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  • Day 1

    Ein paar Bildungslücken

    October 19, 2017 in Serbia ⋅ ☀️ 21 °C

    Vor ein paar Wochen bin ich für eine Konferenz von verschiedenen Startup-Unternehmen nach Belgrad eingeladen worden. Da ich selber gerade eine Idee aushecke und noch nie in einem Land des früheren Jugoslawien war, bot dies nun die ideale Gelegenheit, der Hauptstadt Serbiens einen (kurzen) Besuch abzustatten und einen weiteren Flecken auf meiner Europakarte der besuchten Länder zu markieren.

    Vom Hörsaal an der Hochschule St. Gallen, wo ich den Tag hindurch noch über Herausforderungen von Startups unterrichtete, ging es gleich Richtung Flughafen Zürich. In meinem Kopf war Serbien ein „typisches europäisches Land“, wie unsere Nachbarländer auch, und so schenkte ich der Vorbereitung nicht besonders viel Aufmerksamkeit, realisierte dann aber auf dem Flughafen gleich, dass ich da schon noch ein paar Bildungslücken habe und nicht mehr ganz à-jour bin.

    Schnell noch ein bisschen Bargeld holen. Euros sind es scheinbar nicht, sondern RSD war auf der Tafel des Wechselschalters zu lesen. Und so fragte ich meine Unkenntnis verbergend nach „Devisen für Serbien“ und bekam darauf ein paar tausend „Serbische Dinare“ ausgehändigt. Nach dem Einchecken ging‘s dann zum Gate D. „Wieso muss ich eigentlich durch den Zoll und erhalte gar einen weiteren Stempel in meinen Pass“, fragte ich die Beamtin erstaunt, die mich daraufhin fast ein bisschen auslachte. „Darüber haben Sie doch abgestimmt“. Ach so, die Schengenraum-Erweiterung. Und als ich nach der Landung meine Mails nicht abrufen kann, weil ich auf meinem Mobile nur ein Datenpaket für den EU-Raum aktiviert habe, realisiere ich, dass ich auch hier von einer falschen Annahme ausgegangen bin, Serbien gehört auch nicht zur EU!

    Höchste Zeit mich auch politisch wieder auf den neusten Stand zu bringen: Serbien möchte offensichtlich schon lange gerne der EU und dem Schengenraum beitreten, aber die Kriegsverbrechen in den 90er-Jahren und die vorerst fehlende Kooperation mit dem Tribunal in Den Haag führte zum Veto einiger EU Staaten. Zwischenzeitlich, nach der Auslieferung der schlimmsten Kriegsverbrecher, sind die Verhandlungen mit der EU in Gang bekommen und Serbien hofft gemäss Wikipedia, 2020 in die EU aufgenommen zu werden. Ob das alle so sehen? Mein Taxifahrer, der mich vom Flughafen ins Hotel fuhr, sicher nicht. „Brüssel isch Mafia“, wiederholte er mindestens fünf Mal auf der fünfzehnminütigen Fahrt ins Stadtzentrum, in fast perfektem Schweizerdeutsch, gelernt in seinen zwei Jahren als Saisonier auf der Klewenalp, in dem Hotel, wo ich kürzlich übernachtete. Die Welt ist klein!
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