• Mauna Kea wirft riesigen Schattenauf den Hügel da gegenüber wollte ich irrtümlicherweise zuersthinter dem Wolkensee der Mauna Loaauch auf dem Rückweg quasi nix los am Bergspannend, wie sich hier Leben den Weg durch die Steine bahnthat mich gut hoch und wieder runter gebrachtdefiniere WeiteSchluss mit Sonne, ab in die WolkendeckeFundstück beim Zurückwandern zum Schiff mittags

    Auf dem höchsten Berg der Welt

    7 April, Amerika Syarikat ⋅ ☀️ 14 °C

    Der Wecker klingelt, es ist 3:52 Uhr.
    Boah.
    Mach ich das wirklich?
    Okay, ich mach das.
    Wasserflasche, Müsliriegel, Powerbank - check.
    Festes Schuhwerk, Jacke (wo ist die nochmal?) - check.
    Handschuhe, Mütze, Schal - check.

    Um 4:04 Uhr starte ich den Motor meines Mietwagens.
    32 Meilen, 45 Minuten, sagt das Navi.

    Zehn Minuten später verschwinden die letzten Lichter der Stadt im Rückspiegel. Pechschwarze Nacht in die Richtung, in die ich fahre. Da wohnt absolut niemand. Hier gibt's nur den Highway, mein Auto und mich.

    So fangen ganz hässliche Filme an und ich geb zu, dass ich gestern beim Einschlafen keine Schwierigkeiten hatte, mir genauestens auszumalen, was bei diesem Teil meines Plans alles schieflaufen könnte.

    Tut es aber nicht.

    Wenn ich irgendwo zum Sonnenaufgang hinfahren will, fängt es unterwegs an zu regnen, das hat auf dieser Reise ja schon Tradition.
    Diesmal macht mir das hektische Hin und Her meiner Scheibenwischer aber nichts aus. Ich weiß ja, dass das alles nur eine Phase ist.

    "Hey Siri, wie hoch bin ich gerade?"
    "864 Meter."

    Der Saddle Road ist eine 1A geteerte Landstraße, die schnurstracks an der unteren, noch sehr sanften Flanke des Mauna Kea hochführt.
    Wie schon beim Fujiyama in Japan haben auch hier rund eine Million Jahre Lava-Kleckerei zu dieser typischen Kegelform geführt.

    Der Regen wird zwar weniger, dafür kann ich kaum noch 100 Meter weit sehen. Erst recht nicht mit dem automatischen Fernlicht, was sich partout nicht ausschalten lässt und mir hübsch die weiße Wand anstrahlt. Ätzend!
    Als ich gerade ernsthaft überlege, deswegen mal kurz anzuhalten, lichtet sich der Nebel plötzlich.

    "Hey Siri, wie hoch bin ich gerade?"
    "1412 Meter."

    Sehr gut. Während ich langsam oben aus der Wolkendecke herausfahre, funkeln mich schon die ersten Sterne an.
    Wow, das sieht ja schon mal toll aus.

    Auf ungefähr 2000 Metern Höhe biege ich rechts vom Saddle Road ab, der im weiteren Verlauf zwischen dem Mauna Kea und dem Mauna Loa - den beiden Vulkan-Geschwistern, die diese Insel maßgeblich geformt haben (und nach wie vor formen) - wieder bergab an die Südküste führt.
    Ich will aber nicht an die Südküste.
    Ich will noch weiter nach oben.

    Die Straße ist nun deutlich steiler. Mein GMC Terrain jault ganz schön rum, aber er hat es ja bald geschafft. Noch 8 Meilen bis zu meinem Ziel.

    Während auf der Saddle Road hin und wieder noch Autos unterwegs waren, bin ich nun wirklich allein. Riesige gelbe Schilder an der Straße warnen mich:
    "Altitude sickness can be fatal. Don't go any further if you have health conditions or witness any signs of nausea."

    Körper, allet schick?
    Allet schick.

    "Hey Siri, wie hoch bin ich gerade?"
    "2712 Meter."

    Dann muss ich ja gleich da sein.
    Tatsächlich kommt nun rechterhand ein Parkplatz in Sicht, auf dem schon einige Autos mit laufendem Motor stehen.

    Für die ist das hier nur ein Zwischenstopp. Sie wollen sich mit ihren offroad-tauglichen Jeeps ein paar Minuten an die Höhe gewöhnen (empfohlen sind mindestens 30), ehe sie die Schotterpiste weiter bis zum Gipfel fahren, 4205 Meter über dem Meeresspiegel.

    Obwohl mein Mietwagen auch Allradantrieb hat, wurde ich von der freundlichen Dame bei der Fahrzeugübergabe gestern explizit darauf hingewiesen, dass man mit ihren Autos maximal bis genau zu diesem Parkplatz hier fahren darf, und daran will ich mich auch halten.

    6 Grad draußen, geht ja eigentlich.
    Trotzdem packe ich Schal, Mütze und Handschuh in meinen Rucksack, bevor ich aussteige.

    Es ist 4:56 Uhr. Die zahlreichen gut gemeinten Aussteige-Lichter meines Autos sind endlich erloschen. Ich stehe auf dem vollkommen unbeleuchteten Parkplatz, lege den Kopf in den Nacken und bekomme die Gänsehaut meines Lebens. Über mir die Milchstraße, gesäumt von unfassbar vielen Sternen, Flecken und Nebeln, die ich noch nie so am Nachthimmel gesehen habe.

    Am liebsten würd ich noch ein bisschen so stehenbleiben, aber im Osten, von wo die Venus mich freudig anstrahlt, dämmert es schon etwas.

    Ich hab keine Zeit zu verlieren, denn was jetzt kommt, ist etwas tricky. Da ich nicht genau weiß, wie lange ich für den knappen Kilometer Fußweg durchs Vulkangeröll brauchen werde, mache ich mich lieber auf den Weg, auch wenn bis zum Sonnenaufgang noch über eine Stunde Zeit ist.

    ChatGPT - wer sonst? - hat mir einen kleinen Berg unweit des Parkplatzes empfohlen, von dem ich eine freie Sicht Richtung Osten haben soll.

    Es ist so krass dunkel.
    Meine Handytaschenlampe nützt mir wirklich nur, wenn ich sie fast auf Kniehöhe Richtung Boden halte. Liegt sicher auch daran, dass das poröse Lavazeug alles an Licht schluckt, was nicht bei drei auf‘m Baum ist.

    Während ich KI-befohlen zunächst die steile Straße, die ich vor wenigen Minuten hochgefahren bin, wieder ein Stück hinunterlaufe, halte ich nach einem alten Trafohäuschen Ausschau.

    Leider kann ich partout nichts entdecken, was anders aussieht als Lavastein. Die angekündigten 400 Meter bergab hab ich auch locker schon hinter mir gelassen.
    Mmh, erstmal anhalten, hier stimmt was nicht.

    Einmal stehengeblieben, wird mir bewusst, wie still es um mich herum ist. Es weht kein Lüftchen und die Jeeps sind mittlerweile weiter Richtung Gipfel gefahren.
    Hier zirpt auch nix, außer mein Tinnitus. Das ist so gruselig und schön zugleich, dass ich das erstmal ein paar Momente lang auskosten muss.

    Zum Glück hab ich hier oben erstaunlich gutes Netz, und so frage ich bei Chatti Allwissend nochmal nach. "Hey, ich finde den Einstieg zu dem Hügel nicht, den du mir empfohlen hast. Kannst du mir noch ein paar Tipps geben?"

    Und siehe da, ich hab auf der falschen Seite gesucht - quasi Richtung Sonne, während mein Berg westlich der Straße liegt.

    Also gut, die steile Straße wieder ein Stück hoch und dann links über das Vulkangeröll-Feld.
    Knirsch, knirsch.
    Ich fühl mich fit, aber mein Herz pumpt wie verrückt, weil in der dünnen Luft hier oben nicht die gewohnte Menge an Sauerstoff unterwegs ist im Körper.

    Dafür bin ich jetzt offensichtlich in die richtige Richtung unterwegs, denn irgendwann sehe ich tatsächlich die Kontur des Trafohäuschens und muss nun nur noch die gut 120 Meter auf meinen persönlichen Mini-Vulkan raufkraxeln.

    Oben angekommen setze ich mich auf einen großen Stein, schnaufe erstmal durch und schaue auf die wattige Wolkendecke da unten, die von Osten schon deutlich angedämmert wird.

    Und während mein Herz langsam wieder runterkommt, sehe ich zwei Taschenlampenlichter meinen Hügel hinaufkommen.

    Freundlich-überraschtes Hallo, als die beiden oben sind, denn es handelt sich witzigerweise um Frau Schiffs-DJ und noch ein Crewmitglied von unserem Kahn, die sich anscheinend auch extra ein Auto besorgt haben.

    Der Hügel ist aber groß genug für uns drei und ich bin froh, dass sie offensichtlich genauso wenig das Gespräch suchen wie ich.

    Hier jetzt zu beschreiben, wie die Sonne aufgegangen ist, wäre ein bisschen Quatsch, aber ich kann sagen, dass ich in der guten Stunde dem Drang nur mühevoll Widerstehen konnte, die sich ständig ändernden Lichtverhältnisse immerzu auf Fotos festzuhalten.

    Von Minute zu Minute sehe ich mehr von dem, was um mich herum ist.

    Ein großer und unzählige kleine Vulkankrater im Süden. Im Norden der 4205 Meter hohe Gipfel des Mauna Kea, welcher kurz nach Sonnenaufgang einen gigantischen Schatten an den Himmel im Westen projiziert.
    Und im Osten die dicke Wolkendecke, unter der sich der Pazifik und unser Schiff versteckt.

    Erst als die anderen beiden längst wieder weg sind, nehme ich mir nochmal ganz bewusst zehn Minuten ohne Fotografiererei, hole meinen Fertigkaffee aus'm Rucksack, der seit Tokio in meinem Kühlschrank gewohnt hat und lass die Augen in die Ferne schweifen.

    Wie schön kann eine Aussicht eigentlich sein?

    Während ich um 3:52 Uhr noch ganz kurz überlegt hatte, ob ich das wirklich tun sollte, bin ich nun richtig froh, genau hier auf meinem kleinen Hügel an der Flanke des höchsten Bergs der Welt zu stehen, diesen Morgen mit allen Sinnen aufzusaugen und hoffentlich in eine Erinnerung zu verwandeln, die mich zukünftig immer mal wieder unverhofft zum Lächeln bringen wird.

    Moment mal, höchster Berg?
    Tatsächlich ja. Zumindest insofern, als dass zu den gut 4000 Metern über'm Meeresspiegel knapp 6000 bis zum Meeresboden hinzukommen. Das Ding ist also über zehn Kilometer hoch und hat am Meeresgrund einen Durchmesser von mehr als 300 Kilometern.

    Let that sink in!
    Apropos: Jüngste Berechnungen haben ergeben, dass der Mauna Kea aufgrund seines unglaublichen Gewichts die Pazifische Platte unter sich um ungefähr sieben weitere Kilometer eingedrückt hat.

    Hey, so gesehen war ich von den 17.000 Metern, die der Berg insgesamt hoch ist, immerhin auf 15.600 Metern - und das ganz ohne Sauerstoffgerät. 😉

    Oh, schon so viel geschrieben.
    Waren das schon 160 Zeichen?

    Na gut, um den Rahmen hier nicht völlig zu sprengen, muss dann halt hinten runterfallen, wie ich auf dem Rückweg durch bizarre Lava-Landschaften gefahren und schließlich von oben wieder in die Wolkendecke eingetaucht bin, ehe ich das Auto pünktlich am Airport abgegeben und mich KI-gestützt zu einem wellengeschützten Badestrand hab ubern lassen. Das wäre an anderen Tagen für sich genommen schon Erlebnis genug gewesen.

    Zu verdanken hab ich Idee zu der Aktion übrigens - neben noch viel essentielleren Dingen in meinem Leben - meinem Schwiegerpapa, der mir einige Tage zuvor strahlend von dem geheimen Sonnenaufgangs-Ausflug auf den Gipfel des Mauna Kea erzählt hat, der in keinem Katalog steht und für den er sich hat auf die Warteliste schreiben lassen.

    Natürlich hab ich daraufhin sofort meine Fühler ausgestreckt und gecheckt, ob ich da nicht auch irgendwie mit kann, aber der Andrang auf die zwölf Plätze war schon unter den Gästen so groß, dass nicht im Traum daran zu denken war, dort als Crew einen Platz zu bekommen.

    So entstand der Plan, selbst ein Auto zu mieten und meinen Schwiegerpapa dort oben zum Sonnenaufgang zu überraschen.

    Am Ende war er dann tatsächlich oben auf dem Gipfel und ich wie beschrieben ja „nur“ auf knapp 3000 Metern, aber dennoch wird dieser Morgen sicher etwas sein, woran wir uns gern gemeinsam erinnern werden.

    Und Hand aufs Herz:
    In Stille und allein auf halber Höhe versus in lustiger Gesellschaft von zwölf bunt zusammengewürfelten Menschen oben auf dem Gipfel - wer mich kennt, der weiß, dass es besser nicht hätte laufen können für mich.
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