• Schmeisst den Ozeanpianisten raus!

    14 марта, Philippine Sea ⋅ 🌧 14 °C

    Ich spiele hier in der Regel täglich dreimal eine Stunde Klavier. Dabei überlege ich mir vorher grob, welche Lieder/Stücke/Melodien ich streifen will - quasi meine Setlist ohne feste Reihenfolge - und dann spiele ich mich da so durch.

    Normalerweise klappt das echt gut.
    Gestern Abend wollte das allerdings plötzlich so gar nicht mehr funktionieren.

    Es gibt ja so Momente, da klappen selbst die einfachsten Abläufe nicht mehr. Und wenn es in den langen 60 Minuten des letzten Sets eine 50/50-Chance gab, welcher Akkord der nächste, welcher folgende Melodieton der richtige sein könnte, so lag ich mit beeindruckender Konsequenz daneben.

    Inmitten meiner Kakophonie kam dann auch noch der Pianist der Bordband vorbeigeschlendert. Wahrscheinlich ist er anschließend direkt auf seine Kabine gejoggt und hat einen Brandbrief an die Reederei in Hamburg verfasst, dass der Ozeanpianist ja mal gar nichts kann und im nächsten Hafen doch besser ersetzt werden sollte.

    Mit diesem etwas unguten Gefühl bin ich also gestern Abend in meiner Koje verschwunden und hab mich von den Wellen in den Schlaf wiegen lassen.

    Heute, am Seetag, sieht die Welt schon wieder besser aus und ich bin zu der Überzeugung gelangt, dass dieses Tal wohl hin und wieder durchschritten werden muss und es anderen womöglich auch so geht. Trotzdem schnappe ich mir meine Kopfhörer und gehe in den Rauchersalon auf Deck 4.
    Denn dort steht ein E-Piano, das zu Übungszwecken genutzt werden kann, während alte Herren in schweren Ledersesseln an ihren Cohibas rumpulen.

    In diesem Falle gefährdet Üben tatsächlich die Gesundheit, tut mir mental aber sehr gut, weil doch ein paar der hart vermissten basic skills zurückgekommen zu sein scheinen.

    Und so bereite ich meine Sets heute noch ein bisschen gewissenhafter vor als sonst, und während unser Schiff über den offenen Pazifik gen Süden zum nächsten Hafen schaukelt, spiele ich den Leuten feinste Klaviermusik an die Ohren.

    Ha, Bandpianist! Guck mal, Melodie im Bass und geile Chords drüber. Jetzt hast du deinen Brief gestern ganz umsonst geschrieben.
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