Von Tokio nach Los Angeles

marts - april 2025
  • Herr Ozeanpianist
Freundlich lächelnd Klavierspielen zu können, das öffnet mir mal wieder die Tür für Abenteuer fernab dessen, wo sich mein Leben sonst so abspielt. 5 Wochen geht's erst rund um Japan und dann über Hawaii nach Los Angeles. Læs mere
  • Herr Ozeanpianist

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  • Ab nach Tokio

    8.–9. mar., Japan ⋅ ☀️ 5 °C

    Es ist Samstag Mittag, ich stehe am BER in der kurzen Schlange des Check-In-Schalters von Qatar Airways und kann mich nicht erinnern, schon mal zu so einer entspannten Tageszeit Richtung Schiff aufgebrochen zu sein.

    Nun beginnt sie also wieder, die Zeit der zwei Uhrzeiten auf dem Sperrbildschirm und der zwei Herzen in der Brust:
    Mein Familienherz, das die Tage bis zum Wiedersehen zählt und mein Entdeckerherz, das schon ganz vorfreudig dem Moment entgegenpocht, wenn der Fernsehturm unter der Wolkendecke verschwindet.

    Sieben Wochen werd ich diesmal weg sein.
    Einmal die ganze Welt umrunden, immer gen Osten. Das erste Drittel der Strecke wird rasend schnell gehen - schon in 18 Stunden steige ich in Tokio aus dem Flugzeug.
    Danach geht es deutlich gemächlicher weiter.

    Der Rahmen ist gesetzt, seit anderthalb Jahren ist der Blocker „Schiff Tokio —> LA“ im Kalender. Jetzt soll Stück für Stück, Tag für Tag ein Abenteuer daraus werden.

    Dass Langstrecke in der Holzklasse eng und unbequem ist, wenn man größer als eins-fünfzig ist, muss hier nicht extra ausgebreitet werden. Die drei Stunden nächtlicher Aufenthalt in Doha tun mir gut. Ich laufe mich so richtig müde - in der Hoffnung, auf dem zweiten Flug ein bisschen schlafen zu können. Tatsächlich klappt das sogar für ein paar Stündchen, nachdem ich mir "Oppenheimer" angeschaut hab. Ein Film, der mich schon in wenigen Tagen nochmal so richtig einholen wird.

    Als wir in Tokio landen, geht die Sonne gerade unter. Seltsam, dass das hier vormittags passiert, denkt mein Körper. Das werden matschige Tage werden jetzt, aber das gehört ja irgendwie auch dazu.
    Alles ist wie immer sehr gut organisiert, schon eine knappe Stunde später bin ich auf meinem Hotelzimmer. Highlight: Die japanische Toilette. Was ist das denn bitte!?
    Nach intensivem Studium der Bedienungsanleitung muss ich natürlich alle Knöpfe mal ausprobieren. Uh! Oh? Aaah!😊

    Da morgen bereits um 7 Uhr der Shuttlebus zum Schiff geht, leg ich mich dann recht bald aufs Ohr. Getting ready for Embarkation Day.
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  • Werde von diesem freundlichen Herren an Bord begrüßt.😉Vorfreude, gleich geht's los

    Im fremden Wigwam

    10. marts, Japan ⋅ ☀️ 12 °C

    Huch, so viele Leute stehen hier mit ihren Koffern in der Lobby? Wollen die auch alle aufs Schiff? Und die reden ja so lustig, was ist das? Aah, Wien! Klarer Fall:
    Die Bordband steigt neu auf.

    Traditionell ist dieses Gewerk fest in österreichischer Hand. Das war schon vor zehn Jahren so, als ich zum ersten Mal dabei war. "Mei, i hob mei Üb-Schalldämpforn zu Haus vergessn!" Klingt es aus der Busreihe hinter mir. Hihi.

    So früh zum Schiff loszufahren ist ungewöhnlich, aber als klar wird, dass der Hafen noch rund 80(!) Kilometer entfernt ist, macht das wiederum Sinn.

    Tokio - das sind eigentlich sechs Städte, die aufeinander zugewachsen sind im Laufe der Zeit und nun einen riesigen Ballungsraum bilden. So richtig was sehen von der größten Stadt der Welt kann ich nicht, außer sehr viele Autobahnen und rot-weiß-lackierte Strommasten.

    Bei letzteren sticht dem Nerd sofort die aufwendige Bauweise ins Auge. Brücken, Gebäude, Masten - alles ist hier so konstruiert, dass es im Bedarfsfall fröhlich vor sich hinschwingen kann. Im erdbebenreichsten Land der Welt sicher eine gute Idee.
    Ich bin echt nicht scharf darauf, eins zu erleben, aber wenn ich es mir aussuchen könnte, dann lieber hier als anderswo.

    Während ich also auf der gut zweistündigen Fahrt durch die montägliche Rush Hour noch gespannt aus dem Fenster gucken und Eindrücke dieser fremden Welt sammeln kann, ist es mit Betreten des Schiffes schlagartig vorbei mit der Besinnlichkeit.

    Da das ja irgendwie jedes Mal so ist, hab ich mir diesmal den Arbeitsauftrag erteilt, genau zu checken, wann und warum dieser Tag mich eigentlich so stresst.

    Und hey, ganz ohne emotionale Lupe und Familienaufstellung bin ich zu der Erkenntnis gekommen, dass es einfach mal kacke ist, wenn du nach exakt vier Stunden an Bord schon rausgeputzt am Klavier sitzen und die aufsteigenden Gäste bedudeln sollst, dein Vorgänger aber die Kabine noch gar nicht geräumt hat, sodass du dich nirgends umziehen kannst.
    Darüber hinaus: Egal, nach welcher totsicheren Youtube-Methode du deine Oberhemden in Deutschland in den Koffer komplimentierst, sie sehen nach Ankunft immer aus wie das Gesicht der späten Mutter Teresa.
    Also musst du auch erstmal noch die Crew Laundry finden, um dein Hemd zu bügeln.

    Kommt auf die To-Do-Liste, denn erstmal musst du deine Rettungsweste abholen und dir vom Safety Officer auf einer anderthalbstündigen Runde durchs Schiff nochmal erklären lassen, wo die Rettungsboote sind (Spoiler Alert: Deck 8) und dass der Arm ab ist, wenn du ihn in eine sich schließende Watertight Door hältst.
    Mal im ernst, hat das echt schon mal jemand gemacht? Ich meine, das Ding blinkt, piept und bewegt sich ohnehin nur, wenn du vorher auf der Brücke angerufen und um Erlaubnis gefragt hast.

    Noch anderthalb Stunden bis die Gäste vom Flughafen ankommen und ich sie mit Klaviermusik begrüßen soll. Mein Vorgänger ist zwar jetzt weg, die Kabine aber noch hart verwohnt und .. ich formuliere es mal so .. klar als fremdes Territorium markiert - egal, welchen Sinn ich befrage.

    Kein Vorwurf, auf diesen sechs Quadratmetern haust man halt hier an Bord und meinem Nachfolger wird es bestimmt ähnlich gehen, falls zwischen meiner Abfahrt und seiner Ankunft nicht die chemische Grundreinigung steht, die ich Freund wie Feind in dieser Situation wünsche.

    Und die Reinigung steht auch irgendwann bei meiner Kabine an, nur - ihr ahnt es - jetzt gerade irgendwie nicht. Ich ziehe mich also notgedrungen in diesem fremden Wigwam um und stelle anschließend meine Koffer wieder auf den Gang, damit der Generalsanierung während meiner Abwesenheit nichts im Wege steht.

    Die folgenden Stunden verbringe ich fröhlich lächelnd am Flügel. So lange wie heute werd ich höchstens noch einmal spielen, wenn in 17 Tagen die nächsten Gäste aufsteigen.

    .. oder natürlich, wenn das Schiff seeehr langsam sinken sollte, was der Bordpianist ja traditionell musikalisch untermalt. 😉

    Als alle an Bord sind, fackeln wir auch gar nicht lange: Leinen los, dreimal irre lautes Blöken des Schiffshorns (muss das wirklich sein?) und dann gleiten wir sanft aus dem Hafenbecken.

    In den vor uns liegenden zwei Wochen werden wir zahlreiche Häfen in Japan und Südkorea anlaufen, ehe wir dann hier in Tokio neue Gäste an Bord nehmen und den Pazifik überqueren.
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  • Tag auf See

    11. marts, Philippine Sea ⋅ 🌙 17 °C

    Einen Vorteil hatte der ereignisreiche Aufstiegstag gestern:
    Ich hab geschlafen wie ein Baby.
    Gleich morgens um neun gibt es heute einen Crew-Drill. Da wir in wenigen Wochen in die USA einreisen und die Behörden dort bekannt sind für ihre strikten Kontrollen, gibt es in den kommenden Tagen mehr Übungen an Bord als sonst. Für mich gibt es da immer nicht so viel zu tun, aber anwesend sein und höchst hilfsbereit aussehen muss ich.
    Das kann ich.

    Anschließend höre ich mir im Theater die Vorstellung aller Landausflüge dieser Reise an. Von den Expeditionsschiffen kenne ich es ja, dass man als Crew auch Ausflüge begleiten kann. Ich bin jetzt erstmal davon ausgegangen, dass das auf diesem größeren Schiff nicht so ohne weiteres möglich sein wird, aber zu meinem Glück gibt es auch hier im Büro der Touristik eine Wunschliste, in die man sich eintragen kann.

    Da das Schiff maximal ausgelastet ist, weil diese Japan-Reise in der Coronazeit ausgefallen ist und nun sowohl Gäste an Bord sind, die das nachholen als auch solche, die erst kürzlich auf die Idee gekommen sind, dass das hier spannend sein könnte, werde ich von der Touristik dankbar empfangen.

    Bis zu 18 Ausflüge laufen in den nächsten Wochen parallel am Tag und sie haben gar nicht die (Wo-)Manpower, überall jemanden aus ihren Reihen mitzuschicken.

    Und so verbringe ich den verbleibenden Tag mit Rumrennen auf'm Laufband, über Ausflugswünsche nachdenken und natürlich auch ein bisschen mit Klavierspielen.
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  • berühmter Holztempel hinter berühmter Steinmauer
    7 Japaner buddeln ein LochPianistenregel #1Rrrr!Auch ne schöne Naseab auf die Arbeit - Arbeitsweg: 42 Sekundender Lotse geleitet uns wieder raus aus'm Hafen

    Der Tempel von Himeji

    12. marts, Japan ⋅ ☀️ 17 °C

    Ein nicht ganz unbedeutender Vorzug des Arbeitens auf diesen Luxusschiffen ist zweifelsohne das leckere Essen.
    Da das Schiff ja aber aus allen Nähten platzt, gab es an meinem geliebten Embarkation Day zwischendurch auch noch die Ansage vom Cruise Director, dass alle Musiker doch bitte in den kommenden zwei Wochen wie der Rest der Crew im Maschinenraum rohe Kartoffeln essen sollen.

    .. naja, ganz so schlimm ist es nicht, aber vom Fünfsterneplus-Buffet zu eher unterdurchschnittlichem Kantinenessen in der Crew Mess, das hat schon eine gewisse Fallhöhe.

    Und so steht beim ersten Hafen der Reise heute nicht nur auf meinem Zettel, zu Fuß die Gegend zu erkunden und ein paar schöne Fotos zu machen, sondern auch, mir ein bisschen japanisches Fertigessen zu besorgen, um den Kühlschrank meiner Kombüse zu füllen.

    Der Shuttlebus vom Hafen wirft uns direkt am Bahnhof des Städtchens raus. Der ist erstaunlich groß, weil er im Grunde aus zwei Bahnhöfen besteht: Einer für den normalen Bummelzugverkehr und parallel dazu der separate Bahnhof für den Shinghansen, den berühmten japanischen Schnellzug.

    Sehen kann man den leider nicht von hier unten, da er im Bahnhofsbereich liebevoll ummantelt und auch sonst auf hohen Stelzen durch die Gegend jagt.

    Och schade.
    Der Teil von mir, der mal ein paar Semester Verkehrswesen studiert hat und sich für derlei nerdigen Kram interessiert, hätte schon gern mal einen Shinghansen gesehen.

    Dafür höre ich immerhin just in dem Moment einen durchrauschen, als ich die Gleise unterquere. Woa, wie ein Düsenjet klingt das!

    Dass meine kindliche Freude darüber von den umstehenden Japanern nicht geteilt wird, macht mir gar nichts aus. Ich hab einen echten Shinghansen gehört, Leute! Was soll denn jetzt noch kommen im Leben? Ich kann doch eigentlich direkt wieder nach Hause fliegen.😉

    Während ich jenseits des Bahnhofs einmal um den berühmten weißen Holztempel schlendere, für den die Stadt Himeji bekannt ist, wage ich ein paar tollkühne Gedanken:

    Es ist jetzt noch nicht mal 11. Ich muss erst zur Tea Time um 16 Uhr wieder am Flügel sitzen und so tun, als würde ich Chopin spielen.
    Wenn ich jetzt mal eben mit dem Schnellzug in die Nachbarstadt und zurück düse, das sollte doch .. das könnte doch eigentlich...

    Und so stehe ich wenig später wieder in der Bahnhofshalle am Fahrkartenautomaten. Ich sehe wohl deutlicher hilfloser aus, als ich mich in meiner Abenteuerlust fühle, denn nach wenigen Augenblicken kommt eine sehr freundliche Bahnhofsangestellte und hilft mir beim Lösen der Tickets.

    Ein bisschen lachen muss sie schon, als ich ihr zu verstehen gebe, dass ich wirklich nur eine Station in die eine Richtung und dann sofort wieder zurück will.
    Aber schließlich halte ich für umgerechnet 16 Euro zwei kleine Papierstreifen in der Hand, die mir Zugang zum separaten Highspeed-Train-Terminal gewähren sollen.

    Auch so eine Art Tempel, denke ich.
    Drei Rolltreppen später stehe ich fasziniert auf dem Bahnsteig.

    Wie ich es schon vom Schnellbahnsystem in Taiwan kenne, sind die Bahnhöfe rechts und links der eigentlichen Strecke angeordnet, so wie Raststätten auf einer Autobahn. Züge, die nicht halten, donnern also nicht direkt am Bahnsteig, sondern in vollem Tempo auf den Mittelgleisen vorbei. Was für ein Spektakel!

    Meine Reise in dem schnabeligen Ungetüm, das innen eher wie ein Flugzeug anmutet mit seinen kleinen runden Fenstern, dauert dann zwar nur jeweils 9 Minuten, diesen Tiefflug durch die japanische Hügellandschaft genieße ich aber in vollen Zügen (haha), mit klopfendem Herzen und breitem Grinsen.

    Mit Klebereis-Tütchen in allen erdenklichen Geschmackssorten im Rucksack geht es dann überpünktlich zurück aufs Schiff.

    "Na, wie fandest du es in der Stadt? Toller Tempel, ne?"
    "Absolut beeindruckender Tempel. Wie die das konstruiert haben, krass."

    ..dass wir von völlig unterschiedlichen "Tempeln" sprechen, muss ja keiner wissen. 😊
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  • Schiff mal von oben, ganz ohne DrohneFinde den BaumOsaka gewinnt sicher nicht den Preis für die grünste StadtMmmmittag!😊viele Menschen auf Fahrrädern unterwegsMondwein

    Drill unterm Riesenrad

    13. marts, Japan ⋅ ☀️ 17 °C

    In der Regel fährt das Schiff nachts von einer Destination zur nächsten und legt dann in den Morgenstunden an.
    Ein Vorgang, den ich beim besten Willen nicht verpassen kann, da ich quasi direkt über’m Bugstrahlruder schlafe.
    Und wenn das Teil angeworfen wird, um das Schiff seitlich an die Pier zu schieben, wackelt meine ganze Bude, obwohl ich hier (anders als auf den Expeditionsschiffen) auf Deck 7 und somit relativ weit oben wohne. Sogar ein hübsches kleines Bullauge Richtung Bug schmückt meine vier Wände. So sehe ich als allererster, wenn wir einen Eisberg rammen, yeah!

    Vom Anlegemanöver tüchtig durchgeschüttelt, trete ich auf den kleinen Crewbalkon, der direkt vor meiner Kabine liegt und krieg erstmal einen ziemlichen Schreck, weil fast direkt über meinem Kopf die Gondeln eines mächtigen Riesenrads hängen. Auch sonst sieht es hier ziemlich bunt und lebhaft aus. Willkommen in Osaka, der drittgrößten Stadt Japans.

    Zeitlich limitiert in meinen Erkundungen durch den Arbeitsbeginn um 16 Uhr, versuche ich morgens immer recht früh von Bord zu kommen. An der Gangway werde ich jedoch zurückgewiesen.

    "Nice try, pianist.. Heute proben wir den General Alarm im Hafen. Da kannst du nicht einfach rausgehen." Verächtlicher Blick.

    Natürlich hatte ich das am Aushang gelesen, aber da dort nur was von "drill for remaining crew on board" stand, dachte ich, dass ich mich einfach vorher aus dem Staub machen und eben nicht "remaining crew on board" sondern "exploring ocean pianist on shore leave" sein könnte.
    Falsch gedacht.

    Bei einem Notfallszenario im Hafen können natürlich nur diejenigen Crewmitglieder helfen, die nicht gerade Apfelsaft im nächsten Supermarkt einkaufen sind. Mindestens 126 von 370 müssen das zu jedem Zeitpunkt sein. .. also an Bord, nicht Apfelsaft einkaufen. Proben müssen diesen Ernstfall heut aber alle.
    Ist ja auch logisch irgendwie.

    Bis der "Verletzte" endlich die Gangway hinuntergetragen ist, stehe ich mit meiner Rettungsweste unterm Riesenrad, zwischen den ebenfalls rettungsbewesteten Kollegen von Bordband und Fitnessstudio. Im Ernstfall wird’s in meinem Rettungsboot gute Mucke und Stretching vom Feinsten geben, so viel ist sicher.

    Als ich mich schließlich auf den Weg in die Stadt machen kann, ist es schon kurz vor zwölf.
    Bis ins eigentliche Zentrum von Osaka zu laufen, das werd ich jetzt nicht mehr schaffen. Daher besteige ich zunächst das Riesenrad vor der Haustür, um mir aus 110m Höhe mal einen Eindruck zu verschaffen, in welcher Richtung es besonders nett aussieht, ehe ich mich durch die Straßen der näheren Umgebung tragen lasse.

    Ich mag es total, mich an jeder Häuserecke neu zu entscheiden, wo es mich gerade hinzieht. Dabei gibt es eigentlich in jeder Himmelsrichtung Dinge zu entdecken - und seien es nur die aberwitzigen Hochstraßen, die sich quer durch die Stadt und um sich selbst winden.

    Mir fällt auf, dass es außerordentlich viele Fahrräder zu geben scheint. Besonders für ältere Menschen ist das anscheinend das bevorzugte Fortbewegungsmittel. Vielleicht auch ein Teil des Geheimnisses, warum die Lebenserwartung in Japan so hoch ist?

    Da Osaka auf Meeresniveau liegt und wenige echte Erhebungen hat, ist die Stadt bei Tsunamis besonders verwundbar. Daher stehen im ganzen Stadtgebiet Schilder, in welche Richtung man sich bei Ertönen des Alarms begeben soll, um ein sicheres und vor allem hohes Gebäude zu finden.

    Ich stelle mir vor, wie hunderttausende Menschen versuchen, sich in wenige Gebäude zu drängen und denke lieber an etwas anderes. Immerhin hat man zwischen Erdbeben und Tsunami 114 Minuten Zeit. Da schaffe ich doch wohl, mich in meinem Flügel an Bord zu verkriechen.

    Die dreieckigen Klebereis-Klumpen, die ich mir in Himeji gekauft hatte, haben sich als erstaunlich leckere Snacks erwiesen, sodass ich mir auf dem Weg zurück zum Schiff auf jeden Fall Nachschub besorgen will. Ohne die Beschränkungen beim Essen an Bord hätte ich die wohl gar nicht für mich entdeckt. Hat doch alles auch sein Gutes.

    Nach knapp 15km in den Beinen bin ich zurück auf'm Schiff und sinne beim Klavierspielen noch ein bisschen darüber nach, was ich heute alles sehen, erfahren, lernen durfte.

    Schiffsglücklich trink ich zum Feierabend noch ein Gläschen Rotwein in der Sansibar (in die ich eigentlich gerade auch nicht darf, weil volles Schiff, aber das weiß ich zum Glück nicht😉) und schaue der blinkenden Großstadt beim Kleinerwerden zu.
    What a life.
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  • Schmeisst den Ozeanpianisten raus!

    14. marts, Philippine Sea ⋅ 🌧 14 °C

    Ich spiele hier in der Regel täglich dreimal eine Stunde Klavier. Dabei überlege ich mir vorher grob, welche Lieder/Stücke/Melodien ich streifen will - quasi meine Setlist ohne feste Reihenfolge - und dann spiele ich mich da so durch.

    Normalerweise klappt das echt gut.
    Gestern Abend wollte das allerdings plötzlich so gar nicht mehr funktionieren.

    Es gibt ja so Momente, da klappen selbst die einfachsten Abläufe nicht mehr. Und wenn es in den langen 60 Minuten des letzten Sets eine 50/50-Chance gab, welcher Akkord der nächste, welcher folgende Melodieton der richtige sein könnte, so lag ich mit beeindruckender Konsequenz daneben.

    Inmitten meiner Kakophonie kam dann auch noch der Pianist der Bordband vorbeigeschlendert. Wahrscheinlich ist er anschließend direkt auf seine Kabine gejoggt und hat einen Brandbrief an die Reederei in Hamburg verfasst, dass der Ozeanpianist ja mal gar nichts kann und im nächsten Hafen doch besser ersetzt werden sollte.

    Mit diesem etwas unguten Gefühl bin ich also gestern Abend in meiner Koje verschwunden und hab mich von den Wellen in den Schlaf wiegen lassen.

    Heute, am Seetag, sieht die Welt schon wieder besser aus und ich bin zu der Überzeugung gelangt, dass dieses Tal wohl hin und wieder durchschritten werden muss und es anderen womöglich auch so geht. Trotzdem schnappe ich mir meine Kopfhörer und gehe in den Rauchersalon auf Deck 4.
    Denn dort steht ein E-Piano, das zu Übungszwecken genutzt werden kann, während alte Herren in schweren Ledersesseln an ihren Cohibas rumpulen.

    In diesem Falle gefährdet Üben tatsächlich die Gesundheit, tut mir mental aber sehr gut, weil doch ein paar der hart vermissten basic skills zurückgekommen zu sein scheinen.

    Und so bereite ich meine Sets heute noch ein bisschen gewissenhafter vor als sonst, und während unser Schiff über den offenen Pazifik gen Süden zum nächsten Hafen schaukelt, spiele ich den Leuten feinste Klaviermusik an die Ohren.

    Ha, Bandpianist! Guck mal, Melodie im Bass und geile Chords drüber. Jetzt hast du deinen Brief gestern ganz umsonst geschrieben.
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  • Friedensdenkmal "Atomic Bomb Dome"
    über dieser Brücke explodierte die Atombombe in etwa 600m Höhe

    Hiroshima

    15. marts, Japan ⋅ ☀️ 8 °C

    Hiroshima. Vier Silben, die mich erschaudern lassen - erst recht, nachdem "Oppenheimer" auf dem Hinflug mein rudimentäres Wissen rund um das Manhattan Project nochmal aufgefrischt hat.

    Ich hab mir oft versucht, vorzustellen, wie es in Hiroshima wohl aussieht. Vor meinem geistigen Auge verschwammen dann die typischen Bilder, die kurz nach dem Abwurf der Atombombe 1945 entstanden sind - fensterlose Häusergerippe, menschenleeres Chaos - mit modernen Museumsbauten.
    In jedem Fall aber war das Hiroshima meiner Fantasie ein einziges Mahnmal, ein Fingerzeig der Schrecklichkeit, wohin man auch schaut.

    Nun, das echte Hiroshima ist so gar nichts davon.

    Klar, es gibt den Friedenspark und die Ruine der Internationalen Handelskammer, die nicht wieder aufgebaut wurde und als "Atomic Bomb Dome" mahnend am Ufer des Flusses steht.

    Tatsächlich ein gruseliger Anblick.

    Ansonsten aber scheint das Thema Atombombenabwurf in dieser eher durchschnittlich hübschen japanischen Großstadt echt kein Thema zu sein.

    Warum das so ist, das beschäftigt mich all die Stunden, die ich durch die Straßen laufe.
    Vielleicht - so Theorie 1 - ist die Vernichtung von 70.000 Menschen innerhalb einer Sekunde (nochmal 100.000 binnen eines Jahres und unzähligen weiteren durch Spätfolgen bis zum heutigen Tag) ein so unvorstellbares Ereignis, dass es schier nicht auszuhalten ist, sich das immer vor Augen zu halten.

    Möglicherweise fehlt auch schlicht die emotionale Bindung zu den Opfern, wenn ganze Generationen ausgelöscht sind und "neue" Menschen im Nichts einen gesellschaftlichen Neuanfang wagen müssen?

    Auch hat es vielleicht mit der japanischen Mentalität zu tun, Gefühle wie Trauer und Verwundbarkeit nicht offen zur Schau zu stellen und der Welt eher zu zeigen, dass aus den Trümmern des alten Hiroshima ein neues, größeres, besseres entstanden ist.

    Was auch immer es ist, es ist für mich irgendwie seltsam. Und so stehe ich auf der Rolltreppe zur unterirdischen Mall, alles piepst und blinkt und ich bin von diesem unbekümmerten Vibrieren womöglich noch mehr betroffen, als wenn ich den Ort so museumsmäßig-selbstreflektiert vorgefunden hätte, wie ich ihn mir vorher erdacht hatte.

    Vor dem Stand mit den dampfenden Dumplings setze ich mich mal kurz auf eine Bank. Dieser Kloß in meinem Bauch, das ist eine echte, tiefe Traurigkeit.
    Ich trauere um Frauen, Männer, Kinder, Tiere. Um Pläne, Träume, Visionen, um die kleinen familiären Rituale und langjährigen Traditionen, die innerhalb eines Augenblicks für immer ausgelöscht worden sind.

    So absurd mir Schilder wie "Starbuck's Hiroshima" oder "Hiroshima Super Sushi" vorkommen, so sehr weiß ich auch, dass die Welt sich mittlerweile 80 Jahre weitergedreht hat und es meine ganz persönliche Engstirnigkeit ist, hier eine Stadt erwartet zu haben, die sich vorwiegend über den 6. August 1945 definiert.

    Nein, Hiroshima 2025 steht vor allem dafür, was es aus seinem Schicksal gemacht hat - wie so viele andere Orte auf der Welt auch.

    Während ich zurück zum Schiff laufe, denke ich kopfschüttelnd an die aktuelle Diskussion über die nukleare Aufrüstung in Europa.
    Gestatten, Homo sapiens, einzige Spezies, die die beeindruckende Fähigkeit entwickelt hat, sich selbst und den gesamten Planeten auszulöschen. Guck mal: Bumm.

    Außerdem versuche ich, hier im Linksverkehr nicht von einem Auto überfahren zu werden. Weil - so meine Überlegung - wenn meine Enkel irgendwann erzählen, dass ihr Großvater in Hiroshima ums Leben gekommen ist, dann müssen sie immer dazusagen, dass es nicht bei DEM Hiroshima passiert ist sondern bisschen später.
    Das will ich ihnen ersparen.
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  • Kanmon-Brückeder Bürgermeister von TempaiMönch bereitet sich auf unsere Unterweisung vorLöwe, der lange nicht Zähne geputzt hat

    Ausflug mit Überraschungen

    16. marts, Japan ⋅ ☀️ 11 °C

    Auf dem Weg zum nächsten Hafen passieren wir nachts eine spannende nautische Wegmarke. Die Kanmon-Straße an der schmalsten Stelle der Hayatomo-Meerenge ist eine nur 600m breite Durchfahrt, welche die beiden Hauptinseln Honshū und Kyūshū voneinander trennt. Überspannt von der imposanten Kanmon-Hängebrücke mit ihren 141m hohen Pylonen.

    Ich bin zwar am nächsten Tag auf meinem ersten Gäste-Ausflug eingeteilt und kann nicht bis 2 Uhr gespannt an Deck stehen, wache aber zufällig zur rechten Zeit auf, um wenigstens ein Foto durch mein Bullauge zu schiessen.

    Der nächste Morgen beginnt kalt und nass, ohne Aussicht auf Besserung. Da im Mittelpunkt des Ausflugs die "Erlebnis-Wanderung auf den Mount Tempai" steht, bin ich doch sehr froh, meine Regenklamotten eingepackt zu haben. Auch wasserfeste Schuhe hab ich für solche Zwecke eigentlich dabei. Der eine von beiden gibt mir aber bereits nach der ersten Pfütze zu verstehen, dass er das nicht so ernst nimmt. So muss ich heut also nicht nur nach den Gästen, sondern auch genau auf den Weg schauen, weil sich meine linke Socke sonst bei jedem Schritt ins Nasse mit feinstem japanischen Wasser vollsaugt.

    Auch wenn davon auszugehen ist, dass sich die Ausflugsbegleitung nicht groß von der unterscheidet, die ich auf anderen Schiffen bereits erproben konnte, bin ich doch ein wenig aufgeregt. Denn das Touristik-Team hier kennt mich noch nicht und wenn ich nach dem heutigen Tag noch auf weitere Ausflüge mit will, sollte ich hier einen guten Eindruck hinterlassen.

    So stehe ich also überpünktlich mit meiner ausgedruckten Namensliste vor Bus Nummer 10, spreche mit Yuki - unserem lokalen Guide - den Ablauf durch und warte auf die 26 Gäste, die diesen Trip gebucht haben.

    Nach etwa 30-minütiger Fahrt erreichen wir den Wanderparkplatz am Fuße des Hügelchens. Dort erwartet uns schon eine kleine Delegation mit bunten Fahnen, inklusive fein rausgeputztem Bürgermeister. Der kann gar nicht glauben, dass eine Gruppe von Touristen aus dem fernen Deutschland ausgerechnet in sein Örtchen kommt.

    Fukuoka, so erklärt unser Guide später, ist für Japan-Besucher im absoluten Nirgendwo. Erst recht dieses Dorf außerhalb der Stadt hier. Weiter westlich als Hiroshima kommen die Touristen in der Regel nicht.

    Der Bürgermeister gibt sich präsidial, schüttelt Hände und stellt Fragen. Das ist alles sehr rührend und wertschätzend, gleichzeitig aber auch etwas unpraktisch, denn es nieselt und die Gruppe würde sich gern in Bewegung setzen.

    Daraus wird aber erstmal nichts. Yuki kündigt strahlend eine grooße Überraschung an: Wir dürfen vor der Wanderung noch den ältesten Tempel des Ortes besichtigen. "Wow!" - die passende Emotion liefert er am Ende der Ankündigung direkt mit.

    Nun haben die Gäste in den vergangenen acht Tagen allerdings schon so viele Tempel gesehen, dass der ganz große Jubel ausbleibt.

    Dennoch folgen wir den Fahnenträgern, die uns weihevoll zum Eingang des Tempels geleiten. Warte, das soll der Tempel sein? Erinnert mich doch eher an einen Bungalow aus Ostzeiten. Und tatsächlich - "Überraschung!" - ist das NICHT der Tempel, sondern erstmal der Pavillon für die rituellen Teezeremonien, den wir noch VOR dem Tempel besuchen dürfen.

    Das Häuschen ist zu einer Seite offen und gibt den Blick frei auf einen kleinen Teich. Wir sollen uns gründlich die Schuhe reinigen und uns dann alle dort hineinsetzen.

    Ich sehe vor meinem geistigen Auge schon den ersten Opi in den Teich plumpsen, weil die Massen vom Eingang nachschieben.
    Eng aneinandergekuschelt sitzen wir an einer Art Tisch und ich antizipiere bereits hellsichtig die nächste Überraschung: Tee für alle!

    Und tatsächlich schiebt sich eine zierliche Frau zwischen Gruppe und Teich und erklärt feierlich, dass dies hier der Ort ist, wo es normalerweise Tee gibt.
    Punkt. Stille.
    Dann bittet sie uns freundlich wieder raus aus'm Haus.

    Witzigster Ausflug meiner Schiffskarriere bisher, denke ich schmunzelnd, dabei hatte ich den buddhistischen Obermönch noch gar nicht auf der Rechnung, der uns nun vor dem wirklich sehr schönen Tempel empfängt und eine kleine Rede hält, die Yuki für uns ins Englische übersetzt.

    So langsam beginne ich auf die Uhr zu schielen. Die Entertainment Managerin hatte zwar keine Einwände, dass ich mit auf Ausflüge gehe, aber natürlich immer unter der Prämisse, dass ich um 16 Uhr wieder an meinem eigentlichen Arbeitsplatz sitze und Klavier spiele. Ich schaue mich vorsichtig um. Weit und breit kein anderer Tempel zu sehen. Puh.

    Die Zeit der großen Überraschungen ist aber noch nicht vorbei: Wir werden in ein Nebengelass geführt, in dem sich eine Art Klassenzimmer mit aufgereihten Zweiertischen befindet.

    Der Ortsgeistliche ist vorerst verschwunden. Als alle an ihren Schulbänken sitzen, gleitet vorn jedoch eine Schiebetür auf und er ist wieder da. Stellt sich nochmals vor und erzählt, wie er 1989 für ein paar Wochen in Frankfurt/Main gelebt hat.

    Dabei lässt er dem armen Yuki praktisch keine Übersetzungspausen, sodass der sich diese immer mit einem lachenden "Ähhhh" erkämpfen muss. Ich kann bald nicht mehr, das ist so irre komisch alles!

    Schließlich schreitet der Mönch zum Whiteboard und legt so richtig los. "Also Leute, der Buddhismus im Allgemeinen, ..."
    Pfeile, Dreiecke, Kreise...
    Yuki sieht meinen mahnenden Blick zur Uhr und berührt den wasserfall-artig dozierenden Diener Buddhas sanft am Arm, sodass dieser - ich meine etwas beleidigt - den Stift zur Seite legt und uns einen guten Aufstieg auf den Berg wünscht, der dann auch tatsächlich beginnt und so ereignislos und flott vonstatten geht, dass es hier nicht weiter ausgebreitet werden muss.

    Erheitert und pünktlich zurück auf'm Kahn denke ich beim Klavierspielen noch ein bisschen an den putzigen Mönch, der mich in seiner Art doch sehr an meinen alten Chef aus Kirchenmusiker-Zeiten erinnert hat.
    Ihm zu Ehren verpacke ich heut ein paar Kirchenlieder in kleine Pop-Pakete und lasse sie durchs Schiff hallen.
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  • Zurück in Busan

    17. marts, Sydkorea ⋅ ☁️ 5 °C

    Die Nacht haben wir mal wieder genutzt, um Strecke zu machen.
    Bei auffrischendem Wind sind wir im Wienerwalzerschritt einmal quer über's Gelbe Meer getanzt und haben soeben in Busan/Südkorea festgemacht.

    Erneut begleite ich einen Ausflug und komme so in den Genuss, mir die beeindruckende Hafenstadt mal genauer anschauen zu können.

    Ich war hier tatsächlich schon mal, auch wenn das fast 25 Jahre her ist: Mit dem Schulchor bei der Chor-Olympiade. Das war auch aufregend, aber eher wegen der dreieinhalb Chor-Mädchen, in die ich damals heimlich verknallt war. Möglicherweise hab ich auch deswegen so gut wie keine Erinnerungen an diese Stadt.😉

    Daher höre ich gespannt auf das, was unsere Guidin (Guiderine? Guidella?) Mia uns auf den Busfahrten zwischen den einzelnen Stopps so alles erzählt.

    Südkorea hat sich innerhalb weniger Jahrzehnte quasi aus dem Nichts zur zehntgrößten Wirtschaftsnation der Welt entwickelt, und das praktisch ohne eigene Rohstoffe. Alles, wirklich alles muss importiert werden. Bis auf Reis.
    Der Schlüssel zum Erfolg:
    Bildung, Bildung, Bildung.

    Angefangen, erzählt Mia stolz, hat es mit den Haaren.
    In den bitterarmen Jahren nach dem Koreakrieg hat ihre Mutter - wie viele andere Frauen auch - ihre abgeschnittene Haare nicht einfach weggeworfen. Viel zu wertvoll war diese tiefschwarze Pracht, um die viele Menschen auf der ganzen Welt die Asiaten beneiden.

    Haar für Haar wurden in mühevoller Handarbeit Perücken gefertigt, die in die ganze Welt, vor allem in die USA exportiert wurden. Der Beginn des Aufstiegs.

    Das Heimatland von Samsung, LG, Kia, Hyundai und vielen anderen Tech-Giganten hat eine Alphabetisierungsrate von über 99%, erlebt momentan gar eine "doctor's crisis", wie Mia es nennt.
    Fast 40% der höchstausgebildeten Menschen im Land findet keinen Job.
    Ja, cool, du hast einen Doktortitel, aber alle anderen Bewerberinnen auch. Ciao.

    (Zahlen und Fakten - das sei hier mal kurz gesagt - gebe ich höchst unjournalistisch einfach so weiter, wie sie an mich herangetragen wurden. Lasst mich gern Wissen, wenn grober Unfug dabei ist.)

    Generell ist die Zufriedenheit der Menschen im Land gedämpft, Tendenz weiter abnehmend. Der Präsident hat ein Amtenthebungsverfahren am Hals und die ohnehin hohe Selbstmordrate ist in den vergangen Jahren weiter gestiegen, weil viele junge Menschen mit Hoffnungen in die großen Städte kommen, dort dann aber keine Arbeitsperspektive vorfinden und daran verzweifeln.

    Auch die jüngsten wirtschaftlichen Verwerfungen mit den USA - Stichwort Exportzölle - verschärfen dieses Problem zusätzlich.

    Während ich Mias gebrochenem Englisch zuhöre, sehe ich staunend auf über 400 Meter hohe Wolkenkratzer, gigantische Schiffswerften, Hängebrücken und später dann auf die vielen kleinen bunten Häuser an den Berghängen, die mich an die Häuser in Valparaiso erinnern.

    Als Nordkorea 1950 überraschend den Süden überfiel, flüchteten viele hier in den äußersten Südosten der Halbinsel.

    Die, die schon vorher hier lebten, fanden das eher blöd und untersagten den Geflüchteten die Ansiedlung auf den relativ ebenen Flächen des Stadtgebiets. So mussten die Vertriebenen ihre Behausungen hier am unwegsamen Stadtrand errichten.

    Heute ist das Provisorium von damals UNESCO-Weltkulturerbe, Touristenmagnet und ganzer Stolz der Stadt.

    Die Neuankömmlinge von damals sind mittlerweile allerdings so alt, dass sie in diesen schwer zugänglichen Häusern mit steilen Treppen nicht mehr ohne Weiteres leben können, und so plant die Regierung wohl schon eine ganze Weile, anderswo ein "behindertengerechtes" Dorf zu bauen und diese Leute umzusiedeln.

    Die weiteren Stops taugen für Eindrücke und Fotos, aber weniger für Mehrwert hier.

    Mit ein paar neuen Reissnack-Varianten im Rucksack gehe ich die Gangway hoch und hoffe inständig, dass die Jungs sie mir bei der obligatorischen Handgepäckkontrolle nicht direkt wieder abnehmen, denn das Mitbringen verarbeiteter Lebensmittel an Bord ist verboten.

    Fast 90 Jahre alt werden Frauen hier im Durchschnitt übrigens, Männer immerhin 87. Und die essen morgens, mittags und abends Reis. Quasi so wie ich.😊
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  • Wind trägt alle Pläne fort

    18. marts, Sydkorea ⋅ 🌬 5 °C

    Dieser Tag lässt sich im Grunde in einem Satz zusammenfassen: Starker Wind verhindert das Anlaufen des sehr ungeschützt liegenden Hafens von Jeju, somit entfällt unser Besuch dort und wir fahren direkt weiter die Küste hoch.

    Tatsächlich - so raunt es inoffiziell in der Crew - wäre es wohl noch möglich gewesen, in den Hafen hineinzukommen. Aber: Bei Windstärke 9 gibt dir keine Hafenbehörde eine Freigabe, wieder in See zu stechen. Im schlimmsten Falle wären wir für unbestimmte Zeit festgesetzt worden und hätten viel mehr als nur diesen einen Hafen auslassen müssen.

    So schaue ich mir heute also keinen großen Vulkankrater an, sondern nutze den freien Vormittag zum Wäschewaschen, Sportmachen und Tagebuchschreiben, ehe ich mich wie gewohnt um 16 Uhr ans Klavier setze.

    Heute schaukelt es doch schon etwas mehr als sonst. Ich muss hin und wieder mal von den Tasten aufschauen und mir ein bisschen Horizont suchen, um meinem Gleichgewichtssinn zu versichern, dass alle Sinne noch im selben Boot sitzen.

    Je mehr Welle, desto betont gelassener stolpern die Kellner zwischen den Gästen hin und her. "Ach, das ist doch noch gar nichts! So lange wir nicht alle Stühle festbinden, spricht hier keiner von Seegang, Verehrteste."
    Große Augen beim Gast, Abgang Kellner.

    Ich mag das nicht. Sag doch den Leuten, dass das schon ganz ordentlich Bewegung ist gerade. Von mir aus kannst du dann ja nachschieben, dass damals vor Grönland deine Kaffeetassen von selbst zu den Gästen geflogen sind, während du im Superman-Kostüm an der Siebträgermaschine standest.

    Während tagsüber die Stimmung ob des ausgefallenen Hafens tatsächlich etwas verhaltener ist auf'm Dampfer, hilft dann am Abend der gute alte Alkohol den Botox-gebügelten dabei, auch die seewetterlichen Sorgenfalten zu glätten.

    Auch ich hab in der zweiten und dritten Runde viel Spaß an den Tasten, weil ich in der langen Sichtachse jenseits meines Flügels den einen oder anderen lustigen Ausfallschritt beobachten darf.
    Ich spiele heut vorwiegend Seemannslieder und entdecke dabei, wieviel Pfeifen im Walde hinter manch fröhlicher Melodie steckt.

    Heimlich streue ich auch ein bisschen "Titanic" ein, aber nur in Dur und als Walzer, damit sich niemand fürchtet.
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