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- Sunday, March 26, 2023
- ⛅ 28 °C
- Altitude: Sea level
Nordpazifik0°30’7” N 81°49’19” W
Wie ich als 1. den Äquator überquerte

Ich wühle mich gerade mal wieder in Moll durch das Werk der Beatles, als der Kapitän per Durchsage bekanntgibt, dass wir um genau 19 Uhr 32 den Äquator überqueren werden und alle herzlich eingeladen sind, dem auf der Brücke beizuwohnen. Die älteren Herrschaften lassen überhastet ihre halbleeren Champagnergläser stehen und eilen – wie man halt in dem Alter so eilt – die Treppen nach oben zur Brücke. Das passt mir sehr gut, so kann ich nämlich das Gespiele einstellen und ebenfalls das Weite suchen.
Wenn alle auf der Brücke sind, dann ist mir das dort zu viel Mensch auf zu wenig Raum, also entschließe ich mich, aufs Vorschiff zu gehen - in der Hoffnung, dass es da nicht ganz so voll ist.
Und siehe da, als ich die schwere Tür nach vorn öffne, sehe ich zu meiner Überraschung erstmal nichts.
Alles komplett dunkel und kein Mensch da. Perfekt. Ich stelle mich Kate-Winslet-mäßig an die Spitze des Bugs (nein, ohne ausgebreitete Arme) und warte, bis sich meine Augen an die Dunkelheit gewöhnen. Das Meer ist ruhig, kaum Wind. Wir gleiten übers Wasser wie dieser Henkeltopf beim Curling. Direkt über mir leuchtet ein Drittel Mond in Gesellschaft von sehr hübsch angeordneten Sternen. Rechts, am Horizont Richtung Küste, blitzt es wie wild vor sich hin. Dazu dringt nur ein Hauch des sonoren Schiffsbrummens an mein Ohr, sonst absolute Ruhe.
Und während ich mich nicht entscheiden kann, ob diese Querung jetzt nun etwas sehr feierliches oder doch eher banales Koordinaten-Kino ist, bläst plötzlich das Schiffshorn mitten in die Stille und mich fast über Bord vor Schreck. Tuuuuuut! Jetzt sind wir also drüber über die dickste Stelle unseres Planeten, wieder auf der Nordhalbkugel. Und ich hier vorn am Bug als allererster.
Ich male mir aus, dass unser Schiff das erste wäre, das diese tollkühne Überfahrt wagt, und da keiner so genau weiß, was dabei eigentlich passiert, hat man den Pianisten erstmal vorn am Bug festgebunden und schaut gespannt, ob er bei Erreichen der ominösen Linie verglüht, zu Staub zerfällt oder sich nach wie vor adäquat verhält. 😉
Mond, Sternen und Gewitter sind meine Gedankenspiele natürlich völlig gleich, sie machen ungerührt weiter mit dem, was sie am besten können. Und auch für den Pianisten ist es an der Zeit, sich wieder an seinen Flügel zu schleichen, denn wenn sich gleich die ersten Brückenbesucher an ihre überstürzt zurückgelassenen Champagnergläser erinnern, werde ich schon wieder dasitzen und Beatles spielen. In Moll.Read more