saßen da - mit 60 Leuten ganze 30 Minuten - in absoluter Stille. Das war krass! Die Gedanken so ruhig wie möglich einzufangen, klappte nicht so wirklich. Immer kam ein neuer Gedanken in meinen Kopf auf. Die unnötigsten Themen waren plötzlich da. Aah! Atmen, atmen, atmen. Es half ein wenig und vielleicht schonmal ein guter Auftakt.

    Danach ging es direkt weiter zum Frühstück um 7:30 Uhr. Wir saßen draußen, am Rande des Waldes. Die Sonne bahnte sich mit ihren ersten Strahlen durch die Bäume und alle aßen schweigend ihr Essen. Es war magisch. Nach dem Frühstück, hörten wir die ersten Lektion über die Grundsätze der Meditation. Nach einem leckeren Mittagessen ging es nach ein bisschen Pause zum Fluss. Ein kleiner Spaziergang durch den Ort und ein Abstieg zum Flussbett tat gut. Auch wenn es für mich nach wie vor recht komisch war, wenn die weiße Stoffkolonne mit ihren Meditationskissen entlang der Dorfstrasse ging … Ein Mädchen rutschte auf einem Stein aus und fiel in die matschige Brühe. Wie ein Maikäfer lag sie im Schlamm und kam alleine nicht mehr heraus … und DAS in ihrem weißen Outfit. Ich konnte nicht mehr!!! Wir waren immer noch in unseren 24-Schweigestunden aber es ging nicht anders: wir mussten so lachen.

    Nach einer Abendmeditation bei Kerzenschein, ging es ohne Abendessen ins Bett. Wir sollten nach dem Mittagessen nichts mehr Essen (wenn möglich), also Intervallfasten, damit der Körper weniger mit Verdauen beschäftigt ist und mehr Raum für Neutralität und Ruhe hat. Huii! Auch noch das Essen … das war natürlich besonders schwierig für uns Schleckermäuse. Allerdings fühlte ich mich nach unserem Besuch im Schlaraffenland noch Rand voll gefuttert, sodass es mir gut tat. Um 21 Uhr ging schweigend das Licht aus und ich kuschelte mich in meinen Schlafsack und die drei Klamottenschichten ein. Es war Schweinekalt. Als draußen immer wieder irgendein Licht an und aus ging, band ich mir schließlich meinen Bikini um den Kopf und fragte mich wie so oft auf dieser Reise „Was mache ich eigentlich hier gerade?!“

    Ich träumte intensiv. Morgens ging es wieder um 5:15 Uhr bei Kälte hoch. Aber ich spürte, dass heute etwas anders war beim Meditieren. Ich war viel ruhiger. Zwar schaffte ich nur für ein paar Minuten meinen Geist mit wenig Gedanken zu beruhigen - immer wieder büchste er zu neuen Gedankenwelten aus - doch ich fühlte mich irgendwie ausgeglichener, energetisch und klarer.

    Während die ersten Teilnehmer*innen nach 24 Stunden schweigen wieder miteinander sprachen, entschied ich mich heute weiter zu schweigen. Ich wollte verstehen ob mir die Stille wirklich gut tat. Die liebe Lenne aus den Niederlanden saß neben mir. Sie schlief gegenüber von mir und irgendwie verstanden wir uns gut, ohne, dass wir miteinander sprachen. Ein schönes Gefühl.

    Nach dem Frühstück gab es einen weiteren Vortrag von Aussi-Mönch Karl über die Vorteile der Meditation. Er erzählte uns über sein Leben, seine positiven Erfahrungen beim Meditieren und seine Herangehensweisen Wut, Gier oder andere negative, menschlich Verhaltensweisen bei sich selbst so neutral wie möglich zu halten. Letztendlich geht es primär um die Frage, wie jede:r sein eigenes Ego runter fährt, sich selbst neutraler zu halten und stattdessen auf die wichtigen energiestiftenden Themen im Leben richtet. Kurzes Gedankenspiel: Wenn zwei innere Wölfe miteinander kämpfen - füttere ich weiter den negativen Wolf und manifestiere negative Themen in meinem Leben mit großem Raum? Oder verhalte ich mich neutraler gegenüber Themen, die ich eh nicht ändern kann, weil ich mich lieber mit Dingen beschäftige, die mich glücklich sein lassen… Einfache Antwort oder?! Wie steuere ich mein eigenes Verhalten nur durch meine innere Kontrolle? Und warum ist eine bereits kurze Meditation von fünf Minuten eine sinnvolle Integration in meinen Tagesalltag?
    Er sprach drei Stunden und ich muss sagen: Es war einer der intensivsten und ehrlichsten Vorträge, die ich je gehört habe. Puh! Das saß und uns allen war klar was für eine Tür sich auch bei uns öffnen könnte, zumindest nur von ein paar Vorteilen der Meditation zu profitieren. Gleichzeitig spürte ich noch vom Morgen, wie ich sie bereits wahr nahm. Das war alles verrückt und schön zugleich. Nach dem Mittag gab es noch eine Fragestunde bei Karl. Es tat gut, dass alle ihre Anfängerfragen stellten. Irgendwie saßen wir ja alle im gleiche Boot.

    Abends trafen wir uns am Lagerfeuer wieder. Die Gruppe murmelte leise, vielen waren immer noch still. Der ältere Thai-Mönch nahm Platz. Wir saßen gemeinsam in Stille und meditierten. Nur das Feuer war warm und knackte leise. Ich fühlte mich mittlerweile sehr ruhig und gut. Ich genoss es förmlich für mich zu sein. Ich liebe es mich mit meiner Familie, meinen Freund*innen oder Menschen aus der ganzen Welt auszutauschen - das brauche ich. Es ist ein Teil von mir. Aber ich hab in den letzten 48 Stunden ebenfalls gelernt, wie ausgleichend und gut es sich anfühlt seinem Inneren besser zu zuhören. Die Meditation am Feuer war die beste der gesamten Zeit in Pa Pae. Ich spürte eine Wärme, ein inneres Kribbeln im Bauch, eine Zufriedenheit, wie ich sie zuvor noch nie gespürt habe. Ich kann und will es weiter nicht beschreiben aber ich meinte zumindest im Ansatz verstanden zu haben, wieviel Gutes ich mir selbst nur durch mich selbst - ohne externe Einflüsse - geben kann.
    Nach der Meditation ließen wir große Papierlaternen in den Himmel steigen und genossen die restliche Wärme des Feuers. Um 21 Uhr schloss ich unfassbar ausgeglichen und dankbar die Augen bis um 5:15 Uhr.

    Nach der Morgenmeditation durften wir heute die Mönche begleiten. Sie sammelten jeden Morgen die Opfergaben der Bevölkerung aus den umliegenden Dörfern ein damit sie etwas zu Essen haben. Wir liefen im Morgennebel los und bimmelten die Glocke sobald wir nahe an ihren Häusern waren. Die erste Frau stand bereits wartend an der Straße. Der Mönch hielt seine Schüssel hin. Sie stellte vorsichtig ihre Ofergaben hinein: eine frisch gekochte Mahlzeit, Wasser, Sojamilch und etwas Obst oder Süßes. Danach kniete sie sich hin. Wir ebenfalls. Der Mönch begann auf Pali (Buddhas damalige Sprache) ein Art Gebet zu sprechen, dass die positive Energie aus dem Nirvana auf sie ableitete und sie beschütze. Wie eine Art buddhistischer Segen. Es war still, nur die beiden Mönche sprachen leise. Die Frau war so freudig, demütig, leise und gleichzeitig so liebevoll. Es war ein Moment, der fest in der thailändischen Kultur verankert ist. Etwas, was bei uns in der Form nicht vorkommt. Etwas sehr berührendes.
    Weiter ging es, auch beim nächsten Haus und übernächsten Haus der gleiche Ablauf. Am meisten berührten mich die Menschen. Die kleinen Thai-Frauen mit ihren kunterbunten Pijama- und Fleecehosen morgens um 6:30 Uhr. Ihre Wärme und Dankbarkeit wärmte mein Herz.
    Am meisten berührte mich aber eine alte Thai-Dame. Sie kochte auf ihrem kleinen Wok, in der Garage neben dem Auto, ein leckeres Gericht für die Mönche und schmeckte es noch schnell ab. Nach der stillen Opfergabe blühte sie auf. Sie wollte jede*n von uns umarmen. Und wir waren bestimmt 10 Menschen in weißen Outfits. Ich drückte sie ganz fest und streichelte über ihren kleinen Rücken. Sie hat sich so gefreut. Dieses pure Freude zwischen Menschen, ohne eine gemeinsame Sprache zu sprechen, ohne Vorurteile oder Negativität. Sich einfach anzulächeln. Egal welches Land wir in den vergangenen Monaten besuchten - die Leute lächelten uns an und empfingen uns mit offenen Armen. Es berührt mich immer wieder aufs Neue. Darum mag ich Asien so sehr.

    Nach unserer Rückkehr traf ich David beim Frühstück. Er war mit einer anderen Gruppe Mönche mitgelaufen. Er zeigte mir stolz ein kleines, weißes Wollarmband und erzählte, dass alle von einem alten Thai-Ehepaar eines erhalten habe. Es soll ihnen Glück bringen und auf sie aufpassen. Eine andere alte Dame nahm sich sogar soviel Zeit einen Segen für jede*n einzelnen auszusprechen. Was für eine berührende und unvergessliche Erinnerung! Er strahlte mich an und wirkte sehr glücklich. Wir tauschten uns über unsere Erfahrungen aus. Es gab so viel zu erzählen. Nach dem Frühstück war ich einfach dankbar und wir umarmten uns das erste mal so richtig wieder seitdem wir in Pa Pae angekommen waren.

    Nach der Abschlussrede - und natürlich der Abschlussmeditation - verließen die Ersten das Retreat. Wir hatten uns zuvor entschieden noch einen weiteren Tag zu bleiben. In kleiner Runde saßen wir den Rest des Tages in der Sonne, lachten über schräge Momente und sprachen über schöne und herausfordernden Situationen der letzten Tage. Es tat gut zu hören, dass viele mit ähnlichen Themen Schwierigkeiten und gleichzeitig so viele Schönes über sich selbst gelernt hatten.

    Am letzten Tag nahm ich nochmals an der Runde der Opfergaben mit den Mönchen teil. Es berührte mich erneut zutiefst. Die letzte Meditation gab es dieses Mal mit Karl. Und es war einfach toll. Ich war Karl und all den anderen Mönche dankbar für alles. Nur durch einen kleine Türspalt in die Welt der Spiritualität zu luschern und Erfahrungen sammeln zu dürfen, hat mich tief bewegt und in meinem Inneren definitiv etwas verändert. Ich bin wirklich dankbar, dass David und ich so mutig und offen waren. Um so schöner ist es, dass wir beide so sehr dafür belohnt wurden. Mit strahlenden Gesichtern, erfülltem Herzen und ganz viel Gelassenheit zogen wir wieder unsere bunten Klamotten an und trafen beim Busstop auf neue aufgeregte Meditationsteilnehmer*innen.

    Samma Arrahang und Danke, Pa Pae!
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