Backpacking China

August - September 2019
A 22-day adventure by Hulahula Read more
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    August 15, 2019 in China ⋅ ☀️ 31 °C

    Ich bin eigentlich jemand, der eine Idee für ein Reisziel hat, ein Ticket kauft, hinfliegt und dann, ja, dann mal sehen, wie dann da so ist und was dann so kommt.
    Genau so wars mit China: „China? - is doch geil!
    460 Euro pro Person nach Peking? Nur? In den Sommerferien? Super, das machen wir!“ ... tschak Tickets gekauft, für meine drei Kinder und mich.

    China? Keine Ahnung, was es eigentlich bedeutet, nach China zu reisen, so auf eigene Faust, mit Kindern... klingt auf jeden Fall spannend und das isses dann auch.

    Denn spannend wird es schon mit der Beschaffung der Visa. Ja, wir Deutschen benötigen ein Visum, das man vorher beantragen muss..
    Damit man das aber bekommt, muss man vorher wissen, wohin man jetzt in China genau reisen wird, denn das möchte die Chinesische Regierung wissen, bevor du dann weisst, ob du überhaupt einreisen darfst...

    China, ein Reisevorbereitungsschwergewicht also, wie sich bald herausstellt. Schon der Lonely Planet wiegt locker seine eineinhalb Kilo und hat 1212 Seiten, über 1200 Seiten Möglichkeiten und Aspekte, und das mir, dem Superreiseplaner, ohje.

    Meine Rettung: nur drei Wochen Zeit. Drei Wochen lassen nur einen Bruchteil der Möglichkeiten dieses vielversprechenden Landes zu, sie sind einfach überwältigend. Dazu die Bilder auf diversen Foren.... Einer meiner ersten Gedanken war tatsächlich: „Auweia, jetzt wirste die nächsten zehn Jahre nur noch in dieses Land reisen, bei dieser umwerfenden Vielfalt.“

    Mit dem sehr hilfreichen Vorsatz: lieber weniger, aber dafür richtig, ist am Ende eine Route in Abstimmung mit den Kindern dann doch recht schnell gefunden.
    Es geht von Peking nach Süden in die Provinz Hunan mit den Avatar-Gebirgen, weiter runter nach Guangxi, mit Fluss, Reisterrassen und mit DER chinesischen Karstlandschaft - viel Natur also - dann über Shanghai zurück nach Peking, ein lauer Marco Polo’scher Furz und natürlich bleibt einiges auf der Strecke, aber wahrscheinlich immer noch mehr als genug.

    Der Online-Visaantrag hat neun Seiten, auf dessen korrektes Aufüllen du sich sehr genau und umfassend vorbereiten solltest. Dazu gehört, dass du die Buchungen deiner Unterkünfte auf der Route nachweisen musst. Wie soll das aber gehen, schöne und gut platzierte Unterkünfte in einem Land buchen, das man gar nicht kennt? Und vor allem, neben dem Wo, das Wann und das Wielange? Was genau gibts überhaupt da zu tun, zu besichtigen und zu erleben, wo wir da so hinwollen?
    Hausaufgaben: Vlogs kucken, Blogs lesen, Planet wälzen, Verbindungen checken, Transportmittel, Zeiten und Preise klären. O man, was ein Job!
    Das Ergebnis ist eine komplett durchgetaktete Reise mit Buchungen der Transfers und der Unterkünfte. Mit Fynn habe ich ein ganzes Wochenende an unserer Route und am Timing herumgebastelt, ein weiteres mit Laura und Nele an den Unterkünften. Ein Krimi, sage ich euch!

    Wenigstens ein bezahlbare Bleibe in Peking zu finden. Airbnb war die Wahl. Wunderschöne Appartments in verschiedenen, strategisch vermeintlich guten Lagen, nicht zu weit vom Stadtkern entfernt. Die beliebtesten Hostels sind im Juni weitestgehend ausgebucht, zumindest für vier Personen. Unser Airbnb Drama war dann: eine Unterkunft ausgesucht, gebucht, bestätigt, dann aber gleich wieder storniert, Zweite Unterkunft aus gesucht, gebucht, bestätigt und kurz darauf wieder: storniert. Mit der Stornierungsmail der dritten kam dann immerhin die Information, dass die Regierung den Airbnb Hosts kurzfristig untersagt hat, Ausländer zu beherbergen. Frust.
    Also doch Hostel. Die Auswahl der verbliebenen ist klein, dennoch finden wir ein ganz nettes, mittendrin in einem Hutongviertel im Zentrum, bestehend aus den traditionellen Hofhäusern Pekings. Volltreffer! Gebucht, bestätigt, alles gut.
    Kostet zwar über 500 € für 5 Nächte, 200 mehr als Airbnb, Peking ist halt teuer.
    Die Unterkünfte der restlichen Reise kosten einen Bruchteil bei erheblich mehr Platz und Komfort, als die in Peking.
    Eine Woche vor Reisebeginn erreicht mich dann über Booking die Absage unseres Hostels in Peking.
    Jetzt kommt das S...-Wort - und ich spüre leichte Panik in mir aufsteigen. Es war schon im Juni eng mit den guten Unterkünften für Vier, und jetzt, eine Woche davor?
    Booking liefert mit der Stornierung gleich eine Alternative mit, ein Hostel, sehr zentral, Metrokreuz keine Minute entfernt, aber uncharmant und nicht mit den besten Bewertungen. Immerhin bekommen wir noch zwei Doppelzimmer mit Fenster. Ich habe wirklich alle Portale durchkämmt, wir buchen dann diese Notlösung als beste Option, es bleibt auch bei 550 € für die fünf Nächte.

    Den Visaantrag stelle ich sechs Wochen vor Abreise. Das Ausfüllen für vier Personen nimmt fast einen ganzen Tag in Anspruch. Was die auch alles wissen wollen! und fehlerhafte oder unvollständige Angaben werden nicht verziehen.
    Aktuelle Passbilder, die natürlich besondere Anforderungen haben, werden benötigt, was haben denn Mutter und Vater so gemacht die letzte Zeit? Wo waren SIE überhaupt in den letzten fünf Jahren? Lauter so Zeug.
    Irgendwann dann,: fertig und Antrag online abgeschickt. Online Termin mit Visastelle in München vereinbart, auf Termin bei Visastelle mit einem dicken Packen Dokumente pünktlich erschienen, Reisepässe abgeliefert.
    Kurzes Stocken des Atems: „...Die Buchungsbestätigungen von Booking haben die falsche Form... aber beim nächsten Mal dann bitte richtig machen...“
    Aaaausatmen....
    In vier Arbeitstagen darf ich die Pässe mit den Visa dann abholen - voraussichtlich, wenn ich denn vorher keinen Anruf bekomme...
    Aber ich hole sie vier Tage später ab, die heiligen vier Scheisserchen. Wir - reisen - nach - China - in echt jetzt! - yes!

    Heute Morgen hole ich meine sehr aufgeregten Kinder Zuhause ab. Wir checken die Packliste und ab geht’s zum Parkplatzservice, zum Flughafen, zum Terminal D, zur 1000 Kilometer langen Schlange am KLM Drop off Schalter, der von nur einer Dame besetzt ist.... waaaaaaaahhhhh! Wir sind rechtzeitig am Schalter, aber bei diesem Abfertigungstempo hätten wir vor zwei Stunden kommen müssen. Nur die ersten 200 Kilometer der Wartenden ist recht ruhig, ab Kilometer 350 werden die Wartenden unruhig, ab Kilometer 500 spürt man Panik, am Ende der Schlange ab km 900 Hysterie. Und mittendrin wir, ein Papa mit drei fürchterlich aufgeregten Kindern... geil.
    Dann das Wunder von KLM. Nacheinander ploppen drei blonde Fräulein-Antje-Engel nach ihrer verdienten Mittagspause an weiteren Schaltern auf. 1000 Kilometer unendliche Dankbarkeit und Tränen der Erleichterung in den Augen der Erlösten.
    Wir erreichen kurz vor Boarding unser Gate.

    Flug nach Amsterdam, zufriedene Fensterplätze. Vier kurzweilige Stunden im Schiphol, Laura und ich haben diverse Deja Vus von unserer Malaysiareise im Juni. Wir starten pünktlich in die Nacht zur Überquerung des asiatischen Kontinents. Das chinesische Chicken schmeckt, wie man es für die Holzklasse erwartet, die Filmliste ist lang... Ein kleiner Zwischenfall brachte etwas Drama in die Sitzreihe der Geschwister, denn Neles Orangensaft rutschte unbeabsichtigt vom defekt-schrägen Tisch auf des großen Bruders Hose... Na dann, gute Nacht!
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  • Day 2

    RauchWirdDeinenKopfAuslösen...

    August 17, 2019 in China ⋅ ⛅ 30 °C

    ...oder: Lost in Translation - almost.

    Um 8:20 Uhr landen wir sanft in Beijing.
    Jeder von uns hat ca zweieinhalb Stunden geschlafen, das muss reichen für Heute.
    Flughafenroutine. Unser erster Weg führt uns
    zur Immigration, nachdem von allen Fingern die Fingerabdrücke gescannt wurden, schlüpfen wir elegant durch die Pass- und Visakontrollen. Willkommen in China!

    Unser Gepäck ist diesmal ganz vorne dabei.
    Das ist so niedlich: drei schlaffe 60 Liter Rucksäcke, mit schlappen 6 Kilo Gewicht und einer mit knapp zehn Kilo. So leicht sind wir noch nie gereist, als Handgepäck wäre das eigentlich locker durchgegangen. Schauen wir mal, was Souvenirs dann so wiegen bei der Abreise...

    Dann, Geld muss her! Ich entschließe mich gleich einen größeren Betrag am Flughafen zu tauschen, der Wechselkurs ist definitv eine Frechheit. Die Fee beträgt knappe zehn Prozent! So viel sei hier schon verraten: es wird auch „draussen’ nicht mehr günstiger, die Prozedur wird nur noch aufwändiger. Also könnte man rein theoretisch getrost seine gesamte Barschaft schon am Flughafen tauschen.

    Weiter geht die Routine mit Sim-Karten kaufen. China mobile ist die Wahl, 20 GB Data und Telefon, 20 Tage gültig, 13 €, das ist OK.
    Klick-klack, passt und läuft.
    Wenn man sich mit Reisen in China beschäftigt, erfährt man schnell, dass die Great Firewall of China die meisten unserer Apps und Webseiten nicht funktionieren lässt. VPN heisst hier die Zaubertüte. Wir haben dieses virtuelle Hintertürchen auf Anraten diverser Chinablogger schon Zuhause installiert, im Lande angekommen, keine Chance. Welches VPN nicht schon von der Chinesischen Regierung geknackt wurde und welche aktuell funktionieren sollten, dazu gag es Foren im Netz mit relativ aktuellen Informationen.
    Ich habe zwei Apps auf meinen Mobiles, eine geht, die andere nicht, witziger Weise funktioniert das VPN, das nichts kostet. Kann sich aber alles wieder ändern. Auf jeden Fall, wir sind online, mit verwischten Spuren über irgendwelche Server dieser Netzwelt, vorbei an der Firewall. Und online fühlt sich einfach gut an.

    Jetzt wollnwa noch Nachhause, ins gelobte Spring Time Hostel, das uns bis dato nicht rauswerfen musste. Seltsam, aber wahr, Gottseidank. Man wird ja bescheiden.
    Wir sind nicht wach und geduldig genug für Ubahn Gepuzzle bis zum Hostel, ein andermal. Bei einem offiziellen Taxicounter bekommen wir unseren Transfer in einem Van für stolze 36€ verpasst, andererseits, ein bezahlbarer Luxus, gönnen wir uns.

    Und jetzt, jetzt ist der Augenblick, in dem wir die Airconditionwelt der Flughäfen verlassen und unsere erste Planetpekingluft schnuppern...
    Auch auf diesem Planeten gibt es eine Sonne, wie bei uns, es hat angenehme mitte Zwanzig Grad, die Atmosphäre verfügt über einen gewissen Sauerstoffgehalt und ist durchaus atembar, die Feuchte der Athmosphäre: unfeucht, die fremde Spezies nicht unbedingt freundlich, aber sie lässt uns in Ruhe. Kommunikation zero. Die Frisur hält.

    Wir übergeben dem uns zugewiesenen Navigator ein Kärtchen mit seltsamen, aber hübschen Schriftzeichen drauf von unserem Habitat-Agenten, worauf der sogleich die Maschinen startet und uns in seine Galaxie chauffiert. Der Booking-dot-com-Trick hat funktioniert. Es beschallen uns zu unserem Transit fremdartige, hochfrequente Gesänge zu sehr eiernder Instrumentalisierung. Sind wir vorhin über Kamtschatka vielleicht doch falsch abgebogen... Tatooïne?
    Zu diesem Soundtrack blicken wir aus den Fenstern und versuchen uns ein erstes Bild von der neuen Welt zu machen. Grau, stapelweise Wohneinheiten in beängstigenden Stapelarten, in die Breite, nach Oben, rechtwinklig, wie Inseln in einem Meer von Planquadraten. Die haben wir aus unserem Fluggerät schon wahrgenommen.

    Stau, Grau, Lampions, müde, wach, brems, wir sind da. Der Taxifahrer weiss nicht wirklich, wo sich unser Hostel versteckt, aber es muss hier irgendwo sein, fuchtelt er uns, und schwupps stehen wir da mit großen Augen, vor einer Metrostation. MapsMe sagt: Ja, der Mann hat schon richtig gefuchtelt, ist richtig hier, Dongsi Station.
    Die Rucksäcke geschultert marschieren wir auf hypnotisierende riesige rote Schriftzeichen los, die etwas weiter nach hinten versetzt von einem Gebäude herunter leuchten. Baulärm und Presslufthammer werden hinter einer Glastür leiser, auf der ein vielversprechender Aufkleber mit Spring Time Hostel klebt. Innen sieht es aus wie ein Hostel, es sitzen Menschen rum, die aussehen wie Gäste von einem Hostel und hinterm Tresen sitzt einer, der herumkruschtelt wie ein Rezeptionist von einem Hostel, wir sind da. Äähhhm, English? Nope. Also, wir wären jetzt da...
    Tipp tipp tipp, bitte lesen:
    Die Zimmer sind noch nicht fertig.
    Gesicht: Oh.
    Ja, ähmm, klar, erstmal der Reisepass... Check in...
    Tipp tipp tipp: macht Viertausendirgendwas Yuan, cash.
    Gesicht: Oh, Mist, ich hab zu wenig umgetauscht.
    Tipp tipp tipp: Wo ist hier bitte ein Bank?
    Kann ich erstmal 1000 Yuan anzahlen?
    Tipp tipp tipp: ok
    Nochmal tipp tipp tipp: In einer Stunde ist das Zimmer fertig.
    Blick in eine Runde hungrig knurrender Augen...
    Tipp tipp tipp: ok, wir gehen was Essen. Bis in einer Stunde.
    Tipp tipp tipp: Stellt euer Gepäck solange im Büro ab.
    Handzeichen für Ok, zweimal Lächeln, und Abgang.

    Halbzwölf ist es ungefähr.
    Wunder der Kommunikation, ich kann nämlich seit zehn Sekunden traditionelles Chinesisch, Wunder der Technik: Ich bin so dermaßen vom Googleübersetzer begeistert, sage ich euch. DeutschChinesischDeutsch, es funktioniert und das auch noch offline! Bäm. Ein großes Fragezeichen, das die letzten Wochen über meinem Kopf geschwebt hatte, hat sich mit diesem Moment in große Erleichterung aufgelöst. Was habe ich nicht immer wieder und so oft über die äusserst schwierige Kommunikation in China gelesen, puff, weg, geht doch!

    Voll informiert und überdreht-beschwingt steuern wir auf die erstbeste Fassade zu, die nach Restaurant aussieht. Rustikale Holzbalkenverkleidung aussen, rote Laternen, winkende Buddhas, großer Eingang - rein.
    Es ist ein Restaurant.
    Im Eingangsbereich wird von Weiss bemützten Köchen Fleisch in dünnste Scheiben geschnitten, wir mit unseren fragenden Blicken werden sofort eingefangen, platziert und haben auch gleich die zweisprachigen Menues vor der Nase. Zum Einstieg gibt es also Hotpot.

    Die Kinder und ich stellen begeistert unser Buffet zusammen, von einer Bedienung in schicker Restaurantuniform werden wir dabei geduldig durch das Bestellprozedere geführt: Fleischsorten diverse, Lotuswurzeln, Knoblauchzehen, Chinakohl, Morcheln, Spinat, etc., diverse Soßen dazu. Der Hotpot mit der dampfenden Brühe wird in unsere Mitte auf den Tisch gestellt. Es geht los. Einen besseren Anfang hätte unsere kulinarische Reise durch China nicht nehmen können. Wir habe allesamt mit geschlossenen Augen genossen, die Geschmacksexplosionen, die Zartheit, die Frische, die Exotik, die Düfte - genau so muss China schmecken! Meine Kinder gehen dabei mit Stäbchen um, als kennen sie weder Messer und Gabeln, stolzer Papa. Wir genießen lange, sehr lange.
    Den Weg zur Toilette leiten einen fluoriszierende Comicfußabdrücke am Boden, Aufkleber mit dem
    Chinesischen Schriftzeichen für Toilette - ich realisiere jetzt zum ersten Mal so richtig, dass ich tatsächlich in China sein muss. Kennt ihr dieses Gefühl?
    Überall kleben und stehen Schilder mit chinesischen Texten herum, der Härtetest für die Kamerafunktion vom Googleübersetzer. Draufhalten auf die Schriftzeichen und kurz warten, bis die Übersetzung kommt. Wir brechen zusammen vor Lachen. Gleich nochmal, gleicher Text, komplett andere Übersetzung. Wir lachen uns krumm. Wir haben ein neues Spiel! Texte raten. So ein bisschen Sinn machen die angebotenen Übersetzungen schon, der sich aber eher über seinen Unsinn erschließen lässt. Da muss Microsoft eindeutig nochmal ran, aber immerhin ein großer Spaß.

    Bevor wir aber vor lauter Lachen und Hotpot wirklich platzen, machen wir uns auf zu unserer Bleibe. Vorher bezahlen am Counter, mit 30 Euro ist dieses Gelage fast ein Schnäppchen.
    Eigentlich sind wir nach dem wahnsinns Essen jetzt schrecklich müde und wollen nur noch ins Bett.
    Unsere Doppelzimmer liegen in unterschiedlichen Stockwerken, Laura und Nele und Fynn und Papa jeweils zusammen. Die Zimmer sind überraschend geräumig, die Betten sauber, die Bäder in gewohnt asiatischem Flair und Flora in dieser Klasse, mit Gebrauchsspuren. Passt. Baustellenlärm? Wasnfürnbausssstlllnlrm ...zzzzz ...Wir sehen uns dann um 17 Uhr wieder, gute Nacht!

    Um Halbsechs wache ich als erster auf
    Zähes Aufstehen, aber die Neugier auf das Neue ist größer. Eine U Bahnsation weiter beginnt ein vom LP vorgeschlagener Weg durch Hutongs, ein Wohnviertel, das aus sogenannten Hofhäusern mit maximal zwei Stockwerken besteht. Das alte traditionelle Peking findet man hier. Lange Straßen und Gassen ziehen sich zwischen den Karrees und steingrauen und fensterlosen Aussenmauern der Hofhäuser, die sich straßenseits nur durch ein Portal betreten lassen, das je nach Bewohner mal einfach, mal pompöser gestaltet ist.

    Die Hürde des ÖPNV Ticketkaufs nehmen die Kinder am Automaten mit Bravour, bevor es durch die Sicherheitskontrolle am oberen Ende der Rolltreppen geht. Rucksäcke und Taschen werden wie am Flughafen durchleuchtet, ein kurzer Check noch von der Security mit dem Beeperstab, beept nix, und runter gehts zum Bahnsteig. Die Gleise sind durch eine Glaswand vom Bahnsteig abgetrennt, die Türen zum Zug öfffnen sich erst, nachdem der Zug gehalten hat. Wir sind die einzigen Touristen weit und breit und verstohlene Neugier können auch die coolen Pekinger in ihren Blicken nicht verstecken - wir auch nicht.

    Die Hutongs beginnen direkt gegenüber der U Bahnstation und es ist knackevoll am Eingangsportal, so viele Menschen! Warum müssen ausgerechnet Heute alle 1,3 Mrd. Chinesen zum flanieren hierher kommen?
    Es ist Samstagnacht, klare Sache.
    Wir lassen uns vom Menschenstrom mitziehen, der sich in den Gassen dann erfreulicher Weise etwas entzerrt. Unsere Füße haben wieder durchgehend Bodenkontakt, wir können wieder selbstständig laufen.

    Auf der abendlichen Hauptstraße der Hutongs präsentieren sich in schöne Lichter getaucht, sehr nette kleine Läden und auch Imbisse und kleinere Restaurants. Es wird fast schon gemütlich, trotz der vielen Menschen.
    Wir lassen uns vom Anblick in einen Imbiss ziehen und holen uns da lecker aussehende Bällchen unbekannter Konsistenz, die wir dann sogleich verkosten - köstlich, was immer das in dem Teigmantel war, in der Soße drumrum schwammen immerhin identifizierbare Miniioktopussteilchen...

    Nächster Halt: Eis am Stiel. Die schwere Entscheidung am Ende ganz leicht, wir alle sind Mangojunkies. Was für ein Eis, süchtig machend nach dem ersten Kontakt.
    Mit der Energie des gut aufgezuckerten Blutspiegels entdecken wir mit Entzücken diese rot glasiert leuchtenden Entenleiber in einem Fenster baumeln. Diese Küche bietet Enten-Dürüm an. Perfekt! Eine Köchin wickelt im Akkord Entenfleisch, eingelegtes Gemüse und etwas Kohl in einen dünnen Fladen, Hoisinsoße drüber... Augen zu und reinbeissen... wir können dazu sogar im hinteren Teil vom Imbiss richtig an einem Tisch sitzen. Großes Entenglück.

    Dann, erneutes Zittern, Sabbern, Glubschaugen, beschleunigter Gang, eindeutig Suchtsymptomatik, ein Eis muss her, schnell. Das passt jedoch nur noch in Fynn und Laura rein, Nele und Papa sind noch im Entengeschmackskoma.
    Mit entspanntem Gang, aber dennoch mit der Unruhe eines Zockers zieht uns Fynn langsam Richtung Hostel. Wir nehmen eine ruhigere Gasse, vorbei an einem Gewässer mit wunderschönen Trauerweiden und romantisch illuminierten Brücken, bis uns die kalte LED Ästhetik und die Aircon der Metrostation schockfrostet. Kartenkauf und Security. Schwupps sind wir wieder bei unserer geschätzten Dongsi Station.
    Wir beschließen noch einen kleinen Umweg über einen Supermarkt, um Nescafé, Wasser, Kekse und ein Tsingtao für Papa käuflich zu erwerben.
    Zum Ladenschluß um Zehn ruft der Ladenleiter seine Mitarbeiter zur Aufstellung zum Appell und nach motivierendem Lobgesang in gebelltem Chinesisch - was ich für unsere Ohren eher demotivierend anhört, aber sicher nett gemeint ist - wird noch eine kleinlaute Litanei, vermutlich ein Hoch auf die Arbeiterklasse, mit halben Herzen und Stimmen von der Mitarbeiterschaft brummelnd absolviert.
    Mich hat dieses kurz aufgeschnappte Szenario am Rande sehr seltsam berührt und finde es deshalb erwähnenswert.
    Die Kinder trollen sich ins Hostel, ich versuche mich mit Geldabheben noch bei der hiesigen Postbank und scheitere kläglich. Keine Auszahlung ohne chinesischen Ausweis. Ein Pekinger Obdachloser, der im Bankraum auf Pappen logiert, sieht mir aus dem Augenwinkel durch seinen Biernebel dabei zu.

    Ich raschel noch ein bisschen mit den Seiten vom LP mit Blick auf die Aktivitäten des morgigen Tages, schreibe, trinke Tsingtao und schlafe dann tatsächlich irgendwann auch mal gejetlagged ein.
    Fynn war da eindeutig schneller.
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  • Day 3

    Pekingentenhausen

    August 18, 2019 in China ⋅ ⛅ 31 °C

    Halbzehn ist es dann doch, als vier schlafende Steine wieder zum Leben erwachen. Ich gieße meine Trägheit mit etwas Nescafé und schon bald verlassen wir, für den Tag gerüstet, im Gänsemarsch unsere Zimmer.
    Ein fröhliches ‚Good Morning‘! wird uns vom Mann an der Rezeption an die überraschten Ohren geworfen. Es ist ein anderer als gestern und er spricht wunderbarstes Englisch. Somit ist schnell geklärt, dass Touristen Bargeld am unkompliziertesten bei der Bank of China abheben können. Die nächste befindet sich eine U Bahnstation südlich, in 900 Meter Laufweite.

    Aber erstmal Frühstück. Um die Ecke, gleich beim 7Eleven, ist ein Lokal mit Dim Sum, das hatten wir gestern beim Shoppen schon entdeckt. Da gehts hin. Bestellt wird an einer Art Buffet, hinter dem auch frisch zubereitet wird. Es dampft und duftet herrlich. Die Kinder holen sich große Teigbälle mit Sesam, diverse Dim Sums und frittierte Hühnerbällchen. Ich zeige auf eine Soupbowl mit Wantans und erweitere mein Frühstück um gedämpfte Hühnerfüße. Selbst der Anblick unserer Speisen ist ein schon ein Genuss.
    Wir besprechen die Highlights des heutigen Tages: Bank of China, Lama Tempel, Konfuzius Tempel und Sommerpalast. Sportliches Programm, auf geht‘s!

    Wir schlendern den knappen Kilometer bis zur Bank of China eine große Straße entlang, beobachten das geschäftige Leben, immer wieder öffnet sich eine Gasse in einen Hutong.
    Vorbei an vielen kleinen Läden, auffällig viele mit Sportklamotten. Bei einem Obstladen, der durch seinen Geruch nach Durian unüberriechbar ist, lassen wir uns von der Auslage verführen und kaufen uns abgepackte, geschnittene Melone und eine Obstmischung mit Honigmelone, Dragonfruit, Trauben, Ananas und - das gehört in China wohl zum Obstallerlei - Cocktailtomaten.

    Was uns besonders an dieser belebten Straße auffällt: es ist total ruhig. Man hört den Verkehr fast gar nicht. Es gibt zwar viele Roller, aber die fahren ausschließlich elektrisch, und auch die Autos, einige geräuschlos, viele mit sehr gedrosselten Fahrgeräuschen, unglaublich viele Leihfahrräder, Mobike & Co. Reale Elektromobilität, sehr angenehm. Aufgrund der fatalen Luftverschmutzung, Airokalypse hat der Planet das so treffend genannt, hat die Regierung offenbar entsprechende Maßnahmen ergriffen.
    Die stillen Straßenbewegungen sind noch sehr gewöhnungsbedürftig: Wir richten uns Zuhause beim Überqueren einer Straße unter anderem durchaus auch nach Geräuschen herannahender Fahrzeuge, hier in Peking klappt das nicht mehr. Der Blick nach links und rechts ist hier obligatorisch, will man nicht von einem stummen Elektrofahrzeuge überraschend überrollt werden. Ich würde das nicht erzählen, wenn da nicht schon eine Situation bei mir zu einem gewissen Learning geführt hätte. Ich lebe noch.

    Die Bank of China liegt in einer Straße mit einem überdimensioniert aufgeblasenen Nobelhotel gegenüber, viktorianischer Stil soll das wohl sein, davor viele schwarze Limousinen, auch ein Royce ist dabei.
    Der ATM spuckt ohne Umstände zweimal 3.000
    Yuan auf Kreditkarte aus. Das ist schon was, ist aber geschätzt noch nicht genug für die nächsten Tage und Wochen auf dem Land. Dadorten wird nahezu alles in bar bezahlt, wenigstens von ausländischen Touristen.
    Also rein und Geld wechseln. Eine Dame am Empfang händigt mir ein zu unterschreibendes Formular und eine Wartenummer aus. Keine Ahnung, was ich da unterschreiben muss, muss aber. Ein Polizist ganz in Schwarz, mit Knüppel, schusssicherer Weste und Helm sitzt in der Ecke freut sich über die Ablenkung durch die wartenden Kinder, die ihre Flaschen am gekühlten Wasserautomaten mehrmals auffüllen. Er putzt auch den Trinkwassersee vor dem Automaten weg.

    Ich beschließe einen beträchtlichen Betrag umzutauschen, dass erstmal Ruhe ist. Die bürokratische Prozedur zieht sich. Ich muss meinen Arbeitgeber angeben, meine heimische Telefonnummer und mein Reisepass wird erneut gescannt, gefühlt zum 20sten Mal, Unterschriften unter diverse Versklavungsverträge unbekannten Inhalts. Jetzt gehört meine Seele dem großen Bruder. Dafür gibts ein dickes Bündel Devisen. Orangefarbene Hunderterscheine sind das hauptsächlich, je ca 13 Euro wert. Freche 10% Fee werden auch hier kassiert, wie am Flughafen. Grrr.

    Das Abzockegefühl schnell erfolgreich verdrängen und ab in den Untergrund. Der Knüppelmann lächelt den Kindern milde nach und hebt zum Abschied sogar die feuchte Hand, ganz ohne leisen Vorwurf.
    Nach vier U-Bahnstationen erreichen wir den Lama Tempel. Zum Eingang laufen wir aussen die gesamte Länge des Areals ab, und es ist laaang!
    Der Eintritt ist bezahlbar, gute 10 Euro für uns Vier. Hinein ins Sightsseeing. Wir sind fast die einzigen Touristen, also westlicheTouristen, sonst nur Fähnchen folgende chinesische Reisegruppen mit Mikro- und Megafonbeschallung durch den Guide.
    Die Tempelanlage ist großartig. Am Eingang werden Bündel von Räucherstäbchen ausgegeben, etwas missmutig auch an uns. Ich kann noch nicht einschätzen, ob Missmut hierzulande auch so gemeint ist, oder ob wir das nur so deuten. Ich werde das beobachten...
    Der buddhistische Tempel besteht aus mehreren Arealen mit immer heiliger werdenden Schreinen, eingefriedet von Mauern und langgezogenen Gebäuden am Rand. In diesen Gebäuden befinden sich kleine Museen zur Geschichte des Klosters, toll gemacht!
    Immer wieder Kniepolsterbänke für die Betenden.
    Es wird viel gebetet, draussen und drinnen, dass es nur so qualmt. Angeleitet wird auf Schildern, wieviele Stäbchen idealer Weise zum Gebet entzündet werden. Es duftet, dampft und raucht auf dem ganzen Gelände. Für die benutzten, aber noch glühenden Stäbchen stehen große, schwere, rostige Kisten aus Eisen herum, die qualmen wie Schlote, das hat schon fast was von Industrieromantik.
    Die Anlage ist uralt, wie oft hat man diese typische Architektur in Martial Arts Filmen schon gesehen, jetzt stehen wir mittendrin. Die spirituelle Ruhe der Tempelanlage dazu - wir sind echt in China, man!

    Wir bestaunen die gesamte Anlage, ich vertiefe mich lieber nicht in Architekturgeschichte, sondern genieße einfach so. Fynn und Nele steigen ermattet aus und platzieren sich irgendwo, Laura und ich streifen weiter. Große Hallen mit unglaublich schönen Schnitzereien, Vertäfelungen, Statuen.
    Dazu in verschiedenen Pegeln die schrill schnarrenden Erklärungen der chinesischen Guides an ihre Reisegruppen aus schlechten Lautsprecherboxen. Was ein Bild, was ein Klang.

    Es ist schwülwarm und bedeckt, um die dreissig Grad, die Kinder auf Halbmast. Wasser und Obst bringen nur wenig Energie und Motivation zurück. Wir verlassen den Lama Tempel.

    Unweit, quasi zwei Räucherstäbchenwürfe weiter, ist der zweite, der Konfuzius Tempel. Eine Anlage, die sich über 20.000 qm erstreckt, ohje. Wenn Blicke töten könnten, aber sie geht mit hinein, die tapfere Kinderschar.
    Der Tempel war ehemals die kaiserliche Akademie, eine Kaderschmiede und Eliteuni, die nach der Lehre des Konfuzius unterrichtet hat.
    Der steht auch als hochverehrte Statue selbstbewusst auf dem Gelände. Man wandert über Höfe von einer Halle zur nächsten, die unterschiedlichen Zwecken dienten. Allesamt sehr schön anzusehen, sehr harmonisch in ihrer Architektur, mit den typischen chinesischen Dächern mit den leicht geschwungenen Giebelabschlüssen. Dazwischen steinalte Bäume, teilweise über 800 Jahre alt, was haben die nur alles gesehen... Wir flanieren zwischen den Nebengebäuden, in der Erwartung, dass jederzeit Martial Arts Kämpfer plötzlich zwischen den Dächern über unseren Köpfen flattern, die perfekte Kulisse. In einem Nebengebäude befindet sich auch ein Museum, dass über Konfuzius und die Akademie informiert, sehr interessant, vor allem das gnadenlose Aussieben der Bildungselite, das muss der totale Psychoterror für die Studenten gewesen sein.
    Die Nachmittagssonne taucht die großen Gebäude mit ihren Farben und Kontrasten in ein
    traumhaftes Licht.

    Um 17 Uhr werden die Tore geschlossen und wir sind erschöpft, wir alle. Diese Herumlauferei bei diesen Temperaturen ist echt anstrengend. Es sind diese mächtigen Dimensionen, die so schlauchen, Klein gibt es in Peking offensichtlich nicht.

    Der Tempel befindet sich in einer Hutonggasse, in der sich lauter kleine Lädchen finden, die Tempelaccessoires, Kalligrafieutensilien, Handwerkskunst, aber auch Eis und Snacks anbieten. Eis! …unser Stichwort. Wir setzen uns vor den kleinen Laden mit dem Eis und beobachten dabei das frühabendliche Straßenleben der Anwohner. Ein Altedamentrio sitz auf ihren Plastikstühlen und ratscht, Eltern mit Kindern flanieren, junge Paare beschäftigen sich lieber mit ihren Handys als mit Fummeln, Minihunde werden Gassi geführt, vereinzelte Touris stehen frustriert vor verschlossenen Tempeltüren. Immer wieder gleiten Roller des Todes fast geräuschlos vorbei. Das Szenario strahlt nachmittägliche Entspanntheit und Ruhe aus, endlich einmal, davon besteht dringender Bedarf. Überall sind so unglaublich viele Menschen, auch wenn die Stadt an sich nicht laut ist, diese omnipräsenten Menschenmassen empfinden wir als sehr sehr anstrengend.
    Die orangenen Mönche Pekings sind übrigens die Müllmänner, die überall emsig den Müll einsammeln. Peking City ist ziemlich sauber.

    Beim Ausruhen und Eis Essen beschließen wir unsere Abendveranstaltung: Pekingente.
    Ich habe mir im Vorfeld schon Restaurantempfehlungen herausgepickt, eines davon liegt in angenehmer Laufweite. Wir spazieren gemächlich in Richtung dieser Adresse, an Hutongs entlang, die gerade saniert werden, zumindest die Fassaden. Späht man durch so manche Tür, wird nicht selten der Blick auf ein ziemliches Wohn- und Gerümpelchaos freigegeben, ungepflegte und verkommene Bausubstanz. Hier scheinen sich manchmal viele Menschen wenig Wohnraum zu teilen.

    Wir sind angekommen. In der fortgeschrittenen Dämmerung tauchen die vielen Lampions und Leuchtschilder die Straße in ein rötlichbuntes Lichtermeer. Genau so stellt man sich eine chinesische Flaniermeile vor, und irgendwo dazwischen ist der Eingang zu unserem Entenschuppen. Viele Menschen sitzen davor, anscheinend wartend. Bei guten Restaurants in China sollte man immer mindestens eine halbe Stunde bis Stunde Wartezeit einkalkulieren, so steht es geschrieben.
    Wir wollen uns über die aktuelle Wartezeit am Counter informieren und ob vielleicht Nummern verteilt werden. Ein junger Kellner fragt uns, wieviele Personen wird seien und verschwindet.

    Wenige Minuten später kommt er wieder und winkt uns zu sich, er hätte einen Tisch für uns, jetzt. Innerer Jubel. Wir werden durch das Lokal in den ersten Stock geführt. Wir kommen vorbei an der sehr exotischen frischen Auslage der Speisekarte. Glasierte Enten baumeln von Gestellen, hoch gestapelte Kegel von Krustentieren, Bassins mit noch nie gesehenen Muscheln, Krustengetier, stacheligen Seegurken und Fischen, sandgefüllte Tabletts, aus denen uns Hinterteile von irgendwelchen fetten Insekten entgegen ragen, Spieße mit Skorpionen und so weiter...

    Das ganze Panoptikum findet sich sehr schön angerichtet und fotografiert in der umfangreichen Speisenkarte wieder. Allein die anzusehen ist schon ein Erlebnis. Wir sind eindeutig in einem der gehobeneren Restaurants gelandet. Die Empfehlung der Kellners ist, die längere Zubereitungszeit der Ente mit Vorspeisen zu überbrücken. Vor lauter Staunen und Schmökern im Menü müssen wir ihn ein paar Mal vertrösten, bis wir uns endlich entschieden haben. So kann man die Zeit ebenso durchaus kurzweilig überbrücken.
    Eher zurückhaltend bestellen wir dann gefüllte Lotuswurzel, exotisch lecker, und glasierten Schweinebauch, wabbel wabbel, wie viele Chinesen.

    Die Ente ist ein Gedicht. Gegessen wird sie, hübsch zerteilt und angerichtet, am Tisch eingerollt in Teigfladen mit Gemüse und Obststreifen und Hoisinsoße. Knusprige Haut wird auf Puffreiswürfeln dazu gereicht.
    Aufs Haus kredenzt man uns noch eine feine Entensuppe. Wir schwärmen und schwelgen vom ersten bis zum letzten Bissen. Zum Abschluss spendiert man uns noch eine Kugel superleckeres Maracujaeis. Eis können sie einfach, die Chinesen. Inklusive allem hat das sehr große Vergnügen mit exzellentem Service nur ganze 65 Euro gekostet, nicht wirklich viel für das Spektakel. Selbst Altbundespräsident Gauck hat schon in diesem Restaurant gespiesen. Das sagt ja wohl alles. : )

    Während wir sitzen, schmausen und schmatzen beginnt der junge und sehr aufmerksame Kellner ein Gespräch mit uns. Er spricht erfreulich gut Englisch. Das Gespräch endet damit, dass er uns den Trip zur Great Wall vermittelt, zu einem Abschnitt, der noch nicht komplett von touristischen Horden überrannt ist. So wird es zumindest im Planet beschrieben, und auch als gut erreichbar. Deshalb hatte ich mir den im Vorfeld auch ausgeguckt.
    Jackie heisst er, der herzig bemühte Kellner, James Bond nennt sich sein Bruder, der als Reiseagent fungiert, alles klar.
    Wir tauschen die nötigen Daten aus, für unseren letzten Tag in Peking haben wir dann gebucht. Will man die Tour nicht auf eigene Faust unternehmen, ist es fast egal, bei wem man bucht, die Fäden laufen eh bei wenigen Veranstaltern zusammen. So auch hier.
    Der individuelle Trip zur Mauer bedeutet eine ziemlich aufwändige Transportlogistik und ganz ehrlich, ich habe jetzt einfach keinen Bock mehr auf diese Aktion und schon gar nicht mit den Kindern, da gibt es mir definitiv zu viele Unbekannte und Variablen. Allein oder zu zweit hätte ich das sicher gemacht.

    Mit prächtig gefüllten Bäuchen plantschen wir draussen noch ein wenig im Lichtermeer der Straße, um dann müde und zufrieden in die Betten zu fallen. Nicht aber ohne den obligatorischen Besuch beim 7/11, um Wasser und Snacks zu shoppen.
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  • Day 4

    KaiserPalastWetter

    August 19, 2019 in China ⋅ ☁️ 30 °C

    Dim Sum isst man eh vor 12. Daran wollen wir uns auch gerne halten und stehen erst um 11 auf. Mittagsfrühstück. Stolz klatsche ich dem Hostelkassier unsere Restschulden für Logis in Form eines dicken Geldbündels auf den Tresen. Nur selten kann man mit Kreditkarte bezahlen, nicht einmal in Hotels der Mittelklasse kann man das, soweit ich das bisher mitbekommen habe.

    Eine lange U Bahnfahrt bringt uns Heute zum Sommerpalast, der von den Kaisern als Sommerresidenz genutzt wurde, als Sommerfrische quasi, aber ‚frisch‘ ist was anderes, es ist heiss, 32 Grad, blauer Himmel, Kaiserwetter, wir stöhnen leise im Rudel und beginnen umgehend zu schwitzen, als wir sehen, dass es zum Palast hinauf einen Hügel zu besteigen gilt.
    Na gut, dann rauf mit uns, neben Hunderten nicht weniger schwitzenden und stöhnenden Chinesen, teils unüberhörbar. Man nähert sich dem Palast von der hoch gemauerten und rot getünchten Rückseite. Die ganze Anlage ist, wie soll es anders sein, ein riesiger Park, voi Feng Shui. Zwei Drittel bestehen aus See, der so groß ist, dass dort unter den Augen des Kaisers Flottenmanöver geübt wurden. Stolze 100.000 Arbeiter haben dieses Megaplanschbecken ausgehoben, von den Opfern, die sie dafür gebracht haben spricht niemand. Der Einzelne zählt eben nichts.

    Hinein in den Palast, der sich natürlich auf dem höchsten Punkt der Anhöhe mit dem maximalen Ausblick befindet, darf man nicht,. Dafür weht dort droben ein erquickendes Lüftchen um die Nasen und schön anzusehen von Aussen ist er auch. Wir sind zufrieden damit. Das leise Stöhnen verstummt promt. Also doch Sommerfrische.

    Auf der Vorderseite öffnet sich ein weiter Blick über den riesigen See mit einer Insel, die mit einer Fähre erreicht werden kann. Von dieser Insel wiederum gelangt man über einen sehr pittoresken Brückenbogen aufs Festland. DER Instashot der ganzen Palastschose. Weiter hinten breitet sich Peking aus. Bemerkenswert ist für uns Skyscraperjunkies, dass Peking weder über eine alles überragende Downtown verfügt, noch sonst besonders hoch gebaut ist.

    Erbaut über das unverbaute Panorama widmen wir uns dem südlichen Teil der Anlage, die zum See hin in Terrassen absteigt, auf denen sich wiederum einige sehenswerte Tempelanlagen befinden.
    Wir bestaunen nicht nur die Gebäude, sondern auch die chinesischen Touristen, westliche Touristen sieht man äusserst selten. Wobei ich glaube, dass wir eher diejenigen sind, die sehr aufmerksam beobachtet werden. Die Kinder haben eine Strichliste begonnen, wer am meisten als Fotomodel von den Chinesen zum Fototermin gebeten wird. Die blonde Nele ist als Selfie Side Model sehr bliebt. Den Chinesen fällt es im Schlaf nicht ein zu fragen, bevor man uns fotografiert. Manche sind so dreist und stellen sich mit ihren dicken Kameras direkt vor uns und drücken ab, manche zoomen und knipsen heimlich, manche verfolgen uns sogar über längere Strecken, wenn sie filmen. Drehen wir uns um oder verstecken uns hinter Fächer oder Sonnenschirm, reagieren sie nicht selten richtig sauer. Vielleicht hat das gelegentlich nicht nur mit Privatvergnügen, sondern auch etwas mit Staatsschutz zu tun, mutmaßen wir.. Auffällig als nahezu einzige westliche Touristen hier sind wir auf alle Fälle. Wir schießen seit Heute hemmungslos auf jeden Fall zurück, deadly Insta shots.

    So kämpfen wir uns Tempel für Tempel die Rampen und Treppen hinunter zum Seeufer, machen in einer stillen Anlage - still, ja, das gibts! - Snackpause, bis wir schließlich unten am Seeufer ankommen. Dort zieht sich ein hübsch bemalter Arkadengang bis zum Bootshaus entlang. Horden von mit Caps und T-Shirts uniformierten Reisegruppen folgen ihren Fähnchen wedelnden Fieselschweifs ins homogenisierte Ausflugsglück. Beim Bootshaus legen die Fähren zur Insel ab.
    In unseren all inclusive Tickets ist die Überfahrt leider nicht inklusive. Wir sind eh knapp in der Zeit und ziemlich k.o. also lassen wir’s unenttäuscht einfach. Am Kai liegt ein (wie immer) riesiges Schiff aus Stein mit steinernen Schaufelrädern. Der Sinn von dem ganzen klobigen Steinklotz entzieht sich unserem Verständnis. Die Ästhetik kann es nicht sein, eher war es wohl die fixe Deko Idee einer Kaiserin namens Cixi oder so, egal, geschmacklos bleibt geschmacklos. Wir wollen eh nur noch Pause machen. Eine Stunde lang im Schatten nur mal Ratschen, das hat auch was.

    Wir beschließen den Rückzug, zurück in die Stadt, ein bisserl Shoppen auf der Einkaufsstraße mit dem wunderbaren Namen Wangfujing Dajie. Für den Rückweg zur U Bahn müssen wir nicht noch einmal über den Hügel. Ein bisschen erinnert mich der ganze Park an den Volkspark Friedrichshain, mit den Hügeln, dem rauf und runter und so.

    U Bahnfahren in Peking ist eine äußerst unkomplizierte und sehr schnelle und angenehme Art von A nach B zu kommen, das Netz ist sehr dicht gesponnen, die Tickets und Tarife sehr einfach zu bekommen und bezahlbar.
    Die Ticketautomaten sind zweisprachig, man gibt auf dem Touchscreen die U Bahnlinie ein, dann tippt man auf die Zielhaltestelle und schwupps, kommen die Informationen zum entsprechenden Ticket, jetzt nur noch die Anzahl der Fahrgäste und die Bezahlart eingeben, Bargeld rein, fertig.
    Bevor man aber überhaupt in den Untergrund darf, muss man seine Taschen bei einer mehrköpfigen Security über ein Laufband durchleuchten lassen und einen Detektor durchschreiten, wie beim Flughafen. Fynns Deospray haben sie tatsächlich wegen Explosionsgefahr gezwickt. So ein Unsinn.
    Dann öffnet man durch Auflegen des Tickets die Durchgangsschranke und dann gehts endlich zum Bahnsteig. Dank beachtenswertem richtungsweisendem Leitsystem ist der richtige Bahnsteig mit der richtigen Fahrtrichtung richtig leicht zu identifizieren, selbst Umsteigen ist easy.
    Die Wege beim Umsteigen zwischen den Linien sind gerne ein Hatscherer.

    Als meist einzige Ausländer im Zug ziehen wir viel Aufmerksamkeit auf uns, besonders als kleine individuell reisender Gruppe. Trotz als Gastgeber der olympischen Spiele 2008, als die ganze Welt zu Gast war, ist man den Anblick von Ausländern wohl nicht gewöhnt.
    Wohl auch den Umgang mit Ausländern nicht, wie wir immer wieder feststellen müssen. Wir haben den Eindruck, es ist den Pekingern tendenziell unangenehm, wenn wir auf sie zugehen und etwas fragen wollen.
    Man könnte meinen, im Gesichtsausdruck der Adressaten nicht selten eine Art aufsteigende Panik zu erkennen. Ich vermute, es ist die nur schwer überwindbare Sprachbarriere. Das Wissen nicht helfen zu können und in Folge ihr Gesicht zu verlieren, bringt sie vielleicht in Bedrängnis und Verlegenheit und um diese unangenehme Situation zu vermeiden, vermeiden sie Kommunikation.
    Eigentlich sind sie ja sehr hilfsbereit. Das wiederum erfährt man bei Chinesen, die des Englischen mächtig sind. Manche reden auch ungefragt hemmungslos in Chinesisch auf uns ein, dann ein breites Lächeln. Wir lächeln zurück, dann Augenbrauen hoch, ein höfliches Danke und bye bye. Vielleicht sind das alles aber auch nur unsere wilden Spekulationen, Sprachbarriere eben. Was gäben wir manchmal drum, auch nur die Hälfte zu verstehen.

    Wir juckeln zur Einkaufsstraße. Große Mediawalls mit Werbeclips, große Shoppingmalls, viele Menschen, noch mehr Polizei. Die Polizeipräsenz ist unglaublich, immer aufmerksam, immer bereit. Überall auch eingefahrene, mobile Zäune, die bei Bedarf sofort die Massen lenken lassen, irre.
    Und auch Kameras, überall Kameras, wirklich überall. Ich bin mir sicher, dass die Behörden eine lückenlose Dokumentation von unserem Aufenthalt in Peking schneiden könnten. Man kommt sich ständig sehr überwacht vor. Laufend begegnet man auch Schildern mit Verhaltenshinweisen oder Verboten. An den Mauern der Hutongs hängen Plakate mit dem Konterfei und den Kontaktdaten des zuständigen Verbindungsbeamten. Die totale Überwachung, Lenkung und Kontrolle, ein äusserst unangenehmes Gefühl. Ein gutes Gefühl dagegen zu wissen und hoch zu schätzen, in einem einigermaßen freien Land zu leben.

    Wir kehren schnell wieder in der Shopping Mall um, die übliche, langweilige, uninspirierte und teure Markenparade. Die Mall selbst versucht modern und kapitalistisch zu glitzern, das aber nicht wirklich überzeugend. Also nix wie raus. Dann schon lieber die kleinen Schrottläden entlang der Fußgängerzone. Aber, von wegen Made in China und billig, selbst der Souvenierschrott ist kaum billiger als bei uns. Peking ist einfach teuer.
    Wir geben unser Geld lieber für gutes Essen aus. Die Mägen knurren, die Launen sinken, ein Restaurant muss bald her. In einer Seitenstraße soll ein Nightmarket mit Foodstalls sein, der wird auf MapsMe auch angezeigt. Nur als wir davor stehen, ist da ne Bretterwand, Baustelle. Oh nein! die Mägen knurrren lauter, die Stimmung sinkt unter die Nullmarke, jetzt ist guter Rat teuer. Jeder hier weiss, was von Restos in der Nähe von Fussgängerzonen zu halten ist. Mir wird in einer Nebenstraße ein Esslokal angezeigt. Hin da. Im Erdgeschoß wird eine Feuertopfvariante angeboten, unsere Blicke suchen schon nach freien Plätzen, aber eine Bedienung meint, das sei zu scharf für die Mädchen und drängt uns in den ersten Stock. Eigentlich Unsinn, aber der Hunger hat unsere Denkfähigkeit stark gedämpft, so folgen wir widerstandslos dem Diktat der jungen Dame. Oben gibt es Essen à la Carte.
    Wir finden unsere Essen nach längeren Beratungen in der Karte, die ältere Bedienung ist leicht genervt, eher von rauher Natur, Marke verhermte Sennerin, und klatscht uns unsere Bestellungen uncharmant vor die Nasen.
    So schmeckt‘s dann auch, wie Fußgängerzonenabkoche. Von unserer Skala von Eins, Hundefutter, bis Fünf, exzellent, geben wir der Veranstaltung eine Zwei, also so la la.
    Und der gute Rat war teuer, ziemlich teuer, übrigens. Die Toilette war auch noch ausserhalb des Restaurants, die Straße runter, eine öffentliche Einrichtung.

    So trollen wir uns, immerhin gesättigt, nach diesem sonst schönen, langen Tag Nachhause, nicht ohne fast schon obligatorische Stippvisite beim 7/11. Bettruhe um 24, Morgen wollen wir mal früher raus, wir haben Großes vor - in Peking hat man immer Großes vor b.t.w. ; )
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  • Day 5

    VerboteneVerboteneStadt

    August 20, 2019 in China ⋅ ☁️ 21 °C

    8:30 early birds. Es regnet in Strömen, nochmal im Bett umdrehen. 9:30 late birds. Ein kurzer Hüpferer zum SevenEleven, Regenschirme kaufen. Ein Pancake Restaurant wird uns in unmittelbarer Laufweite von MapsMe angezeigt, da wollen wir frühstücken. Mal was anderes.
    Von der großen Straße links in eine kleine Straße, dann in eine noch kleinere Straße, Hutong, mittendrin, hier wird gewohnt. Es ist grau. Der Himmel, die Mauern, die Menschen. Rot dazwischen: mal eine Tür, mal Laternen, mal ein Fahrradsattel. Der Bezirksvertrauensbeamte lächelt von einem Poster, eigentlich lächelt er gar nicht, also: sein Foto mit verbindlich-neutralem Blick ist auf einem Poster abgebildet, das da an der grauen Mauerecke hängt. Auch grau irgendwie. Es regnet, unsere Schirme sind bunt, ein bisschen.

    Eine der anderen angezeigten potentiellen Frühstücksoptionen ist geschlossen, eine Müllhalde hinter den großen Fenstern. Dann drei lokale Lokale auf einem Fleck, welches ist jetzt das mit den Pancakes? Eines hat Hotpot, wollen wir nicht, nicht zum Frühstück. Dann das daneben. Es ist eine Butze mit Resopaltischen, Arbeiterklasse schlurft Nudeln, Mama kocht, genau mein Ding. Keine Widerrede, rein da.

    Die bilderlose Karte ist ausschließlich in Chinesisch, der Googleübersetzer lässt auch nach mehreren Anläufen nichts Gutes ahnen. Trotzdem, Laura und ich werden fündig, irgendwas mit Suppe und Nudeln und Fleischeinlage, hochspekulativ, aber sicher lecker. Google hat versagt. Fynn zieht ne Schnute, Nele tut sich sehr schwer mit unbekanntem Essen. Diskussionen, Genöhle, Abbruch.
    Ooooch schade, armer Reiseführerpapa, aber Hungerlaune von Kindern ist nicht verhandelbar - und das ist sehr diplomatisch formuliert.
    Also gibt’s knatschigen Weissmehlzuckerpampf vom Bäcker ein paar Ecken weiter in die Hand.

    U Bahn bis Tiananmen Platz. Der berühmte Platz des himmlischen Friedens, der gescheiterten Revolte, der größte öffentliche Platz der Welt, der Platz mit dem Maomausoleum, da wollen wir hin. Kaum aus der U Bahn, Polizei, dicke gepanzerte Fahrzeuge, Mannschaftsbusse, Wasserwerfer.
    Einbahnwege, eingeschränkt durch dicke Geländer, wir latschen lange Trassen entlang, wie Vieh im Schlachthof, bis wir endlich auf dem Platz stehen, wieder frei beweglich. Hier lebt der Kommunismus, hier regiert die Partei. Riesige Lampen ragen in die Höhe, in sozialistischem Schick mit Komplettaustattung: Kameras, Scheinwerfer, Lautsprecher. Frankfurter Allee in Berlin mal hundert.
    Links die Parteizentrale, rechts das Nationalmuseum, in der Mitte das Maomausoleum. Regen. Grau. Hunderte bunte Regenschirme spiegeln sich auf den nassen Bodenplatten, das ist hübsch und hat etwas Subversives. Irgendwie passt das Wetter perfekt zum Szenario.
    Eine große grüne Leuchtschrift verkündet in chinesischen Zeichen, dass das Maomausoleum von acht bis zwölf geöffnet ist. Es ist acht nach zwölf. Plöd.

    Nächstes Highlight, verbotene Stadt, Kaiserpalast, von der Regierung lieber Palastmuseum genannt.
    Hier spielt auch der Film ‚Der letzte Kaiser‘, den ich den Kindern leider nicht mehr vor der Reise zeigen konnte. Das hätte unseren Besuch heute noch in einen ganz anderen, lebendigeren und realen Bezug gestellt, Kaiserzeit und Kulturrevolution miteinander verknüpft, so wie es die beiden benachbarten Plätze nicht besser repräsentieren könnten.
    Durch hunderte Meter lange Geländergänge, immer als Teil einer Massenbewegung, erreichen wir irgendwann das Tor des himmlischen Friedens. Wer kennt es nicht, das riesige Maobild über dem Durchgang. Einen leichten Schauer mag ich gar nicht leugnen, als ich jetzt live und direkt darunter hindurch gehe. Es öffnet sich ein gewaltiger Platz, gut gefüllt mit geschäftigen Menschen und Gruppen, mal staunend, mal wartend, mal zielstrebig laufend, vor allem aber Selfies machend. Irgendwo in diesem Chaos muss der Ticketcounter sein.
    Wir gehen auf die linke Seite hinüber, Museumsladen, Imbissbuden, sonst nichts weiter, rechte Seite, wieder nichts, gerade aus zum hinteren Ende, nur Ticket Check und Einlass, kein Ticketcounter weit und breit. Vom einen Ende zum anderen des Platzes sind es einige hundert Meter Gehatsche. Nochmal das Ganze? Ne ne. Wir fragen Leute, auf Englisch. Die schauen uns verständnislos an, sonst keine Reaktion, ausser vielleicht ein schnelles Foto von uns. Google Translator versagt einmal mehr grandios, zumindest bekommen wir wieder keine Reaktion, wenigstens keine, die weiterhilft. Vielleicht schmollt er ja noch wegen seines Versagens in der Suppenküche.
    Auf das Stichwort Ticket werden wir von etwas aufgeschlosseren Leuten im besten Falle auf die Selfticket-Automaten verwiesen. Das Ding ist nur, für uns Ausländer geht da leider gar nichts, denn um Tickets zu ordern, benötigt man zum einen chinesischen Perso und zum anderen einen WeChat Account. Den bekommt man nur freigeschaltet auf Empfehlung durch einen Chinesen. Also Doppelnein.
    Nach einer guten halben Stunde Umherirren, spricht uns jemand von einem der zwei Infostände auf der Platzmitte endlich in englischen Bruchstücken an. Wir glauben erst nicht, was wir uns da aus dem Wortpuzzle zusammensetzen: die Tickets für Heute sind seit acht Uhr morgens ausverkauft, bis Samstag, Heute ist Mittwoch! Online geht auch nichts mehr für heute, nicht einmal für Chinesen. Bäm. Keine Verbotene Stadt für uns heute und morgen und überhaupt. Eine bittere Pille, die müssen wir jetzt erstmal schlucken, wir sind jetzt ordentlich enttäuscht und auch etwas pissed. Wir sind in Peking und keine Verbotene Stadt, das geht eigentlich gar nicht, ist aber wohl so. Über diese desaströse Ticketsituation war nirgends wo nie auch nur ein Mü nachzulesen, nie.

    Geknickt suchen wir den Ausgang aus diesem Ort des Desasters. Den finden wir erst auch nicht. Wir sind jetzt auch noch leicht genervt. Was soll das? Wir verstehen das einfach nicht.
    Der Verdacht liegt nahe, dass die Regierung Individualreisende nicht sehr gerne im Land sieht und denen entsprechend Steine in den Weg legt. Das fängt ja schon beim Visum an, dann die mehrfachen Rausschmisse aus den Unterkünften, jetzt diese schikanierende Ticketpolitik... naaa-ja.

    Ein Herr spricht uns an, ein Reiseagent, wie sich schnell herausstellt und fragt, ob wir Tickets für die Verbotene Stadt suchen. Na, jetzt nicht mehr! Danke vielmals, jetzt ist es zu spät und morgen ist unser letzter Tag. Er gibt uns sein Kärtchen und zeigt uns den Weg zum Ausgang, 1,9 km um den Aussenbezirk des Palasts herum laufen, die mächtigen Geländer machen den elenden Hatscherer alternativlos, na servus.

    Wir haben Hunger, und essen in einer palastnahen Imbissbude mittelmäßige Suppe. Die Souvenirläden im Dunstkreis sind wiederum eine Schau. Mao Devotionalien, Käppi, Taschen, T-Shirts, großartige Fototeller zum Aufstellen, Fächer, Essstäbchen - wir bummeln, etwas versöhnlicher und auch wieder fröhlicher. Fröhlicher auch, weil wir haben ja noch einen ganzen Tag in Peking, den letzten, und jetzt wissen wir, was wir an diesem Tag unternehmen werden! Shopping ist es nicht...

    Die Kinder sind erschöpft, sie ist aber auch sehr anstrengend, diese Reiserei, und noch mehr in den Dimensionen von Peking und mit allem, was sonst noch dazu gehört. Also begleite ich die Kinder Nachhause, die freuen sich auf ungebremstes Zocken, und ziehe wieder los, ohne sie. Hat auch was.
    Bei der Quartiersuche im Vorfeld der Reise bin ich immer wieder über den sogenannten Trommelturm gestolpert, um den herum einige Hostels platziert sind. Mir schien er in der Theorie nur etwas zu dezentral für unsere Unternehmungen in alle Richtungen. Jetzt, mit meiner Peking Erfahrung würde ich genau in diesem Kiez eine Unterkunft buchen. Aber lest weiter...
    Eine schöne Route scheint mir der Weg vom Lama Tempel kreuz und quer durch die Hutongs bis zum Platz mit dem Glockenturm, dem gegenüber der Trommelturm liegt und dann zur U Bahnstation unseres ersten Abends mit dem legendären Mangoeis.
    Die „Altstadt“ von Peking, in der und um die herum fast sämtliche Sehenswürdigkeiten liegen, ist einerseits fußläufig zu bewältigen, bzw. perfekt durch die U Bahnen vernetzt. Am Ende ist es wirklich egal, wo man in Peking wohnt. Bei der Planung unseres Pekingaufenthalts dachte ich, dass alles viele zig Kilometer weit auseinander liegt, dem ist nicht so.

    Unser Hostel liegt aber schon verdammt günstig wirklich direkt neben einem U Bahn Knotenpunkt, leider gibt es nur ein spärliches Angebot an Restaurants.
    In nur zehn U Bahn Minuten bin ich beim
    Lama Tempel und lasse mich immer tiefer in den chinesischen Alltag der Straßen und Gassen der Hutongs ziehen. Was ein Erlebnis, ganz still und sehr entspannend. Es ist zwar bewölkt, regnet aber seit dem frühen Nachmittag, also dem Kaiserpalast-Fail, nicht mehr. Alles ist zwar noch grau, aber trocken grau. Ein grauer dicker Hase wird vom Opa mit Enkelin auf der Straße Gassi geführt. Halb offene, rot lackierte Türen geben den Blick auf das Hofhauschaos frei, das nicht selten vorherrscht. Mittelalte Männer in Feinrippunterhemden kippen irgendwas vor die Tür, alte Weiber ratschen, Kinder kreischen, Minihunde von stolzen Frauchen pissen an die Mauern, immer wieder dahingleitende Motorroller, in sehr skurrilen Bauarten, Helden der Arbeit kehren verstaubt Nachhause zurück, Familien essen von einem großen Tablett vor ihrem Haus, immer wieder kleine Emmalädchen mit diesem oder jenem, was der Chinese so alltäglich braucht, und kleinen Restos. Einfach schön und beschaulich.

    Ein Eindruck ist auch, und das gilt wenigstens für den Teil der Stadt, den wir gesehen haben, dass die Straßen penibel sauber gehalten werden. Was sich hinter den Türen der Hutongs dann aber auch schon wieder aufhört, wie’s scheint.
    Soweit ich das beobachtet habe, mag es der brave Pekinese im Allgemeinen schon recht gerne rechtwinklig und aufgeräumt.
    Eine andere geniale Sache ist, dass es alle Meter öffentliche Toiletten gibt und die richtig sauber sind, da ständig jemand anwesend ist, der sie putzt. Ich habe gelesen, dass das dem Umstand geschuldet ist, dass so manches Hofhaus keine Toilette besitzt und diese Toiletten immer noch vor allem von den Bewohnern genutzt werden. Da ist das Interesse an sauberen Klos natürlich entsprechend groß.

    Dann kommt die Ecke, hinter der sich der heiss ersehnte Glockenturm offenbart. Ein überraschend mächtiger Bau, für einen Turm eher gedrungen. In ihm hängt Chinas größte Glocke, über sieben Meter hoch, deren Klang man bis fünf Kilometer weit hören soll. Der Zugang ist schon geschlossen. Um 17 Uhr schließen die meisten Sehenswürdigkeiten der Stadt. Egal, der Anblick von Außen genügt mir völlig. Am Fuße der Turmes beginnt ein Platz, auf dem frühabendliche Aktivitäten stattfinden. Fitness an einem fest installierten Fitnessparcours, Eltern mit spielenden Kindern, also auch mit ihren Kindern spielend. Pekinger Eltern kümmern sich ganz offensichtlich entzückend um ihren Nachwuchs, konnten wir ganz oft beobachten. Eine ihre kleine Tochter tretende Mutter leider auch, das war aber eine sehr unrühmliche Ausnahme - hoffen wir mal. Alte Männer sitzen um Tische und spielen Brettspiele, Gruppen spielen Indiaca mit den Füßen. Ein Idyll und sicher ein Grund, sich bei einem Pekingbesuch mehr Zeit für solche Momente zu nehmen. Das frühmorgendliche Treiben in den Parks ist legendär und muss großartig sein! Wer Peking wirklich sehen möchte, wird es dort finden.

    Auf der anderen Seite des Platzes thront der Trommelturm. Ein ebenso imposantes und unübersehbares Gebäude. Dahinter wird es immer geschäftiger, die Fassaden bunter. Ein Laden neben dem anderen, eine sehr hohe Restaurantdichte, viele Menschen, aber OK.

    Es ist 19 Uhr, ich vermisse die Kinder, habe Appetit und ich denke, das Leben hier würde ihnen gefallen. Also rufe ich sie an und schlage vor, sie abzuholen, um ihnen diese Ecke von Peking zu zeigen. Jippieh ja, genug gezockt und ausgeruht! So breche ich hier meine Route ab und bin zwanzig Minuten später im Spring Time. Laura und Nele kommen mit, Fynn genießt lieber weiter die Ruhe. Weitere zwanzig Minuten und wir sind wieder beim Trommelturm, mitten im Trubel. Wir gehen natürlich in ein paar Shops, finden dann ein Restaurant mit sehr leckerer Speisenkarte.
    Noch nie gegessene Kreationen landen auf unserem Tisch. Eine Platte mit aufgeschnittenen, kalten, ich nenne es mal Pasteten, mit den unterschiedlichsten Geschmäckern, karamellisierte Auberginen, ein Gedicht, Udonnudeln mit frischen Gemüsen und einer Sauce aus schwarzer Bohnenpaste und als krönender Anschluss frittierte Bananenstücke auf Spießen umgeben von einem Netz aus Karamellfäden auf dampfendem Trockeneis, eine Augenweide.

    Essen macht müde, zu müde zum weiter Shoppen. Um zehn freuen wir uns über einen entspannten Fynn. Gerade als ich die Füße hochlegen möchte, klopft es an der Tür. Das Mädel von der Rezeption erklärt mir mit Hand- und Fußsprache, dass ich Besuch habe. Ich?
    Ich gehe mit hinunter in die Lobby. Jacky ist da, der Jacky vom Pekingentenrestaurant. Ich freue mich richtig. Er wollte und nur noch einmal unsreren Mauertrip für Morgen bestätigen, da sein Bruder, James Bond, uns nicht erreicht hätte.
    Ich erzähle ihm von unserem Desaster mit dem Kaiserpalast. Er schlägt sofort vor, gleich jetzt zusammen mit der Rezeptionistin Tickets für unseren letzten Tag in Peking online zu bestellen.
    Es hätte auch funktioniert, wenn man jetzt schon Tickets für Anfang September bestellen könnte. Das geht aber nicht. So bietet er uns an, die Tickets für uns zu besorgen, sobald das möglich ist. Wir tauschen Emailadressen aus. Jetzt bin ich sehr gespannt, ob wir auf diesem Weg zu unseren Tickets kommen. Man muss sich das mal vorstellen. Ein netter chinesischer Mensch wie Jackie bietet wildfremden Menschen an, für die vorab online Tickets zu ziehen, die diese fremden Menschen vielleicht in guten zwei Wochen abholen werden, dazu gibt es nichts weiter als wackelige Emailadressen... Was für ein Vertrauen ist das? Oder: No risk no money?
    Unser Plan B wäre, die Karten über das Hostel zu organisieren, in dem wir die letzte Nacht in der Stadt verbringen, scheint ja auf diesem Wege möglich zu sein. Fortsetzung folgt.
    Wir reden noch ein wenig, dann ist es aber Zeit fürs Bett, denn schon um Sechs klingelt Morgen der Wecker!
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  • Day 6

    GreatestWallOfAll

    August 21, 2019 in China ⋅ ☀️ 30 °C

    Ringeling! 6 U-huhr! Aufsteh-hen! Fertig machen und auf geht‘s zum McDonalds! Nein, nicht zum Frühstücken, never! Der liegt nur um die Ecke vom Hostel und vor dem holt uns der Tour-Bus ab, ein großer Reisebus mit bequemen Sitzen, yes.
    Unser Dim Sum Frühstück haben wir beim Resto geholt, wo wir schon öfter gefrühstückt haben.

    James Bond, Jackys Bruder, gibt sich nur mit einem kurzen Hello die Ehre und platziert uns nach einer kurzen Zubringerfahrt in einem anderen Reisebus. Nach ein paar Abholstopps ist er schließlich voll, nur acht Westler, der Rest Chinesen. Robert nennt sich unser Guide, wir nennen ihn Mampfred, weil er wie einer aussieht.
    Er ist entzückend. Wenn er Chinesisch spricht klingt er sehr hart und sachlich - so klingt Chinesisch generell in unseren Ohren, auch schnell mal aggressiv und motzig - wenn er dann Englisch spricht, eher ein Chenglish, dann fließen seine Worte weich und gefühlvoll aus seinem Mund. Vor allem, wenn er von seinem wunderbaren und geliebten Peking schwärmt, dann wirkt er wie ein Poet, der eine Ode vorträgt mit dem Titel ‚Melanscholie‘. Hinreissend, fehlt nur noch Pippi in den Augen. Er ist Pekinger und war mehrere Jahre Lehrer, bevor er Guide wurde. So ist auch sein Vortrag, ein Lehrer der seinen Lehrstoff liebt.
    Unser Abschnitt der Great Chinese Wall heisst Mutiyanu. Vom Parkplatz aus, wo wir praktischer Weise vor den WCs heraus gelassen werden, können wir sie einige hundert Meter weiter oben auf den umgebenden Hügelbergen schon erspähen. Sie schlängelt sich von Gipfel zu Gipfel über Berggrate in wilden Biegungen und Windungen, mal ganz geschmeidig, mal halsbrecherisch, die echte und livehaftige, tschinesische Mauer.
    Mampfred gibt uns eine kurze Einweisung, welche Wege es nach Oben gibt: Eine Stunde Laufen oder mit der Gondelbahn oder mit der Seilbahn fahren. Die Bahnen enden an jeweils unterschiedlichen Wachtürmen. In diesem begehbaren Mauerabschnitt gibt es 20.
    Wir entscheiden uns für die Seilbahn, vor allem aus dem Grund, weil es vom Wachturm Nr 6 nach Unten eine Sommerrodelbahn gibt. Klare Entscheidung.

    Die Seilbahn, wie wir sie vom Skifahren kennen, ist zwar schon etwas in die Jahre gekommen, vermittelt aber nicht, dass sie nicht sicher ist.
    Oben angekommen noch ein paar Stufen und wir stehen auf der Mauer aller Mauern, genau auf dem Ding, das wir schon seit jeher mit China verbinden, ein unfassbares Gefühl! Reiseglück.
    Zur Orientierung: Die Wachtürme, die in gewissen Abständen von einigen hundert Metern auf der Mauer lauern, sind durchnummeriert, in unserem Abschnitt von 1 bis 23, wir steigen bei Turm Nr 6 in die Erkundung der Mauer ein.

    Wir wollen erst von Wachturm Nr 6 zu Wachturm Nr 1 wandern. Die Steinstufen haben sehr eigensinnige, wechselnde Höhen, je nach Steigung. Zeitweise geht es richtig richtig steil nach oben, dann wieder sanft, dann knackig runter, fast schon schwindelerregend, um gleich wieder steil aufzusteigen. Die Baulinie folgt den natürlichen Steigungen der Landschaft, hier wurden die Berge für den Bau noch nicht vergewaltigt. Selbst die Zinnen stehen auf Teilstücken im rechten Winkel zum Berg, für uns also schief und nicht lotrecht.
    Die Begehung der Mauer von Wachturm zu Wachturm, das Auf und Ab ist wirklich anstrengend, hätte ich nicht gedacht. Noch anstrengender machen es die wolkenlosen 32 Grad Heute.
    Von unten gesehen wirkt die Mauer als Bollwerk nicht sehr effektiv, aber steht man erstmal darauf und blickt von ihr hinunter, ist sie wirklich hoch und hat sicher ihren ursprünglichen Zweck erfüllt. Ich würde gerne mal wissen, wievielen Angriffen sie Stand hielt, oder auch nicht.

    Wir erreichen nach einem ersten runter und wieder rauf Wachturm Nr 5, ein Schwergewicht unter den Wachtürmen. Er besteht nämlich aus gleich drei mehrstöckigen Häusern, bis zu 200 Soldaten haben hier gewacht und gehaust, das war dann trotz Größe schon ziemlich eng. Wir sind jetzt schon durchgeschwitzt. Was aber genial ist und die Rettung, ist der kühlende Luftzug zwischen den gegenüber liegenden Fenstern der dicken Gemäuer der Wachtürme. Was für eine Wohltat!

    Ein Ideechen abgekühlt wagen wir eine weitere Etappe. Und wieder sind es viele Chinesen, die hier anzutreffen sind, kaum Westtouristen. Allerdings sind es vergleichsweise wenig Menschen, die diesen Mauerabschnitt besuchen. Und davon sind die meisten mit der Gondel gefahren und somit in weiter, sicherer Entfernung, bei Wachturm Nr 17.

    Weiter geht‘s, niedrige Stufen, hohe Stufen, steile Stufen, Wachturm. Selfiewahnsinn, schmatzende Familien in groben Fensterbögen und auf Treppen, chinesisches Gewusel, Gruppenfotos, Treppenblockaden, erschöpftes Schnaufen, Hecheln, Staus - es ist einfach anstrengend, aber wunderschön und faszinierend.
    Bemerkenswert sind die vielen dicken, langen Tausendfüßler, die überall herum kriechen und nicht selten geplättet von diesen Touristenmassen sind.
    So geht das Etappe für Etappe, Turm für Turm, Tausendfüßler für Tausendfüßler. Bei Turm Nr 1 ist dann Schluss, zugemauert, die Mauer, die dahinter kommt, verwittert und zerfallen. So muss man sich im Klaren sein, dass man auf einem Rekonstrukt wandelt, einem sehr charmanten.

    Der Fernblick ist großartig, die unmittelbare Umgebung dicht gebüscht und waldig, in der Ferne felsige Hügel und Berge. Mit zusammengekniffenen Augen kann man den Verlauf der Mauer mit ihrer sehr eigenwilligen Route noch weit verfolgen, unglaubliche 7000 Kilometer war die mal lang.
    Wir gehen zurück zu unserem Ausgangsturm. Bei den steilen Treppen nach unten gibt es häufig Staus, der Blick in die Tiefe des Abstiegs ist durchaus psychologisch, aber halb so schlimm, wenn man mal auf den Treppen steht.
    Ich wundere mich über so manches Seniorenpärchen oder Schreibtischmännchen, das diesen Parcours tapfer bewältigt. Zum Brüllen sind manchmal die Outfits der Reisenden. Uns begegnen überzeugte Funktionsklamottenträger, von Kopf bis Fuß in Vollplastik, verwegene Hardcoreabenteurer, legere Streetwearer, süßliche Sommerkleidchen mit Duckface, große, dicke Mädchen in Puppenkleidung und ihre Wabbelbrüder in straff sitzenden Marvelhelden Plastik T-Shirts, so einige rote Selfiekleider mit großen Sonnenbrillen, Rot macht sich immer gut vor Grau, akkurat bekleidete Herren, mir-ist-wurscht-was-ich-trage-Puristen, der Klassiker in kurzen Hosen mit Socken in Sandalen, so einiges Wackelschuhwerk von scheinbar Lebensmüden und die obligatorischen Staubmasken. Es gibt da jetzt ganz schicke Modelle aus schwarzem Neopren, die mit Schlaufen hinter den Ohren über die Mundpartie gespannt werden, unübersehbar an der Ohrenstellung. So manches Teleobjektiv vor stolzer Brust macht mir Angst, es wird auf alles entfesselt geschossen, was bei Drei nicht von der Mauer ist. Ein buntes Völkchen.

    Wir wollen noch bis zu einem hübschen Ausleger der Mauer jenseits der Nr 6 gehen, unser Zeitlimit lässt uns aber nur noch bis zur Neun, dann müssen wir umdrehen. Die Entfernungen der Turm Etappen sind durchaus nicht zu unterschätzen. Wir sind auch ordentlich ausgepowert nach guten drei Stunden Stepper in der Sauna.

    Für den Weg runter ins Tal, die Belohnung, wir reihen uns in die Schlange der Wartenden bei der Sommerrodelbahn. Wir fahren Einzelbobs. In einer langgezogenen Kurve muss man unter strengem Blick der Aufsichtsposten seine Fahrtauglichkeit nachweisen, Bremse ziehen, Bremse wieder loslassen. Ein wohlwollendes Nicken und ab dafür.
    Die Bahn ist klasse, made in Germany, die Beschleunigung großartig, rein theoretisch. Denn entweder reisst man seinen chinesischen Vordermann mit den quietschenden Bremsgeräuschen aus dem Schlaf oder das Fahrbahnaufsichtspersonal alle paar hundert Meter mit Pfeife postiert sind, droht mit Erschießung bei zu schnellem Fahren, also sie pfeifen und zetern zumindest. Heimliche Geschwindigkeitsräuschche gibt es aber dann schon auch, wenn nämlich der eine oder andere Streckenposten wegen Krankheit oder Parteitag ausgefallen ist und man nicht befuchtelt und bezetert wird. A bisserl was geht halt immer und Spaß machts allemal.

    Zur Belohnung erwartet das Racingteam ein gedeckter Tisch in einem Vertragsrestaurant zwei Parkplätze tiefer. Vorher können wir riesigen weissen Plattpfirsichen nicht widerstehen, die ein kleines Vermögen kosten, aber auch ausgesprochen lecker sind. Im Restaurant setzen wir uns an ein Panoramafenster mir Ausblick auf den Busparkplatz, ein herrliches Plätzchen mit herrlichem Unterhaltungsprogramm. Die Verteilung der Reisegruppen auf ihre Busse und dazwischen aufgeregt Orientierungslose, die ihren Bus nicht identifizieren können, ist ein Spektakel. Das Ding ist, die Busse sehen alle gleich aus, nur in der Dekoration der Frontscheiben und einer Nummer unterscheiden sie sich. Wir waren so schlau und haben beides vor dem Aufbruch fotografiert.

    Serviert wird uns gegen halbdrei Schwein süßsauer, Fisch in mildsüßer Chillisoße und Gemüse und Kartoffeln mit Paprika, auch süßsauer. Das bekommen die Chinarestaurants bei uns Zuhause bestimmt auch so hin. Unser Lunch ist inkludiert, die Getränke nicht. Schmeckt trotzdem gut.
    Mampfred erscheint kurz vor halbvier und bittet uns zurück zum Bus, der uns in zwei Stunden wieder vor dem Fastfood in unserem Kiez absetzt. Es gab vorher noch einen kurzen Stopp beim Olympiagelände im schönsten Fotolicht, wir hätten aussteigen können, aber irgendwann ist Schluss, Batterien leer. Immerhin konnten wir so im Vorbeifahren einen Blick auf das Vogelnest und den olympischen Feuerturm erhaschen. Ein andermal.

    Im Hostel machen wir uns frisch und relaxen eine Weile, wie gut das das tut! Reisefertig packen müssen wir auch noch, denn morgen geht es sehr früh los zum Bahnhof. Gegen Abend stellen unsere leise knurrenden Mägen die Essensfrage.
    Die Antwort finden wir einmal mehr im Trommelturm Viertel. Es ist einfach schön da, die vielen Lichter, die kleinen Shops, die vielen Restaurants, der Fluss, das Streetlife. Die meisten Restaurants präsentieren die Highlights ihres Angebots in großen Leuchtkästen über dem Eingang.
    Wir landen in einem Resto mit mongolischer Küche. Die Kinder wollen eigentlich Ente, die ist aber aus. So landet auf unserem Tisch ein mongolischer Hotpot mit Lammfleisch in dünnsten Streifen und typisch asiatischen Kräutern, dazu Lamm mit Bambussprossen und nicht ganz mongolischer Algensalat. Zum Niederknien!
    Beim Essen haben wir eine Familien Diskussion, bei der wir einen besseren Umgang, Aufmerksamkeit, Verantwortlichkeit füreinander und teamorientierteres Denken und Handeln beschließen, das war in den letzten Tagen etwas auf der Strecke geblieben. Es gab immer wieder unnötige, pubertäre Konflikte darüber. Es kann sich ja jeder gerne abgrenzen, aber auf so einer Reise bitte Ego nur in Maßen, vier Schultern tragen leichter und acht Augen sehen mehr.
    Ich nehm‘s gleich vorweg: Ich habe ja eh die besten Kinder der Welt, unsere Abmachung wird ernst genommen und bringt uns promt allen ein viel entspannteres Miteinander und Reisen und jedem auch kleine Erfolgserlebnisse, wenn es gilt Informationen zu beschaffen oder Dinge zu besorgen oder Wege zu finden und ich spüre deutliche Entlastung bei der Reiseleitung.

    Ordentlich gesättigt und moralisch erbaut flanieren wir durch die kleine Geschäftsstraße, wo wunderhübsch gebundene Tagebücher geshoppt werden und noch ein weiterer Handventilator. Ein Must im chinesischen Sommer, nahezu jeder hat so ein Ding. Rosa, Schwarz oder Mint mit Hasen- oder Mickymaus- oder Katzenöhrchen, manchmal mit gleich drei Ventilatoren, mit USB Akku und LED Licht, tatsächlich ein wenig kühlend, großartig!

    Oben am U Bahneingang sitzen zwei juvenile Securityleute und rauchen und ratschen und lachen uns an - Chinesen, die anlachen - sehr mysterös. Wir ziehen unsere Tickets. Am leeren Bahnsteig kommt uns dann die engagierte Bahnsteigsaufsichtsbeauftragte und wedelt verneinend mit der Hand und schüttelt heftig den Kopf dazu. Eindeutige Scheuchgestik. What? Ein Blick auf die Uhr: 23. Die letzte U Bahn ist weg, um 23 ist Betriebsschluss. Raus hier jetzt. Kusch. Hinter uns Gitter runter. Die rauchende juvenile Security hat erneut was zu lachen und offensichtlich Feierabend.

    Wir stehen ratlos an der Straße. Räder Leihen ist wie so vieles, ein aufwändiger Prozess, den man schon im Vorfeld initiiert und erledigt haben sollte, habe ich nicht. Und hunderte Leihräder stehen in Reih und Glied herum, von Pekingern neben Elektrogefährten gerne genutzt, von uns heute leider nicht.
    Also Taxi. Herumstehende Touristen werden eh laufend von Taxifahren angesprochen. Aber, initiativ ein freies, fahrendes Taxi von der Straße zu fischen ist nahezu aussichtslos. Sobald ein Taxler uns vier winkende Westler wahrnimmt, geht das Licht vom Taxischild aus und es wird im Stealthmodus an uns vorbei gefahren.
    Dieses eine Mal reagieren wir also auf die direkte Ansprache von einem vorbeibremsenden Taxi. Der Preis ist lächerlich hoch, da laufen wir lieber. Ein anderer kommt auf uns zu, offensichtlich ohne offizielles Taxi, eher so Uber schätze ich, der Preis liegt weit unter dem vorigen, passt, Erleichterung, wir steigen ein.
    Ganz schön spät ist es für früh Aufstehen geworden, schnell schlafen jetzt.
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  • Day 7

    ReisenIstArbeitArbeitArbeit

    August 22, 2019 in China ⋅ ☀️ 34 °C

    Puhhh, um Sechs Uhr aufstehen, das ist hart. In Rekordzeit haben wir die Rücksäcke auf den Schultern, Auschecken und unser langer Reisetag hat begonnen. Wir fahren von Peking mit dem Zug nach Zhangjiagjie (Dschangdschaidschä), Umsteigen in Changsha (Tschangscha). es geht gute 1.500 km Richtung Süden.

    Als routinierte U Bahnbenutzer haben wir die Linien zum Westbahnhof schnell gefunden, um 7:15 sind wir da. Jetzt sind wir zwar an einem prächtigen Bahnhof - und jetzt...? Alles, wirklich alles in Chinesisch. Links geht zu dieser Art von Zügen Rechts zu jener. Wir entscheiden uns für jener, den Hi-speed Zügen, so einer sollte es eigentlich schon sein laut gebuchter Fahrzeit.

    Der Terminal sieht schon mal gut aus, aber wo gibt es die Ticketschalter mit Personal, die uns die Hardtickets ausgeben? Immer wieder werden wir zu den Selfticket Machines geschickt, die funktionieren aber nur mit chinesischem Perso, wie man ja mittlerweile weiss. Fragen, fragen, nicht verzagen.
    Der ernsthafte Polizist macht nur schöne große Knopfaugen, die meisten um uns herum sonst dieses Fragmichbittenichtgesicht.
    Wieder draussen, auf dem großen Bahnhofsvorplatz, zur Neuorientierung, entdecken wir eine Art Infostand. Wir zeigen unsere Ticket-Abhol-Info von TripCom. Und siehe da, eine der Damen reagiert wissend darauf, Jubel! Sie bittet uns, ihr zu folgen und bringt uns zum (Neben)Eingang vom Ticketschalter mit richtigen Menschen hinter den Glasscheiben.

    Das mit Trip.com ist schon ne dolle Sache. Sämtliche Tickets für diese Reise haben wir schon mit der Reiseplanung in Deutschland gekauft, zu jeder Bestellung gabs jeweils eine Ticketnummer, die man vorort dann nur noch in ein Ticket umtauschen muss. Eigentlich, wenn man des Chinesischen mächtig wäre…

    Kurz Schlange stehen. Der Schalterbeamte liest die Abhol-Nummer, nimmt die Reisepässe und ratterratter, ein Ticket nach dem anderen hüpft fröhlich aus dem Drucker.

    Und wie geht‘s jetzt weiter? Wo sind eigentlich der Bahnsteig, wo die Züge? Hm.
    Vier Sherlocks scannen die Umgebung. Da wäre eine Wartehalle, in der Wartehalle viele viele Menschen und Leuchtanzeigen mit Zugnummern und Infos dazu. Wir machen Fotos von den Displays und versuchen zu raten, was uns Google uns so an Sinn und Unsinn anbietet.
    Wir finden heraus, dass man sich in dem Warteraum begeben sollte, der dem Zug zugeordnet ist. Der Zug wird aufgerufen, an einem Drehkreuz werden die Tickets plus Reisepässe gecheckt und wir sind durch, am Gleis, am Zug! Yes!

    Was für ein Anblick. Die Bauart der Abfahrtshalle erinnert mich ein wenig an die bunkerartige U-Bootwerft von „Das Boot“, nur dass da sehr stylische Züge drin stehen. Sehr stromlinienförmig, wie überlange Flugzeuge ohne Flügel. Ich bin begeistert.
    Unser Wagen mit unseren reservierten Sitzplätzen ist schnell gefunden, der Zug ist ausgebucht.
    Pünktlich auf die Minute starten wir mit einem sanften Angleiten. Hoppala, sind ja schon 100 km/h. Die Stadt hinter uns, geht es nahezu geräuschlos bis über 300 km/h, geil, die Geschwindigkeit ist nicht zu spüren.

    Wir frühstücken erstmal. Croissants, Obst - grüne Datteln, Lychee ähnliche Kugeln, Bananen - Kaffee aus der Dose, Toast mit Würsteln und Ketchup. Die Würstel sind eine Zumutung aus roter wurstförmiger, aber fester Paste, ekelhaftest. Wir verweigern weitere Versuche, die zu verspeisen, nicht einmal mit original chinesischem Heinz Ketchup.

    Schaut man aus dem Fenster sieht die Landschaft der Po Ebene im Frühjahr zum Verwechseln ähnlich. Das ändert sich die nächsten 1.500 km auch nicht mehr, ausser mal ein paar Berge dazwischen, die untertunnelt sind. Diese eintönige Landschaft wird immer wieder von hoch ragenden grauen Wohnsiloinseln in rechteckigen Planquadraten gestört, nicht nur architektonischer Brutalismus. Gruselig, da müssen Menschen wohnen. Wenn es mal kleinere Häuser gibt, sind die uncharmant und ebenfalls Grau. Grün, Grün, Grün, Grau, Grün, Grau, Grün, Grün.... eher langweilig. So klassische Dörfer sind nicht wirklich auszumachen, woran auch immer das liegt.
    So widmen wir uns unseren Blogs, Tagebüchern, dem Sitznachbarn oder gönnen uns etwas Schlaf oder essen grüne Datteln, Bananen, Chips und selbst importierte Gummibärchen. Neugierige Chinesenblicke beobachten uns ununterbrochen aus den Augenwinkeln. Manchmal schafft es sogar einer uns direkt anzulächeln. Werd einer schlau aus diesem Volk.

    Taubengrau, Steingrau, Rosegrau, Graugrau, Changsha kündigt sich an. 1.500 km in fünfeinhalb Stunden, ziemlich sportlich! Die mittelgroße Stadt mit ein paar Millionen Einwohnern präsentiert sich im Gegensatz zu Peking schon bei der Einfahrt etwas heruntergekommen.
    Wir kommen am Südbahnhof an, dem Bahnhof für die Hi-speed Züge. Der Umsteigezug fährt vom Hauptbahnhof im Stadtzentrum los.

    In Changsha gibt es eine U Bahn, die direkt vom Südbahnhof startet. Als Metro-Routiniers wissen wir bald, wohin die Reise geht und welche Tickets wir brauchen. 7 Stationen mit Linie 2 bis Changsha Railwaystation, 50 ct für jeden. Check.
    Der Platz um den Bahnhof ist in sozalistischem
    Grau und abgerockt. Anfangs war der Bahnhof als Gebäude in dem Haufen gesichtloser Bausünden nicht gleich auszumachen. MapsMe sagt uns, dank VPN, es müsste der große Prachtklotz mit dem Turm mit sozialistisch-heroischer Flammenskulptur sein.

    Dieser betonierte Zerfall hat seinen ganz eigenen, morbiden Charme des Sozialismus, der bei uns für wohlig-faszinierenden Grusel sorgt. Die DDR lässt grüßen. In diesem Ambiente entdecken wir eine DIY Suppenküche. Du nimmst dir eine große Schüssel und suchst dir aus einem sehr umfangreichen Buffet deine Zutaten zusammen. So grau es draussen ist, so bunt ist die Auswahl: exotische Pilze, Kräuter, Bällchen, Dumplings, diverse Nudelsorten, Fleisch, Fisch, Gemüse, usw.
    Deine Schüssel gibst du dann in der Küche ab und bekommst nach ein paar Minuten deine fertige Suppe an den Tisch - großartig! - und ein sehr günstiges Vergnügen, 15 Euro per tutti, inkl Getränke.
    Die Getränke holt man sich in den meisten Restaurants selbst aus einem Kühlschrank. Neben den üblichen Softdrinks gibt es Trinkjoghurt, Sojamilch und lecker, beastly cold Tsingtao Bier für Papa, aber nur eins und nur abends.

    Glücklich besuppt besorgen wir erst Lunch und marschieren dann zum Ticketcounter, ja-haa, jetzt haben wir’s raus! Wir ziehen unsere Tickets und begeben uns in die Wartehalle. Der Zug, den wir nach Zhangjiajie besteigen, ist ein regulärer, so wie wir den auch von unserer Bahn kennen, nur pünktlich auf die Minute.
    19 Uhr starten wir, elf Uhr abends kommen wir an. Im Zug geht es ein bisschen lustiger zu. Viele Familien reisen mit und, die die ganzen Viereinhalb Stunden nahezu ununterbrochen Essen und Snacken. Wir bekommen so einige freundliche Gesichter zu sehen, was uns gegenüber dem Chinesen an sich wieder etwas milder stimmt.

    Vom Bahnhof laufen wir ca eine Viertelstunde zum Hotel namens Yijiaqin Hotel. Ich habe meine Navigation auf Earthpocket Pro umgestellt, das funktioniert offline auch ohne vorherigen Kartendownload und ist sehr genau. Die Tochter des Hauses kann ein bisschen Englisch, genug, um das wichtigste zu klären. Ihr Vater war Guide im Park und würde uns morgen bei Routen gut beraten können.

    Wir bewohnen ein Familienzimmer mit zwei Räumen mit je zwei Queensizebetten im sechsten Stock, ohne Lift. Zum Vergleich: in Peking haben wir für fünf Nächte teure 550 € abgedrückt, in Zhangjiajie für vier Übernachtungen 91 €. Peking ist teuer.
    Wir haben angenehm viel Platz und duschen mit Panoramablick über die bunt blinkende 1,7 mio Einwohner Kleinstadt. Die Dusche kann nur warm bis heiss, aber es gibt dazu eine Bidetdusche. Draussen hat es immer noch 26 Grad, um halbzwei morgens donnert der letzte Flieger über unsere Bleibe. Mit den obligatorischen Ohrenstöpseln ist mir das leidlich egal. Gute Nacht!
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  • Day 8

    EyesWideShut

    August 23, 2019 in China ⋅ ⛅ 29 °C

    There are one million ways to die, choose one. Wir haben uns dafür heute eine sehr pittoreske Art ausgesucht, den Tianmen Berg, direkt vor der Stadt gelegen.

    Halbzehn/zehn wachen wir langsam auf. Der Ausblick auf die Stadt ist schon cool, auch wenn sie keinen Schönheitswettbewerb gewinnen würde. Mit unserem bahnhofsnahen Hotel befinden wir uns in einer Art Tourighetto. Ein Vorteil sind Unmengen Restaurants und Supermärkte gleich in der Nähe. Die eigentliche City liegt ca 2 km entfernt über den Fluss. In einem kleineren Resto frühstücken wir Eier mit Tomaten, Reis und gefüllte Dumplings.

    Es ist mittags und das Thermometer zeigt 35 Grad an, die Schwüle zeigt es nicht. Wir schwitzen wie blöd. Gegen die Sonne haben wir unsere Schirme, gegen die Hitze unsere Handventilatoren, so wie jeder schlaue Chinese.

    Aus der Stadtmitte heraus lässt der chinesische Ingenieurswahnsinn eine Gondelbahn fast bis zum gut entfernten Gipfel des Berges Tianmen starten. Die Gondeln hoch über den Köpfen sind omnipräsent und fast ein Wahrzeichen der Stadt. 7 km lang, die Fahrt dauert eine gute halbe Stunde. Verrückte Sache. Da wollen wir hin.
    Das etwas größer dimensionierte Lifthäusl liegt für uns in Laufweite und eins war von vornherein eigentlich eh klar: (Ausländer)Hardtickets für die Gondel sind wieder einmal ausverkauft... Für Chinesen gibt es anscheinend noch ausreichend an den Selfticketautomaten. Einmal mehr fühlen wir uns nicht sehr willkommen, enttäuschte Kinder, grrr.

    Es gibt drei Varianten auf den Berg zu kommen: Mit Gondel hoch und mit Bus wieder runter, mit Bus rauf und Gondel wieder runter oder mit Bus rauf und auch mit Bus wieder runter. A und B sind ausverkauft, dann nehmen wir die Variante mit dem Bus. Wie sich später herausstellt, das weitaus größere Vergnügen!

    Der Shuttlbus fährt ohne Wartezeit und mit freier Platzwahl zur einer Art Talstation, dort steigen wir um in einen kleineren Van, der uns bis fast ganz oben bringt - der erste kleine Tod: Eine selbstmörderische Achterbahnfahrt über zahlreiche, engste Serpentinen mit rasend schnellen Höhenmetern, bis wir einen großen Platz mit atemberaubenden Blick ins Tal und auf die kleine Großstadt erreichen. Anfangs kreischen unsere chinesischen Mitreisenden noch bei jeder Kurve, wird dann aber immer dezenter, schließlich gewöhnt man sich ja an alles, und auch weil der Fahrer diese halsbrecherische Kurverei echt gut und sicher abgefahren ist, muss man sagen.
    Vom obigen Haltepunkt hat man einen kompletten Überblick über die Strecke mit ihren fiesen Kurven. Im Nachhinein sind wir froh, dass wir diese spaßige Fahrt gemacht und nicht die dröge Gondel genommen haben.

    Ein weiterer Vorteil vom Shuttlebus ist nämlich die Endstation, dieser riesige Platz mit Kiosken, Restaurants und Toiletten, der nicht die Bergstation von der Gondel ist, aber direkt am ersten Highlight des Berges liegt.
    Wendet man sich vom atemberaubenden Talblick Richtung Berg, sieht man eine mehrere hundert Meter hohe Steintreppe, die zu einem riesigen Durchbruch im Berg führt, ein Megaloch, quasi das Markenzeichen des Tianmen.
    Die Treppenstufen sind für unsere Füße etwas zu kurz geraten, der Aufstieg effektiv steil und auch schweisstreibend. Die Belohnung ist kühlere Bergluft und ein noch bombastischerer Blick ins Tal vor, wie hinter dem Berg und weit hinauf zum oberen Ende des gigantischen Lochs. Das viele zig Meter hohe Tor durchschreiten wir bis wir eine Rolltreppe erreichen, eine Rolltreppe! Rauf rauf rauf, ewig lang, sieben Stück sinds dann am Stück, diagonal durch den Berg, jede dauert gute zwei Minuten. Im Tunnel fühlt es sich eher nach Pekinger U-Bahn an, als ein Bergaufstieg.

    Wieder am Tageslicht, finden wir uns auf einem Hochplateau wieder. Große Hinweistafeln bieten zwei Rundwege an, einer nach Osten, der andere nach Westen. Wir entscheiden uns für den Weg nach Osten, vor allem weil ein Teil dieses Weges aus Glasstegen besteht, Glasstege über einem 300 Meter tiefen Abgrund, ach du gute Güte, auf rohen Eiern gehen, genau mein Sport.
    Die regulären Wege sind allesamt bepflastert und betreppt. Zunächst läuft man durch Gestrüpp links und rechts und niedrige Wälder, bis man den Rand des Plateaus erreicht, den Abgrund. The Abyss!
    Und da hört mein Spaß eindeutig auf und der der Kinder beginnt. Betonsteige führen entlang der Felswände über 300 Meter Abgrund und nur ein grobes Betongeländer, in seiner Form dicken Ästen nachempfunden, trennt dich vom freien Fall. Der Ausblick in die Umgebung ist gigantisch und macht süchtig, muss ich zugeben.
    Von einem Punkt sieht man auch auf das imposante Loch hinab, das von oben etwas von seiner gigantischen Größe verliert und fast schon klein scheint, es gibt in der Natur oftmals immer noch heftigere Perspektiven, alles eine Frage des Blickwinkels.

    Eine Wegalternative gibt es nicht, also Augen auf und durch. Selbst Fynn, der alte Kletterer, hat - wie nennt er das Gefühl so treffend - Sackflattern. Ich muss vor den Etappen schon tiiiief Luft holen. Ich habe keine richtige Höhenangst, nennen wir es ganz diplomatisch Höhenrespekt, großen Höhenrespekt, die Kinder weniger, Nele eher gar nicht.
    Dazu kommt ständiger Gegenverkehr chinesischer Reisegruppen. So manches altes cooles Weiberl ist dabei, das angstfrei die Passagen geht, aber auch Frauen, die mit ihrem Handy als Scheuklappe panisch kichernd eng am Fels entlang huschen. Dazu gehöre ich jetzt nicht, aber es kostet mich teils schon viel Überwindung an das Geländer zu gehen und Fotos in die Tiefe zu machen, der Ehrgeiz siegt, obwohl ich tausend kleine Tode sterbe.
    In vergangenen Zeiten bin ich im Fels hemmungslos drei Seillängen geklettert und zwischen Gletscherspalten gesprungen. Alles weg jetzt. Ich fahre zwar immer noch mit Begeisterung Achterbahn, und mag diesen bestimmten Kick, aber hier spüre ich ein ganz anderes Ziehen, und es fordert mich irgendwie heraus.

    Eindeutig Schluss ist aber, als der Glasbottom Steg ansteht. Totalverweigerung. Die Kinder ziehen sich begeistert die Stoffüberschuhe an und Tschüss. Ich warte am Ende des alternativen Schisserweges auf meine grüngesichtigen Kinder. Nix da, nix Grün im Gesicht, pure Begeisterung steht da geschrieben! Sie zeigen mir ihre Fotos und ich bin nur froh, dass ich mir das nicht angetan habe. Der Weg aus Glas ist wirklich durchsichtig, glasklarer Durchblick bis zum weit weit unten liegenden Endegelände.
    Heilige Scheisse! sage ich da nur, nicht mein Ding.

    Die atemberaubende Ostrunde ist irgendwann geschafft, ich auch, aber stolz bin ich ebenso auf mich, die Kinder sind begeistert aufgedreht. Sie haben offensichtlich Spaß! Jetzt steht die Westrunde an, zwei Stunden schätzen wir dafür.
    Der erste Teil des Weges führt durch ein schattiges Wäldchen, hier machen wir Picknick.
    Bananen, leckerste Pfirsiche, Reis, perfekt.
    Das nächste Ziel am Scheitelpunkt des Westweges ist der Tianmen Tempel.
    Durch ein großes Tor betreten wir das Gelände. Es sind kaum Menschen hier. Auf dem großen Platz vor dem ersten prächtigen Tempel stehen riesige Eisenschalen mit qualmenden Räucherstäbchen, Gebetsmantras schallen aus versteckten Lautsprechern. Musik, Klänge, das ist es, was ich bisher vermisst habe! Hier stimmt irgendwie alles, hier schwingt etwas Besonderes. Dieser Ort schafft der Seele Raum für Ruhe und Wahrhaftigkeit, Spiritualität und Gegenwart. Was für eine Wohltat!
    Im ersten Tempel thronen drei große, goldene, meterhohe Buddhas. Der Himmel besteht aus einer wunderschön blauen Kassettendecke, von der vier goldgelbe Soffsäulen herab hängen. Wunderwunderschön. Ich bin allein in diesem heiligen Raum und genieße die Ruhe, die er ausstrahlt.
    Vom diesem ersten Platz aus führen Treppen zur nächsten Ebene wieder mit Tempel. Andere Mantras begleiten den Weg dorthin, das Gebäude ist etwas kleiner, aber nicht weniger harmonisch.
    Fast versteckt führt ein weiterer Durchgang zum absoluten Höhepunkt, ich bin komplett begeistert vom Anblick des großartigsten aller Tempel, die ich in diesem Land bisher gesehen habe. Ein eher runder Bau erhebt sich in den Himmel, so reich und vielfältig dekoriert und ausgestattet, einfach umwerfend. Es ist eine Schande, das das Zeitlimit abgelaufen ist, das wir uns für die Rückkehr gesetzt haben, damit wir rechtzeitig einen der letzten Busse ins Tal erwischen. So habe ich keine Zeit mehr das Innersanctum zu bestaunen. Aber schon jetzt bin ich ausreichend beglückt von dieser Begegnung der besonderen Art und meine Seele und meine Knie wieder gestärkt für den nächsten Parcours.

    Auf dem Rückweg bemerken wir rote, beschriftete Bänder, die an Äste geknotet sind. Erst vereinzelt, dann werden sie immer dichter, dazwischen hängen bronzefarbene Bügelschlösser mit Schriftzeichen drauf, zwischendrin auch mal herzförmige. Zu einem Schrein hin sieht man Äste und Geländer vor lauter Bändern und Schlössern gar nicht mehr, ein Meer in rot und angelaufenem Messing.
    Das Zentrum bilden zwei Kinderfiguren... nicht schwer zu erraten, worum hier gebeten wird.
    Bänder und Schlösser gibts gleich nebenan, an einem Verkaufsstand.

    Kurz nach diesem Knotenpunkt stehen wir am Anfangspunkt zur zweiten, atemberaubenden Hälfte der westseitigen Zitterpartie. Tief Luft holen und durch. Vom „Festland“ aus kann man die Betonstege sehen, die zurück zum Ausgangspunkt, den Rolltreppen führen. O mei o mei, die hängen noch krasser und ausgesetzter als die von der Ostroute. Respektvollster Höhenrespekt ist angesagt, muss ja.
    Die Faszination und Besonderheit der absolut genialen Landschaft drumherum nimmt mir erfreulicher Weise viele Bedenken vor diesem Weg. Wenn da nicht immer wieder dieser eine Schritt zum Geländer wäre, um Fotos von dieser großartigen Kulisse zu machen.
    Laura hält sich mittlerweile eher an mich, ihr setzen die dauerweichen Knie auch langsam zu und so wackeln wir uns gemeinsam mutig weiter und weiter, den immer lustig voraus springenden Nele und Fynn hinterher, und drängelnden Chinesengruppen ausweichend.

    Der erste Abschnitt ist bravourös geschafft. Erleichtertes Ausatmen. Die nächste Herausforderung wartet gleich um die Ecke: Eine hundert Meter lange Hängebrücke über eine dreifach so tiefe Schlucht. Das Gekreische chinesischer Damen auf dieser wackeligen Angelegenheit ist unüberhörbar, unübersehbar die überlegen lächelnden, sonnenbebrillten Poser und zugleich Retter dieser Damen, die versuchen, mit ihren teigigen Leibern die Brücke in weitere Schwingungen zu versetzen, die alten Wabbler, bevor sie die Damen dann retten, oder sich an ihrem Gekreische ergötzen. Das ist so komisch, dass wir bestens amüsiert und abgelenkt, elegantest über diese Brücke eiern.
    Der Blick nach oben zu den darauf folgenden Betonstegen ist dann wieder eher ernüchternd.
    Aber... aber Laura und ich werden tatsächlich mutiger! Vielleicht ist es auch das nachmittägliche warme Fotolicht, das uns mit festeren Schritten gehen, und die Gefahr für einen schönen Shot vernachlässigen lässt.

    Wieder rote Bänder an Ästen, wieder erst vereinzelt, dann immer dichter, diesmal ohne Schlösser, aber selbst beschriftet. Sie sind sehr hübsch, diese Bänder, so im milden Sonnenlicht.
    Wir folgen mit unseren Kameras der rot leuchtenden Fährte. Höhe, welche Höhe?
    Fynn und Nele holen sich an einer Bude so eine Banderole, beschriften sie mit „Ich war hier, Fynn, oder Nele“ und knoten sie zu den unzähligen anderen am Geländer.

    Nachdem der Zenith der Bänderdichte durchschritten ist, gilt es noch ein paar Kurven und Windungen in schwindelnder Höhe zu überwinden. Nele und Fynn möchten sich noch einen letzten Glassteg geben, bevor der um 16:30 schließt und wir in die Zielgerade zum Startpunkt der Rolltreppen einschwenken. Ich bekomme wieder begeistert gekickte Adrenalinjunkies zurück. Wir passieren die Bergstation der Gondelbahn, wo die Ströme der entgehen kommenden Chinesen immer dichter werden.
    Auf den Rolltreppen senkt sich der Puls dann langsam wieder auf Normalbetrieb.
    Stolz, Erleichterung und Begeisterung über das Erlebte nehmen wir alle mit, ich im besonderen feiere mein Überleben.
    Wir stehen wieder vor den endlosen Treppen, die vom großen, beeindruckenden Felsloch aus diesmal nach unten führen. Pillepalle, ein Genuss, ein Triumpfmarsch.

    Auf den Achterbahnbus vom großen Platz weg, müssen wir nicht lange warten, unser Timing war perfekt, auch wenn es mich den Tempelbesuch gekostet hat - lest ihr die leise Wehmut zwischen den Zeilen?
    Auch die wilde Kurvenfahrt ins Tal können wir jetzt auskosten. Als wir im Tal aussteigen, erschlägt uns gnadenlos die schwere Hitze, die hatten wir ganz vergessen. Stöhn.
    Es ist mittlerweile Dinnerzeit, als wir im Dunstkreis unseres Hotel eintauchen.
    Wir kehren in ein Resto mit Tujia Küche ein, die Küche der lokalen Minderheit in der Provinz Hunan. Das Essen in dieser Region ist insgesamt sehr deftig-rustikal und scharf. Wir bestellen die „lokale Spezialität“, eine Art Bauernpfanne auf Gasflamme vor sich hin bruzzelnd. Gebratener Speck wird bei sehr vielen Gerichten großzügig eingesetzt, ein ganz neuer Aspekt der chinesischen Küche und eine spannende Kombi mit Chili. Die Gerichte der Region schmecken allesamt für unseren Gaumen recht unchinesisch, wenn man das Klischee dazu im Sinn hat.
    In unserer Bauernpfanne findet sich auch ein ganzer Hühnerkopf, Kartoffeln, Zwiebeln, Knoblauch, Tomaten, zerteiltes Hühnerfleisch mit Knochen, Chili, Ingwer und dunkler Sojasauce, gar nicht so weit weg von unserer Küche, aber doch ganz anders.
    Dazu trinken wir übrigens gerne Sojamilch, weissen Trinkjoghurt oder O-Saft.
    Nicht nur das Essen hat uns heute müde und glücklich gemacht. Für die Kinder war es der schönste Tag der Reise bisher, sagen sie, Papa lächelt zufrieden.

    Bei Fynn haben sich im Laufe des Abends Schmerzen im linken Kiefergelenk zu einer Entzündung entwickelt. Die Wange ist leicht geschwollen. Ich hoffe mal, dass Ibu nicht nur den Schmerz nimmt, sondern auch entzündungshemmend wirkt. Laut Fynns Einschätzung ist kein Zahn die Ursache, kauen kann er ohne Probleme, Ohrenschmerzen sind es auch nicht, das würde sich schon anders anfühlen. Dann warten wir morgen mal ab.

    Bevor die Lichter aber ganz ausgehen, wird noch fleissig Tagebuch geschrieben - jedes Kind schreibt mittlerweile - und gedaddelt natürlich.
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  • Day 9

    PlanetAvatar

    August 24, 2019 in China ⋅ ⛅ 33 °C

    ....oder: Vom Hasenfuß zum Superkarnickel

    Ich hole meine Kinder um 7:30 vom Traumland zurück in die Realität. Aufsatteln, frühstücken, Busbahnhof suchen. Der Patron des Hauses hatte mir gestern abend noch eine Tagestour durch den nördlichen Teil des Parks gezeigt und auf einer Karte eingezeichnet, 9 - 10 Stunden würde sie dauern, um 19 fährt der letzte Bus aus dem Park. Also haben wir Heute noch ordentlich was vor uns.

    Der Busbahnhof. Es gibt einen direkt vor dem Bahnhof, der ist es nicht. Dann muss es aber noch einen geben, auch vor dem Bahnhof. Team Fähnlein Fieselschweif wird aktiviert. Die Hinweise verdichten sich auf einen Plastikvorhang in einem großen Gebäude auf der rechten Flanke des Bahnhofvorplatzes, auf den Vormittags schon über 30 Grad runter brizzeln.
    Es ist der Ticketschalter, ein Teilerfolg.
    Wir erwerben unsere vier Bustickets zum Parkeingang in Wulingyuan auf der Ostseite des Parks.
    Die Frage ist, welcher Bus ist jetzt genau unserer und wo fährt der nur los? Wir kennen bisher nur die Busstation für die Stadtbusse.
    Die Dame am Ticketschalter hat uns nur in eine ungefähre Richtung verwiesen. Wir irren also etwas im Ungefähren herum und zeigen unsere Tickets mit einem großen Fragenzeichen im Gesicht in die Runde. Und siehe da, eine Hand weist uns den Weg zu einer Wartehalle - aha! es gibt da auch eine Wartehalle. Dort befinden sich, wie bei den Zügen, die Schleusen mit dem üblichen Security Check und dahinter, von der Straße aus nicht zu sehen, die ganze Überland-Busflotte. Nach Begutachtung der Tickets werden wir in einen Bus bugsiert, hoffentlich den richtigen, der dann auch sofort los fährt. Das nenne ich Timing.
    Manchmal kommt es uns vor wie so ein Adventure Game und wenn man alle Challenges bewältigt hat, kommt promt der verdiente Levelaufstieg.

    Nach 40 Minuten Fahrt endet die Reise mitten im Ort Wulingyuan, zum Parkeingang ist es noch ein 10 minütiger Hatscherer. Die Touristenbusdichte und die schlechte Abgasluft nimmt zunehmend bedrohliche Ausmaße an, wir sind also richtig.
    Im hübschen großen Turm am Eingang befinden sich die Kassen. Nele gilt noch als Minikind (hihi, wenn die wüssten...) und darf umsonst rein. Das Parkticket gilt für vier Tage.
    Unsere erste Etappe bedeutet erneutes Busfahren bis zur Talstation einer Gondel.
    Der ganze Park wird umfassend von einem genialen Shuttlebus System bedient und ermöglicht in kurzer Zeit so einige verstreute Highlights anzusteuern.
    Im östlichen Parkteil, von dem aus wir starten, ist fast nichts los. So haben wir wartefreien Zugang zur Gondel, nicht aber ohne erneuten Security Check - es nervt langsam. Die Gondel muss man extra bezahlen btw.
    Auch diese Gondel ist sehr abenteuerlich gebaut und schwebt gnadenlos hoch über den Baumwipfeln und den aufragenden Felstürmen. Und das ist das tolle an diesem Ride. Der Waldpark, so der offizielle Name, ist berühmt für seine solitären Felstürme aus Sandstein, die seitlich und auf der Spitze mit Bäumen bewachsen sind, untenrum manchmal schmaler als obenrum, das sieht wahnsinning aus, einfach außergewöhnlich und einmalig!
    Die charakteristische Landschaft des Parks wurde von den Machern von Avatar zum Vorbild genommen, um die beeindruckende und faszinierende Welt von Avatar neu zu erfinden und zu komponieren. Und so schweben wir mit offenem Mund über die Gipfel dieser eigenwilligen Felsgebilde hinweg bis uns die Bergstation in Empfang nimmt.

    Von dort führen gut markierte Wege zu befestigten Felsvorsprüngen, von denen aus man über Blicke in tiefe Täler und auf steile Felswände noch mehr dieser verzauberten Steinwelt bewundern kann. Unsere staunenden Münder bekommen wir gar nicht mehr zu. Die nähere Betrachtung ist erneut mit viel Höhenrespekt meinerseits verbunden, da es hinter den Geländern wieder senkrecht in tiefste Tiefen geht, mehrere hundert Meter allemal.
    Der Unterschied ist, dass man auf festem Grund steht und nicht auf in die Luft gebauten Stegen.
    Ein schwacher Trost. Aber bei diesen grandiosen Aussichten wird auch der größte Hasenfuß zum mutigen Superkarnickel.
    Vier Superkarnickel also unter Hundertschaften Fähnchen folgender, chinesischer Superkarnickel. Man braucht schon Nerven wie Stahlseile in diesem Land, wenn es denn etwas Sehenswertes gibt, allein ist man dann selten und es ist gerade nicht einmal Hochsaison.
    Schon auf dem Weg zum Haupteingang sieht man die unglaublichen Hotelkapazitäten entlang der Straßen, und nahe dem Haupteingang des Parks wird auch gleich noch ein neues Hoteldorf in die Höhe gezogen. Auch die ewig meandernden Geländergänge vor Gondelbahnen und Bushaltestellen, um die vielen anstehenden Menschen in Reihe zu halten, unvorstellbar, was hier in der Saison an Massenbewegungen abgehen muss.

    Unser erster Hotspot besteht aus mehreren nicht weit voneinander liegenden Aussichtspunkten, die über befestigte Plattenwege und Treppen miteinander verbunden sind. Viel gefährlicher als die bodenlose Tiefe der Felsabstürze sind vielleicht die von 20 Millionen (!) jährlichen Parkbesuchern abgewetzten und blank polierten Treppenstufen, höllisch rutschig, wehe es regnet...

    Für unsere zweite Station gehen wir zurück auf die Shuttlebusstraße, vorbei an unendlichen Imbiss- und Souveniralleen bis zum leeren Geländergang der Bushaltestelle. Der Bus kommt promt und ist nur spärlich besetzt. Wir lassen uns in der Pampa aussetzen. Hier leitet mich Pocketearth sehr detailliert zum nächsten Aussichtspunkt. Die Kinder glauben mir erst nicht, dass wir richtig sind. Keine Menschen weit und breit, erst Asphaltstraße und dann unabgewetzte Pflasterwege und Stufen. Naturpfade sucht man hier übrigens vergebens. Über großzügig angelegte Wege durch die wilde Flora werden die Horden auf Kurs gehalten und die verschonte Natur freut sich. Zudem würde man ohne die Befestigungen nur unter wirklicher Lebensgefahr in den Genuss der Schwindel erregenden Panoramen direkt und ganz vorne an der Felskante kommen, mit befestigten Wegen aber: Panorama für alle! Und bei manchen ein Kribbeln im Bauch.

    Nach einer erheblichen Anzahl von Stufen bergab, stehen drei Aussichtspunkte zur Wahl. Die Mädchen wollen lieber Pause machen, Fynn und ich entscheiden uns für den Besuch des „Peaking Chicken“. Wir steigen weitere Treppen ab, bis ein Pfad auf einen schmalen Felsausleger führt, den man bis ganz vorne zu einer umzäunten Plattform geht. Die Aussicht auf ein grünes Tal mit diesen zauberhaften Felssäulen ist traumhaft schön, dazu die glückliche Geräuschkulisse abertausend laut sägender Zikaden. In einer bestimmten Felsformation vor uns sollte man einen pickenden Hahn erkennen - nicht mit viel Fantasie...
    Am liebsten würden wir hier etwas länger verweilen, aber die liebe Zeit…

    Vereinzelte, vereinsamte Imbissstände in dueser unpopulären Ecke hoffen auf wenigstens ein bisschen Umsatz mit versprengten Touristen, wie wir es sind, eine unangenehme Situation für uns, von der wir uns aber nicht weiter unter Druck setzen lassen. Fynn und ich sammeln die Mädchen wieder ein und steigen tapfer die vielen Stufen zurück zur Straße hoch. An der Bushaltestelle, an der wir vorher ausgestiegen sind, brausen nur lauter volle Busse an uns vorbei, keiner hält. Bis aus einer Nebenstraße zufällig ein leerer Bus von seiner Pause auf unsere Straße abbiegt, Glück gehabt, wies scheint.

    Station Nr 3. bietet die spektakulärsten Ausblicke und Formationen, hier steht auch der berühmte Avatarfels, der eine, der nahezu 1zu1 kopiert für den Film übernommen wurde. Bis zu diesem führen jedoch diverse Pfade und Wege an anderen, nicht weniger ausserordentlichen Felssäulen, Panoramen und Tälern vorbei. Aufgrund der Prominenz der Felsen ist die Reisebusbenutzerdichte hier wieder nervig hoch.
    The Great Natural Bridge ist eine weitere Attraktion in diesem Panoptikum der Naturwunder. Zunächst läuft man lustig vor sich hin, dem Pfad folgend, mal wieder roten Bändchen nach, die wieder inflationär Bäume und Geländer ersticken, um wieder zurück auf den Hauptweg zu kommen, und dann sieht man erst, worüber man gerade gelaufen ist: eine riesige natürliche Verbindung zwischen zwei Felssäulen, eine dramatische und grandiose Steinbrücke. Puh, nachträgliches Angstschwitzen, was ein Anblick!

    Es windet sich der Weg dem Felsrand folgend, vorbei an Aussichtsplattformen mit todesmutigen Selfieshootern, Gruppenfotomachern und engagierten Teleobjektivisten, allesamt schwerst begeistert und beeindruckt von der unglaublichen Großartigkeit und Schönheit, die uns alle umgibt. Jeder Schritt bringt eine neue Perspektive.

    Und dann steht er da, der Star der Stars, nicht von dieser Welt, der Hallelulja Fels, the Star of the Show, please welcome Misterrrrrrr A-VA-TAAAAR!
    Ähhm, das isser doch, oder? Oder war das vielleicht schon doch der bei der Plattform da hinten? Hm. Egal ...Selfieeeee!
    Nein, er ist es, wahrlich. Die Parkverwaltung hat nämlich einen schwer stilisierten fibergläsernen, blauen Flugdrachen aus dem Film vor dem Geländer platziert, zum draufsetzen und Instafoto machen.
    Er ist wirklich besonders schön, also der Fels, muss man schon sagen, und riesig. Eine reguläre Kameralinse kann seine respektable Höhe nicht wirklich einfangen.

    Ein Blick auf die Uhr, die Natur Show ist zuende, fast. Ein kurzer Anstieg zur Shuttlehaltestelle und promt sind wir Teil einer Menschenmasse, die auf einen Bus wartet. Laufend bremsen leere Busse ein und Windung für Windung arbeitet sich die Warteschlage in die Fahrgelegenheiten vor. Das geht erstaunlich schnell.
    Nach nur vergleichsweise kurzer Fahrt erreichen wir den Weg zum sehr bekannten Bailong-Aufzug. Ein paar Affen sitzen da noch ganz unerwartet am Wegesrand herum, hat ja doch etwas exotisches, wenn man diesen Tierchen in freier Natur begegnet.
    Der Aufzug ist einmal mehr spektakulär, weil er als langer Glaskasten vor die Wand eines massiveren Felsstocks gebaut wurde. Die Dimensionen sind es mal wieder, die beeindrucken. Er verschwindet dann weiter unten im Fels. Genau genommen sind es drei Aufzüge, schließlich müssen ja Massen von müden Touristen weggeschaufelt werden.
    Vor der bequemen Sause nach unten sind extra Tickets für den Lift zu lösen.
    Und dann sausen wir, mit Stehplätzen direkt vorne an der Glasfront, senkrecht hinunter ins Tal. Ein kurzes Vergnügen zwar, aber schon mit Staun- und Spaßfaktor. Wieder etwas massenbedingtes Warten auf den Bus zurück zum Wulingyuan Parkeingang. Es ist jetzt Viertelvorsieben und wir kurz vor kaputt. Die Rückfahrt dauert eine angenehme halbe Stunde, bevor wir wieder zur öffentlichen Nahverkehrsverbindung in den Ort latschen. Qualm und Abgase der zig abfahrenden Reisebusse vom Parkplatz in Wulingyuan ist auf eine andere Weise atemberaubend. Nur schnell weg hier.
    Im Ort ist Ausstiegspunkt auch Einstiegspunkt für den Bus nachhause. Weitere 40 Minuten dauert die Fahrt. Wir beschließen gleich Essen zu gehen und dann erst ins Hotel. Bei der großen Restaurantauswahl ist es fast egal, in welches wir gehen. Also gehen wir in das mit den schönsten Bildchen und den meisten Gästen an den Tischen. Auf den Speisekarten hier steht auch Riesensalamander. In einem Bottich, der im Eingang eines anderen Restaurants stand, waren auch zwei lebende Exemplare zu bestaunen, eher unästhetische Tiere, dick, wulstig und braun - da wussten wir noch nicht, dass die auf der Speisekarte stehen. Jetzt empfinden wir irgendwas zwischen Mitleid, Empörung und Ekel.

    Unser rustikales Dinner besteht aus drei verschiedenen Gerichten, die wir uns teilen. Gebratene Glasnudeln mit Pak Choi und Huhn, Schweinernes mit Bambussprossen und Speck und eine Art Suppe mit Ei und dicken Glibbernudeln, dazu knusprig gebackene dünne Reisfladen.
    Fynns linke Backe ist jetzt auffällig angeschwollen, wenn das Morgen nicht besser ist, müssen wir da unbedingt etwas unternehmen. Gut dass die Ibus gut wirken erstmal.

    Natürlich holen wir dann noch Wasser und etwas Obst vom Supermarkt auf dem Weg, letzte Restenergien werden verdaddelt und fließen in Tagebücher. Was für ein schöner und auch anstrengeder Tag das war!
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  • Day 10

    Go-Shop-Ping

    August 25, 2019 in China ⋅ ⛅ 35 °C

    Aus-schla-fen, Aus-schla-fen... Revolte! Jetzt habe ich die Kinder in den letzten Tagen so arg herumgescheucht, dass sie für Heute geschlossen einen Aktivitätsstopp ausgerufen haben, ein Weiterwandern wird schlichtweg verweigert. Haha, richtig so!
    Die Option für Heute wäre der Südteil des Parks gewesen, Hiken im Talboden, diesmal mit Blick nach oben, immer einen Fluss entlang mit höchst wahrscheinlichem Affenkontakt. Aufgrund von mehr als 500 Schritten vermutlich auch nahezu Chinesenfrei - und Heute wohl auch Deutschefrei.

    Fynns Backe sieht auch nicht wirklich besser aus, eher dicker, wir müssen da etwas unternehmen.
    Also sieht der Plan für heute so aus: Erst Apotheke oder Healthcenter, dann frühstücken in einer kleinen Butze um die Ecke, dann mal sehen.

    Tatsächlich finden wir in unserem Kiez ein Healthcenter. Zwei engagierte Damen untersuchen Fynn und stellen Fragen. Sie bestätigen unseren Verdacht auf Kiefergelenksentzündung und schließen die Zähne aus. Die Kommunikation beiderseits erfolgt routiniert über Googleübersetzer und mit Händen und Füßen und klappt hervorragend. Fynn bekommt zwei Medikamente, ein pflanzliches und einen Entzündungshemmer. Beim Frühstückmittagessen übersetzen wir die Beipackzettel noch, bevor die Tabletten geschluckt werden. Die Übersetzungsapp funktioniert hier hervorragend. Die Tabletten scheinen gut zu passen und Fynn beginnt die Therapie.

    Er möchte dann zurück ins Hotel ausruhen und freut sich, dass Nele bei ihm bleibt. Wir vereinbaren, dass sie bei Hunger bitte nur in ein Resto im engeren Radius vom Hotel gehen und dann gleich wieder auf‘s Zimmer. Nach etwas anderem scheint den beiden eh nicht zumute zu sein, übersetzt bedeutet das: sie wollen einfach mal wieder nur so richtig am Stück zocken und sich dabei erholen...
    Laura und ich wollen lieber in die Stadt losstapfen und schauen mal, was wir dabei so sehen, entdecken und erleben und ein bisserl was shoppen wäre auch mal ganz nett. Nach dem Frühstück gehen die Grüppchen ihrer Wege.
    Mit Laura tauche ich ziellos in die nahen, kleinen Gassen zur Forosafari ein. Das können wir gut zusammen. Geld brauchen wir auch wieder, China ist nicht billig. Zum Geldzapfen mit Kreditkarte braucht es wieder eine Bank of China, die befindet sich auf der anderen Seite des Flusses in der eigentlichen City, also doch ein Ziel.

    Auf unserem Zickzackkurs gibt es wirklich viel zu entdecken. Wir sehen die ruhigen Wohnstraßen, ihre Menschen, die vergitterten Fenster der Mehrfamilien-Betonhäuser, Hinterhöfe, Kabelsalate, ratschende Weiber, wehende Wäsche, offene Wohnzimmer, Kindergärten, räudige Hunde, alte Besen, trocknendes Gemüse, und und und... Alltag kann auch mal spannend sein, wenn auch nicht spektakulär.
    Da Sonntag ist, haben kaum Geschäfte geöffnet.

    Wir nähern uns einer großen Straße und sehen eine Mall. Eine unserer Missionen lautet Bauchtasche kaufen. Also gehen wir in den Kasten rein. Die Mall hat offensichtlich erst wenige Tage eröffnet, wenn Läden überhaupt schon eingerichtet sind, dann wird das Warensortiment gerade noch eingeräumt. An anderen Stellen wird noch fleissig fertig gebaut und geputzt. Im zweiten Stock kehren wir achselzuckend wieder um.
    Ein Geschäft mit japanischen Sachen ist immerhin schon offen, Miniso heisst er. Den gleichen Laden gibts auch in Dubai und Kuala Lumpur und er ist super, denn da gibts immer sehr schräges unnützes Nützliches aus Japan in einer sehr eigenen Ästhetik, für uns Wessis ein bisschen wie ein japanisches Konsum-Museum. Dieses Mal kaufe ich mir eine Schlafmaske mit Gel drin.

    Wir werden in unserer Bauchtaschen Mission nicht fündig, stattdessen entern wir einen sehr großen Supermarkt im Basement, für uns wieder wie ein Museum, für den Grafiker in mir, ein fernöstliches Designmuseum für Verpackungen, viel Inspiration und Kuriositäten. Das Verpackungsdesign ist für unsere Ästhetik teilweise schon sehr schrill, teilweise auch sehr schön stylisch, bunt, viel Comicästhetik, aber auch viel Mut zu leeren Flächen und Minimalismus, dazu die grafisch modifizierten chinesischen Schriftzeichen, sehr schön!
    Für den Verbraucher in Laura und mir gibt es schön schräges und exotisches Zeug zu Bestaunen und Essen.
    Die Obst- und Gemüseabteilung ist paradiesisch, wenn man tropische Früchte mag, aber auch ordinäre Äpfel, Pflaumen und Birnen gibt es. Brot und Gebäck sind gelinde gesagt eine Katastrophe, alles aufgefluffter Weizen- und Enzymepampf. Die Snacks sind für unsere Geschmäcker ein wenig gewöhnungsbedürftig, viel mit Fischgeschmack oder Chili. Das Süßigkeitenregal hat auch ungewöhnliche Kreationen im Angebot. Schon Mal Duriankekse probiert oder Cookies mit Grüner Tee Paste, vielleicht ? Am liebsten sind mir aber die vielen Varianten von Oreos in Asien, Erdnuss, Mocca, Orange, am besten schmeckt mir SchwarzWeiss, einfach superlecker, der Zuckerschocker.
    Es ist nicht leicht, den Frühstücksproviant zu shoppen, den wir für Morgen benötigen. Frühstückszeug, wie wir es mögen, gibt es einfach nicht. So nehmen wir viel Obst mit, Croissantplagiate und Milchbrötchenähnliches Gebäck, dazu eine Erdbeeercreme aus der Tube als Marmeladenersatz. Kaffees in Flaschen und gut is.

    Für unseren kleinen Hunger kaufen wir uns weissen Trinkjoghurt und mit Sahne gefülltes Fluffgebäck. Mhmm, lecker. Das verzehren wir draußen auf einer schatttigen Bank und beobachten das Straßenleben.
    Den Fluss überqueren wir auf einer nicht weiter erwähnenswerten Brücke, naja. Auf der anderen Seite erreichen wir die City. Viele Sportgeschäfte, Mobile Shops, Mode- und so Mischmaschläden, immer mit dem gleichen Plunder, aber keine Bauchtaschen. Und viele Chinesen tragen Bauchtaschen.
    Die City ist laut und bunt, trotz E-Scootern, viele Baustellen. Nach ca einem Kilometer endlich die Bank. Geld ist schnell gezogen, wir juckeln weiter uns lassen uns von blinkenden bunten und vielversprechenden Lichtern immer tiefer in die Stadt locken. Auch wenn die Versprechungen tendenziell leer sind, haben wir viel Spaß mitten im Leben dieser kleinen großen Stadt herumzuirren.
    Shoppen, von wegen, Shoppen ist in China ein Fail. Wir hatten uns zuhause die massenhafte Existenz riesiger Läden vorgestellt, mit dem ganzen Made in China Ramsch und noch viel mehr, mit einem unendlichen Angebot von praktischem, kuriosem, kitschigem, asiatischem, nützlichem und unnützen. Stunden könnten die Kinder und ich in diesen Kabinetten verbringen, so wie in den 10-Dirham-Shops in Dubai. Fehlanzeige. Es gibt nur Läden mit hässlichen, spiessigen Klamotten, Souvenir-Emporiums oder diese elenden Malls mit den üblichen repräsentativen westlichen Marken, Tomy Hilfiger, H&M, Timberland, Adidas, der ganze Mist eben, auf internationalem Preisniveau.
    Mao-Devotionalien und Tempelaccessoires, Buddhas, Räucherzeug, etc, haben wir immerhin in Peking entdeckt, bei der verbotenen Stadt und nahe der Tempel. Leider die Ausnahme bisher.
    Na gut, ein paar Kleinigkeiten haben wir dann doch gefunden, Schreibwaren, Taschen, T/Shirts, so was, aber mühsam ist‘s.

    Langsam werden wir müde und hungrig und beschließen, uns auf den Heimweg zu machen.
    Auf dem Weg zur Bushaltestelle erleben wir noch schräge Gesangseinlagen von Nachwuchsstars auf einer glitzernden Bühne, die auf einem Platz mit viel Lichteffekten aufgebaut wurde. Zu schräg für unsere hungrigen Ohren - eine Künstlerin wird auch vorzeitig von der Bühne geschickt, ha ha - weiter zur Busstation. Auf Tafeln werden sechs Linien angezeigt, ihre Strecken und ihre Fahrzeiten, alles auf chinesisch, super.
    Wir lösen das so. Wir suchen auf unserer Map(sMe) die nächste Haltestelle bei unserem Hotel, vergrößern den Namen in Schriftzeichen, machen Screeny und halten den jedem einfahrenden Busfahrer vor die Nase. Der zweite Bus ist schon ein Volltreffer, nur dass wir verpassen, bei der richtigen Haltestelle auszusteigen, so dass wir an der Endhaltestelle am Bahnhofsvorplatz landen. Auch gut, ist ja nicht soo weit weg vom Hotel.
    Eine Fahrt mit dem Bus kostet im gesamten Stadtgebiet zwei Yuan, ca 25 ct pro Person, das Geld dafür steckt man beim Fahrer in den Schlitz einer Sammelbox, fertig, es geht auch einfach. Im Hotel treffen wir auf eine fröhliche, entspannte Nele und einen etwas gedämpften Fynn mit dicker Backe. Zum Essen gehen wir nicht allzu weit vom Hotel.

    Vom chinesischen Essen insgesamt kann man sagen, soweit das jetzt schon möglich ist, dass es komplett anders schmeckt, als man es vom Chinesen bei uns kennt. Mit der gewohnten Speisenkarte hat das nicht viel zu tun, aber die Gerichte gibts teilweise schon auch auf der einen oder anderen Speisekarte, so ist es nicht. Das Land ist einfach so riesig und vielfältig, und so auch seine Küchen.
    Je weiter südlich desto schärfer wirds, das haben wir schon erfahren. Wir haben viel ausprobiert, so viele noch nie zuvor geschmeckte Geschmäcker, manches war super lecker, manches nur interessant. Die einfacheren Restaurants bieten gleichermaßen allesamt im Kern die Spezialitäten ihrer Region an, einmal gibt es viele Hot Pots, dann brutzelnde Eisenpfannen, einmal in Bambus gegarte Gerichte auf den Tisch. Die anderen Gerichte drumherum variieren dann gerne mal und dann wirds oft auch interessant.
    Bei den Straßenküchen ist es ähnlich, lokale Suppenspezialitäten und Schweinereien der Region, meist ist der Stand nur auf ein Gericht spezialisiert, das dann aber in Perfektion. Hygiene wird in diesem sauber gefegten Land sehr wichtig genommen, man kann also davon ausgehen, dass das Geschirr sauber ist und bedenkenlos ausprobiert werden kann. Zumindest haben wir immer noch so viele Immodiums, wie ich mitgenommen hatte.
    In den gehobenen Restaurants gibts dann die wahren Entdeckungen und die hohe Kochkunst, selbst schon in der Präsentation der Gerichte.
    Wer Ausgefallenes sucht, sollte also entweder in den Strassenküchen, am besten an den Märkten, oder in die besseren Restaurants gehen.
    Bullfrogs, Seegurken, Haifischflossen, Schilkröten, Schwalbennester, Hunde, Schlangen, Krustentiere, vergorener Tofu, 1000jährige Eier, im Prinzip alles, was bei Drei nicht auf dem Baum ist, wird angeboten. Riesensalamander war in Zhangjiajie der heisse Scheiss, puh... Wer‘s mag und keine moralischen Bedenken hat oder Würgereiz beim Anblick des Angepriesenen verspürt, bitte sehr. Neugier hat bei mir gewisse Grenzen und die sind in diesem Land schon das eine oder andere Mal durchaus erreicht worden.
    Bei YouTube gibt es sehr witzige Vlogger, die ausschließlich Streetfood der Welt ausprobieren, eine gute mentale Vorbereitung.
    In Peking gibt es die ganze Fresspalette des Landes, man muss die nur erstmal finden. Am besten irgendwo reinsetzen und bestellen, nicht nur in Peking, viel falsch machen kann man eigentlich nicht. Sachen die eklig aussehen, schmecken oft überraschend gut, so manches Hübsches aber auch richtig langweilig, die Chinesen lassen sich beim Essen auf jeden Fall nicht lumpen.
    Ja, ja, Essen, das ist sicher ein Grund, China umfassend und intensiv zu bereisen.

    Im Hotel heisst es dann mal wieder die Rucksäcke reisefertig machen, müde und zufrieden, morgen gehts weiter im Programm. Und so endet ein weiterer besonderer Tag in China.
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