• Guido Kaufmann
toukok. – kesäk. 2017

Peking-Moskau

19-päiväinen seikkaillu — Guido Kaufmann Lue lisää
  • Matkan aloitus
    19. toukokuuta 2017

    Das letzte grosse Bahnabenteuer der Welt

    19. toukokuuta 2017, Sveitsi ⋅ ⛅ 8 °C

    Seit ich vor fast vierzig Jahren, als kleiner Fünftklässler im Fernsehen die Verfilmung von Jules Vernes faszinierendem Roman «Der Kurier des Zaren» gesehen habe, schlummert in mir der Wunsch, auf den Spuren von Michael Strogoff, die 7880 Kilometer lange Strecke zwischen Moskau und Peking in meinem Leben irgendwann auch mal zu bereisen.

    Wahrscheinlich waren es auch die unverkennbaren, dunkelblauen Wagen des Orientexpresses, die ich öfters auf dem Heimweg von der Arbeit im Hauptbahnhof Zürich erblickte, welche diesen Gedanken nie mehr ganz aus meinem Kopf verschwinden liessen. Der Blick hinein in den Speisewagen, der durch die Lämpchen an den von der langen Reise verschmutzten Fenstern geheimnisvoll ausgeleuchtet war, weckte jeweils das Fernweh und liess mich dann für ein paar Minuten träumen: Von der faszinierenden Wüste Gobi, dem tiefblauen Baikalsee, den unendlichen Wälder- und Wiesenlandschaften im Ural oder der westsibirischen Tiefebene, begleitet vom gleichmässigen, monotonen Rattern des Zuges.

    Es sei das letzte grosse Bahnabenteuer der Welt, las ich anfangs Jahr in einem Reisekatalog, als ich aufgrund meines Sabbaticals entschied, dieses Abenteuer nun nicht bis zu meiner Pensionierung rauszuschieben, sondern die geschenkte Zeit zu nutzen und mich hineinzustürzen.

    Wenn du mich in den nächsten Wochen aus der Ferne dabei begleiten willst, freue ich mich auf deine weiteren Besuche auf meinem Reiseblog.
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  • Los geht's

    20. toukokuuta 2017, Sveitsi ⋅ ⛅ 11 °C

    Soeben habe ich die ersten meiner geplanten rund 8000 Eisenbahnkilometer in Angriff genommen: Meine Heimstrecke Gümmenen-Zürich, die ich überschlagsmässig alleine in den letzten zehn Jahren etwa 2’500 Mal zurückgelegt habe und dabei mit der Rückfahrt zusammen 500'000 Kilometer gefahren bin, was etwa 12 Mal um die Erde oder anderthalb Mal zum Mond entspricht. Dies relativiert die Distanz der bevorstehenden Zugsfahrt von Peking nach Moskau doch etwas…Lue lisää

  • last minute - Einkauf

    20. toukokuuta 2017, Sveitsi ⋅ ⛅ 14 °C

    Was macht man, wenn alles gepackt und man eigentlich "ready for take-off" ist? Man prüft noch schnell das Wetter am Zielort! Oh Schreck - dieser Wetterbeschrieb... Der Sonnenschutz ist dabei, aber das ist ja nicht das Hauptproblem. Ab, noch schnell in die nächste Apotheke... 😳😷😂Lue lisää

  • "Go Russia" - schon noch nicht sofort

    21. toukokuuta 2017, Kiina ⋅ ⛅ 25 °C

    "Go Russia" - nein, noch nicht sofort und schon gar nicht mit dem Auto oder einer Maschine der Aeroflot. Aber auch die transsibirische Eisenbahn muss noch bis Dienstag warten. Zuerst stehen nun drei Tage Peking auf dem Programm, mit all den Sehenswürdigkeiten dieser Millionenmetropole (23 Mio. Einwohner), die ich keinesfalls verpassen will. Aber es stimmt zuversichtlich, dass mein Guide offensichtlich genau weiss, in welche Richtung es nach Russland geht... 😉Lue lisää

  • Eine rührende Liebesgeschichte

    22. toukokuuta 2017, Kiina ⋅ 🌧 13 °C

    Heftiger Regen weckte uns heute Morgen, mit dem positiven Effekt, dass die Luft in Peking wieder mal richtig gereinigt worden ist und ich nun während der nächsten Tage meinen "last minute Einkauf" wahrscheinlich nicht benötige. 😷

    Mit 4 Kollegen, die gestern aus Australien via Shanghai dazu gestossen sind und mich bis Moskau begleiten werden sowie unserem Guide Summer machten wir uns auf zur "Great Wall", die sich mit ihrer Mächtigkeit ja auch in die sieben Weltwunder einreiht. (Anm. für meine Kinder: Dass sie vom Mond aus sogar noch als Linie zu sehen ist, sei übrigens eine Mär).

    Inspiriert durch den Regen der uns auf der zweistündigen Fahrt begleitete, erzählte uns Summer dann eine rührende Liebesgeschichte:

    "Die über 7000 km lange Mauer wurde über mehrere Dynastien, ohne Rücksicht auf Verluste in der dafür rekrutierten Arbeiterschaft erstellt. Wer unter Erschöpfung oder Hunger starb, ist gleich als Baumaterial weiter verwendet worden. In jener Zeit wurde auch ein junger Mann am Tage nach seiner Hochzeit aus Südchina für das Bauprojekt eingezogen. Seine Vermählte vermisste ihren Mann jedoch so sehr, dass sie sich auf die Suche nach ihm machte und dabei mehrere tausend Kilometer der Mauer abmarschierte, ihr jedoch niemand etwas über dessen Verbleib sagen konnte. Als sie schliesslich doch einen Soldaten fand, der sich an ihn erinnern konnte, eröffnete ihr dieser, dass ihr Mann verstorben sei und zeigte ihr den Ort, wo er in der Mauer lag. Sie wich fortan nicht mehr von dieser Stelle und weinte unaufhörlich. So lange und so fest, dass sich der Mörtel langsam auflöste und die Mauer in der Folge einstürzte. Der Kaiser hörte davon und als ihm seine Boten dann den Grund für den Mauereinsturz berichteten, fragte er nach der so traurigen Frau. Er liess sie zu sich bringen und verliebte sich sofort in sie. Sie willigte jedoch erst ein, ihn zu heiraten und Kaiserin zu werden, nachdem sie die sterblichen Überreste ihres Ehemannes in den Palast bringen und dort beisetzen durfte..."
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  • Die Stadt in der Stadt

    23. toukokuuta 2017, Kiina ⋅ ⛅ 29 °C

    Kein touristischer Peking-Besuch ohne einen Ausflug zur verbotenen Stadt. Vor ihren Toren liegt der Platz des himmlischen Friedens, der durch den blutigen Niederschlag der Proteste der Bevölkerung für mehr Demokratie ja auch bei uns 1989 Bekanntheit erlangte. Unser Guide Summer, der mir bisher eigentlich sehr aufgeschlossen vorkam, wurde gleich überraschend schroff, als ich ihn in unbedarfter Weise darauf ansprach, und stoppte die Diskussion sogleich...

    Die Touristenströme waren wie schon gestern beim olympischen Park (auf einem Bild ist das bekannte Vogelnest von Herzog und de Meron zu sehen, das mir bei meinen australischen Freunden bewundernde Blicke schenkte, bis Summer erklärte, dass die erste Version statisch nicht Stand hielt und einstürzte) enorm, obwohl wir ausserhalb der Ferienzeiten sind. Die Chinesen sind sehr stolz auf ihre Haupstadt und die Monumente aus vergangener und neuerer Zeit, die entsprechend auch alle perfekt unterhalten werden. Die 80'000 Tickets für die verbotene Stadt, die täglich vergeben werden, sind am Morgen jeweils in Kürze weg und in solchen Momenten ist man jeweils sehr froh um den lokalen Guide, der all die Tricks kennt.

    Bei der verbotenen Stadt handelt es sich um eine Stadt in der Stadt. Für die einfache Bevölkerung war der Zutritt bis 1911 verwehrt, was den Namen erklärt. Sie beherbergte den überschwänglich ausgebauten Kaiserpalast mit 9999 Räumen, einem weniger als der Palast des himmlischen Kaisers. Dies der Sage nach, eine Nachzählung (nicht von mir!) kam jedoch nur auf 8886 Räume. Wie schon beim Bau der Mauer, wurden auch hier über eine Million Bauern eingezogen, um dieses Weltkulturerbe zu errichten. Jedes Element hat seine symbolische Bedeutung, was auch die Erklärung ist, wieso es daneben offenbar noch 200'000 Architekten brauchte. Für den Rest lasse ich nun die Bilder sprechen.

    Weil wir morgen Peking Richtung Wüste Gobi verlassen, nicht wissen, was uns im Zug kulinarisch erwartet und viele unterschiedliche Versionen hörten, haben wir uns dann alle zum Mittagessen eine Pekingente bestellt. Im Moment, wo ich während der Siesta diesen Blog verfasse, habe ich nun das Gefühl, dass ich es sogar bis Moskau problemlos ohne Verpflegung aushalten könnte.
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  • Adieu Peking, Moskau wir kommen

    24. toukokuuta 2017, Kiina ⋅ ⛅ 26 °C

    Heute ist es nun soweit, wir haben die erste Etappe mit der transsibirischen Eisenbahn in Angriff genommen, die uns bis morgen Nachmittag von Peking nach Ulan Bator führt, der Hauptstadt der Mongolei. Nach der Hektik der Grossstadt Peking und ihren enormen Menschenmengen an allen etwas interessanteren Punkten freue ich mich nun richtiggehend auf die von dieser Reise erwartete Ruhe und Entschleunigung während der langen Zugsfahrt.

    Hektik kam dann lediglich am grossen Pekinger Bahnhof nochmals auf, als die drei chinesischen Frauen vom Security-Check im Gepäck mein Schweizer Sackmesser erblickten und mir dieses um keinen Preis mehr zurück geben wollten. Alle Diskussionen halfen nichts, auch mit Charme war bei den rund 25 Jahren jüngeren, reizenden Damen nichts zu machen und selbst der Mutterinstinkt oder das Mitleid sprachen nicht an, als ich erläuterte, dass dies mein einziges Besteck sei für meine Mahlzeiten während der nächsten zwei Wochen. Nichts zu machen, ich gab auf, auch meinen australischen Kollegen zu liebe, die auf der anderen Seite dachten, ich sei in eine Flirterei verwickelt oder vielleicht auch nur ungeduldig mein Äusseres musterten und versuchten, die beängstigenden Züge meiner Person zu erkennen, die dazu führten, dass in diesen Tagen stets ich einer Kontrolle unterzogen wurde. Die drei Frauen beobachtete ich übrigens fünfzehn Minuten später nochmals, als sie immer noch heftig diskutierten, wer wohl die Trophäe am Abend heimbringen darf - und war froh, dass sie das zweite Sackmesser nicht auch noch entdeckt hatten...

    Nun habe ich meine Kabine bezogen, wir sind vier Leute aus vier Kontinen stellten wir sogleich fest: Ein chinesischer Stanford Informatikstudent, der in San Francisco wohnt und als passionierter Tennisspieler, unbedingt sein Idol Rafael Nadal am French Open sehen will, ein indischer Marathonläuder, der dieses Wochenende den Great-Wall-Marathon auf der chinesischen Mauer erfolgreich absolviert hat und von Irkutsk aus nachhause fliegt sowie ein neuseeländischer Maschineningenieur, der frisch verliebt voller Erwartungen zu seiner französischen Freundin in Lyon zieht und seine Zelte in Auckland deswegen komplett abgebrochen hat. Schnell haben wir genügend Gesprächsstoff, und um den chinesischen Dolmetscher sind wir natürlich doppelt dankbar, noch mehr weil er zugleich auch den Internetzugang sicherstellt.

    Und nun natürlich noch der obligate Kommentar zum Essen: Mit einem äussert schmackhaften Mittagessen im Speisewagen haben uns die Chinesen gleich zur Begrüssung überrascht. Das ist die positive Nachricht, die negative ist die, dass die Aussage offenbar leider doch stimmt, dass die Chinesen auf dieser Strecke kulinarisch verwöhnen, während die Russen (wo wir den Grossteil der Reise absolvieren) diesbezüglich eher einfach unterwegs sind, um es mal vorsichtig zu formulieren. Schauen wir mal...

    PS: Danke Peter für deine Warnung im gestrigen Kommentar, ich habe noch ein paar Instantsuppen im Gepäck.
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  • Emsiges Treiben um Mitternacht

    25. toukokuuta 2017, Mongolia ⋅ ⛅ 23 °C

    Das enorme Wirtschaftswachstum von China ist auf meiner Reise auch von der Eisenbahn aus unübersehbar. Es sind nicht so sehr nur die neuen Wohnblöcke entlang der Bahnlinie, sondern es ist die erstaunlich moderne Infrastruktur, die das demonstriert. Neue, äußerst grosszügig konzipierte Strassen, moderne Hochgeschwindigkeitseisenbahnen auf riesigen Brückenviadukten oder riesige, fortschrittliche Windenergieparks entlang der traditionellen transsibirischen Route zeigen, dass China gewillt ist, auch in der nordwestlich von Peking gelegenen inneren Mongolei, die ja ebenfalls noch zu ihrem Territorium gehört, zu investieren.

    Welch ein Kontrast dann in der äusseren Mongolei, die wir heute passieren und einen eigenen Staat zwischen China und Russland bildet. Fast fünfzig Mal so gross wie Schweiz, aber nur knapp drei Millionen Einwohner verhelfen der Mongolei zum Rekord des am wenigsten dicht besiedelten Landes der Welt.

    Zuvor haben wir um Mitternacht aber erst noch die Grenze zur Mongolei passieren müssen, ein rund dreistündiges Prozedere. Am Grenzbahnhof von Erlian bot sich fast ein bisschen ein gespenstisches Szenario als sich chinesischen Beamten im Stechschritt dem Zug näherten, uns alle mit unverständlichen Worten aber klaren Gesten in die Abteile beorderten und die Pässe einsammelten, die wir erst etwa zwei Stunden später mit einem wortlosen Nicken wieder zurück erhalten sollten. Ganze sechs Kontrollen mussten wir über uns ergehen lassen. Der ganze Zug wurde zwischenzeitlich mit uns noch in eine riesige Fabrikhalle gefahren, wo aus Lautsprechern monotone Stimmen den etwa fünfzig wartenden Eisenbahnmitarbeitende Arbeitsanweisungen erteilten. Da China eine andere Spurbreite der Eisenbahn aufweist als die Mongolei und Russland, galt es in etwa anderthalb Stunden die Wagen umzubauen. Mit den Passagieren an Bord wurden diese dazu durch hydraulische Lifte etwa einen Meter in die Höhe gehoben, so dass die Arbeiterschaft in ihrer Nachtschicht den gesamte Unterbau mit dem bereitstehenden, schmaleren Fahrgestell ersetzen konnte.

    An ein Schlafen war bei diesen vielen und langwierigen Kontrollen, wo wir jeweils nicht liegen bleiben durften und uns zu erheben hatten, sowie dem Getöse beim Umbau und Koppeln der Wagen nicht zu denken. Um zwei Uhr Morgens setzte sich der Zug dann zu unserer Erleichterung aber doch wieder in die Bewegung.
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  • Auf den Spuren Dschingis Khans

    25. toukokuuta 2017, Mongolia ⋅ ⛅ 25 °C

    Nach dem Grenzübertritt von letzter Nacht in die Mongolei stand heute der erste der drei Aufenthaltstage in diesem landschaftlich so faszinierenden Land an. Mongolei heisst eigentlich "Land des blauen Himmels", weil an über 250 Tagen im Jahr - wie auch heute - einfach nur blau den Himmel ziert. Die zwölfstündige Zugsfahrt führte uns zunächst durch die Wüste Gobi, wo sich während Stunden bis zum Horizont nichts als Sand- und Steinlandschaften, mit kaum grünen Flecken, präsentieren und es für mich erstaunlich war, dass sich trotzdem vereinzelt Pferde und Schafe in diese unwirtliche Gegend "verirrten". Allmählich verwandelte sich diese Wüste aber in eine nie enden wollende hügelige Steppenlandschaft, wo sich nun Mensch und Tier immer mehr um kleine Jurtensiedlungen herum eine (temporäre) Bleibe eingerichtet hatten.

    Nach dem Mittag sind wir dann in der Hauptstadt in Ulan Bator eingetroffen, haben den Zug verlassen und diesen ohne uns weiter ziehen lassen, um begleitet von einem auf uns wartenden Uniprofessor mit einem Bus uns im Landesinnern auf die Spuren des allgegenwärtigen Kriegers und Nationalhelden Dschingis Khan zu machen.

    Wirtschaftlich ist die Mongolei ein armes Land, kämpft mit Korruption, Misswirtschaft und der damit verbundenen Abwanderung der Elite nach Korea, China oder Europa. Das war jedoch zu Dschingis Khans Zeiten im 13. Jahrhundert ganz anders. Durch seine Eroberungszüge schuf er von der Mongolei aus ein gewaltiges Reich das von Südostasien über China und Russland bis vor die Tore Westeuropas reichte.

    Der Höhepunkt nach diesem so spannenden Tag erwartete uns dann aber am Abend, als wir bei Sonnenuntergang in einem Jurtendorf in den Bergen (1500 müM) zur Übernachtung eintrafen. Lieblich eingebettet zwischen Berggipfeln und Wäldern, standen für uns drei traditionelle Jurtenzelte als Nachtlager bereit.

    An diesem herrlich warmen Frühsommerabend, mit der frischen Luft (die man nach Peking wieder doppelt schätzt), der absoluten Ruhe in dieser Abgeschiedenheit sowie einem fantastischen Sternenhimmel wäre man am liebsten gar nicht unter die Decke der mit soviel Gastfreundschaft zubereiteten Betten gekrochen. Doch unser Guide prophezeite uns auch noch wunderbare Träume an diesem von zahlreichen Kraftorten der Schamanen umgebenen Platz, und die wollten wir uns natürlich auch nicht entgehen lassen...
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  • Die Mongolei im Umbruch

    26. toukokuuta 2017, Mongolia ⋅ ⛅ 23 °C

    Punkt 20:35 hat sich unser Zug in der mongolischen Hauptstadt Ulan Bator wieder in Bewegung gesetzt, Richtung der mongolisch-russischen Grenze, dem Baikalsee und unserer nächsten Destination Irkutsk, wo uns dann übermorgen der nächste grössere Halt erwartet.

    Zuvor haben wir heute nochmals die Mongolei genossen. Das Land begeistert mich ausserordentlich und wäre alleine schon einen ganzen Ferienaufenthalt wert. Die herrliche Gegend im Tereldsch Nationalpark mit seinen mächtigen, abgeschliffenen Granitformationen, lichten Wäldern und Bächen mit kristallklarem Wasser, die sich durch die Täler schlingen, lädt richtiggehend zu ausgedehnten Wanderungen oder Treckingtouren ein. Wir haben uns jedoch in den Pferdesattel gesetzt und sind so gemütlich eine Weile durch die Wälder gestreift. Für mich eine Premiere, was die Reiterinnen und Reiter unter den Lesern des Blogs beim Betrachten des Bildes wahrscheinlich unschwer feststellen können...

    Die Mongolei unternimmt einiges, um den Tourismus anzukurbeln. Mit der herrlichen Landschaft sowie der beeindruckenden Gastfreundschaft der Leute sind die Vorsussetzungen dafür eigentlich gegeben und es ist dem Land zu gönnen, dass es in naher Zukunft auch wirtschaftlich einen Schritt vorwärts macht. Offenbar will es sich nun eher nach China statt nach Russland orientieren, wahrscheinlich um auch am dortigen Wirtschaftswachstum zu partizipieren. Die Mongolei hat ja erst 1989, im Rahmen des Zerfalls der Sowjetunion nach achtzigjähriger Herrschaft durch Russland wieder die Unabhängigkeit erlangt. Die letzten Jahre waren, wie gestern berichtet, nicht leicht und im Juni stehen die nächsten Präsidentschaftswahlen an. Unser Ethonolgieprofessor, der uns die zwei Tage begleitete, zeigte sich jedoch bei der kurzen Vorstellung der Kandidatenprofile verhalten optimistisch was den Ausgang der Wahlen angeht...

    Entsprechend hat Ulan Bator wohl auch eines der neusten Parlamentsgebäude der Welt, wo der Eingang mit Dschingis Khan und seinen Generälen als überdimensionale Statuen flankiert ist. Auf dem Parkplatz unmittelbar vor dem Gebäude ebenso unübersehbar die zahlreichen teuren Luxuskarossen der Parlamentarier, was vor Augen führte, dass der Weg zum Wohlstand für das ganze Land noch lang sein könnte. Erst einmal dürfte die Wohlstandsschere wohl auch in der Mongolei vorerst noch weiter auseinander gehen...
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  • Im Entschleunigungsprogramm angekommen

    27. toukokuuta 2017, Venäjä ⋅ ⛅ 8 °C

    Der heutige Morgen war geprägt von unserem letzten Grenzübertritt von der Mongolei nach Russland. Das ganze Prozedere startete bereits um halb sieben in der Früh und dauerte ganze sechs Stunden, obwohl wir zwischenzeitlich schon fast familiär, mit nur noch einem einzigen Wagen mit total etwa einem Dutzend Passagieren unterwegs waren, und für die Kontrollen etwa gleich viele Polizisten und Soldaten zur Verfügung standen. War alles in Ordnung gebracht, die Formulare, die wohl kaum jemand je lesen würde, ausgefüllt und die Koffer für die Kontrolleure gehorsam aus- und wieder eingepackt, hiess es warten, an beiden Grenzorten hüben wie drüben, wo es im Bahnhof nichts, nicht einmal einen Kaffee zu kaufen gab. In einer verlassenen Strasse fanden wir dann aber trotzdem noch ein Restaurant und einen kleinen Laden, wo man uns ein einfaches Essen zubereitete und wir sogar noch ein Brot kaufen konnten, denn der schmucke mongolische Speisewagen war zwischenzeitlich auch abgekoppelt worden und wir komplett auf Selbstversorgung angewiesen... Und die in letzter Minute zuhause noch eingepackten Quicksoups erwiesen sich nun doch noch als ganz nützlich.

    Nach dem Mittag ging es dann aber doch los, auf die fast zwanzigstündige Etappe nach Irkutsk am Baikalsee. Wir waren froh, dass die Warterei ein Ende hatte und wir alle in unsere Abteile zurückkehren konnten, um wieder ganz neue, eindrückliche Landschaften an unseren Zugsfenstern vorbei sausen zu lassen. Die lange, irgendwie faszinierende Monotonie lud nun richtiggehend zum Entspannen ein, so wie ich mir dies in der Reisevorbereitung in meinen Gedanken immer wieder ausgemalt hatte: Im gemütlichen Abteil sitzend, wanderte mein Blick während der folgenden Stunden nun in regelmässigen Abständen von meinem Buch in die Weiten Russlands und wieder zurück. Ich war nun definitiv angekommen im Entschleunigungsprogramm der transsibirischen Eisenbahn...
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  • Wandern am Baikalsee

    28. toukokuuta 2017, Venäjä ⋅ ☀️ 3 °C

    Russischer See mit 6 Buchstaben - so steht es jeweils im Kreuzworträtsel. Der Baikalsee ist ein faszinierendes Gewässer und es gibt viel spannendere Zahlen dazu als die Anzahl Buchstaben: Mit einer Fläche von über 30'000 Quadratkilometer würde er rund 3/4 der Schweiz abdecken und gehört so zu den 10 grössten Seen der Welt. Da er an gewissen Stellen über 1600 Meter tief ist, ist er volumenmässig sogar auf der Spitzenposition und enthält rund 20% aller Süsswasservorräte unserer Welt. Gespiesen vom Schmelzwasser der umliegenden sibirischen Berge ist sein Wasser kristallklar und bietet unter Wasser eine Sichtweite von fast 50 Meter. Klar war es für uns dann auch, dass wir dieses Wunder der Natur nicht nur durch die Zugsscheibe ("Das wunderschönste Teilstück der Reise" gemäss Reiseführer), sondern hautnah, im warsten Sinne des Wortes, erleben wollten und einen zweitägigen Stopp einschalteten.

    Natascha erwartete uns wie abgemacht am Sonntagmorgen um halb acht in Irkutsk und führte uns auf einer Strasse, die kurzfristig für ein amerikanisch-russisches Gipfeltreffen in Listwijanka erstellt worden war zum Baikalsee, wobei uns auf der fünfzig Kilometer langen Fahrt weniger die Strassenbautechnik beeindruckte, als die durchquerten riesigen Birkenwälder, die gerade erst aus dem sibirischen Winterschlaf erwacht waren und im morgendlichen Sonnenlicht so herrlich grün leuchteten. In Listwijanka, das direkt am Baikalsee liegt, empfingen uns dann Nikolai und Irina in ihrem kleinen Gasthaus mit einer überschwänglichen Begrüssung, von der wir zwar kein Wort verstanden, aber an gezeigter Gastfreundschaft nicht zu übertreffen war und uns auf zwei gemütliche Tage freuen liess.

    Dem Entschleunigungsprogramm folgend, machten wir uns dann auf eine rund sechstündige Wanderung, dem See entlang, über kleinere Hügel mit letzten Schneefeldern, hinauf zu einem Aussichtspunkt, der uns einen wunderbaren Blick auf die Perle Sibiriens, wie der See auch genannt wird, schenken sollte. Zurück in Listwijanka liessen wir uns dann nach einem Besuch auf dem Markt verdientermassen - wie wir fanden - kulinarisch verwöhnen, ja mit was wohl am grössten See der Welt: Wassertier mit 5 Buchstaben?
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  • Ein chilliger Montag in Listwijanka

    29. toukokuuta 2017, Venäjä ⋅ ☀️ 5 °C

    Nachdem wir so viel Interessantes über den Baikalsee gehört und gelesen hatten, gehörte heute nun natürlich auch noch ein Ausflug *auf* den See dazu. Wir fanden in diesem von touristischen Angeboten reichlich ausgestatteten Dorf eine Bootstour, wo der Unterteil des Gefährtes aus Glas bestand und vom Rumpf so den Blick in die Tiefe des Wassers freigab. Wie die vielen Taucher, die trotz eisiger Wassertemperatur an diesem Tauchparadies bereits anzutreffen waren, oder vielleicht eher wie der Meeresforscher Jacques Cousteau, erhielten wir dank der gestern erwähnten enormen Sichtweite einen faszinierenden Einblick in die Unterwasserwelt des Baikalsees.

    Dem Fisch (=Lösung des Rätsels von gestern 😉), von dessen Sorte am Vortag je einer gegrillt auf unseren Tellern gelandet war, begegneten wir jedoch nicht, es war nämlich ein Olmu, der sich etwa 300 Meter unter der Wasseroberfläche aufhält und von den Fischern am Baikalsee grosse Fangkunst abverlangt. Er war übrigens so lecker, dass wir heute gleich noch die zweite Empfehlung von Tripadvisor für "Fischessen in Listwijanka" verifizieren mussten.

    Im weiteren gestalteten wir uns jedoch eher einen "chilligen" Montag, mit Flanieren durch das Fischerdorf, Souvenireinkauf auf dem Markt und auch ein bisschen "Käfele" am Gestade des Sees. Dies ganz im Gegensatz zur Bevölkerung von Listwijanka, welche die so kurze Sommerphase intensiv nutzt, um all die vielen Tätigkeiten am Haus und der Umgebung zu erledigen und dann eher in den sibirisch kalten Wintermonaten offenbar einen oder eher zwei oder drei Gänge zurück schaltet.
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  • Stadtbummel mit Ludmilla

    30. toukokuuta 2017, Venäjä ⋅ ☁️ 16 °C

    Bevor am Abend kilometermässig die Königsetappe meiner Reise, die 52 Stunden dauernde Fahrt nach Jekaterinburg, am Fusse des Urals, quer durch drei Zeitzonen starten würde, stand heute nun noch der Besuch der Stadt Irkutsk an, wo wir vor zwei Tagen, von der Mongolei her kommend, eingetroffen waren.

    Ludmilla, eine 50-jährige Deutschlehrerin aus Irkutsk wollte mich dabei begleiten und holte mich dazu am Morgen vor dem Gasthaus in Listwijanka ab, wo wir die zwei Tage nächtigten. Auf dem Weg in die Stadt wollte sie mir als Kontrast zum Stadtleben erst noch aufzeigen, wie die in der Landwirtschaft tätige Mehrheit der Bevölkerung in dieser fordernden Landschaft Sibiriens (über-)lebt. Jetzt, Ende Mai, nachdem es letzte Woche nochmals einigen Schnee gageben hatte, können die Felder erst langsam bestellt werden, und rein statistisch ist der Sommer, wo die Nahrungsmittel für den harten Winter eingeholt werden müssen, in 69 Tagen bereits wieder vorbei. Es war beeindruckend zu sehen, welch raffinierte Techniken und Verhaltensweisen sich die Menschen in den abgeschiedenen Dörfern über die Jahrhunderte aneigneten hatten, um der unwirtlichen Natur in der langen, sehr kalten Jahreszeit zu trotzen.

    Irkutsk dagegen entwickelte sich nach dem Erlangen des Stadtrechts um 1600 schnell zu einer blühenden Handelsstadt und zum "Tor Russlands nach Asien", wo die Handelsbeziehungen mit der Mongolei und China intensiv gepflegt wurden. Ebenso treffend ist auch die zweite, weit verbreitete Bezeichnung "Paris von Sibirien", wie ich auf dem Stadtbummel rasch feststellen konnte, begegneten uns doch immer wieder wunderschöne Gebäude, erstellt in unerschiedlichsten, aus der ganzen Welt mitgebrachten und teilweise adaptierten Baustilen. Und Ludmilla wusste zu jedem Gebäude, allen Plätzen oder Statuen eine spannende Anekdote zu erzählen. Sie schwärmte unüberhörbar von ihrem Sibirien und träumte laut von einem Europa von Lissabon bis Vladivostok, als wir etwas über die politische Situation in Russland zu plaudern begannen.

    Ludmilla wuchs zu Zeiten des Kommunismus in Irkutsk auf, eignete sich ihr Deutsch dann in der ehemaligen DDR an, wurde Lehrerin, trat aber nie der Einheitspartei bei. Sie sei dankbar, dass sie heute ihren starken, christlich orthodoxen Glauben praktizieren dürfe, was ja zu Zeiten der Sowjetunion verboten war. Als Zeitzeugnis zeigte sie mir eine wunderschöne, mit eindrücklichen Ikonen und aufgemalten Märtyerbildern verzierte orthodoxe Kirche, die im Kommunismus fast ein Jahrhundert lang in eine Bäckerei umfunktioniert worden war. Und was denkt Ludmilla über Putin? "Wissen Sie Herr Guido, Russland mit seinen über 250 so verschiedenen Völkern braucht eine starke Hand an der Spitze, um das Land zusammen zu halten", entgegnete sie auf meine mit einem wohl leicht kritischen Unterton belegte Frage.

    Ich hätte noch stundenlang mit dieser von Wissen sprudelnden Frau reden und durch die faszinierende Stadt flanieren können, aber Züge warten ja bekanntlich nicht, und so begleitete sie mich noch zum Bahnsteig wo mein Zug schon bereit stand, um Punkt 18:22 Irkutsk zu verlassen.
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  • Unsere Hausmutter vom Zug

    31. toukokuuta 2017, Venäjä ⋅ ☀️ 12 °C

    Seit etwas mehr als 40 Stunden sind wir auf der aktuellen Etappe nun bereits im Zug, quer durch die sibirische Tiefebene Richtung Uralgebirge, wo dann in Jekaterinburg der letzte grössere Halt vor Moskau ansteht. Dabei wird mir nochmals die Grösse Russlands bewusst, das sich ja über elf Zeitzonen erstreckt, und wir in diesen zwei Tagen von Irkutsk nach Jekaterinburg alleine deren drei durchqueren.

    Allmählich haben wir uns alle ganz gut im Zug eingelebt und die Rituale der Transsibirienreisenden durch Beobachten und zwischendurch auch Experimentieren angeeignet, um die Zugsfahrt auch voll geniessen zu können. Davon möchte ich heute etwas ausführlicher berichten.

    Sehr schnell merkt man, die wichtigste Person ist nicht der Lokführer, der sowieso alle paar Stunden wechselt, sondern die Schaffnerin (seltener ein männlicher Schaffner), die jedem Wagen zugeteilt wird und im Stile einer resoluten Hausmutter für Ordnung schaut, dies im eigentlichen wie auch im übertragenen Sinne. Bei den doch noch recht primitiven sanitären Einrichtungen ist man da froh darum, aber auch die saubere Bettwäsche und Handtücher, das Ofenfeuer für heisses Wasser für einen Kaffee oder eine Suppe, das Regulieren der Temperatur bei den so stark schwankenden Temperaturen, sowie das rechtzeitige Schliessen und Öffnen der WC-Türen gehören in ihren Verantwortungsbereich. Und wenn das alles klappt, lässt sich in den Zügen doch schon ganz gut leben.

    Die Schaffnerin schaut aber auch - wahrscheinlich ausserhalb ihres eigentlichen Auftrages -, dass keines ihrer Schäfchen auf dem Weg verloren geht oder Ärger mit der Polizei bekommt. Denn auch wenn wir fünfzig Stunden am Stück unterwegs sind, gibt es doch alle zwei oder drei Stunden irgendwo einen kleinen Halt zwischen zwei und dreissig Minuten, wo dann die meisten Passagiere die Möglichkeit nutzen, kurz auf dem Bahnsteig von den vielen bereitstehenden Händlern, welche die Ankunftszeiten der grossen transkontinentalen Züge natürlich bestens kennen, etwas Essbares oder frisches Trinkwasser zu kaufen. Wachsam hält sie uns dabei im Auge und hilft schon mal schlichten, wenn eine Preisverhandlung scheitert oder ein unbedarfter Tourist etwas fotografiert, was man besser hätte sein lassen und ein Militär die Kamera konfiszieren will, wie meinem Kollegen passiert. Oder ohne Worte beim Vorbeigehen unsere Wodkaflasche für den nächtlichen Schlummerbecher temporär (!) einzieht, um zu verhindern, dass wir mit der ganz kurz darauf patrouillierenden Polizei grösseren Ärger bekommen würden, da Alkohol in den Zugsabteilen - wahrscheinlich aus gutem Grunde - eigentlich verboten ist.

    Wie hätten wir das auch alles wissen sollen, sind doch alle Reglemente auf Russisch, die Piktogramme gewöhnungsbedürftig, und die Schaffnerin versteht uns ebenso wenig wie wir sie, so dass sie uns das zu Beginn hätte sagen könnte. Ihre über die Jahre stets weiter verfeinerten Gesten sind aber meist gut-, und wenn ihre Lautstärke des unverständlichen Gemurmels dabei noch deutlich zunimmt, sogar unmissverständlich. Man lege sich besser nicht mit ihr an, steht in jedem Reiseführer, denn sie komme in der Hierarchie "unmitttlbar unterhalb Gott", um noch etwas präziser zu sein.

    Und manchmal ist man auch einfach nur froh, wenn sie einem nach einer gestenreichen Nachfrage die Hand entgegenstreckt und die Uhrzeit mitteilt, um im ganzen Zeitwirrwar (Bahnhofsuhr und Fahrplan ist Moskauzeit, im Zug leben wir nach Lokalzeit und das Handy zeigt die Zeit eines Telekommunikationsanbieters an, die auch plus/minus eine Stunde varieren kann) die Übersicht zu bewahren und weiss, wann Zeit für einen Halt ist oder der Speisewagen endlich öffnet.

    Und wenn sich zwei Jungverliebte auf der Plattform aus einer innigen Umarmung lösen müssen, um sich vielleicht tausende von Kilometer voneinander zu entfernen, kann man das tröstende Wort auch ohne Russischkenntnisse erahnen, das sie den zwei beim letzten Aufruf im mütterlichen Ton mitgibt.
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  • Eine riesige Schatzkammer

    1. kesäkuuta 2017, Venäjä ⋅ ☀️ 14 °C

    Die letzten beiden Reisetage führten uns durch die westsibirische Tiefebene mit ihren unendlichen Weiten. Dennoch ist die Gegend, insbesondere entlang der Eisenbahnlinien, deutlich stärker bevölkert als die zuvor passierten Regionen des sibirischen Berglandes und der Mongolei.

    Sibirien ist eine riesige Schatzkammer und verfügt über den grössten Vorrat an Bodenschätze der Welt. Die im letzten Jahrhundert durch die Sowjetunion intensivierte Gewinnung führte zu einer richtiggehenden Bevölkerungsexplosion in Sibirien. Aus kleineren Städten wurden so Millionenmetropolen, wie zum Beispiel die von uns als erste passierte Stadt Krasnojarsk, wo vor hundert Jahren nur knapp dreissigtausend Einwohner wohnten und die heute 1.1 Mio. Menschen zählt. Aber auch die Hauptstadt Sibiriens, Novosibirsk, ist mit ihren 1.6 Mio. Einwohnern bereits die viertgrösste Stadt Russlands, und die hell erleuchteten Wolkenkratzer, die sich uns bei der nächtlichen Durchfahrt präsentierten, erinnerten mehr an eine amerikanische Grossstadt als an das Herz von Sibirien, wie man es sich gemeinhin vorstellt. Vor Jekaterinburg, wo wir die nächsten beiden Tage uns nochmals mit Land und Leuten ausserhalb des Zugsabteils intensiver auseinandersetzen wollen, reiht sich eine Industriestadt an die andere. Man merkt es auch auf dem Bahnsteig oder im Zug. Es herrscht ein emsiges Treiben. Die Erschliessung Sibiriens durch die transsibirische Eisenbahn hat natürlich wesentlich zu dieser wirtschaftlichen und bevölkerungsmässigen Entwicklung der Westsibirischen Tiefebene beigetragen, denn erst so wurde eine effiziente Förderung der Rohstoffe möglich.

    Was findet sich denn in dieser Schatzkammer alles? Da ist natürlich das Holz aus der russischen Taiga, dem weltweit grössten Wald, wo ein Viertel aller Waldreserven unserer Erde zu finden sind, vor allem Nadelwald (Kiefer, Fichten und Tannen) dominiert. Die mich so faszinierenden, bekannten Birkenwälder bilden nur den Abschluss und machen lediglich etwa zwanzig Prozent aus. Unter dem Boden sind es dann vor allem die Energierohstoffe Erdöl, Erdgas und Kohle sowie die Metalle Eisenerz, Gold, Zinn, usw. die abgebaut werden, aber auch Uran (90% des weltweiten Vorrates). Entsprechend befinden sich auch strategische Zentren der russischen Rüstungsindustrie in dieser Gegend, wie zum Beispiel in Omsk, das zwischenzeitlich durch Touristen besucht werden darf, bis vor kurzem jedoch eine «geschlossene Stadt» war. Fotografieren ist teilweise immer noch verboten, wie wir unmissverständlich aufgeklärt wurden.

    Russland tut sich aktuell jedoch sehr schwer mit der Nutzung dieser Bodenschätze, die notwendigen Voraussetzungen für den Abbau können aufgrund der finanziellen Situation Russlands nicht geschaffen werden oder die vorhandenen Mittel fliessen in falsche Kanäle. Die vielen zerfallenen Industriebauten die wir entlang der Eisenbahnlinie sahen, verdeutlichten uns dies immer wieder.
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  • Mit einem Fuss wieder in Europa

    2. kesäkuuta 2017, Venäjä ⋅ ⛅ 21 °C

    ... im Ural, an der Grenze von Europa und Asien.

  • Der letzte Zar Russlands

    2. kesäkuuta 2017, Venäjä ⋅ ⛅ 22 °C

    «Den Konjunktiv gibt es nicht in der Geschichte» - mit diesen Worten, in denen eine gewisse Melancholie unüberhörbar mitschwang, schloss Irina den fast fünfstündigen Rundgang durch Jekaterinburg und verschiedener Gedenkstätten vor der Stadt, wo wir heute der Geschichte des letzten Zaren Russlands, Nikolaj II, nachgingen. Wenn der erste Weltkrieg nicht gewesen wäre, hätte Russland heute vielleicht immer noch ihre Monarchie, wollte sie uns damit sagen, denn viele Russen trauern dieser Zeit nach, als der beliebte Zar das Grossreich noch führte.

    Die Geschichte des Zarentums hat in Jekaterinburg ihr tragisches Ende gefunden, als in der Nacht vom 17. auf den 18. Juli 1918 die gesamte Zarenfamilie, Nikolaj II, seine Frau Alexandra, sowie die fünf Kinder Aleksej, Olga, Tatjana, Marija und Anastasia im Keller ihres Hauses, wo sie im Arrest waren, von den Bolschewiken heimtückisch erschossen wurden - zusammen mit ihren ergebenen nächsten Dienern, die eigentlich hätten fliehen dürfen, aber nicht von der Seite der Familie wichen und mit ihr in den Tod gingen. Die Geschichte des letzten Zaren ist aber auch stark mit der russischen orthodoxen Kirche verbunden, Nikolaj II und seine ganze Familie gelten als Märtyrer, sind inzwischen heiliggesprochen worden und zieren die zentralen Ikonen in jeder der vielen neu erbauten Kirchen. Da wo die Zarenfamilie den Tod fand, steht heute die grösste, von weitem sichtbare, wunderschöne «Kirche des Blutes», mit dessen Erbauung die russische Bevölkerung Sühne leisten wollte für das Verbrechen, das sie am Zaren und damit indirekt an Gott begangen hatten.

    Unser Rundgang hatte jedoch am Morgen etwa 40 Kilometer ausserhalb von Jekaterinburg begonnen, wo die sterblichen Überreste der Familie damals in aller Eile wegen der heranrückenden weissen Armee in einer Grube verscharrt worden waren, erst 1978 aufgrund der Öffnung des Staatsarchives und den gefunden Aufzeichnungen zu diesem Ereignis lokalisiert werden konnte und nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion und des damit wieder erlaubten Praktizierens des Glaubens, ein Männerkloster erbaut worden ist, das heute einen bedeutenden Wallfahrtsort darstellt.

    Als ich mit Irina eine der vielen Holzkirchen des Klosters betrete und mich dabei automatisch bekreuzige, errege ich offenbar die Aufmerksamkeit eines der Aufsicht haltenden jungen Mönche, der sofort unterbruchlos, mit einer für eine Kirche nicht angemessenen Lautstärke auf mich einzureden beginnt und erst durch Irina mit den Worten, ich sei «halt» Katholik gestoppt werden kann. Überraschend freundlich, mit einem wohl leicht schlechten Gewissen, aufgrund meiner perplexen Reaktion, zeigte er mir dann wie ich die Finger gemäss orthodoxem Ritual korrekt hätte zusammenführen sollen und ermahnte mich zu mehr Ruhe und Gelassenheit im Leben, da ich das Bekreuzigen offenbar zu schnell vollzogen habe.

    Weil gerade das bedeutende Pfingstfest bevorsteht, sind alle Kirchen mit wunderschönen grün leuchtenden Birkenzweigen als Zeichen des Heiligen Geistes ausgeschmückt. Die auf dem Gelände und in den Kirchen überall vorhandene Symbolik, wie beispielsweise die 7 (statt normalerweise 3) Kirchentürme als Erinnerung an die 7 Mitglieder der Zarenfamilie oder die 23 Treppenstufe hinauf zur Kirche des Blutes als Bezug zur 23-jähigen Herrschaft des Zaren und den 23 Stufen, die in den Keller des Hauses führten, liessen die mit der Geschichte des Regenten bis ins Detail bewanderte Irina bei diesem Rundgang natürlich aus dem Vollen schöpfen, und wir realisierten gar nicht, dass wir ja gar kein Mittagessen eingenommen hatten, was dann anschliessend mit einem üppigen, usbekischen Essen jedoch mehr als kompensiert wurde, und mit einem ausgedehnten Abendspaziergang durch diese faszinierende Stadt seinerseits wieder kompensiert werden musste.
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  • Über den Ural nach Moskau

    3. kesäkuuta 2017, Venäjä ⋅ ☀️ 22 °C

    Das rund 2500 Kilometer lange Uralgebirge ist geografisch die Grenze zwischen Europa und Asien und erstreckt sich von der kalten Tundra im Norden über die Taiga bis zur Wüstensteppe im Süden. Nachdem ich ja gestern schon mal einen Fuss über die Grenze gesetzt hatte, ging es heute vom auf der asiatischen Seite des Urals liegende Jekaterinburg aus definitiv westwärts, zum Ziel meiner Reise, der russischen Hauptstadt Moskau, über eine Distanz von exakt 1668 Eisenbahnkilometer, mit einer letzten Übernachtung im Zug. Meine Erwartungen an das Uralgebirge waren jedoch zu hoch, und dies im wahrsten Sinne des Wortes. Knapp 500 Meter über Meer lagen die Hügel, über welche die das Gebirge durchquerenden Trasses der Eisenbahn führten, und dabei vom Zug aus kaum auszumachen.

    Die vor 300 Mio. Jahren entstandenen Berge waren mal rund 7000 Meter hoch, doch die Verwitterung hatte zwischenzeitlich Schicht um Schicht abgetragen und dadurch die Erze und Mineralien zu Tage gefördert, für die das Gebirge seine Bekanntschaft erlangt hat. Die wissenschaftliche Erklärung für die Entstehung dieser weltweit einzigartigen Mineralienvorkommnisse basiert auf dem Aufeinandertreffen der beiden kontinentalen Platten von Europa und Asien und den damit verbundenen zahlreichen vulkanischen Akivitäten, wo jeweils Magma als Ursprungsmaterial für die unterschiedlichen Gesteinsbildungen freigesetzt worden war.

    Zarenexpertin Irina, die mich beim Ausflug ins Ural-"Gebirge" begleitete, kannte noch eine alternative, nicht auf geologischen Theorien basierende Begründung für die enorme Edelsteinvorkommnisse: Als nämlich der liebe Gott die Erde erschuf und die Edelsteine auf der Welt gleichmässig verteilen wollte, flog er mit den Schätzen in der Hand über Sibirien. Dabei sei ihm so kalt geworden, dass er die Hände in seine Hosentaschen stecken musste und kurzerhand über dem Ural alle Steine auf einmal runterfallen liess. Eine weitere alte, schöne Geschichte aus der Bevölkerung, wie sie uns in den letzten zehn Tagen in Russland immer wieder begegnet sind.

    Als Abschiedsgeschenk überreichte mir Irina dann auf dem Bahnhof von Jekaterinburg noch einen kleinen Jaspinstein, der mir auf meiner weiteren Reise durch Russland Schutz und Glück bringen möge. Um diesen Schutz sollte ich schon eine Stunden später dankbar sein, als vier sturzbetrunkene, äusserst aufdringliche Russen in mein Abteil stürzten, mit einem "gut Freund" auf die Schulter klopftend mich in ihren Kreis zogen und dann um jeden Preis an der "Wodkaparty" teilhaben lassen wollten. Nach einer zur Hälfte im Abteil verschütteten Flasche zogen sie es aber glücklicherweise vor, ihren Rausch erstmal etwas auszuschlafen, begleitet von einem unüberhörbaren Schnarchen (siehe Video).
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  • Moskau putzt sich heraus

    4. kesäkuuta 2017, Venäjä ⋅ ⛅ 11 °C

    Nach 7964 Kilometern auf Schiene, einer letzten Nacht im Bett des Schlafwagens, wo um vier Uhr morgens bereits die Sonne durch das Fenster hinein blinzelte, trafen wir auf die Minute genau in Moskau ein.

    Schon eine Stunde ausserhalb dieser Grossstadt reihte sich Hochhaus an Hochhaus, gebaut im typischen, schnörkellos schlichten Stil des Kommunismus der zweiten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts. Es war damals kein Wohneigentum der darin lebenden Bevölkerung, der Staat hatte sie erstellt und teilte ihr die Wohnungen zu, welche dann höchstens innerhalb der Familien weitergegeben werden konnten, ansonsten aber wieder an den Staat zurück gingen für die Nächsten auf der Warteliste. Erst in den Neunzigerjahren, mit dem Zerfall des Kommunismus in der Sowjetunion wurde das Privateigentum für Wohnraum eingeführt. 12 Millionen Menschen leben heute offiziell in Moskau, 14 Millionen sind es scheinbar inoffiziell.

    Welch ein Kontrast zu diesen grau-beigen, quadratischen, mehrfach nebeneinander kopierten Wohnblocks dann im Stadtzentrum. Für die riesige unverkennbare Kremlanlage, die plötzlich vor uns auftauchte, und mit ihren mächtigen roten Mauern und Türmen, hoch über dem der Stadt den Namen gebenden Flusses Moscow, einen überwältigenden Anblick bot, zeichneten italienische Architekten verantwortlich. Diese waren aufgrund einer damals geschickt eingefädelten Ehepolitik der Zarendynastie ins Land gekommen und bauten diesen bekannten Befestigungsring um den Regierungssitz.

    Gleich daneben, in einem noch grösseren Kontrast zur im Vergleich dazu richtig trostlos erscheinenden Architektur des Kommunismus, die Basilius Kathedrale, mit den bekannten Zwiebelkopftürmen in den leuchtenden Farben blau, grün und weiss. Auch wenn zwischendurch noch Gottesdienste in einem der Türme stattfinden, wird dieses Wahrzeichen von Moskau heute vor allem als Museum für die Ikonenmalerei Russlands verwendet. Es hatte für mich etwas Ehrfürchtiges, am frühen Morgen des Pfingstsonntages durch die so wunderschön ausgeschmückten Hallen der Kathedrale zu laufen und die farbenstark gestalteten, goldig leuchtenden Bilder der Märtyrer und Heiligen auf mich wirken zu lassen.

    Als dritter Architekturstil fielen mir auf der nachmittäglichen Stadtrundfahrt noch die Bauten Stalins auf, der es liebte auf allen Gebäuden noch irgendwelchen Statuen oder Verschnörkelungen zu platzieren. Dieser tyrannisch herrschende Regierungschef, der durch seine politischen Säuberungen soviel Leid über Russland brachte, aber trotzdem immer noch eine Beliebtheit zu geniessen scheint, leitete grosse Bauprogramme in Moskau, um in dieser so schnell wachsenden Stadt, viel Wohnraum zu schaffen.

    Der Übergang mag nun etwas abrupt sein: Auch Staatspräsident Vladimir Putin lässt gegenwärtig in Moskau überall die Baumaschinen auffahren. Die grossen Boulevards werden über Kilometer neu belegt, die öffentlichen Plätze saniert und nebst der Basilius Kathedrale entsteht gar eine neue, riesige Parkanlage. Ein Bauprogramm, das jedoch exakt heute in einem Jahr fertig sein muss, denn dann startet in Russland die Fussball-WM 2018 und für diesen Prestigeanlass putzt sich das Land gerade unübersehbar heraus, nicht nur in Moskau.
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  • Besuch im Kreml

    5. kesäkuuta 2017, Venäjä ⋅ ⛅ 13 °C

    Vielleicht sind es die vielen spannenden Agentenromane aus seinem Umfeld, die ich gelesen habe oder die Kindheitserinnerungen an den kalten Krieg, wo er für mich immer gleichbedeutend war, mit dem wohl am strengsten bewachten Ort der Welt und dem Machtzentrum der Sowjetunion, die für mich auch heute noch den Kreml mit einer geheimnisvollen Aura belegen. Längst ist er jedoch zu einer touristischen Attraktion jedes Moskaubesuchs geworden. Seit dem Tode Stalins in den Fünfzigerjahren kommt man nach dem Passieren von ein paar normalen Security-Checks, wie sie heute in der Welt ja fast überall üblich sind, problemlos hinter die fast zweieinhalb Kilometer langen Mauern, welche diesen von den Zaren erbauten Regierungssitz umgeben.

    Heute ist es nur noch der Amtssitz des russischen Präsidenten, den man mit etwas Distanz begutachten muss. Alle übrigen Gebäude sind für die Bevölkerung geöffnet und laden zum Besuch ein. Vladimir Putin arbeite jedoch lieber in seiner Datscha (den russischen Ferienhäuser in den Wäldern ausserhalb der Stadt), was ein Geschenk sei, wie unsere Führerin beim Rundgang durch den Kreml erklärt, denn so würden die Strassen nicht wie bei den früheren Präsidenten täglich gesperrt, wenn er zur oder von der Arbeit heimfahre und damit das morgen- und abendliche Verkehrschaos in der Stadt verstärkt.

    Nebst den vielen Kathedralen und dem riesigen Kremlpalast, den man aus dem Fernsehen von den kommunistischen Parteitagen mit den tausenden von Parteifunktionären noch kennt, ist es vor allem die Rüstkammer, wo sich ein Besuch lohnt. Es ist eine Schatzsammlung aus einem halben Jahrtausend der russischen Geschichte. Kleider, Schmuck oder Möbel; alles immer mit Gold und Edelsteinen aus der ganzen Welt verziert, mit denen die Fürsten und Zaren ihren enormen Reichtum demonstrieren, präsentieren sich in den Hallen und sind alle mit irgendwelchen spannenden Anekdoten belegt. Wie etwa die wunderschöne aus einem südeuropäischen Königreich geschenkte Kutsche mit den kunstvollen Schnitzereien, deren Herstellung wohl tausende von Stunden Arbeit verschlang, jedoch zum Wenden einen so grossen Radius beanspruchte, dass sie völlig unpraktisch war und nie zum Einsatz kam. Wahrscheinlich ging es aber auch weniger darum, als um das Präsentieren dieses Schmuckstücks, war es scheinbar zu Zarenzeiten üblich, jedes Geschenk mit einem doppelt so teuren zu verdanken.

    Nachdem die Russen in den letzten zwanzig Jahren schrittweise die Erinnerungen an die siebzig Jahre Kommunismus haben verschwinden lassen, Städte wie Leningrad, Stalingrad, usw. wieder umbenannten, Hammer und Sichel oder die UdSSR-Schriftzüge von den Gebäuden und Denkmälern verschwanden, begann sich wieder eine sehr reiche Oberschicht zu bilden, welche sich der Reichtümer dieses Landes zu bedienen begann. Der Prunkt im am Nachmittag noch besuchten berühmten Luxuskaufhaus Gum mit allen teuren Labeln aus der ganzen Welt, das unmittelbar an den Roten Platz angrenzt und die Vielzahl der dort vorfahrenden schwarzen Luxuslimousinen lassen den Gedanken aufkommen, dass sich in Russland der Kreis der Geschichte somit offenbar wieder geschlossen hat.
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  • Wieder zuhause

    6. kesäkuuta 2017, Sveitsi ⋅ 🌧 13 °C

    Meine Reise endet mit diesem letzten Blogeintrag. Dankbar und glücklich über das Erlebte auf dieser so faszinierenden und gut verlaufenen Reise bin ich 18 Tage nach meinem Abflug heute wieder in Zürich eingetroffen, und es braucht nun gar keine weiteren Worte mehr, ausser einem Dankeschön an euch alle für das Interesse an meinen Blog und die vielen positiven Reaktionen dazu, sowie einem ganz grossen «Thank you» an meine vier Freunde Amanda, Kersty, John und Chris aus Australien, mit denen ich dieses tolle Erlebnis teilen durfte: We had a great time together and I will miss you...Lue lisää

    Matkan lopetus
    6. kesäkuuta 2017