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- donderdag 10 april 2025 UTC
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Pazifischer Ozean27°11’46” N 140°33’25” W
Außenseiter

Anders als auf den deutlich kleineren Expeditionsschiffen, auf denen ich in den letzten beiden Jahren unterwegs war, bin ich in meiner langsam zu Ende gehenden Zeit hier an Bord irgendwie nicht so recht Teil der Crew geworden.
Einerseits absolut selbstgewählt - die Zeit auf'm Schiff ist für mich in allererster Linie Me-Time und an zweiter Stelle Weltentdeckerei.
Sicherlich hätte ich sonst viel aktiver Anschluss suchen können.
Ich kann Gruppe, ich kann lustig, ich kann offen und interessiert, aber es ist auch immer irgendwie anstrengend.
Und ganz ehrlich, wofür?
Ich bin hier echt nicht auf der Suche nach neuen besten Freunden, ich hab offen gestanden überhaupt keine Lust, jemandem, der eigentlich nur meinen Namen kennt, weil der ja so lustig ist (und ihn auch in zwei Wochen wieder vergessen haben wird) in der verrauchten Crewbar zuzuschreien, was mich ausmacht, was ich mag, wie ich die Welt sehe.
Spannender wäre schon, was mein Gegenüber ausmacht, was es mag und wie es die Welt sieht. Aber da auf dem Stand zu bleiben, gelingt mir ja schon bei meinen bestehenden Freundschaften nicht wirklich.
Also noch ne Kartei-Leiche mit Ansage?
Ach nö.
Mit lediglich fünf Wochen an Bord bin ich hier auch sowas wie eine Eintagsfliege zwischen denen, die vier bis acht Monate da sind. Klar, dass das Schiff dann dein sozialer Mittelpunkt, dein Dorf wird. Logisch, dass du einen Platz in der Gruppe suchst und findest, Freundschaften schließt, von anderen genervt bist, dich einer Clique zugehörig fühlst.
Mein Dorf ist ziemlich weit weg. Ich kämpfe nicht um einen Platz in der Gruppe, ich bin hier, um meine Ruhe zu haben, Klavier zu spielen und die Welt zu sehen. Jede Nacht zum Tag machen, saufen, flirten?
Ach nö.
.. also, äh, nicht dass ich jemals wieder Lust gehabt hätte zu flirten, seit ich verheiratet bin. *hust*
Andererseits war das ja auf den kleineren Schiffen auch meine Herangehensweise, und trotzdem wurde ich dort mit viel offeneren Armen empfangen, wenn ich mich dann doch mal aus meinem Mauseloch gewagt hab.
Nachdem Levin von der Rezeption - um das mit einem kleinen Erlebnis zu untermauern - mich mit einem freundlichen "Hey, komm doch auch mal in die Crewbar, ist voll lustig dort und so!" am vierten oder fünften Tag an Bord in den Feierabend verabschiedet, entscheide ich mich kurzerhand, dann doch mal in ebenjener fensterlosen Raucherhöhle vorbeizuschauen, die ich bis dahin gemieden hatte. Levin ist natürlich nicht da, denn der arbeitet ja noch.
Halbvoller Raum, viele Dreier- und Vierergrüppchen. Einige kenne ich schon vom Sehen. Manche blicken kurz auf, aber keiner signalisiert mir "Hey, Pianist, komm gern zu uns rüber." Also stell ich mich erstmal etwas verunsichert an die Bar und bestell mir ein Glas Wein.
Während mir der Barkeeper den Rotwein mürrisch auf den Tresen haut, sodass die Hälfte außen am Glas wieder runterläuft, wandert mein Blick nochmal unauffällig durch den Darkroom.
Man, das da hinten, das ist doch Johannes! Den kenn ich vom anderen Schiff, wir haben uns ein paar mal echt gut unterhalten - ich weiß sogar noch worüber!
Also nehm ich mein klebriges Glas und mache mich auf den Weg zum rauchenden Carpenter, der ebenfalls mit drei weiteren Menschen an einem Stehtisch steht.
Aus meiner Perspektive sieht es so aus, als würde Johannes gerade einfach nur die Wand anstarren, also spreche ich ihn direkt an.
"Hey, schön dich hier wiederzusehen! Ich bin Stefan, wir waren zusammen vor zwei Jahren auf'm Expeditionsschiff in Südamerika unterwegs, falls du dich erinnerst."
Völlige Ratlosigkeit hinter den dicken Brillengläsern.
"Äh .. ich, na Mensch!"
Überlanger Zug an eigentlich längst zu Ende gerauchter Zigarette.
Johannes hat keinen Schimmer.
Kein Ding, denk ich mir, ein zwei Stichworte und dann dämmert es vielleicht wieder, aber genau in dem Moment dreht sich die Crew Purserin, die mich eh gefressen hat, seit ich vor drei Jahren mal vor ihr saß und ein wichtiges Dokument nur in Kopie und nicht im Original dabeihatte, aus seinem Schatten hervor. "Äh, wir reden hier gerade."
Todesblick.
"Oh, okay, Entschuldigung, ich wollt ja auch nur kurz hallo sagen."
Auf dem Weg zurück zum Tresen nehme ich einen großen Verlegenheitsschluck aus meinem Weinglas - und will ihn eigentlich direkt wieder zurückspucken. Was ist das? Sand? Zigarettenasche?
I don't wanna know.
Schluck, Knirsch.
Ich stelle das halbvolle Glas zurück an die Bar und nehme würdevoll reißaus, gehe nicht über Los, ziehe nicht 4000 Mark ein. Immerhin riechen meine Klamotten so, als hätte ich einen lustigen Abend gehabt.
Und wann immer Johannes in den nächsten vier Wochen vor der Herausforderung steht, irgendwie an meinem Flügel vorbeizumüssen, macht er einen lustigen weiten Bogen um den weirden Stalker-Freak an den Tasten, von dem er sicher schwört, dass er ihn noch nie gesehen hat.
Nachtrag: Sicher, das war kein schöner Moment da in der Crewbar. Aber das nette Gespräch, was ich da vielleicht ein bisschen zu sehr gesucht hab an diesem Abend, ist mir an anderer Stelle immer wieder ganz ungezwungen zuteil geworden. Danke Benjamin, Kristin, Jo, Jessi, Levin, Natalia, Kristina, Sylvi, Simon, Yanez und Lukas.Meer informatie