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  • Day 12

    FairylandUltra

    August 27, 2019 in China ⋅ ⛅ 30 °C

    Wir haben keinen Stress heute und können mal bis halbzehn schlafen. In bis jetzt jedem Zimmer gab es einen Wasserkocher und so konnte ich mir jeden Morgen einen Kaffee machen. Manchmal habe ich den eine halbe Stunde / Stunde vor dem Wecken der Kinder gemacht, ganz und gar Zeit nur für mich, mein Kaffee-Yoga.
    So auch heute.
    Zum Frühstück serviert uns das Hostel Toast! Yes! Mit Speck und Eiern, ein kleiner Früchteteller, O-Saft und Kaffee, der Hostel Frühstücks-Klassiker. Auch mal wieder gut nach all den morgendlichen ungewohnten kulinarisch-asiatischen Exkursionen.
    Zur allgemeinen Freude und Erleichterung, Fynns Backe geht es eindeutig besser! Die Schwellung und wohl auch die Entzündung ist stark zurück gegangen.
    Wir packen uns wieder zusammen, nach einer Nacht gibt‘s da noch nicht soo viel zu tun und ordnen, aber dennoch erstaunlich in welches Chaos ein Zimmer innerhalb von 12 Stunden versetzt werden kann.

    Vom fließend Englisch sprechenden Rezeptionisten erfahren wir unseren Weg durch Guilin mit den Öffis zum Busbahnhof mit dem
    Bus bach Yangshuo.
    Ich habe mir sagen lassen, dass das Personal in chinesischen Hostels meist recht gut Englisch sprechen kann, auf jeden Fall besser als in Hotels. Auch lernt die junge Generation zunehmend Englisch, sehr subversiv, dennoch ist diese Fremdsprache noch ganz klar eher die Ausnahme.

    Mit dem 99er Doppeldeckerbus unweit des Hostels fahren wir ordentlich lange bis in einen Vorort von Guilin, der Endstation der Linie, 7 km entfernt, keine Ahnung, wie der Ort heisst, ist auch egal jetzt.
    Kaum erscheinen wir zum Aussteigen in der Tür unseres Busses, fuchteln Werber mit Tafeln vor unseren Gesichtern herum und krähen Yangshuo! Yangshuo! Yangshuo!
    Ja, ja, ist ja gut, da wollen wir hin, richtig. Aber bitte erstmal aussteigen lassen und Frisur richten.
    Und überhaupt, was kostet der Spaß denn so?
    Frage ich irgendeinen beliebigen von den Herrschaften. Der genannte Preis stimmt in etwa mit den Empfehlungen vom Planet überein, also nicken wir und folgen dem erfreuten Akquisiteur zu seinem Bus, in dem nur wenige sitzen.

    Ich mag diese Drückerbuben gar nicht, sei es Taxi, Hotel, Restaurant oder sonst was. Da nicht und hier nicht. Hier in China hören sie einfach nicht auf, auf einen einzureden, egal, ob man mit seinen eigenen Leuten spricht. Ein Nein überhören sie. Texttexttext, am Ende: Yes OKe or no OKe? Nach dem zehnten Drücker Wahnsinn hat man dann endlich jede Hemmung und Höflichkeit überwunden und geht einfach kommentarlos ohne weitere Reaktion dran vorbei. Und nahezu vor jedem Resto steht jemand mit Speisenkarte, wir lernen also schnell.
    Abgesehen davon ist uns schon klar, dass es hart ist, so sein Geld verdienen zu müssen, hier wie da. Kein schöner Job.

    Losgefahren wird, wenn der Bus voll ist. Da aber nicht mehr Passagiere zu erwarten sind, brummen wir nach ein paar Neuzugängen ab nach Yangshuo.

    Schon Guilin ist eingebettet in diese pittoresken, unglaublichen Karstberge, für die diese Region berühmt ist, es ist das klassische Chinabild mit diesen Bergen, die aus dem Nebel ragen, Reisfelder, Wasserbüffel und Pagoden. Das mit den Pagoden stimmt nicht ganz, der Rest bestätigt einmal mehr das Klischee.
    Knapp eineinhalb Stunden juckeln wir durch sehr sehr schöne Landschaften bis wir das kleine Örtchen Yangshuo erreichen. Örtchen sind in China in der Regel eigentlich Städte, das Straßenbild mit kastigen Häuserblocks, breiten Straßen mit kleinen bunten Läden unten und mit vielen Leuchtschildern oben an den Fassaden im chinesischen Einheitslook.
    Hotelburgen statt Pagoden, Buslawinen statt Fahrradrikschas, Mördergehupe statt sanften Flötenklängen, Leuchtreklametsunamis statt rote Laternchen. Bäm mal wieder, China eben.

    Plötzlich stehen wir mitten drin im innerörtlichen Busbahnhof Rummel, gestrahlt und etwas planlos. 3 bis 4 km wären es noch zu unserem Hotel. Ich zeige dem Busfahrer unsere Unterkunftsadresse - ein Extrascreen in Chinesischen Schriftzeichen, Danke Booking, das ist ne Supersache! - versuchen kann man’s ja mal. Der Busfahrer ruft daraufhin sofort ein Kerlchen herbei, der sich als Gelegenheitsraxler verdingt. 50 Yuan will er, bekommt er, € 6,40 sind das.

    Ich habe unser Hotel Yingxiang Villa vorher auf PocketEarth markiert und verfolge unsere Fahrt jetzt auf dem Navi, vor allem und auch um mich zu orientieren.
    Wir verlassen den Trubel und biegen auf eine Straße entlang dem Li River, dem Fluss durch die Stadt. Es wird immer ruhiger, immer grüner, immer schöner, wie schön! Aber wo ist unser Hotel? Mit suchendem Blick nach draußen, fährt unser Fahrer langsam die Straße ab und an unserer markierten Stelle vorbei, hoppala, immer weiter. Unser Chauffeur hat keinen Plan. Auch Fragen bringt ihn und uns nicht weiter, wonach immer er auch gefragt hat.
    Wir drehen um, Straße nochmal von vorn. Bei meiner Markierung bitte ich ihn diesmal anzuhalten, bezahle und wir steigen aus. Der arme Kerl, Taxlerehre kaputt.
    Wir laufen in die nächstbeste Einfahrt und eine junge Frau rennt freudig auf uns zu, als hätte sie uns erwartet.
    Sie hat uns erwartet. Sie versucht meinen Namen auszusprechen und schafft es zumindest so, dass wir die freudige Erkenntnis haben dürfen, dass wir angekommen sind. Die deutschen eckigen Namen sind für Chinesen gleichermaßen Zungenbrecher, wie chinesische für uns, deswegen nennt sich Jackie Jackie und James James.
    Check-in Prozedur, Schlüsselübergabe, Zimmer zeigen. Wir wohnen im ersten Stock, mit Blick auf den Fluss, dicke, hohe Bambusstauden am gegenüber liegenden Ufer und diese wunderbaren Karstberge rundum. Es geht nicht besser. Das Zimmer komplett in dunkelroten Ziegeln mit Panoramafenster über die gesamte Zimmerbreite, das minimalistische Bad hinter einer satinierten Glasscheibe vom Raum abgetrennt. Ich glaub, ich bin auf Bali.
    Wir sind begeistert. Nur die Betten sind in ihrer Kapazität etwas knapp bemessen. Ein großes Kingsize und ein Queensize. Ins Kingsize passen keine drei große Kinder nebeneinander, ins Queensize kein Erwachsener und ein Kind.
    Blöd. Bei Booking war das Zimmer als Familienzimmer mit einer Kapazität von drei Erwachsenen und zwei Kindern angegeben. Na ja. Ich hüpfe wieder in die Rezeption und frage nach einem größeren Zimmer. Das gibt es sogar, zwei Türen weiter. Gleiche Ausstattung, aber zwei Queensize und ein Doppelbett. Jetzt passt‘s. Ca. acht Euro mehr pro Nacht, also statt 31 jetzt knapp 40, inkl. Frühstück, supergünstig, echt. Das neue Zimmer hat ca 40 qm und den gleichen, herrlichen Blick.

    Wir markieren das Zimmer mit unserem Chaos innerhalb zehn Minuten und dann treibt uns der Hunger nach unten ins Restaurant. Wir bekommen gebratene Nudeln mit Gemüse.
    Während wir auf das Essen warten, macht mir die sehr lustige Dame am Empfang auf Nachfrage viele Vorschläge zu diversen Aktivitäten.
    Als erstes mieten wir Fahrräder, die beste Art sich hier unabhängig zu bewegen.
    Morgen wäre Markttag in Fuli Town, mit dem Rad ungefähr eine halbe Stunde von hier. Auf einer Karte zeigt sie mir den Weg und noch
    hundert andere Routen und Ziele in radelbarer Entfernung. Wie gut dass wir hier vier volle Tage haben!
    Nach dem Essen machen wir ein Päuschen, kommen an und richten uns ein.
    Eine halbe Stunde später sind unsere Räder da. Eher Damenmodelle mit tiefem Einstieg, zwei in Rosa, zwei in Hellblau, nix Mountainbike. Klar muss ich ein Rosanes fahren, selbst die Chinesin kichert und Daumen hoch.
    Mit maximal, aber immer noch zu niedrig herausgezogenem Sattel, machen wir uns gleich auf zur ersten Erkundung den Li River entlang.

    Unser erster Eindruck: atemberaubend schön! Dichte, hohe Bambuswälder säumen den ruhig dahin fließenden Fluß, dahinter steigen viele viele karstige Zuckerhüte, Kuppeln und Säulen auf und bilden eine sehr zauberhafte, unwirkliche Kulisse, alles in sattem Grün, die totale Harmonie. Jetzt am späteren Nachmittag hat es immer noch weit über dreissig Grad, 35/36 könnten es schon sein, die Flora ist üppigst tropisch. Ein Hochgefühl sich in dieser Landschaft zu bewegen.

    Auf dem Fluss tuckern Touristen auf Bambusflößen zurück Richtung Stadt, das Panorama öffnet sich immer mehr. Diese Berge sind wirklich umwerfend. An einem Aussichtspunkt direkt am Fluss steigen wir ab und setzen uns auf eine kleine Stufe am Ufer und staunen. Momente wie dieser, etwas Großartiges zum ersten Mal zu sehen, ist einmalig, jungfräulich, und nicht wiederholbar. So schön, dass wir den jetzt alle zusammen auskosten können. Denn den Kindern geht es nicht anders.

    Nach unserem Augenblick fahren wir dann in die andere Richtung, in die Stadt. Hunderte E-Scooter, nicht ganz so viele hupende Autos, Busse, LKWs. Remmidemmi. Ich habe den Eindruck, Chinesen schauen nicht, wenn sie losfahren oder abbiegen. Man geht wohl davon aus, dass das die anderen, die die fahren, tun. Der Straßenverkehr ist nicht so schnell wie bei uns, die E-Scooter fahren, besser: schleichen, vielleicht maximal 30 km/h, man hört sie kaum, genauso wie die meisten Autos, vielleicht der Grund, warum so viel gehupt wird... Nur die Busse und LKWs sind unüberhör- und unüberriechbar. Gefahren wird rechts, wir als Radler ganz ganz rechts. Dadurch dass der Verkehr so entschleunigt ist, klappts richtig gut mit dem Radeln, viele Radler sieht man nicht, und wir fühlen uns einigermaßen sicher auf den Straßen.

    Die Wahl des Restaurants für‘s Abendessen steht an. Vor vielen Restaurants sind Holzkohlegrills aufgebaut, auf denen dicke fette Bambusrohre auf dem Grillrost kokeln. Weils bei der unglaublichen Restaurantdichte egal ist, stellen wir unsere Räder vor dem nächstbesten ab, in dem viele Chinesen sitzen.
    Über Ambiente muss man in dieser Stadt nicht sprechen, sind alle gleich hässlich.
    Wir bestellen natürlich so ein Bambusdings vom Grill, dann gibt es auch in Blätter eingewickelte kleinere Bambusrohrstücke mit unbekanntem Inhalt, bestelllen wir auch, sowie auf dem Foto sehr appetitlich aussehende, rot glänzende Schweineschwarten in Scheiben, dazwischen etwas undefinierbares, ebenfalls in Scheiben. Surprise.
    Im großen Bambusrohr wird Hühnersuppe serviert, eine sehr leckere. Die Hühnerfüße mit Krallen könnten zarte westliche Gourmetseelen vielleicht etwas irritieren. Zur Suppe gibt es noch Süßkartoffelblättergemüse. In den kleinen Bambusröhren befinden sich Reis und Hackfleisch. Der Bambus gibt diesem Gericht einen ganz eigenen, tatsächlich etwas holzigen Geschmack.
    Die tatsächlich auch in Echt sehr gut aussehenden Schweinebauchscheiben wechseln sich mit einer knödelartigen Masse in gleich großen Scheiben ab. Wir finden heraus, dass es sich um Taro handelt, ein Wurzelgemüse, und es schmeckt gar köstlich, gerade in dieser Kombi.
    Ein lokales Gelage also haben wir da vor uns und bald in uns. Mit dieser Menüauswahl haben wir dann fast schon alle Spezialitäten der Region probiert. Flussfisch, Beerfish genannt, und Flusskrebse stünden noch aus.

    Pickepacke voll wir sind und denken über keine weiteren Füllsel mehr nach.
    Bis wir einen Obststand finden, der reife Mangos in Mundgerechte Stücken anbietet. Bis wir in zehn Minuten Nachhause geradelt sind, passt die Mango sicher noch in uns rein. Drei Take away Boxen ordern wir.
    Vor der Einfahrt probiert Fynn mit seinem hellblauen Damenrad einen gewagten Drift - heftig bremsen und das Hinterrad rutscht dabei zur Seite - und scheitert kläglich und der Preis ist hoch: es schleudert ihm leider eine der Mangoboxen aus dem Fahrradkörbchen.
    Es bleiben aber noch mehr als genug Mangos für alle, die wir die Treppe runter zum Flussufer auf den Stufen genießen. Dazu, etwas flussabwärts, sehen wir die Lightshow und hören die mystisch-archaischen und romantischen Klänge der bunten, allabendlichen Tanzdarbietung auf dem Fluss, gerade mal 200 Meter weit von unserem Hotel entfernt, das Spektakel jedoch nur von hinten.

    Nachdem wir den Airconturm im Zimmer endlich aus dem Kühlschrankmodus gebracht haben, rollen wir uns in unsere vielen Betten.
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