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  • Day 18

    Besuch im Kreml

    June 5, 2017 in Russia ⋅ ⛅ 13 °C

    Vielleicht sind es die vielen spannenden Agentenromane aus seinem Umfeld, die ich gelesen habe oder die Kindheitserinnerungen an den kalten Krieg, wo er für mich immer gleichbedeutend war, mit dem wohl am strengsten bewachten Ort der Welt und dem Machtzentrum der Sowjetunion, die für mich auch heute noch den Kreml mit einer geheimnisvollen Aura belegen. Längst ist er jedoch zu einer touristischen Attraktion jedes Moskaubesuchs geworden. Seit dem Tode Stalins in den Fünfzigerjahren kommt man nach dem Passieren von ein paar normalen Security-Checks, wie sie heute in der Welt ja fast überall üblich sind, problemlos hinter die fast zweieinhalb Kilometer langen Mauern, welche diesen von den Zaren erbauten Regierungssitz umgeben.

    Heute ist es nur noch der Amtssitz des russischen Präsidenten, den man mit etwas Distanz begutachten muss. Alle übrigen Gebäude sind für die Bevölkerung geöffnet und laden zum Besuch ein. Vladimir Putin arbeite jedoch lieber in seiner Datscha (den russischen Ferienhäuser in den Wäldern ausserhalb der Stadt), was ein Geschenk sei, wie unsere Führerin beim Rundgang durch den Kreml erklärt, denn so würden die Strassen nicht wie bei den früheren Präsidenten täglich gesperrt, wenn er zur oder von der Arbeit heimfahre und damit das morgen- und abendliche Verkehrschaos in der Stadt verstärkt.

    Nebst den vielen Kathedralen und dem riesigen Kremlpalast, den man aus dem Fernsehen von den kommunistischen Parteitagen mit den tausenden von Parteifunktionären noch kennt, ist es vor allem die Rüstkammer, wo sich ein Besuch lohnt. Es ist eine Schatzsammlung aus einem halben Jahrtausend der russischen Geschichte. Kleider, Schmuck oder Möbel; alles immer mit Gold und Edelsteinen aus der ganzen Welt verziert, mit denen die Fürsten und Zaren ihren enormen Reichtum demonstrieren, präsentieren sich in den Hallen und sind alle mit irgendwelchen spannenden Anekdoten belegt. Wie etwa die wunderschöne aus einem südeuropäischen Königreich geschenkte Kutsche mit den kunstvollen Schnitzereien, deren Herstellung wohl tausende von Stunden Arbeit verschlang, jedoch zum Wenden einen so grossen Radius beanspruchte, dass sie völlig unpraktisch war und nie zum Einsatz kam. Wahrscheinlich ging es aber auch weniger darum, als um das Präsentieren dieses Schmuckstücks, war es scheinbar zu Zarenzeiten üblich, jedes Geschenk mit einem doppelt so teuren zu verdanken.

    Nachdem die Russen in den letzten zwanzig Jahren schrittweise die Erinnerungen an die siebzig Jahre Kommunismus haben verschwinden lassen, Städte wie Leningrad, Stalingrad, usw. wieder umbenannten, Hammer und Sichel oder die UdSSR-Schriftzüge von den Gebäuden und Denkmälern verschwanden, begann sich wieder eine sehr reiche Oberschicht zu bilden, welche sich der Reichtümer dieses Landes zu bedienen begann. Der Prunkt im am Nachmittag noch besuchten berühmten Luxuskaufhaus Gum mit allen teuren Labeln aus der ganzen Welt, das unmittelbar an den Roten Platz angrenzt und die Vielzahl der dort vorfahrenden schwarzen Luxuslimousinen lassen den Gedanken aufkommen, dass sich in Russland der Kreis der Geschichte somit offenbar wieder geschlossen hat.
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