• Unsanft geweckt in Kiel

    18 januari 2024, Tyskland ⋅ ☀️ 1 °C

    Das Telefon auf meiner Kabine klingelt, mein Chef. „Stefan, ich brauch dich sofort an der Gangway“. Ich hab zwar im Halbschlaf das Anlegemanöver in Kiel mitbekommen, mein Wecker sollte aber erst eine halbe Stunde später klingeln. Also werf ich mir schnell was über und gehe zum Ausgang des Schiffes und auf dem Weg dorthin innerlich mein Sündenregister durch.
    Dort sind schon fast alle Crewmitglieder versammelt, die heute aussteigen. Sehen alle ähnlich munter aus wie ich.
    Gemeinsam trotten wir rüber ins Hafenterminal.
    Immigration.
    Die Damen und Herren von der Bundespolizei mustern streng jeden einzelnen von uns. Pässe werden minutenlang überprüft, mit wichtiger Miene gegen das Licht gehalten. Ich glaube, sie sind da einer ganz heißen Sache auf der Spur. Ein Schiff, das wochenlang an unterschiedlichen Häfen innerhalb der EU anlegt und wieder ablegt, das riecht doch schon nach Kriminalität.

    Wie durch ein Wunder gibt es am Ende aber doch nichts zu beanstanden und jeder geht mehr oder weniger verschlafen zurück auf seine Kabine, um seine Sachen zu packen.

    Ich mache das auch, bringe anschließend meine Rettungsweste zurück auf die Brücke und setze mich ein letztes Mal auf meinen Lieblingsplatz auf Deck 8, von wo aus sich mir die Ostsee in den letzten zwei Wochen so unterschiedlich präsentiert hat. Mal steinhart gefroren, mal spiegelglatt und manchmal auch ein bisschen aufgewühlt.
    Hier im Hafenbecken von Kiel tut sie heute morgen allerdings ganz brav. Dahinter sehe ich das Hotel, in dem meine Reise begann. Vielleicht steht da schon irgendwo der neue Ozeanpianist am Fenster und macht sich so seine Gedanken, wie der erste Tag an Bord laufen wird.

    Für 10 Uhr ist der Klavierstimmer einbestellt und ich bin froh, dass er schon ein paar Minuten eher da ist, da die genaue Schilderung der Tastenprobleme an meinem Flügel die letzte Aufgabe für den Herrn Flügel an Bord ist, bevor er sich in den nächstbesten Zug nach Berlin und damit zurück in die andere Welt wirft.

    Schräg gegenüber im ICE wird Sarah Connor sitzen und ehe ich mich überwinde, ihr zu sagen, dass ich ihre Songs mag, wird sie auch schon wieder verschwunden sein. Aber das weiß ich ja jetzt noch gar nicht, mit meinem Kaffee in der Hand, in meinen letzten Minuten hier auf der Hanseatic Nature.

    Der Abschied ist herzlich und ich freu mich drauf, diesem Abenteuer noch einige weitere folgen zu lassen. Ich bin unfassbar dankbar, dass ich die Möglichkeit hab, auf diese Art und Weise einige Wochen im Jahr zu verbringen.
    Was für ein Geschenk.

    ... und die nächste große Reise dieser Art leuchtet bereits am Horizont.
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