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  • Day 216

    Hongkong, Sonderverwaltungszone der VRC

    March 15, 2019 in Hong Kong ⋅ ⛅ 18 °C

    Nǐmenhǎo,

    … es ist schon etwas Komisches, mit der „Zeit“... waren wir die ganze Zeit „hinter“ der deutschen Zeit, sind nun „vor“ der deutschen Zeit UND vor allem 12 Stunden zeitversetzt zu Chile – das, in Verbindung mit dem Flugmarathon und 3 Nächten ohne richtigen Schlaf, zerstört gleich die Planung des ersten Tages!

    Ying kommt uns am Flughafen abholen, wir fahren gemeinsam in die Unterkunft und Ariane sieht ein Bett – schwuppdiewupp... eingeschlafen ;-) „nur kurz mal hinlegen“ - eine halbe Stunde später einigen wir uns dann darauf, dass wir uns nicht laut Plan – den haben wir mit Ying in den vergangenen 6 Wochen immer wieder gefüllt und abgestimmt – einen Tempel in der Nähe ansehen, sondern nur noch kurz ein paar Lebensmittel einkaufen, kochen, essen, schlafen – und so liegen wir um 19:00h im Bett.

    ...bis 3:30h – dann ist Ariane hell wach – na super!

    Wie machen das denn Geschäftsleute, die eine solche Strecke für gerade mal 3 Tage „business“ hinter sich bringen müssen, beim Geschäftemachen hell wach sein müssen und dann wieder heim fliegen? Es ist uns unbegreiflich.

    Dementsprechend traumwandlerisch laufen wir bestimmt noch 2 weitere Tage durch Hongkong. Die neuen Eindrücke dieser Mega-Stadt tun ihr Übriges – wie im Film „Das 5. Element“, es fehlen nur noch die fliegenden Taxis...
    ...wird bestimmt nicht mehr lange dauern!

    Hier ist mit Ausnahme der Hochhäuser einfach alles mini: die Appartements, die Läden, jeder noch so geringe Platz wird irgendwie ausgenutzt - unter Treppen, Vorsprüngen und in Hinterhöfen finden sich kleine Restaurants, oder Garküchen und in den hintersten Gassen sind die teuersten Läden versteckt. Die Menschen zahlen für kleinste Wohnungen enorme Summen! ...ein Backofen passt meist gar nicht in die Küche hinein. Es scheint jedoch sehr viele wohlhabende Menschen in Hongkong zu geben: wir haben in keiner bisher besuchten Stadt so viele mega teure Autos (Bently, Ferrari, Tesla) und Luxusgeschäfte gesehen! Die Autos sind alle wie Rennwagen ausgestattet – was sich natürlich in einer solchen Megastadt und 'freier Fahrt' ja besonders gut nutzen lässt ;-)

    Die Stadt ist voll – voller Autos, voller riesiger Häuser, voller Menschen – und es wollen immer mehr Chinesen nach Hongkong ziehen. Dies hängt noch damit zusammen, dass Hongkong einst zum BritishEmpire gehörte, zwar 1997 wieder zurückgegeben wurde, doch noch immer eine Sonderstellung in der Volksrepublik China genießt: z.B. andere Handelsbeziehungen, dadurch andere (bessere) Lebensmittel und eine eigene Währung. Dies schützt jedoch nicht mehr vor der immer größer werdenden Macht Chinas, die mehr und mehr die britische Geschichte vergessen lassen möchte und Einfluss auf die zu sehr demokratisch erzogenen Einwohner von Hongkong nehmen möchte – die junge Generation, die die Zeit des British Empires nicht miterlebte, scheinen ein guter Nährboden zu sein und so wird es, wie auch Ying vermutet, nur noch eine Frage der Zeit sein, bis China die letzten demokratischen Ideen in den Menschen unterdrücken kann. Auf die Frage hin, ob Ying einmal mit uns nach China reist, beantwortet sie dies mit einem klaren „NEIN“ - sie könne und werde keinen Fuß nach China setzen. Sie arbeitete bei den letzten Wahlen für eine demokratische Partei, somit sei sie „gelistet“. Viele ihrer Freunde mit ähnlichen Überzeugungen sind bereits nach Taiwan umgezogen. Das in China bereits umgesetzte „credit-point-system“, bei dem jeder Einzelne entsprechend seines Handelns „gewertet“ wird und bei nicht gewünschte Verhalten, 'falschen' Interessen, Aufrufen falscher Internetseiten, etc.) man selbst UND das soziales Umfeld Punkte abgezogen bekommt, setzt Menschen natürlich sehr unter Druck. Bewirbt man sich für eine neue Arbeit, kann der Arbeitgeber dieses Punktesystem einsehen und bei nicht genügenden Punkten – ohne überhaupt auf die Qualifizierung zu achten – die Einstellung ablehnen! Der Kontrollapparat der chinesischen Regierung ist unvorstellbar! Selbst in Hongkong funktioniert keine Google-App. Viele andere Internetseiten kann man nicht öffnen.

    Besonders beeindruckt hat uns das „Museum of History“, das damals von den Briten gebaut wurde. Es ist vergleichbar mit dem „Haus der Geschichte“ in Bonn und zeigt wichtige Meilensteine in der Geschichte Hongkongs: Reisanbau, Feste und Feiern, Religion,Opiumkriege, Handel, etc. bis zur Rückgabe der Stadt an die chinesische Regierung... ab da an wurde nichts mehr hinzugefügt. Ying glaubt, dass es in der Zukunft geschlossen wird, wenn der Einfluss der Chinesen weiter steigt – um die Geschichte vergessen zu lassen.

    Interessanterweise haben die Chinesen schon früh Handel mit den Briten begonnen (17.Jh.), der sich jedoch darauf beschränkte, dass die Chinesen begehrte Produkte wie Seide und Gewürze den Briten für Silber verkauften, die Chinesen jedoch im Gegenzug keinerlei Produkte der Briten kaufen wollten – sie sagten, dass sie keinerlei ausländische Waren benötigten – irgendwie doch genauso wie heute: die Chinesen produzieren, die ganze Welt kauft dort ein und macht sich dadurch abhängig. Damals führte dies zu einem Ungleichgewicht – in Großbritannien gab es fast kein Silber mehr um den Handel weiter aufrecht zu erhalten. Daraufhin begannen die Briten als die größten Drogendealer der Geschichte die Chinesen vom Opium abhängig zu machen – wie sie das hingekriegt haben, keine Ahnung... auf jeden Fall waren die meisten Chinesen bald opiumabhängig – zahlbar nur in Silber, was nun zum einen zu unfähigen Arbeitern und zum anderen zu keinem Silber mehr im Land der Chinesen sorgte... der Opiumkrieg begann. Am Ende wurden Handelsbeziehungen erstritten.

    Die Stadt scheint aus allen Nähten zu platzen. Gewitzt löst die Stadt dieses Problem und fängt sogar zwei Fliegen mit einer Klatsche: Landgewinnung durch Müllentsorgung. Ein Stadtteil heißt sogar „Junkbay“ - das sagt doch schon alles. Das auf der ganzen Welt vorherrschende Problem der Müllentsorgung lösen die Menschen aus Hongkong, indem sie diesen als „landfill“ nutzen, den Müll ins Meer werfen, verdichten und somit teure Grundstücke mit Meeresblick entstehen lassen. In „Junkbay“ stehen über 50-stöckige Wohntürme, in denen pro Wohnturm geschätzt so viele Menschen wie in der gesamten Verbandsgemeinde Kirchberg wohnen. Für die Frage nach „Architektur“ bleibt da kein Platz.

    Es scheint auch immer weniger „Platz für Kultur“ zu geben. Die in den alten Teilen der Stadt verteilten Dau-Tempel werden zwar von Einwohnern zum Beten besucht, machen aber einen sehr traurigen Eindruck – sie wirken vergammelt, wenig prunkvoll und dreckig.

    Dem entgegengesetzt machen wir große Augen bei der unglaublichen Vielfalt an traditionellen Lebensmitteln und Mahlzeiten – waren wir von vielen Ländern in Südamerika „Pinto“ gewohnt (Reis mit Linsen, Linsen mit Reis, Reis mit Bohnen oder sogar mal Bohnen mit Reis), fehlen uns hier Tage, vielleicht Wochen um die verschiedenen und uns neuen Gerichte und Lebensmittel auszuprobieren: wir essen in Garküchen in Seitenstraßen super leckere Suppen mit Nudeln und Gemüse aller Art, werden von Yings Mutter zum „Dim Sum“-Essen eingeladen – kleine Geschmacksfeuerwerke, wobei unterschiedliche Füllungen in unterschiedlichen Teigvarianten eingepackt werden und trauen uns nicht an Schlangensuppe oder getrocknete Schmimmblasen von Fischen. Alles scheint für irgendetwas gut zu sein – für die Nieren, die Verdauung, die Gesundheit und im Zweifelsfall für ein besseres Liebesleben – wie beispielsweise die Schwimmblasen, die deswegen pro Stück für über 300 US-Dollar angeboten werden (nach oben keine Grenzen!). Andere unbekannte, getrocknete, geschwefelte, eingelegte, gefriergetrocknete, oder, oder, oder Lebensmittel, würden wir wahrscheinlich auch dann nicht hinunterschlucken können, selbst wenn sie Superkräfte versprächen.

    Ying hat sich sehr viel Zeit für uns genommen – neben ihrer Arbeit macht sie zurzeit einen Deutschkurs und eine Weiterbildung zum Moviedirector... Wahnsinn! Zeit ist sehr wertvoll für sie – wir wissen das zu schätzen! Sie zeigt uns verschiedene Tempel in und um Hongkong, fährt mit uns in ein traditionelles Fischerdorf 'Tai O' im Südwesten, zeigt uns die verschiedenen Stadtteile Hongkongs und auch das, was nicht so repräsentativ ist – arme Wohnviertel, in denen aber eine Jugend heranwächst, die mit Kunst eine neues Leben in diese Viertel bringt und sich in „art cafes“ austauscht. An einem Abend waren wir sogar zum Galopprennen auf eine riesige Rennbahn mitten in der Stadt - so ganz genau haben wir das Wettsystem nicht verstanden, aber die Menschen in und um Hongkong lieben es um Geld zu spielen (schon nachmittags im Hintergässchen) und so kommen kurz vor Rennbeginn horrende Summen zusammen! Wir haben außerdem gelernt, dass Marco im Jahr des Drachen und Ariane im Jahr des Hundes geboren wurde und wie sehr modernes Leben doch noch mit Traditionen und Glauben zusammen hängen: Yings Geburtsjahr hat wohl keine gute Konstellation mit dem aktuellen Jahr 2019, sodass sie eine Opfergabe (Spende) gibt, damit sie auch in diesem Jahr nichts Böses ereilt.

    Wie reist man in einem Land, in dem man nichts versteht? Qingdao, die Eindrücke aus der Luft, die Informationen von Ying, die Propaganda im Flugzeug und das Zusammentreffen mit den Menschen in Qingdao haben uns geprägt und eine Reise nach China ist bei uns zunächst nicht vorstellbar. Hier in Hongkong merkt man noch den Einfluss aus der Zeit des British Empires – fast alle können Englisch, es gibt englische Informationen und die Menschen handeln globaler. Die Frage wird jedoch sein, wie lange noch?

    Es ist toll ein Land von jemandem gezeigt zu bekommen, der hier geboren und aufgewachsen ist, hier arbeitet und lebt! Lieben Dank Ying :-)

    Zuì hǎo de wènhòu
    Ariane & Marco
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