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- Thursday, August 15, 2019 at 11:50 AM
- ☀️ 31 °C
- Altitude: 52 m
ChinaJingshan39°55’19” N 116°24’38” E
4817Miles&MuchMore
August 15, 2019 in China ⋅ ☀️ 31 °C
Ich bin eigentlich jemand, der eine Idee für ein Reisziel hat, ein Ticket kauft, hinfliegt und dann, ja, dann mal sehen, wie dann da so ist und was dann so kommt.
Genau so wars mit China: „China? - is doch geil!
460 Euro pro Person nach Peking? Nur? In den Sommerferien? Super, das machen wir!“ ... tschak Tickets gekauft, für meine drei Kinder und mich.
China? Keine Ahnung, was es eigentlich bedeutet, nach China zu reisen, so auf eigene Faust, mit Kindern... klingt auf jeden Fall spannend und das isses dann auch.
Denn spannend wird es schon mit der Beschaffung der Visa. Ja, wir Deutschen benötigen ein Visum, das man vorher beantragen muss..
Damit man das aber bekommt, muss man vorher wissen, wohin man jetzt in China genau reisen wird, denn das möchte die Chinesische Regierung wissen, bevor du dann weisst, ob du überhaupt einreisen darfst...
China, ein Reisevorbereitungsschwergewicht also, wie sich bald herausstellt. Schon der Lonely Planet wiegt locker seine eineinhalb Kilo und hat 1212 Seiten, über 1200 Seiten Möglichkeiten und Aspekte, und das mir, dem Superreiseplaner, ohje.
Meine Rettung: nur drei Wochen Zeit. Drei Wochen lassen nur einen Bruchteil der Möglichkeiten dieses vielversprechenden Landes zu, sie sind einfach überwältigend. Dazu die Bilder auf diversen Foren.... Einer meiner ersten Gedanken war tatsächlich: „Auweia, jetzt wirste die nächsten zehn Jahre nur noch in dieses Land reisen, bei dieser umwerfenden Vielfalt.“
Mit dem sehr hilfreichen Vorsatz: lieber weniger, aber dafür richtig, ist am Ende eine Route in Abstimmung mit den Kindern dann doch recht schnell gefunden.
Es geht von Peking nach Süden in die Provinz Hunan mit den Avatar-Gebirgen, weiter runter nach Guangxi, mit Fluss, Reisterrassen und mit DER chinesischen Karstlandschaft - viel Natur also - dann über Shanghai zurück nach Peking, ein lauer Marco Polo’scher Furz und natürlich bleibt einiges auf der Strecke, aber wahrscheinlich immer noch mehr als genug.
Der Online-Visaantrag hat neun Seiten, auf dessen korrektes Aufüllen du sich sehr genau und umfassend vorbereiten solltest. Dazu gehört, dass du die Buchungen deiner Unterkünfte auf der Route nachweisen musst. Wie soll das aber gehen, schöne und gut platzierte Unterkünfte in einem Land buchen, das man gar nicht kennt? Und vor allem, neben dem Wo, das Wann und das Wielange? Was genau gibts überhaupt da zu tun, zu besichtigen und zu erleben, wo wir da so hinwollen?
Hausaufgaben: Vlogs kucken, Blogs lesen, Planet wälzen, Verbindungen checken, Transportmittel, Zeiten und Preise klären. O man, was ein Job!
Das Ergebnis ist eine komplett durchgetaktete Reise mit Buchungen der Transfers und der Unterkünfte. Mit Fynn habe ich ein ganzes Wochenende an unserer Route und am Timing herumgebastelt, ein weiteres mit Laura und Nele an den Unterkünften. Ein Krimi, sage ich euch!
Wenigstens ein bezahlbare Bleibe in Peking zu finden. Airbnb war die Wahl. Wunderschöne Appartments in verschiedenen, strategisch vermeintlich guten Lagen, nicht zu weit vom Stadtkern entfernt. Die beliebtesten Hostels sind im Juni weitestgehend ausgebucht, zumindest für vier Personen. Unser Airbnb Drama war dann: eine Unterkunft ausgesucht, gebucht, bestätigt, dann aber gleich wieder storniert, Zweite Unterkunft aus gesucht, gebucht, bestätigt und kurz darauf wieder: storniert. Mit der Stornierungsmail der dritten kam dann immerhin die Information, dass die Regierung den Airbnb Hosts kurzfristig untersagt hat, Ausländer zu beherbergen. Frust.
Also doch Hostel. Die Auswahl der verbliebenen ist klein, dennoch finden wir ein ganz nettes, mittendrin in einem Hutongviertel im Zentrum, bestehend aus den traditionellen Hofhäusern Pekings. Volltreffer! Gebucht, bestätigt, alles gut.
Kostet zwar über 500 € für 5 Nächte, 200 mehr als Airbnb, Peking ist halt teuer.
Die Unterkünfte der restlichen Reise kosten einen Bruchteil bei erheblich mehr Platz und Komfort, als die in Peking.
Eine Woche vor Reisebeginn erreicht mich dann über Booking die Absage unseres Hostels in Peking.
Jetzt kommt das S...-Wort - und ich spüre leichte Panik in mir aufsteigen. Es war schon im Juni eng mit den guten Unterkünften für Vier, und jetzt, eine Woche davor?
Booking liefert mit der Stornierung gleich eine Alternative mit, ein Hostel, sehr zentral, Metrokreuz keine Minute entfernt, aber uncharmant und nicht mit den besten Bewertungen. Immerhin bekommen wir noch zwei Doppelzimmer mit Fenster. Ich habe wirklich alle Portale durchkämmt, wir buchen dann diese Notlösung als beste Option, es bleibt auch bei 550 € für die fünf Nächte.
Den Visaantrag stelle ich sechs Wochen vor Abreise. Das Ausfüllen für vier Personen nimmt fast einen ganzen Tag in Anspruch. Was die auch alles wissen wollen! und fehlerhafte oder unvollständige Angaben werden nicht verziehen.
Aktuelle Passbilder, die natürlich besondere Anforderungen haben, werden benötigt, was haben denn Mutter und Vater so gemacht die letzte Zeit? Wo waren SIE überhaupt in den letzten fünf Jahren? Lauter so Zeug.
Irgendwann dann,: fertig und Antrag online abgeschickt. Online Termin mit Visastelle in München vereinbart, auf Termin bei Visastelle mit einem dicken Packen Dokumente pünktlich erschienen, Reisepässe abgeliefert.
Kurzes Stocken des Atems: „...Die Buchungsbestätigungen von Booking haben die falsche Form... aber beim nächsten Mal dann bitte richtig machen...“
Aaaausatmen....
In vier Arbeitstagen darf ich die Pässe mit den Visa dann abholen - voraussichtlich, wenn ich denn vorher keinen Anruf bekomme...
Aber ich hole sie vier Tage später ab, die heiligen vier Scheisserchen. Wir - reisen - nach - China - in echt jetzt! - yes!
Heute Morgen hole ich meine sehr aufgeregten Kinder Zuhause ab. Wir checken die Packliste und ab geht’s zum Parkplatzservice, zum Flughafen, zum Terminal D, zur 1000 Kilometer langen Schlange am KLM Drop off Schalter, der von nur einer Dame besetzt ist.... waaaaaaaahhhhh! Wir sind rechtzeitig am Schalter, aber bei diesem Abfertigungstempo hätten wir vor zwei Stunden kommen müssen. Nur die ersten 200 Kilometer der Wartenden ist recht ruhig, ab Kilometer 350 werden die Wartenden unruhig, ab Kilometer 500 spürt man Panik, am Ende der Schlange ab km 900 Hysterie. Und mittendrin wir, ein Papa mit drei fürchterlich aufgeregten Kindern... geil.
Dann das Wunder von KLM. Nacheinander ploppen drei blonde Fräulein-Antje-Engel nach ihrer verdienten Mittagspause an weiteren Schaltern auf. 1000 Kilometer unendliche Dankbarkeit und Tränen der Erleichterung in den Augen der Erlösten.
Wir erreichen kurz vor Boarding unser Gate.
Flug nach Amsterdam, zufriedene Fensterplätze. Vier kurzweilige Stunden im Schiphol, Laura und ich haben diverse Deja Vus von unserer Malaysiareise im Juni. Wir starten pünktlich in die Nacht zur Überquerung des asiatischen Kontinents. Das chinesische Chicken schmeckt, wie man es für die Holzklasse erwartet, die Filmliste ist lang... Ein kleiner Zwischenfall brachte etwas Drama in die Sitzreihe der Geschwister, denn Neles Orangensaft rutschte unbeabsichtigt vom defekt-schrägen Tisch auf des großen Bruders Hose... Na dann, gute Nacht!Read more
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- Day 2
- Saturday, August 17, 2019
- ⛅ 30 °C
- Altitude: 61 m
ChinaJingshan39°55’25” N 116°25’1” E
RauchWirdDeinenKopfAuslösen...
August 17, 2019 in China ⋅ ⛅ 30 °C
...oder: Lost in Translation - almost.
Um 8:20 Uhr landen wir sanft in Beijing.
Jeder von uns hat ca zweieinhalb Stunden geschlafen, das muss reichen für Heute.
Flughafenroutine. Unser erster Weg führt uns
zur Immigration, nachdem von allen Fingern die Fingerabdrücke gescannt wurden, schlüpfen wir elegant durch die Pass- und Visakontrollen. Willkommen in China!
Unser Gepäck ist diesmal ganz vorne dabei.
Das ist so niedlich: drei schlaffe 60 Liter Rucksäcke, mit schlappen 6 Kilo Gewicht und einer mit knapp zehn Kilo. So leicht sind wir noch nie gereist, als Handgepäck wäre das eigentlich locker durchgegangen. Schauen wir mal, was Souvenirs dann so wiegen bei der Abreise...
Dann, Geld muss her! Ich entschließe mich gleich einen größeren Betrag am Flughafen zu tauschen, der Wechselkurs ist definitv eine Frechheit. Die Fee beträgt knappe zehn Prozent! So viel sei hier schon verraten: es wird auch „draussen’ nicht mehr günstiger, die Prozedur wird nur noch aufwändiger. Also könnte man rein theoretisch getrost seine gesamte Barschaft schon am Flughafen tauschen.
Weiter geht die Routine mit Sim-Karten kaufen. China mobile ist die Wahl, 20 GB Data und Telefon, 20 Tage gültig, 13 €, das ist OK.
Klick-klack, passt und läuft.
Wenn man sich mit Reisen in China beschäftigt, erfährt man schnell, dass die Great Firewall of China die meisten unserer Apps und Webseiten nicht funktionieren lässt. VPN heisst hier die Zaubertüte. Wir haben dieses virtuelle Hintertürchen auf Anraten diverser Chinablogger schon Zuhause installiert, im Lande angekommen, keine Chance. Welches VPN nicht schon von der Chinesischen Regierung geknackt wurde und welche aktuell funktionieren sollten, dazu gag es Foren im Netz mit relativ aktuellen Informationen.
Ich habe zwei Apps auf meinen Mobiles, eine geht, die andere nicht, witziger Weise funktioniert das VPN, das nichts kostet. Kann sich aber alles wieder ändern. Auf jeden Fall, wir sind online, mit verwischten Spuren über irgendwelche Server dieser Netzwelt, vorbei an der Firewall. Und online fühlt sich einfach gut an.
Jetzt wollnwa noch Nachhause, ins gelobte Spring Time Hostel, das uns bis dato nicht rauswerfen musste. Seltsam, aber wahr, Gottseidank. Man wird ja bescheiden.
Wir sind nicht wach und geduldig genug für Ubahn Gepuzzle bis zum Hostel, ein andermal. Bei einem offiziellen Taxicounter bekommen wir unseren Transfer in einem Van für stolze 36€ verpasst, andererseits, ein bezahlbarer Luxus, gönnen wir uns.
Und jetzt, jetzt ist der Augenblick, in dem wir die Airconditionwelt der Flughäfen verlassen und unsere erste Planetpekingluft schnuppern...
Auch auf diesem Planeten gibt es eine Sonne, wie bei uns, es hat angenehme mitte Zwanzig Grad, die Atmosphäre verfügt über einen gewissen Sauerstoffgehalt und ist durchaus atembar, die Feuchte der Athmosphäre: unfeucht, die fremde Spezies nicht unbedingt freundlich, aber sie lässt uns in Ruhe. Kommunikation zero. Die Frisur hält.
Wir übergeben dem uns zugewiesenen Navigator ein Kärtchen mit seltsamen, aber hübschen Schriftzeichen drauf von unserem Habitat-Agenten, worauf der sogleich die Maschinen startet und uns in seine Galaxie chauffiert. Der Booking-dot-com-Trick hat funktioniert. Es beschallen uns zu unserem Transit fremdartige, hochfrequente Gesänge zu sehr eiernder Instrumentalisierung. Sind wir vorhin über Kamtschatka vielleicht doch falsch abgebogen... Tatooïne?
Zu diesem Soundtrack blicken wir aus den Fenstern und versuchen uns ein erstes Bild von der neuen Welt zu machen. Grau, stapelweise Wohneinheiten in beängstigenden Stapelarten, in die Breite, nach Oben, rechtwinklig, wie Inseln in einem Meer von Planquadraten. Die haben wir aus unserem Fluggerät schon wahrgenommen.
Stau, Grau, Lampions, müde, wach, brems, wir sind da. Der Taxifahrer weiss nicht wirklich, wo sich unser Hostel versteckt, aber es muss hier irgendwo sein, fuchtelt er uns, und schwupps stehen wir da mit großen Augen, vor einer Metrostation. MapsMe sagt: Ja, der Mann hat schon richtig gefuchtelt, ist richtig hier, Dongsi Station.
Die Rucksäcke geschultert marschieren wir auf hypnotisierende riesige rote Schriftzeichen los, die etwas weiter nach hinten versetzt von einem Gebäude herunter leuchten. Baulärm und Presslufthammer werden hinter einer Glastür leiser, auf der ein vielversprechender Aufkleber mit Spring Time Hostel klebt. Innen sieht es aus wie ein Hostel, es sitzen Menschen rum, die aussehen wie Gäste von einem Hostel und hinterm Tresen sitzt einer, der herumkruschtelt wie ein Rezeptionist von einem Hostel, wir sind da. Äähhhm, English? Nope. Also, wir wären jetzt da...
Tipp tipp tipp, bitte lesen:
Die Zimmer sind noch nicht fertig.
Gesicht: Oh.
Ja, ähmm, klar, erstmal der Reisepass... Check in...
Tipp tipp tipp: macht Viertausendirgendwas Yuan, cash.
Gesicht: Oh, Mist, ich hab zu wenig umgetauscht.
Tipp tipp tipp: Wo ist hier bitte ein Bank?
Kann ich erstmal 1000 Yuan anzahlen?
Tipp tipp tipp: ok
Nochmal tipp tipp tipp: In einer Stunde ist das Zimmer fertig.
Blick in eine Runde hungrig knurrender Augen...
Tipp tipp tipp: ok, wir gehen was Essen. Bis in einer Stunde.
Tipp tipp tipp: Stellt euer Gepäck solange im Büro ab.
Handzeichen für Ok, zweimal Lächeln, und Abgang.
Halbzwölf ist es ungefähr.
Wunder der Kommunikation, ich kann nämlich seit zehn Sekunden traditionelles Chinesisch, Wunder der Technik: Ich bin so dermaßen vom Googleübersetzer begeistert, sage ich euch. DeutschChinesischDeutsch, es funktioniert und das auch noch offline! Bäm. Ein großes Fragezeichen, das die letzten Wochen über meinem Kopf geschwebt hatte, hat sich mit diesem Moment in große Erleichterung aufgelöst. Was habe ich nicht immer wieder und so oft über die äusserst schwierige Kommunikation in China gelesen, puff, weg, geht doch!
Voll informiert und überdreht-beschwingt steuern wir auf die erstbeste Fassade zu, die nach Restaurant aussieht. Rustikale Holzbalkenverkleidung aussen, rote Laternen, winkende Buddhas, großer Eingang - rein.
Es ist ein Restaurant.
Im Eingangsbereich wird von Weiss bemützten Köchen Fleisch in dünnste Scheiben geschnitten, wir mit unseren fragenden Blicken werden sofort eingefangen, platziert und haben auch gleich die zweisprachigen Menues vor der Nase. Zum Einstieg gibt es also Hotpot.
Die Kinder und ich stellen begeistert unser Buffet zusammen, von einer Bedienung in schicker Restaurantuniform werden wir dabei geduldig durch das Bestellprozedere geführt: Fleischsorten diverse, Lotuswurzeln, Knoblauchzehen, Chinakohl, Morcheln, Spinat, etc., diverse Soßen dazu. Der Hotpot mit der dampfenden Brühe wird in unsere Mitte auf den Tisch gestellt. Es geht los. Einen besseren Anfang hätte unsere kulinarische Reise durch China nicht nehmen können. Wir habe allesamt mit geschlossenen Augen genossen, die Geschmacksexplosionen, die Zartheit, die Frische, die Exotik, die Düfte - genau so muss China schmecken! Meine Kinder gehen dabei mit Stäbchen um, als kennen sie weder Messer und Gabeln, stolzer Papa. Wir genießen lange, sehr lange.
Den Weg zur Toilette leiten einen fluoriszierende Comicfußabdrücke am Boden, Aufkleber mit dem
Chinesischen Schriftzeichen für Toilette - ich realisiere jetzt zum ersten Mal so richtig, dass ich tatsächlich in China sein muss. Kennt ihr dieses Gefühl?
Überall kleben und stehen Schilder mit chinesischen Texten herum, der Härtetest für die Kamerafunktion vom Googleübersetzer. Draufhalten auf die Schriftzeichen und kurz warten, bis die Übersetzung kommt. Wir brechen zusammen vor Lachen. Gleich nochmal, gleicher Text, komplett andere Übersetzung. Wir lachen uns krumm. Wir haben ein neues Spiel! Texte raten. So ein bisschen Sinn machen die angebotenen Übersetzungen schon, der sich aber eher über seinen Unsinn erschließen lässt. Da muss Microsoft eindeutig nochmal ran, aber immerhin ein großer Spaß.
Bevor wir aber vor lauter Lachen und Hotpot wirklich platzen, machen wir uns auf zu unserer Bleibe. Vorher bezahlen am Counter, mit 30 Euro ist dieses Gelage fast ein Schnäppchen.
Eigentlich sind wir nach dem wahnsinns Essen jetzt schrecklich müde und wollen nur noch ins Bett.
Unsere Doppelzimmer liegen in unterschiedlichen Stockwerken, Laura und Nele und Fynn und Papa jeweils zusammen. Die Zimmer sind überraschend geräumig, die Betten sauber, die Bäder in gewohnt asiatischem Flair und Flora in dieser Klasse, mit Gebrauchsspuren. Passt. Baustellenlärm? Wasnfürnbausssstlllnlrm ...zzzzz ...Wir sehen uns dann um 17 Uhr wieder, gute Nacht!
Um Halbsechs wache ich als erster auf
Zähes Aufstehen, aber die Neugier auf das Neue ist größer. Eine U Bahnsation weiter beginnt ein vom LP vorgeschlagener Weg durch Hutongs, ein Wohnviertel, das aus sogenannten Hofhäusern mit maximal zwei Stockwerken besteht. Das alte traditionelle Peking findet man hier. Lange Straßen und Gassen ziehen sich zwischen den Karrees und steingrauen und fensterlosen Aussenmauern der Hofhäuser, die sich straßenseits nur durch ein Portal betreten lassen, das je nach Bewohner mal einfach, mal pompöser gestaltet ist.
Die Hürde des ÖPNV Ticketkaufs nehmen die Kinder am Automaten mit Bravour, bevor es durch die Sicherheitskontrolle am oberen Ende der Rolltreppen geht. Rucksäcke und Taschen werden wie am Flughafen durchleuchtet, ein kurzer Check noch von der Security mit dem Beeperstab, beept nix, und runter gehts zum Bahnsteig. Die Gleise sind durch eine Glaswand vom Bahnsteig abgetrennt, die Türen zum Zug öfffnen sich erst, nachdem der Zug gehalten hat. Wir sind die einzigen Touristen weit und breit und verstohlene Neugier können auch die coolen Pekinger in ihren Blicken nicht verstecken - wir auch nicht.
Die Hutongs beginnen direkt gegenüber der U Bahnstation und es ist knackevoll am Eingangsportal, so viele Menschen! Warum müssen ausgerechnet Heute alle 1,3 Mrd. Chinesen zum flanieren hierher kommen?
Es ist Samstagnacht, klare Sache.
Wir lassen uns vom Menschenstrom mitziehen, der sich in den Gassen dann erfreulicher Weise etwas entzerrt. Unsere Füße haben wieder durchgehend Bodenkontakt, wir können wieder selbstständig laufen.
Auf der abendlichen Hauptstraße der Hutongs präsentieren sich in schöne Lichter getaucht, sehr nette kleine Läden und auch Imbisse und kleinere Restaurants. Es wird fast schon gemütlich, trotz der vielen Menschen.
Wir lassen uns vom Anblick in einen Imbiss ziehen und holen uns da lecker aussehende Bällchen unbekannter Konsistenz, die wir dann sogleich verkosten - köstlich, was immer das in dem Teigmantel war, in der Soße drumrum schwammen immerhin identifizierbare Miniioktopussteilchen...
Nächster Halt: Eis am Stiel. Die schwere Entscheidung am Ende ganz leicht, wir alle sind Mangojunkies. Was für ein Eis, süchtig machend nach dem ersten Kontakt.
Mit der Energie des gut aufgezuckerten Blutspiegels entdecken wir mit Entzücken diese rot glasiert leuchtenden Entenleiber in einem Fenster baumeln. Diese Küche bietet Enten-Dürüm an. Perfekt! Eine Köchin wickelt im Akkord Entenfleisch, eingelegtes Gemüse und etwas Kohl in einen dünnen Fladen, Hoisinsoße drüber... Augen zu und reinbeissen... wir können dazu sogar im hinteren Teil vom Imbiss richtig an einem Tisch sitzen. Großes Entenglück.
Dann, erneutes Zittern, Sabbern, Glubschaugen, beschleunigter Gang, eindeutig Suchtsymptomatik, ein Eis muss her, schnell. Das passt jedoch nur noch in Fynn und Laura rein, Nele und Papa sind noch im Entengeschmackskoma.
Mit entspanntem Gang, aber dennoch mit der Unruhe eines Zockers zieht uns Fynn langsam Richtung Hostel. Wir nehmen eine ruhigere Gasse, vorbei an einem Gewässer mit wunderschönen Trauerweiden und romantisch illuminierten Brücken, bis uns die kalte LED Ästhetik und die Aircon der Metrostation schockfrostet. Kartenkauf und Security. Schwupps sind wir wieder bei unserer geschätzten Dongsi Station.
Wir beschließen noch einen kleinen Umweg über einen Supermarkt, um Nescafé, Wasser, Kekse und ein Tsingtao für Papa käuflich zu erwerben.
Zum Ladenschluß um Zehn ruft der Ladenleiter seine Mitarbeiter zur Aufstellung zum Appell und nach motivierendem Lobgesang in gebelltem Chinesisch - was ich für unsere Ohren eher demotivierend anhört, aber sicher nett gemeint ist - wird noch eine kleinlaute Litanei, vermutlich ein Hoch auf die Arbeiterklasse, mit halben Herzen und Stimmen von der Mitarbeiterschaft brummelnd absolviert.
Mich hat dieses kurz aufgeschnappte Szenario am Rande sehr seltsam berührt und finde es deshalb erwähnenswert.
Die Kinder trollen sich ins Hostel, ich versuche mich mit Geldabheben noch bei der hiesigen Postbank und scheitere kläglich. Keine Auszahlung ohne chinesischen Ausweis. Ein Pekinger Obdachloser, der im Bankraum auf Pappen logiert, sieht mir aus dem Augenwinkel durch seinen Biernebel dabei zu.
Ich raschel noch ein bisschen mit den Seiten vom LP mit Blick auf die Aktivitäten des morgigen Tages, schreibe, trinke Tsingtao und schlafe dann tatsächlich irgendwann auch mal gejetlagged ein.
Fynn war da eindeutig schneller.Read more
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- Day 3
- Sunday, August 18, 2019
- ⛅ 31 °C
- Altitude: 47 m
ChinaJingshan39°55’24” N 116°24’40” E
Pekingentenhausen
August 18, 2019 in China ⋅ ⛅ 31 °C
Halbzehn ist es dann doch, als vier schlafende Steine wieder zum Leben erwachen. Ich gieße meine Trägheit mit etwas Nescafé und schon bald verlassen wir, für den Tag gerüstet, im Gänsemarsch unsere Zimmer.
Ein fröhliches ‚Good Morning‘! wird uns vom Mann an der Rezeption an die überraschten Ohren geworfen. Es ist ein anderer als gestern und er spricht wunderbarstes Englisch. Somit ist schnell geklärt, dass Touristen Bargeld am unkompliziertesten bei der Bank of China abheben können. Die nächste befindet sich eine U Bahnstation südlich, in 900 Meter Laufweite.
Aber erstmal Frühstück. Um die Ecke, gleich beim 7Eleven, ist ein Lokal mit Dim Sum, das hatten wir gestern beim Shoppen schon entdeckt. Da gehts hin. Bestellt wird an einer Art Buffet, hinter dem auch frisch zubereitet wird. Es dampft und duftet herrlich. Die Kinder holen sich große Teigbälle mit Sesam, diverse Dim Sums und frittierte Hühnerbällchen. Ich zeige auf eine Soupbowl mit Wantans und erweitere mein Frühstück um gedämpfte Hühnerfüße. Selbst der Anblick unserer Speisen ist ein schon ein Genuss.
Wir besprechen die Highlights des heutigen Tages: Bank of China, Lama Tempel, Konfuzius Tempel und Sommerpalast. Sportliches Programm, auf geht‘s!
Wir schlendern den knappen Kilometer bis zur Bank of China eine große Straße entlang, beobachten das geschäftige Leben, immer wieder öffnet sich eine Gasse in einen Hutong.
Vorbei an vielen kleinen Läden, auffällig viele mit Sportklamotten. Bei einem Obstladen, der durch seinen Geruch nach Durian unüberriechbar ist, lassen wir uns von der Auslage verführen und kaufen uns abgepackte, geschnittene Melone und eine Obstmischung mit Honigmelone, Dragonfruit, Trauben, Ananas und - das gehört in China wohl zum Obstallerlei - Cocktailtomaten.
Was uns besonders an dieser belebten Straße auffällt: es ist total ruhig. Man hört den Verkehr fast gar nicht. Es gibt zwar viele Roller, aber die fahren ausschließlich elektrisch, und auch die Autos, einige geräuschlos, viele mit sehr gedrosselten Fahrgeräuschen, unglaublich viele Leihfahrräder, Mobike & Co. Reale Elektromobilität, sehr angenehm. Aufgrund der fatalen Luftverschmutzung, Airokalypse hat der Planet das so treffend genannt, hat die Regierung offenbar entsprechende Maßnahmen ergriffen.
Die stillen Straßenbewegungen sind noch sehr gewöhnungsbedürftig: Wir richten uns Zuhause beim Überqueren einer Straße unter anderem durchaus auch nach Geräuschen herannahender Fahrzeuge, hier in Peking klappt das nicht mehr. Der Blick nach links und rechts ist hier obligatorisch, will man nicht von einem stummen Elektrofahrzeuge überraschend überrollt werden. Ich würde das nicht erzählen, wenn da nicht schon eine Situation bei mir zu einem gewissen Learning geführt hätte. Ich lebe noch.
Die Bank of China liegt in einer Straße mit einem überdimensioniert aufgeblasenen Nobelhotel gegenüber, viktorianischer Stil soll das wohl sein, davor viele schwarze Limousinen, auch ein Royce ist dabei.
Der ATM spuckt ohne Umstände zweimal 3.000
Yuan auf Kreditkarte aus. Das ist schon was, ist aber geschätzt noch nicht genug für die nächsten Tage und Wochen auf dem Land. Dadorten wird nahezu alles in bar bezahlt, wenigstens von ausländischen Touristen.
Also rein und Geld wechseln. Eine Dame am Empfang händigt mir ein zu unterschreibendes Formular und eine Wartenummer aus. Keine Ahnung, was ich da unterschreiben muss, muss aber. Ein Polizist ganz in Schwarz, mit Knüppel, schusssicherer Weste und Helm sitzt in der Ecke freut sich über die Ablenkung durch die wartenden Kinder, die ihre Flaschen am gekühlten Wasserautomaten mehrmals auffüllen. Er putzt auch den Trinkwassersee vor dem Automaten weg.
Ich beschließe einen beträchtlichen Betrag umzutauschen, dass erstmal Ruhe ist. Die bürokratische Prozedur zieht sich. Ich muss meinen Arbeitgeber angeben, meine heimische Telefonnummer und mein Reisepass wird erneut gescannt, gefühlt zum 20sten Mal, Unterschriften unter diverse Versklavungsverträge unbekannten Inhalts. Jetzt gehört meine Seele dem großen Bruder. Dafür gibts ein dickes Bündel Devisen. Orangefarbene Hunderterscheine sind das hauptsächlich, je ca 13 Euro wert. Freche 10% Fee werden auch hier kassiert, wie am Flughafen. Grrr.
Das Abzockegefühl schnell erfolgreich verdrängen und ab in den Untergrund. Der Knüppelmann lächelt den Kindern milde nach und hebt zum Abschied sogar die feuchte Hand, ganz ohne leisen Vorwurf.
Nach vier U-Bahnstationen erreichen wir den Lama Tempel. Zum Eingang laufen wir aussen die gesamte Länge des Areals ab, und es ist laaang!
Der Eintritt ist bezahlbar, gute 10 Euro für uns Vier. Hinein ins Sightsseeing. Wir sind fast die einzigen Touristen, also westlicheTouristen, sonst nur Fähnchen folgende chinesische Reisegruppen mit Mikro- und Megafonbeschallung durch den Guide.
Die Tempelanlage ist großartig. Am Eingang werden Bündel von Räucherstäbchen ausgegeben, etwas missmutig auch an uns. Ich kann noch nicht einschätzen, ob Missmut hierzulande auch so gemeint ist, oder ob wir das nur so deuten. Ich werde das beobachten...
Der buddhistische Tempel besteht aus mehreren Arealen mit immer heiliger werdenden Schreinen, eingefriedet von Mauern und langgezogenen Gebäuden am Rand. In diesen Gebäuden befinden sich kleine Museen zur Geschichte des Klosters, toll gemacht!
Immer wieder Kniepolsterbänke für die Betenden.
Es wird viel gebetet, draussen und drinnen, dass es nur so qualmt. Angeleitet wird auf Schildern, wieviele Stäbchen idealer Weise zum Gebet entzündet werden. Es duftet, dampft und raucht auf dem ganzen Gelände. Für die benutzten, aber noch glühenden Stäbchen stehen große, schwere, rostige Kisten aus Eisen herum, die qualmen wie Schlote, das hat schon fast was von Industrieromantik.
Die Anlage ist uralt, wie oft hat man diese typische Architektur in Martial Arts Filmen schon gesehen, jetzt stehen wir mittendrin. Die spirituelle Ruhe der Tempelanlage dazu - wir sind echt in China, man!
Wir bestaunen die gesamte Anlage, ich vertiefe mich lieber nicht in Architekturgeschichte, sondern genieße einfach so. Fynn und Nele steigen ermattet aus und platzieren sich irgendwo, Laura und ich streifen weiter. Große Hallen mit unglaublich schönen Schnitzereien, Vertäfelungen, Statuen.
Dazu in verschiedenen Pegeln die schrill schnarrenden Erklärungen der chinesischen Guides an ihre Reisegruppen aus schlechten Lautsprecherboxen. Was ein Bild, was ein Klang.
Es ist schwülwarm und bedeckt, um die dreissig Grad, die Kinder auf Halbmast. Wasser und Obst bringen nur wenig Energie und Motivation zurück. Wir verlassen den Lama Tempel.
Unweit, quasi zwei Räucherstäbchenwürfe weiter, ist der zweite, der Konfuzius Tempel. Eine Anlage, die sich über 20.000 qm erstreckt, ohje. Wenn Blicke töten könnten, aber sie geht mit hinein, die tapfere Kinderschar.
Der Tempel war ehemals die kaiserliche Akademie, eine Kaderschmiede und Eliteuni, die nach der Lehre des Konfuzius unterrichtet hat.
Der steht auch als hochverehrte Statue selbstbewusst auf dem Gelände. Man wandert über Höfe von einer Halle zur nächsten, die unterschiedlichen Zwecken dienten. Allesamt sehr schön anzusehen, sehr harmonisch in ihrer Architektur, mit den typischen chinesischen Dächern mit den leicht geschwungenen Giebelabschlüssen. Dazwischen steinalte Bäume, teilweise über 800 Jahre alt, was haben die nur alles gesehen... Wir flanieren zwischen den Nebengebäuden, in der Erwartung, dass jederzeit Martial Arts Kämpfer plötzlich zwischen den Dächern über unseren Köpfen flattern, die perfekte Kulisse. In einem Nebengebäude befindet sich auch ein Museum, dass über Konfuzius und die Akademie informiert, sehr interessant, vor allem das gnadenlose Aussieben der Bildungselite, das muss der totale Psychoterror für die Studenten gewesen sein.
Die Nachmittagssonne taucht die großen Gebäude mit ihren Farben und Kontrasten in ein
traumhaftes Licht.
Um 17 Uhr werden die Tore geschlossen und wir sind erschöpft, wir alle. Diese Herumlauferei bei diesen Temperaturen ist echt anstrengend. Es sind diese mächtigen Dimensionen, die so schlauchen, Klein gibt es in Peking offensichtlich nicht.
Der Tempel befindet sich in einer Hutonggasse, in der sich lauter kleine Lädchen finden, die Tempelaccessoires, Kalligrafieutensilien, Handwerkskunst, aber auch Eis und Snacks anbieten. Eis! …unser Stichwort. Wir setzen uns vor den kleinen Laden mit dem Eis und beobachten dabei das frühabendliche Straßenleben der Anwohner. Ein Altedamentrio sitz auf ihren Plastikstühlen und ratscht, Eltern mit Kindern flanieren, junge Paare beschäftigen sich lieber mit ihren Handys als mit Fummeln, Minihunde werden Gassi geführt, vereinzelte Touris stehen frustriert vor verschlossenen Tempeltüren. Immer wieder gleiten Roller des Todes fast geräuschlos vorbei. Das Szenario strahlt nachmittägliche Entspanntheit und Ruhe aus, endlich einmal, davon besteht dringender Bedarf. Überall sind so unglaublich viele Menschen, auch wenn die Stadt an sich nicht laut ist, diese omnipräsenten Menschenmassen empfinden wir als sehr sehr anstrengend.
Die orangenen Mönche Pekings sind übrigens die Müllmänner, die überall emsig den Müll einsammeln. Peking City ist ziemlich sauber.
Beim Ausruhen und Eis Essen beschließen wir unsere Abendveranstaltung: Pekingente.
Ich habe mir im Vorfeld schon Restaurantempfehlungen herausgepickt, eines davon liegt in angenehmer Laufweite. Wir spazieren gemächlich in Richtung dieser Adresse, an Hutongs entlang, die gerade saniert werden, zumindest die Fassaden. Späht man durch so manche Tür, wird nicht selten der Blick auf ein ziemliches Wohn- und Gerümpelchaos freigegeben, ungepflegte und verkommene Bausubstanz. Hier scheinen sich manchmal viele Menschen wenig Wohnraum zu teilen.
Wir sind angekommen. In der fortgeschrittenen Dämmerung tauchen die vielen Lampions und Leuchtschilder die Straße in ein rötlichbuntes Lichtermeer. Genau so stellt man sich eine chinesische Flaniermeile vor, und irgendwo dazwischen ist der Eingang zu unserem Entenschuppen. Viele Menschen sitzen davor, anscheinend wartend. Bei guten Restaurants in China sollte man immer mindestens eine halbe Stunde bis Stunde Wartezeit einkalkulieren, so steht es geschrieben.
Wir wollen uns über die aktuelle Wartezeit am Counter informieren und ob vielleicht Nummern verteilt werden. Ein junger Kellner fragt uns, wieviele Personen wird seien und verschwindet.
Wenige Minuten später kommt er wieder und winkt uns zu sich, er hätte einen Tisch für uns, jetzt. Innerer Jubel. Wir werden durch das Lokal in den ersten Stock geführt. Wir kommen vorbei an der sehr exotischen frischen Auslage der Speisekarte. Glasierte Enten baumeln von Gestellen, hoch gestapelte Kegel von Krustentieren, Bassins mit noch nie gesehenen Muscheln, Krustengetier, stacheligen Seegurken und Fischen, sandgefüllte Tabletts, aus denen uns Hinterteile von irgendwelchen fetten Insekten entgegen ragen, Spieße mit Skorpionen und so weiter...
Das ganze Panoptikum findet sich sehr schön angerichtet und fotografiert in der umfangreichen Speisenkarte wieder. Allein die anzusehen ist schon ein Erlebnis. Wir sind eindeutig in einem der gehobeneren Restaurants gelandet. Die Empfehlung der Kellners ist, die längere Zubereitungszeit der Ente mit Vorspeisen zu überbrücken. Vor lauter Staunen und Schmökern im Menü müssen wir ihn ein paar Mal vertrösten, bis wir uns endlich entschieden haben. So kann man die Zeit ebenso durchaus kurzweilig überbrücken.
Eher zurückhaltend bestellen wir dann gefüllte Lotuswurzel, exotisch lecker, und glasierten Schweinebauch, wabbel wabbel, wie viele Chinesen.
Die Ente ist ein Gedicht. Gegessen wird sie, hübsch zerteilt und angerichtet, am Tisch eingerollt in Teigfladen mit Gemüse und Obststreifen und Hoisinsoße. Knusprige Haut wird auf Puffreiswürfeln dazu gereicht.
Aufs Haus kredenzt man uns noch eine feine Entensuppe. Wir schwärmen und schwelgen vom ersten bis zum letzten Bissen. Zum Abschluss spendiert man uns noch eine Kugel superleckeres Maracujaeis. Eis können sie einfach, die Chinesen. Inklusive allem hat das sehr große Vergnügen mit exzellentem Service nur ganze 65 Euro gekostet, nicht wirklich viel für das Spektakel. Selbst Altbundespräsident Gauck hat schon in diesem Restaurant gespiesen. Das sagt ja wohl alles. : )
Während wir sitzen, schmausen und schmatzen beginnt der junge und sehr aufmerksame Kellner ein Gespräch mit uns. Er spricht erfreulich gut Englisch. Das Gespräch endet damit, dass er uns den Trip zur Great Wall vermittelt, zu einem Abschnitt, der noch nicht komplett von touristischen Horden überrannt ist. So wird es zumindest im Planet beschrieben, und auch als gut erreichbar. Deshalb hatte ich mir den im Vorfeld auch ausgeguckt.
Jackie heisst er, der herzig bemühte Kellner, James Bond nennt sich sein Bruder, der als Reiseagent fungiert, alles klar.
Wir tauschen die nötigen Daten aus, für unseren letzten Tag in Peking haben wir dann gebucht. Will man die Tour nicht auf eigene Faust unternehmen, ist es fast egal, bei wem man bucht, die Fäden laufen eh bei wenigen Veranstaltern zusammen. So auch hier.
Der individuelle Trip zur Mauer bedeutet eine ziemlich aufwändige Transportlogistik und ganz ehrlich, ich habe jetzt einfach keinen Bock mehr auf diese Aktion und schon gar nicht mit den Kindern, da gibt es mir definitiv zu viele Unbekannte und Variablen. Allein oder zu zweit hätte ich das sicher gemacht.
Mit prächtig gefüllten Bäuchen plantschen wir draussen noch ein wenig im Lichtermeer der Straße, um dann müde und zufrieden in die Betten zu fallen. Nicht aber ohne den obligatorischen Besuch beim 7/11, um Wasser und Snacks zu shoppen.Read more
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- Day 4
- Monday, August 19, 2019
- ☁️ 30 °C
- Altitude: 50 m
ChinaJingshan39°55’20” N 116°24’38” E
KaiserPalastWetter
August 19, 2019 in China ⋅ ☁️ 30 °C
Dim Sum isst man eh vor 12. Daran wollen wir uns auch gerne halten und stehen erst um 11 auf. Mittagsfrühstück. Stolz klatsche ich dem Hostelkassier unsere Restschulden für Logis in Form eines dicken Geldbündels auf den Tresen. Nur selten kann man mit Kreditkarte bezahlen, nicht einmal in Hotels der Mittelklasse kann man das, soweit ich das bisher mitbekommen habe.
Eine lange U Bahnfahrt bringt uns Heute zum Sommerpalast, der von den Kaisern als Sommerresidenz genutzt wurde, als Sommerfrische quasi, aber ‚frisch‘ ist was anderes, es ist heiss, 32 Grad, blauer Himmel, Kaiserwetter, wir stöhnen leise im Rudel und beginnen umgehend zu schwitzen, als wir sehen, dass es zum Palast hinauf einen Hügel zu besteigen gilt.
Na gut, dann rauf mit uns, neben Hunderten nicht weniger schwitzenden und stöhnenden Chinesen, teils unüberhörbar. Man nähert sich dem Palast von der hoch gemauerten und rot getünchten Rückseite. Die ganze Anlage ist, wie soll es anders sein, ein riesiger Park, voi Feng Shui. Zwei Drittel bestehen aus See, der so groß ist, dass dort unter den Augen des Kaisers Flottenmanöver geübt wurden. Stolze 100.000 Arbeiter haben dieses Megaplanschbecken ausgehoben, von den Opfern, die sie dafür gebracht haben spricht niemand. Der Einzelne zählt eben nichts.
Hinein in den Palast, der sich natürlich auf dem höchsten Punkt der Anhöhe mit dem maximalen Ausblick befindet, darf man nicht,. Dafür weht dort droben ein erquickendes Lüftchen um die Nasen und schön anzusehen von Aussen ist er auch. Wir sind zufrieden damit. Das leise Stöhnen verstummt promt. Also doch Sommerfrische.
Auf der Vorderseite öffnet sich ein weiter Blick über den riesigen See mit einer Insel, die mit einer Fähre erreicht werden kann. Von dieser Insel wiederum gelangt man über einen sehr pittoresken Brückenbogen aufs Festland. DER Instashot der ganzen Palastschose. Weiter hinten breitet sich Peking aus. Bemerkenswert ist für uns Skyscraperjunkies, dass Peking weder über eine alles überragende Downtown verfügt, noch sonst besonders hoch gebaut ist.
Erbaut über das unverbaute Panorama widmen wir uns dem südlichen Teil der Anlage, die zum See hin in Terrassen absteigt, auf denen sich wiederum einige sehenswerte Tempelanlagen befinden.
Wir bestaunen nicht nur die Gebäude, sondern auch die chinesischen Touristen, westliche Touristen sieht man äusserst selten. Wobei ich glaube, dass wir eher diejenigen sind, die sehr aufmerksam beobachtet werden. Die Kinder haben eine Strichliste begonnen, wer am meisten als Fotomodel von den Chinesen zum Fototermin gebeten wird. Die blonde Nele ist als Selfie Side Model sehr bliebt. Den Chinesen fällt es im Schlaf nicht ein zu fragen, bevor man uns fotografiert. Manche sind so dreist und stellen sich mit ihren dicken Kameras direkt vor uns und drücken ab, manche zoomen und knipsen heimlich, manche verfolgen uns sogar über längere Strecken, wenn sie filmen. Drehen wir uns um oder verstecken uns hinter Fächer oder Sonnenschirm, reagieren sie nicht selten richtig sauer. Vielleicht hat das gelegentlich nicht nur mit Privatvergnügen, sondern auch etwas mit Staatsschutz zu tun, mutmaßen wir.. Auffällig als nahezu einzige westliche Touristen hier sind wir auf alle Fälle. Wir schießen seit Heute hemmungslos auf jeden Fall zurück, deadly Insta shots.
So kämpfen wir uns Tempel für Tempel die Rampen und Treppen hinunter zum Seeufer, machen in einer stillen Anlage - still, ja, das gibts! - Snackpause, bis wir schließlich unten am Seeufer ankommen. Dort zieht sich ein hübsch bemalter Arkadengang bis zum Bootshaus entlang. Horden von mit Caps und T-Shirts uniformierten Reisegruppen folgen ihren Fähnchen wedelnden Fieselschweifs ins homogenisierte Ausflugsglück. Beim Bootshaus legen die Fähren zur Insel ab.
In unseren all inclusive Tickets ist die Überfahrt leider nicht inklusive. Wir sind eh knapp in der Zeit und ziemlich k.o. also lassen wir’s unenttäuscht einfach. Am Kai liegt ein (wie immer) riesiges Schiff aus Stein mit steinernen Schaufelrädern. Der Sinn von dem ganzen klobigen Steinklotz entzieht sich unserem Verständnis. Die Ästhetik kann es nicht sein, eher war es wohl die fixe Deko Idee einer Kaiserin namens Cixi oder so, egal, geschmacklos bleibt geschmacklos. Wir wollen eh nur noch Pause machen. Eine Stunde lang im Schatten nur mal Ratschen, das hat auch was.
Wir beschließen den Rückzug, zurück in die Stadt, ein bisserl Shoppen auf der Einkaufsstraße mit dem wunderbaren Namen Wangfujing Dajie. Für den Rückweg zur U Bahn müssen wir nicht noch einmal über den Hügel. Ein bisschen erinnert mich der ganze Park an den Volkspark Friedrichshain, mit den Hügeln, dem rauf und runter und so.
U Bahnfahren in Peking ist eine äußerst unkomplizierte und sehr schnelle und angenehme Art von A nach B zu kommen, das Netz ist sehr dicht gesponnen, die Tickets und Tarife sehr einfach zu bekommen und bezahlbar.
Die Ticketautomaten sind zweisprachig, man gibt auf dem Touchscreen die U Bahnlinie ein, dann tippt man auf die Zielhaltestelle und schwupps, kommen die Informationen zum entsprechenden Ticket, jetzt nur noch die Anzahl der Fahrgäste und die Bezahlart eingeben, Bargeld rein, fertig.
Bevor man aber überhaupt in den Untergrund darf, muss man seine Taschen bei einer mehrköpfigen Security über ein Laufband durchleuchten lassen und einen Detektor durchschreiten, wie beim Flughafen. Fynns Deospray haben sie tatsächlich wegen Explosionsgefahr gezwickt. So ein Unsinn.
Dann öffnet man durch Auflegen des Tickets die Durchgangsschranke und dann gehts endlich zum Bahnsteig. Dank beachtenswertem richtungsweisendem Leitsystem ist der richtige Bahnsteig mit der richtigen Fahrtrichtung richtig leicht zu identifizieren, selbst Umsteigen ist easy.
Die Wege beim Umsteigen zwischen den Linien sind gerne ein Hatscherer.
Als meist einzige Ausländer im Zug ziehen wir viel Aufmerksamkeit auf uns, besonders als kleine individuell reisender Gruppe. Trotz als Gastgeber der olympischen Spiele 2008, als die ganze Welt zu Gast war, ist man den Anblick von Ausländern wohl nicht gewöhnt.
Wohl auch den Umgang mit Ausländern nicht, wie wir immer wieder feststellen müssen. Wir haben den Eindruck, es ist den Pekingern tendenziell unangenehm, wenn wir auf sie zugehen und etwas fragen wollen.
Man könnte meinen, im Gesichtsausdruck der Adressaten nicht selten eine Art aufsteigende Panik zu erkennen. Ich vermute, es ist die nur schwer überwindbare Sprachbarriere. Das Wissen nicht helfen zu können und in Folge ihr Gesicht zu verlieren, bringt sie vielleicht in Bedrängnis und Verlegenheit und um diese unangenehme Situation zu vermeiden, vermeiden sie Kommunikation.
Eigentlich sind sie ja sehr hilfsbereit. Das wiederum erfährt man bei Chinesen, die des Englischen mächtig sind. Manche reden auch ungefragt hemmungslos in Chinesisch auf uns ein, dann ein breites Lächeln. Wir lächeln zurück, dann Augenbrauen hoch, ein höfliches Danke und bye bye. Vielleicht sind das alles aber auch nur unsere wilden Spekulationen, Sprachbarriere eben. Was gäben wir manchmal drum, auch nur die Hälfte zu verstehen.
Wir juckeln zur Einkaufsstraße. Große Mediawalls mit Werbeclips, große Shoppingmalls, viele Menschen, noch mehr Polizei. Die Polizeipräsenz ist unglaublich, immer aufmerksam, immer bereit. Überall auch eingefahrene, mobile Zäune, die bei Bedarf sofort die Massen lenken lassen, irre.
Und auch Kameras, überall Kameras, wirklich überall. Ich bin mir sicher, dass die Behörden eine lückenlose Dokumentation von unserem Aufenthalt in Peking schneiden könnten. Man kommt sich ständig sehr überwacht vor. Laufend begegnet man auch Schildern mit Verhaltenshinweisen oder Verboten. An den Mauern der Hutongs hängen Plakate mit dem Konterfei und den Kontaktdaten des zuständigen Verbindungsbeamten. Die totale Überwachung, Lenkung und Kontrolle, ein äusserst unangenehmes Gefühl. Ein gutes Gefühl dagegen zu wissen und hoch zu schätzen, in einem einigermaßen freien Land zu leben.
Wir kehren schnell wieder in der Shopping Mall um, die übliche, langweilige, uninspirierte und teure Markenparade. Die Mall selbst versucht modern und kapitalistisch zu glitzern, das aber nicht wirklich überzeugend. Also nix wie raus. Dann schon lieber die kleinen Schrottläden entlang der Fußgängerzone. Aber, von wegen Made in China und billig, selbst der Souvenierschrott ist kaum billiger als bei uns. Peking ist einfach teuer.
Wir geben unser Geld lieber für gutes Essen aus. Die Mägen knurren, die Launen sinken, ein Restaurant muss bald her. In einer Seitenstraße soll ein Nightmarket mit Foodstalls sein, der wird auf MapsMe auch angezeigt. Nur als wir davor stehen, ist da ne Bretterwand, Baustelle. Oh nein! die Mägen knurrren lauter, die Stimmung sinkt unter die Nullmarke, jetzt ist guter Rat teuer. Jeder hier weiss, was von Restos in der Nähe von Fussgängerzonen zu halten ist. Mir wird in einer Nebenstraße ein Esslokal angezeigt. Hin da. Im Erdgeschoß wird eine Feuertopfvariante angeboten, unsere Blicke suchen schon nach freien Plätzen, aber eine Bedienung meint, das sei zu scharf für die Mädchen und drängt uns in den ersten Stock. Eigentlich Unsinn, aber der Hunger hat unsere Denkfähigkeit stark gedämpft, so folgen wir widerstandslos dem Diktat der jungen Dame. Oben gibt es Essen à la Carte.
Wir finden unsere Essen nach längeren Beratungen in der Karte, die ältere Bedienung ist leicht genervt, eher von rauher Natur, Marke verhermte Sennerin, und klatscht uns unsere Bestellungen uncharmant vor die Nasen.
So schmeckt‘s dann auch, wie Fußgängerzonenabkoche. Von unserer Skala von Eins, Hundefutter, bis Fünf, exzellent, geben wir der Veranstaltung eine Zwei, also so la la.
Und der gute Rat war teuer, ziemlich teuer, übrigens. Die Toilette war auch noch ausserhalb des Restaurants, die Straße runter, eine öffentliche Einrichtung.
So trollen wir uns, immerhin gesättigt, nach diesem sonst schönen, langen Tag Nachhause, nicht ohne fast schon obligatorische Stippvisite beim 7/11. Bettruhe um 24, Morgen wollen wir mal früher raus, wir haben Großes vor - in Peking hat man immer Großes vor b.t.w. ; )Read more
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- Day 5
- Tuesday, August 20, 2019
- ☁️ 21 °C
- Altitude: 50 m
ChinaJingshan39°55’20” N 116°24’38” E
VerboteneVerboteneStadt
August 20, 2019 in China ⋅ ☁️ 21 °C
8:30 early birds. Es regnet in Strömen, nochmal im Bett umdrehen. 9:30 late birds. Ein kurzer Hüpferer zum SevenEleven, Regenschirme kaufen. Ein Pancake Restaurant wird uns in unmittelbarer Laufweite von MapsMe angezeigt, da wollen wir frühstücken. Mal was anderes.
Von der großen Straße links in eine kleine Straße, dann in eine noch kleinere Straße, Hutong, mittendrin, hier wird gewohnt. Es ist grau. Der Himmel, die Mauern, die Menschen. Rot dazwischen: mal eine Tür, mal Laternen, mal ein Fahrradsattel. Der Bezirksvertrauensbeamte lächelt von einem Poster, eigentlich lächelt er gar nicht, also: sein Foto mit verbindlich-neutralem Blick ist auf einem Poster abgebildet, das da an der grauen Mauerecke hängt. Auch grau irgendwie. Es regnet, unsere Schirme sind bunt, ein bisschen.
Eine der anderen angezeigten potentiellen Frühstücksoptionen ist geschlossen, eine Müllhalde hinter den großen Fenstern. Dann drei lokale Lokale auf einem Fleck, welches ist jetzt das mit den Pancakes? Eines hat Hotpot, wollen wir nicht, nicht zum Frühstück. Dann das daneben. Es ist eine Butze mit Resopaltischen, Arbeiterklasse schlurft Nudeln, Mama kocht, genau mein Ding. Keine Widerrede, rein da.
Die bilderlose Karte ist ausschließlich in Chinesisch, der Googleübersetzer lässt auch nach mehreren Anläufen nichts Gutes ahnen. Trotzdem, Laura und ich werden fündig, irgendwas mit Suppe und Nudeln und Fleischeinlage, hochspekulativ, aber sicher lecker. Google hat versagt. Fynn zieht ne Schnute, Nele tut sich sehr schwer mit unbekanntem Essen. Diskussionen, Genöhle, Abbruch.
Ooooch schade, armer Reiseführerpapa, aber Hungerlaune von Kindern ist nicht verhandelbar - und das ist sehr diplomatisch formuliert.
Also gibt’s knatschigen Weissmehlzuckerpampf vom Bäcker ein paar Ecken weiter in die Hand.
U Bahn bis Tiananmen Platz. Der berühmte Platz des himmlischen Friedens, der gescheiterten Revolte, der größte öffentliche Platz der Welt, der Platz mit dem Maomausoleum, da wollen wir hin. Kaum aus der U Bahn, Polizei, dicke gepanzerte Fahrzeuge, Mannschaftsbusse, Wasserwerfer.
Einbahnwege, eingeschränkt durch dicke Geländer, wir latschen lange Trassen entlang, wie Vieh im Schlachthof, bis wir endlich auf dem Platz stehen, wieder frei beweglich. Hier lebt der Kommunismus, hier regiert die Partei. Riesige Lampen ragen in die Höhe, in sozialistischem Schick mit Komplettaustattung: Kameras, Scheinwerfer, Lautsprecher. Frankfurter Allee in Berlin mal hundert.
Links die Parteizentrale, rechts das Nationalmuseum, in der Mitte das Maomausoleum. Regen. Grau. Hunderte bunte Regenschirme spiegeln sich auf den nassen Bodenplatten, das ist hübsch und hat etwas Subversives. Irgendwie passt das Wetter perfekt zum Szenario.
Eine große grüne Leuchtschrift verkündet in chinesischen Zeichen, dass das Maomausoleum von acht bis zwölf geöffnet ist. Es ist acht nach zwölf. Plöd.
Nächstes Highlight, verbotene Stadt, Kaiserpalast, von der Regierung lieber Palastmuseum genannt.
Hier spielt auch der Film ‚Der letzte Kaiser‘, den ich den Kindern leider nicht mehr vor der Reise zeigen konnte. Das hätte unseren Besuch heute noch in einen ganz anderen, lebendigeren und realen Bezug gestellt, Kaiserzeit und Kulturrevolution miteinander verknüpft, so wie es die beiden benachbarten Plätze nicht besser repräsentieren könnten.
Durch hunderte Meter lange Geländergänge, immer als Teil einer Massenbewegung, erreichen wir irgendwann das Tor des himmlischen Friedens. Wer kennt es nicht, das riesige Maobild über dem Durchgang. Einen leichten Schauer mag ich gar nicht leugnen, als ich jetzt live und direkt darunter hindurch gehe. Es öffnet sich ein gewaltiger Platz, gut gefüllt mit geschäftigen Menschen und Gruppen, mal staunend, mal wartend, mal zielstrebig laufend, vor allem aber Selfies machend. Irgendwo in diesem Chaos muss der Ticketcounter sein.
Wir gehen auf die linke Seite hinüber, Museumsladen, Imbissbuden, sonst nichts weiter, rechte Seite, wieder nichts, gerade aus zum hinteren Ende, nur Ticket Check und Einlass, kein Ticketcounter weit und breit. Vom einen Ende zum anderen des Platzes sind es einige hundert Meter Gehatsche. Nochmal das Ganze? Ne ne. Wir fragen Leute, auf Englisch. Die schauen uns verständnislos an, sonst keine Reaktion, ausser vielleicht ein schnelles Foto von uns. Google Translator versagt einmal mehr grandios, zumindest bekommen wir wieder keine Reaktion, wenigstens keine, die weiterhilft. Vielleicht schmollt er ja noch wegen seines Versagens in der Suppenküche.
Auf das Stichwort Ticket werden wir von etwas aufgeschlosseren Leuten im besten Falle auf die Selfticket-Automaten verwiesen. Das Ding ist nur, für uns Ausländer geht da leider gar nichts, denn um Tickets zu ordern, benötigt man zum einen chinesischen Perso und zum anderen einen WeChat Account. Den bekommt man nur freigeschaltet auf Empfehlung durch einen Chinesen. Also Doppelnein.
Nach einer guten halben Stunde Umherirren, spricht uns jemand von einem der zwei Infostände auf der Platzmitte endlich in englischen Bruchstücken an. Wir glauben erst nicht, was wir uns da aus dem Wortpuzzle zusammensetzen: die Tickets für Heute sind seit acht Uhr morgens ausverkauft, bis Samstag, Heute ist Mittwoch! Online geht auch nichts mehr für heute, nicht einmal für Chinesen. Bäm. Keine Verbotene Stadt für uns heute und morgen und überhaupt. Eine bittere Pille, die müssen wir jetzt erstmal schlucken, wir sind jetzt ordentlich enttäuscht und auch etwas pissed. Wir sind in Peking und keine Verbotene Stadt, das geht eigentlich gar nicht, ist aber wohl so. Über diese desaströse Ticketsituation war nirgends wo nie auch nur ein Mü nachzulesen, nie.
Geknickt suchen wir den Ausgang aus diesem Ort des Desasters. Den finden wir erst auch nicht. Wir sind jetzt auch noch leicht genervt. Was soll das? Wir verstehen das einfach nicht.
Der Verdacht liegt nahe, dass die Regierung Individualreisende nicht sehr gerne im Land sieht und denen entsprechend Steine in den Weg legt. Das fängt ja schon beim Visum an, dann die mehrfachen Rausschmisse aus den Unterkünften, jetzt diese schikanierende Ticketpolitik... naaa-ja.
Ein Herr spricht uns an, ein Reiseagent, wie sich schnell herausstellt und fragt, ob wir Tickets für die Verbotene Stadt suchen. Na, jetzt nicht mehr! Danke vielmals, jetzt ist es zu spät und morgen ist unser letzter Tag. Er gibt uns sein Kärtchen und zeigt uns den Weg zum Ausgang, 1,9 km um den Aussenbezirk des Palasts herum laufen, die mächtigen Geländer machen den elenden Hatscherer alternativlos, na servus.
Wir haben Hunger, und essen in einer palastnahen Imbissbude mittelmäßige Suppe. Die Souvenirläden im Dunstkreis sind wiederum eine Schau. Mao Devotionalien, Käppi, Taschen, T-Shirts, großartige Fototeller zum Aufstellen, Fächer, Essstäbchen - wir bummeln, etwas versöhnlicher und auch wieder fröhlicher. Fröhlicher auch, weil wir haben ja noch einen ganzen Tag in Peking, den letzten, und jetzt wissen wir, was wir an diesem Tag unternehmen werden! Shopping ist es nicht...
Die Kinder sind erschöpft, sie ist aber auch sehr anstrengend, diese Reiserei, und noch mehr in den Dimensionen von Peking und mit allem, was sonst noch dazu gehört. Also begleite ich die Kinder Nachhause, die freuen sich auf ungebremstes Zocken, und ziehe wieder los, ohne sie. Hat auch was.
Bei der Quartiersuche im Vorfeld der Reise bin ich immer wieder über den sogenannten Trommelturm gestolpert, um den herum einige Hostels platziert sind. Mir schien er in der Theorie nur etwas zu dezentral für unsere Unternehmungen in alle Richtungen. Jetzt, mit meiner Peking Erfahrung würde ich genau in diesem Kiez eine Unterkunft buchen. Aber lest weiter...
Eine schöne Route scheint mir der Weg vom Lama Tempel kreuz und quer durch die Hutongs bis zum Platz mit dem Glockenturm, dem gegenüber der Trommelturm liegt und dann zur U Bahnstation unseres ersten Abends mit dem legendären Mangoeis.
Die „Altstadt“ von Peking, in der und um die herum fast sämtliche Sehenswürdigkeiten liegen, ist einerseits fußläufig zu bewältigen, bzw. perfekt durch die U Bahnen vernetzt. Am Ende ist es wirklich egal, wo man in Peking wohnt. Bei der Planung unseres Pekingaufenthalts dachte ich, dass alles viele zig Kilometer weit auseinander liegt, dem ist nicht so.
Unser Hostel liegt aber schon verdammt günstig wirklich direkt neben einem U Bahn Knotenpunkt, leider gibt es nur ein spärliches Angebot an Restaurants.
In nur zehn U Bahn Minuten bin ich beim
Lama Tempel und lasse mich immer tiefer in den chinesischen Alltag der Straßen und Gassen der Hutongs ziehen. Was ein Erlebnis, ganz still und sehr entspannend. Es ist zwar bewölkt, regnet aber seit dem frühen Nachmittag, also dem Kaiserpalast-Fail, nicht mehr. Alles ist zwar noch grau, aber trocken grau. Ein grauer dicker Hase wird vom Opa mit Enkelin auf der Straße Gassi geführt. Halb offene, rot lackierte Türen geben den Blick auf das Hofhauschaos frei, das nicht selten vorherrscht. Mittelalte Männer in Feinrippunterhemden kippen irgendwas vor die Tür, alte Weiber ratschen, Kinder kreischen, Minihunde von stolzen Frauchen pissen an die Mauern, immer wieder dahingleitende Motorroller, in sehr skurrilen Bauarten, Helden der Arbeit kehren verstaubt Nachhause zurück, Familien essen von einem großen Tablett vor ihrem Haus, immer wieder kleine Emmalädchen mit diesem oder jenem, was der Chinese so alltäglich braucht, und kleinen Restos. Einfach schön und beschaulich.
Ein Eindruck ist auch, und das gilt wenigstens für den Teil der Stadt, den wir gesehen haben, dass die Straßen penibel sauber gehalten werden. Was sich hinter den Türen der Hutongs dann aber auch schon wieder aufhört, wie’s scheint.
Soweit ich das beobachtet habe, mag es der brave Pekinese im Allgemeinen schon recht gerne rechtwinklig und aufgeräumt.
Eine andere geniale Sache ist, dass es alle Meter öffentliche Toiletten gibt und die richtig sauber sind, da ständig jemand anwesend ist, der sie putzt. Ich habe gelesen, dass das dem Umstand geschuldet ist, dass so manches Hofhaus keine Toilette besitzt und diese Toiletten immer noch vor allem von den Bewohnern genutzt werden. Da ist das Interesse an sauberen Klos natürlich entsprechend groß.
Dann kommt die Ecke, hinter der sich der heiss ersehnte Glockenturm offenbart. Ein überraschend mächtiger Bau, für einen Turm eher gedrungen. In ihm hängt Chinas größte Glocke, über sieben Meter hoch, deren Klang man bis fünf Kilometer weit hören soll. Der Zugang ist schon geschlossen. Um 17 Uhr schließen die meisten Sehenswürdigkeiten der Stadt. Egal, der Anblick von Außen genügt mir völlig. Am Fuße der Turmes beginnt ein Platz, auf dem frühabendliche Aktivitäten stattfinden. Fitness an einem fest installierten Fitnessparcours, Eltern mit spielenden Kindern, also auch mit ihren Kindern spielend. Pekinger Eltern kümmern sich ganz offensichtlich entzückend um ihren Nachwuchs, konnten wir ganz oft beobachten. Eine ihre kleine Tochter tretende Mutter leider auch, das war aber eine sehr unrühmliche Ausnahme - hoffen wir mal. Alte Männer sitzen um Tische und spielen Brettspiele, Gruppen spielen Indiaca mit den Füßen. Ein Idyll und sicher ein Grund, sich bei einem Pekingbesuch mehr Zeit für solche Momente zu nehmen. Das frühmorgendliche Treiben in den Parks ist legendär und muss großartig sein! Wer Peking wirklich sehen möchte, wird es dort finden.
Auf der anderen Seite des Platzes thront der Trommelturm. Ein ebenso imposantes und unübersehbares Gebäude. Dahinter wird es immer geschäftiger, die Fassaden bunter. Ein Laden neben dem anderen, eine sehr hohe Restaurantdichte, viele Menschen, aber OK.
Es ist 19 Uhr, ich vermisse die Kinder, habe Appetit und ich denke, das Leben hier würde ihnen gefallen. Also rufe ich sie an und schlage vor, sie abzuholen, um ihnen diese Ecke von Peking zu zeigen. Jippieh ja, genug gezockt und ausgeruht! So breche ich hier meine Route ab und bin zwanzig Minuten später im Spring Time. Laura und Nele kommen mit, Fynn genießt lieber weiter die Ruhe. Weitere zwanzig Minuten und wir sind wieder beim Trommelturm, mitten im Trubel. Wir gehen natürlich in ein paar Shops, finden dann ein Restaurant mit sehr leckerer Speisenkarte.
Noch nie gegessene Kreationen landen auf unserem Tisch. Eine Platte mit aufgeschnittenen, kalten, ich nenne es mal Pasteten, mit den unterschiedlichsten Geschmäckern, karamellisierte Auberginen, ein Gedicht, Udonnudeln mit frischen Gemüsen und einer Sauce aus schwarzer Bohnenpaste und als krönender Anschluss frittierte Bananenstücke auf Spießen umgeben von einem Netz aus Karamellfäden auf dampfendem Trockeneis, eine Augenweide.
Essen macht müde, zu müde zum weiter Shoppen. Um zehn freuen wir uns über einen entspannten Fynn. Gerade als ich die Füße hochlegen möchte, klopft es an der Tür. Das Mädel von der Rezeption erklärt mir mit Hand- und Fußsprache, dass ich Besuch habe. Ich?
Ich gehe mit hinunter in die Lobby. Jacky ist da, der Jacky vom Pekingentenrestaurant. Ich freue mich richtig. Er wollte und nur noch einmal unsreren Mauertrip für Morgen bestätigen, da sein Bruder, James Bond, uns nicht erreicht hätte.
Ich erzähle ihm von unserem Desaster mit dem Kaiserpalast. Er schlägt sofort vor, gleich jetzt zusammen mit der Rezeptionistin Tickets für unseren letzten Tag in Peking online zu bestellen.
Es hätte auch funktioniert, wenn man jetzt schon Tickets für Anfang September bestellen könnte. Das geht aber nicht. So bietet er uns an, die Tickets für uns zu besorgen, sobald das möglich ist. Wir tauschen Emailadressen aus. Jetzt bin ich sehr gespannt, ob wir auf diesem Weg zu unseren Tickets kommen. Man muss sich das mal vorstellen. Ein netter chinesischer Mensch wie Jackie bietet wildfremden Menschen an, für die vorab online Tickets zu ziehen, die diese fremden Menschen vielleicht in guten zwei Wochen abholen werden, dazu gibt es nichts weiter als wackelige Emailadressen... Was für ein Vertrauen ist das? Oder: No risk no money?
Unser Plan B wäre, die Karten über das Hostel zu organisieren, in dem wir die letzte Nacht in der Stadt verbringen, scheint ja auf diesem Wege möglich zu sein. Fortsetzung folgt.
Wir reden noch ein wenig, dann ist es aber Zeit fürs Bett, denn schon um Sechs klingelt Morgen der Wecker!Read more
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- Day 6
- Wednesday, August 21, 2019
- ☀️ 30 °C
- Altitude: 35 m
ChinaYayun39°58’21” N 116°23’17” E
GreatestWallOfAll
August 21, 2019 in China ⋅ ☀️ 30 °C
Ringeling! 6 U-huhr! Aufsteh-hen! Fertig machen und auf geht‘s zum McDonalds! Nein, nicht zum Frühstücken, never! Der liegt nur um die Ecke vom Hostel und vor dem holt uns der Tour-Bus ab, ein großer Reisebus mit bequemen Sitzen, yes.
Unser Dim Sum Frühstück haben wir beim Resto geholt, wo wir schon öfter gefrühstückt haben.
James Bond, Jackys Bruder, gibt sich nur mit einem kurzen Hello die Ehre und platziert uns nach einer kurzen Zubringerfahrt in einem anderen Reisebus. Nach ein paar Abholstopps ist er schließlich voll, nur acht Westler, der Rest Chinesen. Robert nennt sich unser Guide, wir nennen ihn Mampfred, weil er wie einer aussieht.
Er ist entzückend. Wenn er Chinesisch spricht klingt er sehr hart und sachlich - so klingt Chinesisch generell in unseren Ohren, auch schnell mal aggressiv und motzig - wenn er dann Englisch spricht, eher ein Chenglish, dann fließen seine Worte weich und gefühlvoll aus seinem Mund. Vor allem, wenn er von seinem wunderbaren und geliebten Peking schwärmt, dann wirkt er wie ein Poet, der eine Ode vorträgt mit dem Titel ‚Melanscholie‘. Hinreissend, fehlt nur noch Pippi in den Augen. Er ist Pekinger und war mehrere Jahre Lehrer, bevor er Guide wurde. So ist auch sein Vortrag, ein Lehrer der seinen Lehrstoff liebt.
Unser Abschnitt der Great Chinese Wall heisst Mutiyanu. Vom Parkplatz aus, wo wir praktischer Weise vor den WCs heraus gelassen werden, können wir sie einige hundert Meter weiter oben auf den umgebenden Hügelbergen schon erspähen. Sie schlängelt sich von Gipfel zu Gipfel über Berggrate in wilden Biegungen und Windungen, mal ganz geschmeidig, mal halsbrecherisch, die echte und livehaftige, tschinesische Mauer.
Mampfred gibt uns eine kurze Einweisung, welche Wege es nach Oben gibt: Eine Stunde Laufen oder mit der Gondelbahn oder mit der Seilbahn fahren. Die Bahnen enden an jeweils unterschiedlichen Wachtürmen. In diesem begehbaren Mauerabschnitt gibt es 20.
Wir entscheiden uns für die Seilbahn, vor allem aus dem Grund, weil es vom Wachturm Nr 6 nach Unten eine Sommerrodelbahn gibt. Klare Entscheidung.
Die Seilbahn, wie wir sie vom Skifahren kennen, ist zwar schon etwas in die Jahre gekommen, vermittelt aber nicht, dass sie nicht sicher ist.
Oben angekommen noch ein paar Stufen und wir stehen auf der Mauer aller Mauern, genau auf dem Ding, das wir schon seit jeher mit China verbinden, ein unfassbares Gefühl! Reiseglück.
Zur Orientierung: Die Wachtürme, die in gewissen Abständen von einigen hundert Metern auf der Mauer lauern, sind durchnummeriert, in unserem Abschnitt von 1 bis 23, wir steigen bei Turm Nr 6 in die Erkundung der Mauer ein.
Wir wollen erst von Wachturm Nr 6 zu Wachturm Nr 1 wandern. Die Steinstufen haben sehr eigensinnige, wechselnde Höhen, je nach Steigung. Zeitweise geht es richtig richtig steil nach oben, dann wieder sanft, dann knackig runter, fast schon schwindelerregend, um gleich wieder steil aufzusteigen. Die Baulinie folgt den natürlichen Steigungen der Landschaft, hier wurden die Berge für den Bau noch nicht vergewaltigt. Selbst die Zinnen stehen auf Teilstücken im rechten Winkel zum Berg, für uns also schief und nicht lotrecht.
Die Begehung der Mauer von Wachturm zu Wachturm, das Auf und Ab ist wirklich anstrengend, hätte ich nicht gedacht. Noch anstrengender machen es die wolkenlosen 32 Grad Heute.
Von unten gesehen wirkt die Mauer als Bollwerk nicht sehr effektiv, aber steht man erstmal darauf und blickt von ihr hinunter, ist sie wirklich hoch und hat sicher ihren ursprünglichen Zweck erfüllt. Ich würde gerne mal wissen, wievielen Angriffen sie Stand hielt, oder auch nicht.
Wir erreichen nach einem ersten runter und wieder rauf Wachturm Nr 5, ein Schwergewicht unter den Wachtürmen. Er besteht nämlich aus gleich drei mehrstöckigen Häusern, bis zu 200 Soldaten haben hier gewacht und gehaust, das war dann trotz Größe schon ziemlich eng. Wir sind jetzt schon durchgeschwitzt. Was aber genial ist und die Rettung, ist der kühlende Luftzug zwischen den gegenüber liegenden Fenstern der dicken Gemäuer der Wachtürme. Was für eine Wohltat!
Ein Ideechen abgekühlt wagen wir eine weitere Etappe. Und wieder sind es viele Chinesen, die hier anzutreffen sind, kaum Westtouristen. Allerdings sind es vergleichsweise wenig Menschen, die diesen Mauerabschnitt besuchen. Und davon sind die meisten mit der Gondel gefahren und somit in weiter, sicherer Entfernung, bei Wachturm Nr 17.
Weiter geht‘s, niedrige Stufen, hohe Stufen, steile Stufen, Wachturm. Selfiewahnsinn, schmatzende Familien in groben Fensterbögen und auf Treppen, chinesisches Gewusel, Gruppenfotos, Treppenblockaden, erschöpftes Schnaufen, Hecheln, Staus - es ist einfach anstrengend, aber wunderschön und faszinierend.
Bemerkenswert sind die vielen dicken, langen Tausendfüßler, die überall herum kriechen und nicht selten geplättet von diesen Touristenmassen sind.
So geht das Etappe für Etappe, Turm für Turm, Tausendfüßler für Tausendfüßler. Bei Turm Nr 1 ist dann Schluss, zugemauert, die Mauer, die dahinter kommt, verwittert und zerfallen. So muss man sich im Klaren sein, dass man auf einem Rekonstrukt wandelt, einem sehr charmanten.
Der Fernblick ist großartig, die unmittelbare Umgebung dicht gebüscht und waldig, in der Ferne felsige Hügel und Berge. Mit zusammengekniffenen Augen kann man den Verlauf der Mauer mit ihrer sehr eigenwilligen Route noch weit verfolgen, unglaubliche 7000 Kilometer war die mal lang.
Wir gehen zurück zu unserem Ausgangsturm. Bei den steilen Treppen nach unten gibt es häufig Staus, der Blick in die Tiefe des Abstiegs ist durchaus psychologisch, aber halb so schlimm, wenn man mal auf den Treppen steht.
Ich wundere mich über so manches Seniorenpärchen oder Schreibtischmännchen, das diesen Parcours tapfer bewältigt. Zum Brüllen sind manchmal die Outfits der Reisenden. Uns begegnen überzeugte Funktionsklamottenträger, von Kopf bis Fuß in Vollplastik, verwegene Hardcoreabenteurer, legere Streetwearer, süßliche Sommerkleidchen mit Duckface, große, dicke Mädchen in Puppenkleidung und ihre Wabbelbrüder in straff sitzenden Marvelhelden Plastik T-Shirts, so einige rote Selfiekleider mit großen Sonnenbrillen, Rot macht sich immer gut vor Grau, akkurat bekleidete Herren, mir-ist-wurscht-was-ich-trage-Puristen, der Klassiker in kurzen Hosen mit Socken in Sandalen, so einiges Wackelschuhwerk von scheinbar Lebensmüden und die obligatorischen Staubmasken. Es gibt da jetzt ganz schicke Modelle aus schwarzem Neopren, die mit Schlaufen hinter den Ohren über die Mundpartie gespannt werden, unübersehbar an der Ohrenstellung. So manches Teleobjektiv vor stolzer Brust macht mir Angst, es wird auf alles entfesselt geschossen, was bei Drei nicht von der Mauer ist. Ein buntes Völkchen.
Wir wollen noch bis zu einem hübschen Ausleger der Mauer jenseits der Nr 6 gehen, unser Zeitlimit lässt uns aber nur noch bis zur Neun, dann müssen wir umdrehen. Die Entfernungen der Turm Etappen sind durchaus nicht zu unterschätzen. Wir sind auch ordentlich ausgepowert nach guten drei Stunden Stepper in der Sauna.
Für den Weg runter ins Tal, die Belohnung, wir reihen uns in die Schlange der Wartenden bei der Sommerrodelbahn. Wir fahren Einzelbobs. In einer langgezogenen Kurve muss man unter strengem Blick der Aufsichtsposten seine Fahrtauglichkeit nachweisen, Bremse ziehen, Bremse wieder loslassen. Ein wohlwollendes Nicken und ab dafür.
Die Bahn ist klasse, made in Germany, die Beschleunigung großartig, rein theoretisch. Denn entweder reisst man seinen chinesischen Vordermann mit den quietschenden Bremsgeräuschen aus dem Schlaf oder das Fahrbahnaufsichtspersonal alle paar hundert Meter mit Pfeife postiert sind, droht mit Erschießung bei zu schnellem Fahren, also sie pfeifen und zetern zumindest. Heimliche Geschwindigkeitsräuschche gibt es aber dann schon auch, wenn nämlich der eine oder andere Streckenposten wegen Krankheit oder Parteitag ausgefallen ist und man nicht befuchtelt und bezetert wird. A bisserl was geht halt immer und Spaß machts allemal.
Zur Belohnung erwartet das Racingteam ein gedeckter Tisch in einem Vertragsrestaurant zwei Parkplätze tiefer. Vorher können wir riesigen weissen Plattpfirsichen nicht widerstehen, die ein kleines Vermögen kosten, aber auch ausgesprochen lecker sind. Im Restaurant setzen wir uns an ein Panoramafenster mir Ausblick auf den Busparkplatz, ein herrliches Plätzchen mit herrlichem Unterhaltungsprogramm. Die Verteilung der Reisegruppen auf ihre Busse und dazwischen aufgeregt Orientierungslose, die ihren Bus nicht identifizieren können, ist ein Spektakel. Das Ding ist, die Busse sehen alle gleich aus, nur in der Dekoration der Frontscheiben und einer Nummer unterscheiden sie sich. Wir waren so schlau und haben beides vor dem Aufbruch fotografiert.
Serviert wird uns gegen halbdrei Schwein süßsauer, Fisch in mildsüßer Chillisoße und Gemüse und Kartoffeln mit Paprika, auch süßsauer. Das bekommen die Chinarestaurants bei uns Zuhause bestimmt auch so hin. Unser Lunch ist inkludiert, die Getränke nicht. Schmeckt trotzdem gut.
Mampfred erscheint kurz vor halbvier und bittet uns zurück zum Bus, der uns in zwei Stunden wieder vor dem Fastfood in unserem Kiez absetzt. Es gab vorher noch einen kurzen Stopp beim Olympiagelände im schönsten Fotolicht, wir hätten aussteigen können, aber irgendwann ist Schluss, Batterien leer. Immerhin konnten wir so im Vorbeifahren einen Blick auf das Vogelnest und den olympischen Feuerturm erhaschen. Ein andermal.
Im Hostel machen wir uns frisch und relaxen eine Weile, wie gut das das tut! Reisefertig packen müssen wir auch noch, denn morgen geht es sehr früh los zum Bahnhof. Gegen Abend stellen unsere leise knurrenden Mägen die Essensfrage.
Die Antwort finden wir einmal mehr im Trommelturm Viertel. Es ist einfach schön da, die vielen Lichter, die kleinen Shops, die vielen Restaurants, der Fluss, das Streetlife. Die meisten Restaurants präsentieren die Highlights ihres Angebots in großen Leuchtkästen über dem Eingang.
Wir landen in einem Resto mit mongolischer Küche. Die Kinder wollen eigentlich Ente, die ist aber aus. So landet auf unserem Tisch ein mongolischer Hotpot mit Lammfleisch in dünnsten Streifen und typisch asiatischen Kräutern, dazu Lamm mit Bambussprossen und nicht ganz mongolischer Algensalat. Zum Niederknien!
Beim Essen haben wir eine Familien Diskussion, bei der wir einen besseren Umgang, Aufmerksamkeit, Verantwortlichkeit füreinander und teamorientierteres Denken und Handeln beschließen, das war in den letzten Tagen etwas auf der Strecke geblieben. Es gab immer wieder unnötige, pubertäre Konflikte darüber. Es kann sich ja jeder gerne abgrenzen, aber auf so einer Reise bitte Ego nur in Maßen, vier Schultern tragen leichter und acht Augen sehen mehr.
Ich nehm‘s gleich vorweg: Ich habe ja eh die besten Kinder der Welt, unsere Abmachung wird ernst genommen und bringt uns promt allen ein viel entspannteres Miteinander und Reisen und jedem auch kleine Erfolgserlebnisse, wenn es gilt Informationen zu beschaffen oder Dinge zu besorgen oder Wege zu finden und ich spüre deutliche Entlastung bei der Reiseleitung.
Ordentlich gesättigt und moralisch erbaut flanieren wir durch die kleine Geschäftsstraße, wo wunderhübsch gebundene Tagebücher geshoppt werden und noch ein weiterer Handventilator. Ein Must im chinesischen Sommer, nahezu jeder hat so ein Ding. Rosa, Schwarz oder Mint mit Hasen- oder Mickymaus- oder Katzenöhrchen, manchmal mit gleich drei Ventilatoren, mit USB Akku und LED Licht, tatsächlich ein wenig kühlend, großartig!
Oben am U Bahneingang sitzen zwei juvenile Securityleute und rauchen und ratschen und lachen uns an - Chinesen, die anlachen - sehr mysterös. Wir ziehen unsere Tickets. Am leeren Bahnsteig kommt uns dann die engagierte Bahnsteigsaufsichtsbeauftragte und wedelt verneinend mit der Hand und schüttelt heftig den Kopf dazu. Eindeutige Scheuchgestik. What? Ein Blick auf die Uhr: 23. Die letzte U Bahn ist weg, um 23 ist Betriebsschluss. Raus hier jetzt. Kusch. Hinter uns Gitter runter. Die rauchende juvenile Security hat erneut was zu lachen und offensichtlich Feierabend.
Wir stehen ratlos an der Straße. Räder Leihen ist wie so vieles, ein aufwändiger Prozess, den man schon im Vorfeld initiiert und erledigt haben sollte, habe ich nicht. Und hunderte Leihräder stehen in Reih und Glied herum, von Pekingern neben Elektrogefährten gerne genutzt, von uns heute leider nicht.
Also Taxi. Herumstehende Touristen werden eh laufend von Taxifahren angesprochen. Aber, initiativ ein freies, fahrendes Taxi von der Straße zu fischen ist nahezu aussichtslos. Sobald ein Taxler uns vier winkende Westler wahrnimmt, geht das Licht vom Taxischild aus und es wird im Stealthmodus an uns vorbei gefahren.
Dieses eine Mal reagieren wir also auf die direkte Ansprache von einem vorbeibremsenden Taxi. Der Preis ist lächerlich hoch, da laufen wir lieber. Ein anderer kommt auf uns zu, offensichtlich ohne offizielles Taxi, eher so Uber schätze ich, der Preis liegt weit unter dem vorigen, passt, Erleichterung, wir steigen ein.
Ganz schön spät ist es für früh Aufstehen geworden, schnell schlafen jetzt.Read more
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- Day 7
- Thursday, August 22, 2019
- ☀️ 34 °C
- Altitude: 168 m
ChinaPengjiapo29°6’37” N 110°28’30” E
ReisenIstArbeitArbeitArbeit
August 22, 2019 in China ⋅ ☀️ 34 °C
Puhhh, um Sechs Uhr aufstehen, das ist hart. In Rekordzeit haben wir die Rücksäcke auf den Schultern, Auschecken und unser langer Reisetag hat begonnen. Wir fahren von Peking mit dem Zug nach Zhangjiagjie (Dschangdschaidschä), Umsteigen in Changsha (Tschangscha). es geht gute 1.500 km Richtung Süden.
Als routinierte U Bahnbenutzer haben wir die Linien zum Westbahnhof schnell gefunden, um 7:15 sind wir da. Jetzt sind wir zwar an einem prächtigen Bahnhof - und jetzt...? Alles, wirklich alles in Chinesisch. Links geht zu dieser Art von Zügen Rechts zu jener. Wir entscheiden uns für jener, den Hi-speed Zügen, so einer sollte es eigentlich schon sein laut gebuchter Fahrzeit.
Der Terminal sieht schon mal gut aus, aber wo gibt es die Ticketschalter mit Personal, die uns die Hardtickets ausgeben? Immer wieder werden wir zu den Selfticket Machines geschickt, die funktionieren aber nur mit chinesischem Perso, wie man ja mittlerweile weiss. Fragen, fragen, nicht verzagen.
Der ernsthafte Polizist macht nur schöne große Knopfaugen, die meisten um uns herum sonst dieses Fragmichbittenichtgesicht.
Wieder draussen, auf dem großen Bahnhofsvorplatz, zur Neuorientierung, entdecken wir eine Art Infostand. Wir zeigen unsere Ticket-Abhol-Info von TripCom. Und siehe da, eine der Damen reagiert wissend darauf, Jubel! Sie bittet uns, ihr zu folgen und bringt uns zum (Neben)Eingang vom Ticketschalter mit richtigen Menschen hinter den Glasscheiben.
Das mit Trip.com ist schon ne dolle Sache. Sämtliche Tickets für diese Reise haben wir schon mit der Reiseplanung in Deutschland gekauft, zu jeder Bestellung gabs jeweils eine Ticketnummer, die man vorort dann nur noch in ein Ticket umtauschen muss. Eigentlich, wenn man des Chinesischen mächtig wäre…
Kurz Schlange stehen. Der Schalterbeamte liest die Abhol-Nummer, nimmt die Reisepässe und ratterratter, ein Ticket nach dem anderen hüpft fröhlich aus dem Drucker.
Und wie geht‘s jetzt weiter? Wo sind eigentlich der Bahnsteig, wo die Züge? Hm.
Vier Sherlocks scannen die Umgebung. Da wäre eine Wartehalle, in der Wartehalle viele viele Menschen und Leuchtanzeigen mit Zugnummern und Infos dazu. Wir machen Fotos von den Displays und versuchen zu raten, was uns Google uns so an Sinn und Unsinn anbietet.
Wir finden heraus, dass man sich in dem Warteraum begeben sollte, der dem Zug zugeordnet ist. Der Zug wird aufgerufen, an einem Drehkreuz werden die Tickets plus Reisepässe gecheckt und wir sind durch, am Gleis, am Zug! Yes!
Was für ein Anblick. Die Bauart der Abfahrtshalle erinnert mich ein wenig an die bunkerartige U-Bootwerft von „Das Boot“, nur dass da sehr stylische Züge drin stehen. Sehr stromlinienförmig, wie überlange Flugzeuge ohne Flügel. Ich bin begeistert.
Unser Wagen mit unseren reservierten Sitzplätzen ist schnell gefunden, der Zug ist ausgebucht.
Pünktlich auf die Minute starten wir mit einem sanften Angleiten. Hoppala, sind ja schon 100 km/h. Die Stadt hinter uns, geht es nahezu geräuschlos bis über 300 km/h, geil, die Geschwindigkeit ist nicht zu spüren.
Wir frühstücken erstmal. Croissants, Obst - grüne Datteln, Lychee ähnliche Kugeln, Bananen - Kaffee aus der Dose, Toast mit Würsteln und Ketchup. Die Würstel sind eine Zumutung aus roter wurstförmiger, aber fester Paste, ekelhaftest. Wir verweigern weitere Versuche, die zu verspeisen, nicht einmal mit original chinesischem Heinz Ketchup.
Schaut man aus dem Fenster sieht die Landschaft der Po Ebene im Frühjahr zum Verwechseln ähnlich. Das ändert sich die nächsten 1.500 km auch nicht mehr, ausser mal ein paar Berge dazwischen, die untertunnelt sind. Diese eintönige Landschaft wird immer wieder von hoch ragenden grauen Wohnsiloinseln in rechteckigen Planquadraten gestört, nicht nur architektonischer Brutalismus. Gruselig, da müssen Menschen wohnen. Wenn es mal kleinere Häuser gibt, sind die uncharmant und ebenfalls Grau. Grün, Grün, Grün, Grau, Grün, Grau, Grün, Grün.... eher langweilig. So klassische Dörfer sind nicht wirklich auszumachen, woran auch immer das liegt.
So widmen wir uns unseren Blogs, Tagebüchern, dem Sitznachbarn oder gönnen uns etwas Schlaf oder essen grüne Datteln, Bananen, Chips und selbst importierte Gummibärchen. Neugierige Chinesenblicke beobachten uns ununterbrochen aus den Augenwinkeln. Manchmal schafft es sogar einer uns direkt anzulächeln. Werd einer schlau aus diesem Volk.
Taubengrau, Steingrau, Rosegrau, Graugrau, Changsha kündigt sich an. 1.500 km in fünfeinhalb Stunden, ziemlich sportlich! Die mittelgroße Stadt mit ein paar Millionen Einwohnern präsentiert sich im Gegensatz zu Peking schon bei der Einfahrt etwas heruntergekommen.
Wir kommen am Südbahnhof an, dem Bahnhof für die Hi-speed Züge. Der Umsteigezug fährt vom Hauptbahnhof im Stadtzentrum los.
In Changsha gibt es eine U Bahn, die direkt vom Südbahnhof startet. Als Metro-Routiniers wissen wir bald, wohin die Reise geht und welche Tickets wir brauchen. 7 Stationen mit Linie 2 bis Changsha Railwaystation, 50 ct für jeden. Check.
Der Platz um den Bahnhof ist in sozalistischem
Grau und abgerockt. Anfangs war der Bahnhof als Gebäude in dem Haufen gesichtloser Bausünden nicht gleich auszumachen. MapsMe sagt uns, dank VPN, es müsste der große Prachtklotz mit dem Turm mit sozialistisch-heroischer Flammenskulptur sein.
Dieser betonierte Zerfall hat seinen ganz eigenen, morbiden Charme des Sozialismus, der bei uns für wohlig-faszinierenden Grusel sorgt. Die DDR lässt grüßen. In diesem Ambiente entdecken wir eine DIY Suppenküche. Du nimmst dir eine große Schüssel und suchst dir aus einem sehr umfangreichen Buffet deine Zutaten zusammen. So grau es draussen ist, so bunt ist die Auswahl: exotische Pilze, Kräuter, Bällchen, Dumplings, diverse Nudelsorten, Fleisch, Fisch, Gemüse, usw.
Deine Schüssel gibst du dann in der Küche ab und bekommst nach ein paar Minuten deine fertige Suppe an den Tisch - großartig! - und ein sehr günstiges Vergnügen, 15 Euro per tutti, inkl Getränke.
Die Getränke holt man sich in den meisten Restaurants selbst aus einem Kühlschrank. Neben den üblichen Softdrinks gibt es Trinkjoghurt, Sojamilch und lecker, beastly cold Tsingtao Bier für Papa, aber nur eins und nur abends.
Glücklich besuppt besorgen wir erst Lunch und marschieren dann zum Ticketcounter, ja-haa, jetzt haben wir’s raus! Wir ziehen unsere Tickets und begeben uns in die Wartehalle. Der Zug, den wir nach Zhangjiajie besteigen, ist ein regulärer, so wie wir den auch von unserer Bahn kennen, nur pünktlich auf die Minute.
19 Uhr starten wir, elf Uhr abends kommen wir an. Im Zug geht es ein bisschen lustiger zu. Viele Familien reisen mit und, die die ganzen Viereinhalb Stunden nahezu ununterbrochen Essen und Snacken. Wir bekommen so einige freundliche Gesichter zu sehen, was uns gegenüber dem Chinesen an sich wieder etwas milder stimmt.
Vom Bahnhof laufen wir ca eine Viertelstunde zum Hotel namens Yijiaqin Hotel. Ich habe meine Navigation auf Earthpocket Pro umgestellt, das funktioniert offline auch ohne vorherigen Kartendownload und ist sehr genau. Die Tochter des Hauses kann ein bisschen Englisch, genug, um das wichtigste zu klären. Ihr Vater war Guide im Park und würde uns morgen bei Routen gut beraten können.
Wir bewohnen ein Familienzimmer mit zwei Räumen mit je zwei Queensizebetten im sechsten Stock, ohne Lift. Zum Vergleich: in Peking haben wir für fünf Nächte teure 550 € abgedrückt, in Zhangjiajie für vier Übernachtungen 91 €. Peking ist teuer.
Wir haben angenehm viel Platz und duschen mit Panoramablick über die bunt blinkende 1,7 mio Einwohner Kleinstadt. Die Dusche kann nur warm bis heiss, aber es gibt dazu eine Bidetdusche. Draussen hat es immer noch 26 Grad, um halbzwei morgens donnert der letzte Flieger über unsere Bleibe. Mit den obligatorischen Ohrenstöpseln ist mir das leidlich egal. Gute Nacht!Read more
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- Day 8
- Friday, August 23, 2019
- ⛅ 29 °C
- Altitude: 624 m
ChinaTianmen Shan29°3’39” N 110°28’21” E
EyesWideShut
August 23, 2019 in China ⋅ ⛅ 29 °C
There are one million ways to die, choose one. Wir haben uns dafür heute eine sehr pittoreske Art ausgesucht, den Tianmen Berg, direkt vor der Stadt gelegen.
Halbzehn/zehn wachen wir langsam auf. Der Ausblick auf die Stadt ist schon cool, auch wenn sie keinen Schönheitswettbewerb gewinnen würde. Mit unserem bahnhofsnahen Hotel befinden wir uns in einer Art Tourighetto. Ein Vorteil sind Unmengen Restaurants und Supermärkte gleich in der Nähe. Die eigentliche City liegt ca 2 km entfernt über den Fluss. In einem kleineren Resto frühstücken wir Eier mit Tomaten, Reis und gefüllte Dumplings.
Es ist mittags und das Thermometer zeigt 35 Grad an, die Schwüle zeigt es nicht. Wir schwitzen wie blöd. Gegen die Sonne haben wir unsere Schirme, gegen die Hitze unsere Handventilatoren, so wie jeder schlaue Chinese.
Aus der Stadtmitte heraus lässt der chinesische Ingenieurswahnsinn eine Gondelbahn fast bis zum gut entfernten Gipfel des Berges Tianmen starten. Die Gondeln hoch über den Köpfen sind omnipräsent und fast ein Wahrzeichen der Stadt. 7 km lang, die Fahrt dauert eine gute halbe Stunde. Verrückte Sache. Da wollen wir hin.
Das etwas größer dimensionierte Lifthäusl liegt für uns in Laufweite und eins war von vornherein eigentlich eh klar: (Ausländer)Hardtickets für die Gondel sind wieder einmal ausverkauft... Für Chinesen gibt es anscheinend noch ausreichend an den Selfticketautomaten. Einmal mehr fühlen wir uns nicht sehr willkommen, enttäuschte Kinder, grrr.
Es gibt drei Varianten auf den Berg zu kommen: Mit Gondel hoch und mit Bus wieder runter, mit Bus rauf und Gondel wieder runter oder mit Bus rauf und auch mit Bus wieder runter. A und B sind ausverkauft, dann nehmen wir die Variante mit dem Bus. Wie sich später herausstellt, das weitaus größere Vergnügen!
Der Shuttlbus fährt ohne Wartezeit und mit freier Platzwahl zur einer Art Talstation, dort steigen wir um in einen kleineren Van, der uns bis fast ganz oben bringt - der erste kleine Tod: Eine selbstmörderische Achterbahnfahrt über zahlreiche, engste Serpentinen mit rasend schnellen Höhenmetern, bis wir einen großen Platz mit atemberaubenden Blick ins Tal und auf die kleine Großstadt erreichen. Anfangs kreischen unsere chinesischen Mitreisenden noch bei jeder Kurve, wird dann aber immer dezenter, schließlich gewöhnt man sich ja an alles, und auch weil der Fahrer diese halsbrecherische Kurverei echt gut und sicher abgefahren ist, muss man sagen.
Vom obigen Haltepunkt hat man einen kompletten Überblick über die Strecke mit ihren fiesen Kurven. Im Nachhinein sind wir froh, dass wir diese spaßige Fahrt gemacht und nicht die dröge Gondel genommen haben.
Ein weiterer Vorteil vom Shuttlebus ist nämlich die Endstation, dieser riesige Platz mit Kiosken, Restaurants und Toiletten, der nicht die Bergstation von der Gondel ist, aber direkt am ersten Highlight des Berges liegt.
Wendet man sich vom atemberaubenden Talblick Richtung Berg, sieht man eine mehrere hundert Meter hohe Steintreppe, die zu einem riesigen Durchbruch im Berg führt, ein Megaloch, quasi das Markenzeichen des Tianmen.
Die Treppenstufen sind für unsere Füße etwas zu kurz geraten, der Aufstieg effektiv steil und auch schweisstreibend. Die Belohnung ist kühlere Bergluft und ein noch bombastischerer Blick ins Tal vor, wie hinter dem Berg und weit hinauf zum oberen Ende des gigantischen Lochs. Das viele zig Meter hohe Tor durchschreiten wir bis wir eine Rolltreppe erreichen, eine Rolltreppe! Rauf rauf rauf, ewig lang, sieben Stück sinds dann am Stück, diagonal durch den Berg, jede dauert gute zwei Minuten. Im Tunnel fühlt es sich eher nach Pekinger U-Bahn an, als ein Bergaufstieg.
Wieder am Tageslicht, finden wir uns auf einem Hochplateau wieder. Große Hinweistafeln bieten zwei Rundwege an, einer nach Osten, der andere nach Westen. Wir entscheiden uns für den Weg nach Osten, vor allem weil ein Teil dieses Weges aus Glasstegen besteht, Glasstege über einem 300 Meter tiefen Abgrund, ach du gute Güte, auf rohen Eiern gehen, genau mein Sport.
Die regulären Wege sind allesamt bepflastert und betreppt. Zunächst läuft man durch Gestrüpp links und rechts und niedrige Wälder, bis man den Rand des Plateaus erreicht, den Abgrund. The Abyss!
Und da hört mein Spaß eindeutig auf und der der Kinder beginnt. Betonsteige führen entlang der Felswände über 300 Meter Abgrund und nur ein grobes Betongeländer, in seiner Form dicken Ästen nachempfunden, trennt dich vom freien Fall. Der Ausblick in die Umgebung ist gigantisch und macht süchtig, muss ich zugeben.
Von einem Punkt sieht man auch auf das imposante Loch hinab, das von oben etwas von seiner gigantischen Größe verliert und fast schon klein scheint, es gibt in der Natur oftmals immer noch heftigere Perspektiven, alles eine Frage des Blickwinkels.
Eine Wegalternative gibt es nicht, also Augen auf und durch. Selbst Fynn, der alte Kletterer, hat - wie nennt er das Gefühl so treffend - Sackflattern. Ich muss vor den Etappen schon tiiiief Luft holen. Ich habe keine richtige Höhenangst, nennen wir es ganz diplomatisch Höhenrespekt, großen Höhenrespekt, die Kinder weniger, Nele eher gar nicht.
Dazu kommt ständiger Gegenverkehr chinesischer Reisegruppen. So manches altes cooles Weiberl ist dabei, das angstfrei die Passagen geht, aber auch Frauen, die mit ihrem Handy als Scheuklappe panisch kichernd eng am Fels entlang huschen. Dazu gehöre ich jetzt nicht, aber es kostet mich teils schon viel Überwindung an das Geländer zu gehen und Fotos in die Tiefe zu machen, der Ehrgeiz siegt, obwohl ich tausend kleine Tode sterbe.
In vergangenen Zeiten bin ich im Fels hemmungslos drei Seillängen geklettert und zwischen Gletscherspalten gesprungen. Alles weg jetzt. Ich fahre zwar immer noch mit Begeisterung Achterbahn, und mag diesen bestimmten Kick, aber hier spüre ich ein ganz anderes Ziehen, und es fordert mich irgendwie heraus.
Eindeutig Schluss ist aber, als der Glasbottom Steg ansteht. Totalverweigerung. Die Kinder ziehen sich begeistert die Stoffüberschuhe an und Tschüss. Ich warte am Ende des alternativen Schisserweges auf meine grüngesichtigen Kinder. Nix da, nix Grün im Gesicht, pure Begeisterung steht da geschrieben! Sie zeigen mir ihre Fotos und ich bin nur froh, dass ich mir das nicht angetan habe. Der Weg aus Glas ist wirklich durchsichtig, glasklarer Durchblick bis zum weit weit unten liegenden Endegelände.
Heilige Scheisse! sage ich da nur, nicht mein Ding.
Die atemberaubende Ostrunde ist irgendwann geschafft, ich auch, aber stolz bin ich ebenso auf mich, die Kinder sind begeistert aufgedreht. Sie haben offensichtlich Spaß! Jetzt steht die Westrunde an, zwei Stunden schätzen wir dafür.
Der erste Teil des Weges führt durch ein schattiges Wäldchen, hier machen wir Picknick.
Bananen, leckerste Pfirsiche, Reis, perfekt.
Das nächste Ziel am Scheitelpunkt des Westweges ist der Tianmen Tempel.
Durch ein großes Tor betreten wir das Gelände. Es sind kaum Menschen hier. Auf dem großen Platz vor dem ersten prächtigen Tempel stehen riesige Eisenschalen mit qualmenden Räucherstäbchen, Gebetsmantras schallen aus versteckten Lautsprechern. Musik, Klänge, das ist es, was ich bisher vermisst habe! Hier stimmt irgendwie alles, hier schwingt etwas Besonderes. Dieser Ort schafft der Seele Raum für Ruhe und Wahrhaftigkeit, Spiritualität und Gegenwart. Was für eine Wohltat!
Im ersten Tempel thronen drei große, goldene, meterhohe Buddhas. Der Himmel besteht aus einer wunderschön blauen Kassettendecke, von der vier goldgelbe Soffsäulen herab hängen. Wunderwunderschön. Ich bin allein in diesem heiligen Raum und genieße die Ruhe, die er ausstrahlt.
Vom diesem ersten Platz aus führen Treppen zur nächsten Ebene wieder mit Tempel. Andere Mantras begleiten den Weg dorthin, das Gebäude ist etwas kleiner, aber nicht weniger harmonisch.
Fast versteckt führt ein weiterer Durchgang zum absoluten Höhepunkt, ich bin komplett begeistert vom Anblick des großartigsten aller Tempel, die ich in diesem Land bisher gesehen habe. Ein eher runder Bau erhebt sich in den Himmel, so reich und vielfältig dekoriert und ausgestattet, einfach umwerfend. Es ist eine Schande, das das Zeitlimit abgelaufen ist, das wir uns für die Rückkehr gesetzt haben, damit wir rechtzeitig einen der letzten Busse ins Tal erwischen. So habe ich keine Zeit mehr das Innersanctum zu bestaunen. Aber schon jetzt bin ich ausreichend beglückt von dieser Begegnung der besonderen Art und meine Seele und meine Knie wieder gestärkt für den nächsten Parcours.
Auf dem Rückweg bemerken wir rote, beschriftete Bänder, die an Äste geknotet sind. Erst vereinzelt, dann werden sie immer dichter, dazwischen hängen bronzefarbene Bügelschlösser mit Schriftzeichen drauf, zwischendrin auch mal herzförmige. Zu einem Schrein hin sieht man Äste und Geländer vor lauter Bändern und Schlössern gar nicht mehr, ein Meer in rot und angelaufenem Messing.
Das Zentrum bilden zwei Kinderfiguren... nicht schwer zu erraten, worum hier gebeten wird.
Bänder und Schlösser gibts gleich nebenan, an einem Verkaufsstand.
Kurz nach diesem Knotenpunkt stehen wir am Anfangspunkt zur zweiten, atemberaubenden Hälfte der westseitigen Zitterpartie. Tief Luft holen und durch. Vom „Festland“ aus kann man die Betonstege sehen, die zurück zum Ausgangspunkt, den Rolltreppen führen. O mei o mei, die hängen noch krasser und ausgesetzter als die von der Ostroute. Respektvollster Höhenrespekt ist angesagt, muss ja.
Die Faszination und Besonderheit der absolut genialen Landschaft drumherum nimmt mir erfreulicher Weise viele Bedenken vor diesem Weg. Wenn da nicht immer wieder dieser eine Schritt zum Geländer wäre, um Fotos von dieser großartigen Kulisse zu machen.
Laura hält sich mittlerweile eher an mich, ihr setzen die dauerweichen Knie auch langsam zu und so wackeln wir uns gemeinsam mutig weiter und weiter, den immer lustig voraus springenden Nele und Fynn hinterher, und drängelnden Chinesengruppen ausweichend.
Der erste Abschnitt ist bravourös geschafft. Erleichtertes Ausatmen. Die nächste Herausforderung wartet gleich um die Ecke: Eine hundert Meter lange Hängebrücke über eine dreifach so tiefe Schlucht. Das Gekreische chinesischer Damen auf dieser wackeligen Angelegenheit ist unüberhörbar, unübersehbar die überlegen lächelnden, sonnenbebrillten Poser und zugleich Retter dieser Damen, die versuchen, mit ihren teigigen Leibern die Brücke in weitere Schwingungen zu versetzen, die alten Wabbler, bevor sie die Damen dann retten, oder sich an ihrem Gekreische ergötzen. Das ist so komisch, dass wir bestens amüsiert und abgelenkt, elegantest über diese Brücke eiern.
Der Blick nach oben zu den darauf folgenden Betonstegen ist dann wieder eher ernüchternd.
Aber... aber Laura und ich werden tatsächlich mutiger! Vielleicht ist es auch das nachmittägliche warme Fotolicht, das uns mit festeren Schritten gehen, und die Gefahr für einen schönen Shot vernachlässigen lässt.
Wieder rote Bänder an Ästen, wieder erst vereinzelt, dann immer dichter, diesmal ohne Schlösser, aber selbst beschriftet. Sie sind sehr hübsch, diese Bänder, so im milden Sonnenlicht.
Wir folgen mit unseren Kameras der rot leuchtenden Fährte. Höhe, welche Höhe?
Fynn und Nele holen sich an einer Bude so eine Banderole, beschriften sie mit „Ich war hier, Fynn, oder Nele“ und knoten sie zu den unzähligen anderen am Geländer.
Nachdem der Zenith der Bänderdichte durchschritten ist, gilt es noch ein paar Kurven und Windungen in schwindelnder Höhe zu überwinden. Nele und Fynn möchten sich noch einen letzten Glassteg geben, bevor der um 16:30 schließt und wir in die Zielgerade zum Startpunkt der Rolltreppen einschwenken. Ich bekomme wieder begeistert gekickte Adrenalinjunkies zurück. Wir passieren die Bergstation der Gondelbahn, wo die Ströme der entgehen kommenden Chinesen immer dichter werden.
Auf den Rolltreppen senkt sich der Puls dann langsam wieder auf Normalbetrieb.
Stolz, Erleichterung und Begeisterung über das Erlebte nehmen wir alle mit, ich im besonderen feiere mein Überleben.
Wir stehen wieder vor den endlosen Treppen, die vom großen, beeindruckenden Felsloch aus diesmal nach unten führen. Pillepalle, ein Genuss, ein Triumpfmarsch.
Auf den Achterbahnbus vom großen Platz weg, müssen wir nicht lange warten, unser Timing war perfekt, auch wenn es mich den Tempelbesuch gekostet hat - lest ihr die leise Wehmut zwischen den Zeilen?
Auch die wilde Kurvenfahrt ins Tal können wir jetzt auskosten. Als wir im Tal aussteigen, erschlägt uns gnadenlos die schwere Hitze, die hatten wir ganz vergessen. Stöhn.
Es ist mittlerweile Dinnerzeit, als wir im Dunstkreis unseres Hotel eintauchen.
Wir kehren in ein Resto mit Tujia Küche ein, die Küche der lokalen Minderheit in der Provinz Hunan. Das Essen in dieser Region ist insgesamt sehr deftig-rustikal und scharf. Wir bestellen die „lokale Spezialität“, eine Art Bauernpfanne auf Gasflamme vor sich hin bruzzelnd. Gebratener Speck wird bei sehr vielen Gerichten großzügig eingesetzt, ein ganz neuer Aspekt der chinesischen Küche und eine spannende Kombi mit Chili. Die Gerichte der Region schmecken allesamt für unseren Gaumen recht unchinesisch, wenn man das Klischee dazu im Sinn hat.
In unserer Bauernpfanne findet sich auch ein ganzer Hühnerkopf, Kartoffeln, Zwiebeln, Knoblauch, Tomaten, zerteiltes Hühnerfleisch mit Knochen, Chili, Ingwer und dunkler Sojasauce, gar nicht so weit weg von unserer Küche, aber doch ganz anders.
Dazu trinken wir übrigens gerne Sojamilch, weissen Trinkjoghurt oder O-Saft.
Nicht nur das Essen hat uns heute müde und glücklich gemacht. Für die Kinder war es der schönste Tag der Reise bisher, sagen sie, Papa lächelt zufrieden.
Bei Fynn haben sich im Laufe des Abends Schmerzen im linken Kiefergelenk zu einer Entzündung entwickelt. Die Wange ist leicht geschwollen. Ich hoffe mal, dass Ibu nicht nur den Schmerz nimmt, sondern auch entzündungshemmend wirkt. Laut Fynns Einschätzung ist kein Zahn die Ursache, kauen kann er ohne Probleme, Ohrenschmerzen sind es auch nicht, das würde sich schon anders anfühlen. Dann warten wir morgen mal ab.
Bevor die Lichter aber ganz ausgehen, wird noch fleissig Tagebuch geschrieben - jedes Kind schreibt mittlerweile - und gedaddelt natürlich.Read more
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- Day 9
- Saturday, August 24, 2019
- ⛅ 33 °C
- Altitude: 321 m
ChinaWulingyuan29°20’52” N 110°32’51” E
PlanetAvatar
August 24, 2019 in China ⋅ ⛅ 33 °C
....oder: Vom Hasenfuß zum Superkarnickel
Ich hole meine Kinder um 7:30 vom Traumland zurück in die Realität. Aufsatteln, frühstücken, Busbahnhof suchen. Der Patron des Hauses hatte mir gestern abend noch eine Tagestour durch den nördlichen Teil des Parks gezeigt und auf einer Karte eingezeichnet, 9 - 10 Stunden würde sie dauern, um 19 fährt der letzte Bus aus dem Park. Also haben wir Heute noch ordentlich was vor uns.
Der Busbahnhof. Es gibt einen direkt vor dem Bahnhof, der ist es nicht. Dann muss es aber noch einen geben, auch vor dem Bahnhof. Team Fähnlein Fieselschweif wird aktiviert. Die Hinweise verdichten sich auf einen Plastikvorhang in einem großen Gebäude auf der rechten Flanke des Bahnhofvorplatzes, auf den Vormittags schon über 30 Grad runter brizzeln.
Es ist der Ticketschalter, ein Teilerfolg.
Wir erwerben unsere vier Bustickets zum Parkeingang in Wulingyuan auf der Ostseite des Parks.
Die Frage ist, welcher Bus ist jetzt genau unserer und wo fährt der nur los? Wir kennen bisher nur die Busstation für die Stadtbusse.
Die Dame am Ticketschalter hat uns nur in eine ungefähre Richtung verwiesen. Wir irren also etwas im Ungefähren herum und zeigen unsere Tickets mit einem großen Fragenzeichen im Gesicht in die Runde. Und siehe da, eine Hand weist uns den Weg zu einer Wartehalle - aha! es gibt da auch eine Wartehalle. Dort befinden sich, wie bei den Zügen, die Schleusen mit dem üblichen Security Check und dahinter, von der Straße aus nicht zu sehen, die ganze Überland-Busflotte. Nach Begutachtung der Tickets werden wir in einen Bus bugsiert, hoffentlich den richtigen, der dann auch sofort los fährt. Das nenne ich Timing.
Manchmal kommt es uns vor wie so ein Adventure Game und wenn man alle Challenges bewältigt hat, kommt promt der verdiente Levelaufstieg.
Nach 40 Minuten Fahrt endet die Reise mitten im Ort Wulingyuan, zum Parkeingang ist es noch ein 10 minütiger Hatscherer. Die Touristenbusdichte und die schlechte Abgasluft nimmt zunehmend bedrohliche Ausmaße an, wir sind also richtig.
Im hübschen großen Turm am Eingang befinden sich die Kassen. Nele gilt noch als Minikind (hihi, wenn die wüssten...) und darf umsonst rein. Das Parkticket gilt für vier Tage.
Unsere erste Etappe bedeutet erneutes Busfahren bis zur Talstation einer Gondel.
Der ganze Park wird umfassend von einem genialen Shuttlebus System bedient und ermöglicht in kurzer Zeit so einige verstreute Highlights anzusteuern.
Im östlichen Parkteil, von dem aus wir starten, ist fast nichts los. So haben wir wartefreien Zugang zur Gondel, nicht aber ohne erneuten Security Check - es nervt langsam. Die Gondel muss man extra bezahlen btw.
Auch diese Gondel ist sehr abenteuerlich gebaut und schwebt gnadenlos hoch über den Baumwipfeln und den aufragenden Felstürmen. Und das ist das tolle an diesem Ride. Der Waldpark, so der offizielle Name, ist berühmt für seine solitären Felstürme aus Sandstein, die seitlich und auf der Spitze mit Bäumen bewachsen sind, untenrum manchmal schmaler als obenrum, das sieht wahnsinning aus, einfach außergewöhnlich und einmalig!
Die charakteristische Landschaft des Parks wurde von den Machern von Avatar zum Vorbild genommen, um die beeindruckende und faszinierende Welt von Avatar neu zu erfinden und zu komponieren. Und so schweben wir mit offenem Mund über die Gipfel dieser eigenwilligen Felsgebilde hinweg bis uns die Bergstation in Empfang nimmt.
Von dort führen gut markierte Wege zu befestigten Felsvorsprüngen, von denen aus man über Blicke in tiefe Täler und auf steile Felswände noch mehr dieser verzauberten Steinwelt bewundern kann. Unsere staunenden Münder bekommen wir gar nicht mehr zu. Die nähere Betrachtung ist erneut mit viel Höhenrespekt meinerseits verbunden, da es hinter den Geländern wieder senkrecht in tiefste Tiefen geht, mehrere hundert Meter allemal.
Der Unterschied ist, dass man auf festem Grund steht und nicht auf in die Luft gebauten Stegen.
Ein schwacher Trost. Aber bei diesen grandiosen Aussichten wird auch der größte Hasenfuß zum mutigen Superkarnickel.
Vier Superkarnickel also unter Hundertschaften Fähnchen folgender, chinesischer Superkarnickel. Man braucht schon Nerven wie Stahlseile in diesem Land, wenn es denn etwas Sehenswertes gibt, allein ist man dann selten und es ist gerade nicht einmal Hochsaison.
Schon auf dem Weg zum Haupteingang sieht man die unglaublichen Hotelkapazitäten entlang der Straßen, und nahe dem Haupteingang des Parks wird auch gleich noch ein neues Hoteldorf in die Höhe gezogen. Auch die ewig meandernden Geländergänge vor Gondelbahnen und Bushaltestellen, um die vielen anstehenden Menschen in Reihe zu halten, unvorstellbar, was hier in der Saison an Massenbewegungen abgehen muss.
Unser erster Hotspot besteht aus mehreren nicht weit voneinander liegenden Aussichtspunkten, die über befestigte Plattenwege und Treppen miteinander verbunden sind. Viel gefährlicher als die bodenlose Tiefe der Felsabstürze sind vielleicht die von 20 Millionen (!) jährlichen Parkbesuchern abgewetzten und blank polierten Treppenstufen, höllisch rutschig, wehe es regnet...
Für unsere zweite Station gehen wir zurück auf die Shuttlebusstraße, vorbei an unendlichen Imbiss- und Souveniralleen bis zum leeren Geländergang der Bushaltestelle. Der Bus kommt promt und ist nur spärlich besetzt. Wir lassen uns in der Pampa aussetzen. Hier leitet mich Pocketearth sehr detailliert zum nächsten Aussichtspunkt. Die Kinder glauben mir erst nicht, dass wir richtig sind. Keine Menschen weit und breit, erst Asphaltstraße und dann unabgewetzte Pflasterwege und Stufen. Naturpfade sucht man hier übrigens vergebens. Über großzügig angelegte Wege durch die wilde Flora werden die Horden auf Kurs gehalten und die verschonte Natur freut sich. Zudem würde man ohne die Befestigungen nur unter wirklicher Lebensgefahr in den Genuss der Schwindel erregenden Panoramen direkt und ganz vorne an der Felskante kommen, mit befestigten Wegen aber: Panorama für alle! Und bei manchen ein Kribbeln im Bauch.
Nach einer erheblichen Anzahl von Stufen bergab, stehen drei Aussichtspunkte zur Wahl. Die Mädchen wollen lieber Pause machen, Fynn und ich entscheiden uns für den Besuch des „Peaking Chicken“. Wir steigen weitere Treppen ab, bis ein Pfad auf einen schmalen Felsausleger führt, den man bis ganz vorne zu einer umzäunten Plattform geht. Die Aussicht auf ein grünes Tal mit diesen zauberhaften Felssäulen ist traumhaft schön, dazu die glückliche Geräuschkulisse abertausend laut sägender Zikaden. In einer bestimmten Felsformation vor uns sollte man einen pickenden Hahn erkennen - nicht mit viel Fantasie...
Am liebsten würden wir hier etwas länger verweilen, aber die liebe Zeit…
Vereinzelte, vereinsamte Imbissstände in dueser unpopulären Ecke hoffen auf wenigstens ein bisschen Umsatz mit versprengten Touristen, wie wir es sind, eine unangenehme Situation für uns, von der wir uns aber nicht weiter unter Druck setzen lassen. Fynn und ich sammeln die Mädchen wieder ein und steigen tapfer die vielen Stufen zurück zur Straße hoch. An der Bushaltestelle, an der wir vorher ausgestiegen sind, brausen nur lauter volle Busse an uns vorbei, keiner hält. Bis aus einer Nebenstraße zufällig ein leerer Bus von seiner Pause auf unsere Straße abbiegt, Glück gehabt, wies scheint.
Station Nr 3. bietet die spektakulärsten Ausblicke und Formationen, hier steht auch der berühmte Avatarfels, der eine, der nahezu 1zu1 kopiert für den Film übernommen wurde. Bis zu diesem führen jedoch diverse Pfade und Wege an anderen, nicht weniger ausserordentlichen Felssäulen, Panoramen und Tälern vorbei. Aufgrund der Prominenz der Felsen ist die Reisebusbenutzerdichte hier wieder nervig hoch.
The Great Natural Bridge ist eine weitere Attraktion in diesem Panoptikum der Naturwunder. Zunächst läuft man lustig vor sich hin, dem Pfad folgend, mal wieder roten Bändchen nach, die wieder inflationär Bäume und Geländer ersticken, um wieder zurück auf den Hauptweg zu kommen, und dann sieht man erst, worüber man gerade gelaufen ist: eine riesige natürliche Verbindung zwischen zwei Felssäulen, eine dramatische und grandiose Steinbrücke. Puh, nachträgliches Angstschwitzen, was ein Anblick!
Es windet sich der Weg dem Felsrand folgend, vorbei an Aussichtsplattformen mit todesmutigen Selfieshootern, Gruppenfotomachern und engagierten Teleobjektivisten, allesamt schwerst begeistert und beeindruckt von der unglaublichen Großartigkeit und Schönheit, die uns alle umgibt. Jeder Schritt bringt eine neue Perspektive.
Und dann steht er da, der Star der Stars, nicht von dieser Welt, der Hallelulja Fels, the Star of the Show, please welcome Misterrrrrrr A-VA-TAAAAR!
Ähhm, das isser doch, oder? Oder war das vielleicht schon doch der bei der Plattform da hinten? Hm. Egal ...Selfieeeee!
Nein, er ist es, wahrlich. Die Parkverwaltung hat nämlich einen schwer stilisierten fibergläsernen, blauen Flugdrachen aus dem Film vor dem Geländer platziert, zum draufsetzen und Instafoto machen.
Er ist wirklich besonders schön, also der Fels, muss man schon sagen, und riesig. Eine reguläre Kameralinse kann seine respektable Höhe nicht wirklich einfangen.
Ein Blick auf die Uhr, die Natur Show ist zuende, fast. Ein kurzer Anstieg zur Shuttlehaltestelle und promt sind wir Teil einer Menschenmasse, die auf einen Bus wartet. Laufend bremsen leere Busse ein und Windung für Windung arbeitet sich die Warteschlage in die Fahrgelegenheiten vor. Das geht erstaunlich schnell.
Nach nur vergleichsweise kurzer Fahrt erreichen wir den Weg zum sehr bekannten Bailong-Aufzug. Ein paar Affen sitzen da noch ganz unerwartet am Wegesrand herum, hat ja doch etwas exotisches, wenn man diesen Tierchen in freier Natur begegnet.
Der Aufzug ist einmal mehr spektakulär, weil er als langer Glaskasten vor die Wand eines massiveren Felsstocks gebaut wurde. Die Dimensionen sind es mal wieder, die beeindrucken. Er verschwindet dann weiter unten im Fels. Genau genommen sind es drei Aufzüge, schließlich müssen ja Massen von müden Touristen weggeschaufelt werden.
Vor der bequemen Sause nach unten sind extra Tickets für den Lift zu lösen.
Und dann sausen wir, mit Stehplätzen direkt vorne an der Glasfront, senkrecht hinunter ins Tal. Ein kurzes Vergnügen zwar, aber schon mit Staun- und Spaßfaktor. Wieder etwas massenbedingtes Warten auf den Bus zurück zum Wulingyuan Parkeingang. Es ist jetzt Viertelvorsieben und wir kurz vor kaputt. Die Rückfahrt dauert eine angenehme halbe Stunde, bevor wir wieder zur öffentlichen Nahverkehrsverbindung in den Ort latschen. Qualm und Abgase der zig abfahrenden Reisebusse vom Parkplatz in Wulingyuan ist auf eine andere Weise atemberaubend. Nur schnell weg hier.
Im Ort ist Ausstiegspunkt auch Einstiegspunkt für den Bus nachhause. Weitere 40 Minuten dauert die Fahrt. Wir beschließen gleich Essen zu gehen und dann erst ins Hotel. Bei der großen Restaurantauswahl ist es fast egal, in welches wir gehen. Also gehen wir in das mit den schönsten Bildchen und den meisten Gästen an den Tischen. Auf den Speisekarten hier steht auch Riesensalamander. In einem Bottich, der im Eingang eines anderen Restaurants stand, waren auch zwei lebende Exemplare zu bestaunen, eher unästhetische Tiere, dick, wulstig und braun - da wussten wir noch nicht, dass die auf der Speisekarte stehen. Jetzt empfinden wir irgendwas zwischen Mitleid, Empörung und Ekel.
Unser rustikales Dinner besteht aus drei verschiedenen Gerichten, die wir uns teilen. Gebratene Glasnudeln mit Pak Choi und Huhn, Schweinernes mit Bambussprossen und Speck und eine Art Suppe mit Ei und dicken Glibbernudeln, dazu knusprig gebackene dünne Reisfladen.
Fynns linke Backe ist jetzt auffällig angeschwollen, wenn das Morgen nicht besser ist, müssen wir da unbedingt etwas unternehmen. Gut dass die Ibus gut wirken erstmal.
Natürlich holen wir dann noch Wasser und etwas Obst vom Supermarkt auf dem Weg, letzte Restenergien werden verdaddelt und fließen in Tagebücher. Was für ein schöner und auch anstrengeder Tag das war!Read more
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- Day 10
- Sunday, August 25, 2019
- ⛅ 35 °C
- Altitude: 175 m
ChinaPengjiapo29°6’34” N 110°28’31” E
Go-Shop-Ping
August 25, 2019 in China ⋅ ⛅ 35 °C
Aus-schla-fen, Aus-schla-fen... Revolte! Jetzt habe ich die Kinder in den letzten Tagen so arg herumgescheucht, dass sie für Heute geschlossen einen Aktivitätsstopp ausgerufen haben, ein Weiterwandern wird schlichtweg verweigert. Haha, richtig so!
Die Option für Heute wäre der Südteil des Parks gewesen, Hiken im Talboden, diesmal mit Blick nach oben, immer einen Fluss entlang mit höchst wahrscheinlichem Affenkontakt. Aufgrund von mehr als 500 Schritten vermutlich auch nahezu Chinesenfrei - und Heute wohl auch Deutschefrei.
Fynns Backe sieht auch nicht wirklich besser aus, eher dicker, wir müssen da etwas unternehmen.
Also sieht der Plan für heute so aus: Erst Apotheke oder Healthcenter, dann frühstücken in einer kleinen Butze um die Ecke, dann mal sehen.
Tatsächlich finden wir in unserem Kiez ein Healthcenter. Zwei engagierte Damen untersuchen Fynn und stellen Fragen. Sie bestätigen unseren Verdacht auf Kiefergelenksentzündung und schließen die Zähne aus. Die Kommunikation beiderseits erfolgt routiniert über Googleübersetzer und mit Händen und Füßen und klappt hervorragend. Fynn bekommt zwei Medikamente, ein pflanzliches und einen Entzündungshemmer. Beim Frühstückmittagessen übersetzen wir die Beipackzettel noch, bevor die Tabletten geschluckt werden. Die Übersetzungsapp funktioniert hier hervorragend. Die Tabletten scheinen gut zu passen und Fynn beginnt die Therapie.
Er möchte dann zurück ins Hotel ausruhen und freut sich, dass Nele bei ihm bleibt. Wir vereinbaren, dass sie bei Hunger bitte nur in ein Resto im engeren Radius vom Hotel gehen und dann gleich wieder auf‘s Zimmer. Nach etwas anderem scheint den beiden eh nicht zumute zu sein, übersetzt bedeutet das: sie wollen einfach mal wieder nur so richtig am Stück zocken und sich dabei erholen...
Laura und ich wollen lieber in die Stadt losstapfen und schauen mal, was wir dabei so sehen, entdecken und erleben und ein bisserl was shoppen wäre auch mal ganz nett. Nach dem Frühstück gehen die Grüppchen ihrer Wege.
Mit Laura tauche ich ziellos in die nahen, kleinen Gassen zur Forosafari ein. Das können wir gut zusammen. Geld brauchen wir auch wieder, China ist nicht billig. Zum Geldzapfen mit Kreditkarte braucht es wieder eine Bank of China, die befindet sich auf der anderen Seite des Flusses in der eigentlichen City, also doch ein Ziel.
Auf unserem Zickzackkurs gibt es wirklich viel zu entdecken. Wir sehen die ruhigen Wohnstraßen, ihre Menschen, die vergitterten Fenster der Mehrfamilien-Betonhäuser, Hinterhöfe, Kabelsalate, ratschende Weiber, wehende Wäsche, offene Wohnzimmer, Kindergärten, räudige Hunde, alte Besen, trocknendes Gemüse, und und und... Alltag kann auch mal spannend sein, wenn auch nicht spektakulär.
Da Sonntag ist, haben kaum Geschäfte geöffnet.
Wir nähern uns einer großen Straße und sehen eine Mall. Eine unserer Missionen lautet Bauchtasche kaufen. Also gehen wir in den Kasten rein. Die Mall hat offensichtlich erst wenige Tage eröffnet, wenn Läden überhaupt schon eingerichtet sind, dann wird das Warensortiment gerade noch eingeräumt. An anderen Stellen wird noch fleissig fertig gebaut und geputzt. Im zweiten Stock kehren wir achselzuckend wieder um.
Ein Geschäft mit japanischen Sachen ist immerhin schon offen, Miniso heisst er. Den gleichen Laden gibts auch in Dubai und Kuala Lumpur und er ist super, denn da gibts immer sehr schräges unnützes Nützliches aus Japan in einer sehr eigenen Ästhetik, für uns Wessis ein bisschen wie ein japanisches Konsum-Museum. Dieses Mal kaufe ich mir eine Schlafmaske mit Gel drin.
Wir werden in unserer Bauchtaschen Mission nicht fündig, stattdessen entern wir einen sehr großen Supermarkt im Basement, für uns wieder wie ein Museum, für den Grafiker in mir, ein fernöstliches Designmuseum für Verpackungen, viel Inspiration und Kuriositäten. Das Verpackungsdesign ist für unsere Ästhetik teilweise schon sehr schrill, teilweise auch sehr schön stylisch, bunt, viel Comicästhetik, aber auch viel Mut zu leeren Flächen und Minimalismus, dazu die grafisch modifizierten chinesischen Schriftzeichen, sehr schön!
Für den Verbraucher in Laura und mir gibt es schön schräges und exotisches Zeug zu Bestaunen und Essen.
Die Obst- und Gemüseabteilung ist paradiesisch, wenn man tropische Früchte mag, aber auch ordinäre Äpfel, Pflaumen und Birnen gibt es. Brot und Gebäck sind gelinde gesagt eine Katastrophe, alles aufgefluffter Weizen- und Enzymepampf. Die Snacks sind für unsere Geschmäcker ein wenig gewöhnungsbedürftig, viel mit Fischgeschmack oder Chili. Das Süßigkeitenregal hat auch ungewöhnliche Kreationen im Angebot. Schon Mal Duriankekse probiert oder Cookies mit Grüner Tee Paste, vielleicht ? Am liebsten sind mir aber die vielen Varianten von Oreos in Asien, Erdnuss, Mocca, Orange, am besten schmeckt mir SchwarzWeiss, einfach superlecker, der Zuckerschocker.
Es ist nicht leicht, den Frühstücksproviant zu shoppen, den wir für Morgen benötigen. Frühstückszeug, wie wir es mögen, gibt es einfach nicht. So nehmen wir viel Obst mit, Croissantplagiate und Milchbrötchenähnliches Gebäck, dazu eine Erdbeeercreme aus der Tube als Marmeladenersatz. Kaffees in Flaschen und gut is.
Für unseren kleinen Hunger kaufen wir uns weissen Trinkjoghurt und mit Sahne gefülltes Fluffgebäck. Mhmm, lecker. Das verzehren wir draußen auf einer schatttigen Bank und beobachten das Straßenleben.
Den Fluss überqueren wir auf einer nicht weiter erwähnenswerten Brücke, naja. Auf der anderen Seite erreichen wir die City. Viele Sportgeschäfte, Mobile Shops, Mode- und so Mischmaschläden, immer mit dem gleichen Plunder, aber keine Bauchtaschen. Und viele Chinesen tragen Bauchtaschen.
Die City ist laut und bunt, trotz E-Scootern, viele Baustellen. Nach ca einem Kilometer endlich die Bank. Geld ist schnell gezogen, wir juckeln weiter uns lassen uns von blinkenden bunten und vielversprechenden Lichtern immer tiefer in die Stadt locken. Auch wenn die Versprechungen tendenziell leer sind, haben wir viel Spaß mitten im Leben dieser kleinen großen Stadt herumzuirren.
Shoppen, von wegen, Shoppen ist in China ein Fail. Wir hatten uns zuhause die massenhafte Existenz riesiger Läden vorgestellt, mit dem ganzen Made in China Ramsch und noch viel mehr, mit einem unendlichen Angebot von praktischem, kuriosem, kitschigem, asiatischem, nützlichem und unnützen. Stunden könnten die Kinder und ich in diesen Kabinetten verbringen, so wie in den 10-Dirham-Shops in Dubai. Fehlanzeige. Es gibt nur Läden mit hässlichen, spiessigen Klamotten, Souvenir-Emporiums oder diese elenden Malls mit den üblichen repräsentativen westlichen Marken, Tomy Hilfiger, H&M, Timberland, Adidas, der ganze Mist eben, auf internationalem Preisniveau.
Mao-Devotionalien und Tempelaccessoires, Buddhas, Räucherzeug, etc, haben wir immerhin in Peking entdeckt, bei der verbotenen Stadt und nahe der Tempel. Leider die Ausnahme bisher.
Na gut, ein paar Kleinigkeiten haben wir dann doch gefunden, Schreibwaren, Taschen, T/Shirts, so was, aber mühsam ist‘s.
Langsam werden wir müde und hungrig und beschließen, uns auf den Heimweg zu machen.
Auf dem Weg zur Bushaltestelle erleben wir noch schräge Gesangseinlagen von Nachwuchsstars auf einer glitzernden Bühne, die auf einem Platz mit viel Lichteffekten aufgebaut wurde. Zu schräg für unsere hungrigen Ohren - eine Künstlerin wird auch vorzeitig von der Bühne geschickt, ha ha - weiter zur Busstation. Auf Tafeln werden sechs Linien angezeigt, ihre Strecken und ihre Fahrzeiten, alles auf chinesisch, super.
Wir lösen das so. Wir suchen auf unserer Map(sMe) die nächste Haltestelle bei unserem Hotel, vergrößern den Namen in Schriftzeichen, machen Screeny und halten den jedem einfahrenden Busfahrer vor die Nase. Der zweite Bus ist schon ein Volltreffer, nur dass wir verpassen, bei der richtigen Haltestelle auszusteigen, so dass wir an der Endhaltestelle am Bahnhofsvorplatz landen. Auch gut, ist ja nicht soo weit weg vom Hotel.
Eine Fahrt mit dem Bus kostet im gesamten Stadtgebiet zwei Yuan, ca 25 ct pro Person, das Geld dafür steckt man beim Fahrer in den Schlitz einer Sammelbox, fertig, es geht auch einfach. Im Hotel treffen wir auf eine fröhliche, entspannte Nele und einen etwas gedämpften Fynn mit dicker Backe. Zum Essen gehen wir nicht allzu weit vom Hotel.
Vom chinesischen Essen insgesamt kann man sagen, soweit das jetzt schon möglich ist, dass es komplett anders schmeckt, als man es vom Chinesen bei uns kennt. Mit der gewohnten Speisenkarte hat das nicht viel zu tun, aber die Gerichte gibts teilweise schon auch auf der einen oder anderen Speisekarte, so ist es nicht. Das Land ist einfach so riesig und vielfältig, und so auch seine Küchen.
Je weiter südlich desto schärfer wirds, das haben wir schon erfahren. Wir haben viel ausprobiert, so viele noch nie zuvor geschmeckte Geschmäcker, manches war super lecker, manches nur interessant. Die einfacheren Restaurants bieten gleichermaßen allesamt im Kern die Spezialitäten ihrer Region an, einmal gibt es viele Hot Pots, dann brutzelnde Eisenpfannen, einmal in Bambus gegarte Gerichte auf den Tisch. Die anderen Gerichte drumherum variieren dann gerne mal und dann wirds oft auch interessant.
Bei den Straßenküchen ist es ähnlich, lokale Suppenspezialitäten und Schweinereien der Region, meist ist der Stand nur auf ein Gericht spezialisiert, das dann aber in Perfektion. Hygiene wird in diesem sauber gefegten Land sehr wichtig genommen, man kann also davon ausgehen, dass das Geschirr sauber ist und bedenkenlos ausprobiert werden kann. Zumindest haben wir immer noch so viele Immodiums, wie ich mitgenommen hatte.
In den gehobenen Restaurants gibts dann die wahren Entdeckungen und die hohe Kochkunst, selbst schon in der Präsentation der Gerichte.
Wer Ausgefallenes sucht, sollte also entweder in den Strassenküchen, am besten an den Märkten, oder in die besseren Restaurants gehen.
Bullfrogs, Seegurken, Haifischflossen, Schilkröten, Schwalbennester, Hunde, Schlangen, Krustentiere, vergorener Tofu, 1000jährige Eier, im Prinzip alles, was bei Drei nicht auf dem Baum ist, wird angeboten. Riesensalamander war in Zhangjiajie der heisse Scheiss, puh... Wer‘s mag und keine moralischen Bedenken hat oder Würgereiz beim Anblick des Angepriesenen verspürt, bitte sehr. Neugier hat bei mir gewisse Grenzen und die sind in diesem Land schon das eine oder andere Mal durchaus erreicht worden.
Bei YouTube gibt es sehr witzige Vlogger, die ausschließlich Streetfood der Welt ausprobieren, eine gute mentale Vorbereitung.
In Peking gibt es die ganze Fresspalette des Landes, man muss die nur erstmal finden. Am besten irgendwo reinsetzen und bestellen, nicht nur in Peking, viel falsch machen kann man eigentlich nicht. Sachen die eklig aussehen, schmecken oft überraschend gut, so manches Hübsches aber auch richtig langweilig, die Chinesen lassen sich beim Essen auf jeden Fall nicht lumpen.
Ja, ja, Essen, das ist sicher ein Grund, China umfassend und intensiv zu bereisen.
Im Hotel heisst es dann mal wieder die Rucksäcke reisefertig machen, müde und zufrieden, morgen gehts weiter im Programm. Und so endet ein weiterer besonderer Tag in China.Read more
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- Day 11
- Monday, August 26, 2019
- 🌧 29 °C
- Altitude: 191 m
ChinaRivière Li25°16’39” N 110°17’49” E
BusinessclassAsUsual
August 26, 2019 in China ⋅ 🌧 29 °C
Irgendwie wundere ich mich an Morgen wie diesem, dass ich das Klingeln des Weckers um Sechs höre und die Kinder interessiert er nicht. Also erst mal eine Runde Teufel spielen und Engel wecken.
Die sind auf die morgendliche Abreiseroutine schon gut konditioniert: Drei kleine Reiseautomaten duschen, putzen Zähne, ziehen sich an, Rucksäcke hoch und immer einen Fuß vor den anderen, läuft.
Ich glaube die Kinder orientieren sich um diese Zeit beim Laufen noch eher nach Geräuschen als auf Sicht. Mit halboffenen Augen im gleissenden Morgenlicht blinzeln sie den Bahnhof an. Papa zieht die Zugtickets und schlau wie er ist, auch gleich die für den Umsteiger.
Für das Frühstück in der Wartehalle, das Laura und ich gestern besorgt hatten, haben wir bis zum Boarding Aufruf noch gut Zeit.
In unserem Waggon des regulären Zuges, also nicht Hi-Speed, sind die Sitze in Vierergruppen um einen Tisch in der Mitte aufgeteilt. Die Dame am Schalter hatte es leider versäumt uns zusammen zu setzen. Zwei von uns sitzen auseinander in anderen Sitzgruppen. Also beginnt eine komplizierte Prozedur der Sitztauscherei mit unseren chinesischen Mitreisenden. Einer versteht unser Begehr recht schnell, ein ander kapiert so gar nicht, was wir von ihm wollen. Netter Weise vermitteln dann diejenigen, die verstehen, worum es geht, also sie versuchen zumindest zu vermitteln. Daraus entsteht dann sehr schnell ein sehr für unsere Ohren aufgeregt klingendes Durcheinandergerede, fast schon Gezeter. Ohje, wir wollen doch nur zusammensitzen. Und plötzlich, alle lächeln und nicken und Bittesehr, nehmen Sie doch Platz und alle nehmen Platz und auf die Minute um 8:15 nimmt unser Zug des Lächelns Fahrt auf nach Changsha.
Allgemeine Müdigkeit, dösen, essen, aus dem
Fenster schauen, Filme kucken.
Ein Mann geht durch die Reihen und ploppt Handyständer mit Saugnäpfen auf die Tische vor unsere Nasen und geht einfach weiter. Wir wissen erst nicht, was das ist und fangen an, die Dinger zu untersuchen und auszuprobieren. Die eine Platte mit Saugnäpfen haftet am glatten Untergrund, die Saugnäpfe auf der anderen Seite halten das Handy. Mit dem beweglichen Hals, der sich zwischen den Saugplatten befindet kann man das Handy jetzt in jede beliebige Position bringen und händefrei Filme anschauen oder mit Stativ filmen. Supersache! Mach ein paar Minuten kommt der Vekäufer wieder und: jeder haben will! Der Preis mit 2,5€ passt auch und: sehr geschicktes Marketing muss ich sagen.
An einem Zwischenhalt wechseln die Sitzbesitzer, viele steigen aus, viele wieder ein.
Die Sitzplatztauscharie zweiter Akt, denn wir sitzen natürlich jetzt auf von den Neulingen reservierten Sitzen. Vor allem eine Frau, energisch wie ihr roter Lippenstift muckt rum, fuchtelt mit ihrem Ticket rum und besteht penetrant auf ihren Platz. Ein Typ im Studentenalter kann Englisch und klärt nach einigem Gezeter dieser Frau und Ticketgewedel die Situation. Sie setzt sich schließlich auf den Tauschplatz, der ihr jetzt nicht wirklich sitzstrategische Nachteile bringt.
Was ich immer wieder feststelle: Die meisten Chinesen scheinen nicht sehr flexibel zu sein, wie jetzt, z.B. steht eine Nummer auf einem Zettel, ist das in Stein gemeisselt und muss so realisiert werden. Andererseits, stehen wir an einer Kasse am Supermarkt, drängelt sich genau so ein Typ Frau, Kostümchen und energischer Lippenstift, hemmungslos vor uns, danach jeden Blickkontakt vermeidend, null Rückgrat. Genau so haben wirs erfahren. Irgendwas muss da in diesem Lippenstift sein…
Punkt 12:40 kommen wir in Changsha an. Vor drei Tagen waren wir hier ja schon einmal und so kennen wir uns aus. Raus aus dem Bahnhof, rechts halten, über die Stahlbrücke, ein Stück weiter noch gerade aus, DIY Nudelküche, Ladekabel in die Steckdosen, Suppeneinlagen aussuchen, lecker gefüllte Schüsseln abgeben, Getränke aus Kühlschrank holen, setzen, fertig gekochte Suppen kommen, guten Appetit. : ) Tschak.
Nudelsuppen zu heiss, oh Mist, zu wenig Zeit, um fertig zu essen, der Anschlusszug wartet nicht und der fährt vom anderen Bahnhof, vom Südbahnhof ab. Also Suppen in Take away-Eimer umfüllen lassen und Spurt zur U Bahn um die Ecke. Sieben Stationen weiter Südbahnhof, Bahnhofvortplatz.
Zu welchem Gleis müssen wir jetzt? Wir finden es bei den Anzeigentafeln nicht heraus. Also rein ins Getümmel und improvisieren. Es gibt zwei Terminals für die Abfahrten. Wir entscheiden uns für A, zur Not müssen wir eben zu B fetzen. Wir haben uns nämlich insgesamt etwas in der Zeit verschätzt. Also A. Rolltreppe rauf und ach du gute Güte, so viele Menschen beim Check-In, das schaffen wir ja nie!
Und jetzt kommt‘s.
Weil es keine andere Verbindung an diesem Tag nach Guilin gab, habe ich Businessclass Tickets für uns für diese Strecke gebucht.
Am Boden entdecken wir also einen fetten roten Pfeil, auf dem steht: Businessclass, die meinen uns, also hier entlang!
Wir folgen diesem Pfeil bis zur Business Check-In Halle. Aus den Augenwinkeln erspähen wir die BC Lounge, hier hätten wir gerne ein mal paar Stündchen gewartet! Wir sind die einzigen beim Check In. Zwei uniformierte Damen prüfen unsere Tickets und Pässe. Ihre Verwunderung und ihre doch leicht gerümpften Nasen über diese Backpacker-Lottergruppe mit BC Tickets können sie nicht ganz verbergen, muss ja auch ein köstlicher, fast exotischer Anblick sein. Lach.
Die Business Class im Hi-Speed Zug in China bedeutet einzelstehende Sitze, die man in Schlafposition und alles was dazwischen kommt, bringen kann, ausklappbarer Bildschirm, Tablett sowieso, Decken, falls die Aircon zu heftig wirkt, die Toilette und Waschraum wie in einem Appartment.
Als wir unseren Wagon betreten, schlafen viele in ihren komfortablen Businessclass-Sitz-Betten, auch wenn jetzt Mittag schon lange vorbei ist, Asiaten schlafen eigentlich immer, wenn sich die Gelegenheit bietet, so mein Eindruck.
14:25 heben wir an zu schweben, Richtung Guilin.
Die komplett begeisterten Kinder machen ersteinmal Erklärvideos sämtlicher Feature und Knöpfe der Luxussessel, um sich dann extrem in diversen Positionen zu lümmeln. Zum schießen!
Dann ist endlich Zeit, die noch warmen Suppen zu essen, dabei werden Filme gekuckt, selbst mitgebrachte, oder Blogs zu schreiben und etwas zu dösen.
Das Wetter draussen wird immer schlechter und regnerischer, bis es dann schließlich schüttet.
Die guten zweieinhalb Stunden bis Guilin vergehen wie im Flug.
Apropos Flug. Mit dem, was ich jetzt über Fortbewegen in China weiss, würde ich das nächste Mal versuchen, wenn möglich, die Langstrecken mit dem Nachtzug im Schlafwagen zu fahren. Man spart dadurch eine Nacht im Hotel und vor allem einen ganzen Reisetag, gerade wenn man nicht alle Zeit der Welt hat. Vielleicht sogar wieder Businessclass, das ist vielleicht sogar ruhiger als in so manchem Hotel. Nur so am Rande.
Guilin, 34 Grad, es schüttet, die Frisur... egal.
Da stehen wir nun, noch trocken. Vom Bahnhof fahren gefühlt zehn Busse weg, schön für die Guilinesen. Wir haben zwar unsere Regenschirme offen, aber keinen Bock auf das Welchenbusnehmenwirnurgetue.
Wir nehmen Taxi. Der Taxifahrer steht eh schon neben uns. Wir verhandeln den Fahrpreis und ich muss sagen, Taxi, manchmal eine gute Entscheidung. Die Taxipreise können durchaus moderat und bezahlbar sein.
Unser gebuchtes Hostel liegt sehr nah an dem bekannten Binnensee in Guilin mit seinen berühmten zwei Pagoden. This Old Place ist ein klassisches Backpacker Hostel, in dem tatsächlich ein paar Backpacker herumlungern, es im Gemeinschaftsbereich mit Sofas einen Bookexchange, einen Beamer mit Leinwand gibt und am Empfang Englisch gesprochen wird. Hört hört.
Wir haben einen Family Room, wieder zwei über Türen verbundene Zimmer mit je zwei Betten, dazwischen liegt noch das OKne Bad.
Auspacken und verschnaufen und frisch machen.
Um ca 19 ist es dunkel und wir machen uns auf den Sightseeing-Rundweg um den See. Es regnet immer noch in Strömen, aber es ist schön warm.
Am kleinen See sind diverse Stege und Brücken in bunte LED Lichter getaucht, die ständig ihre Farben wechseln, kann man mögen, muss man aber nicht, ich finde es grauenvoll. Immer wieder fahren Touristenschiffe an uns vorbei und zwischen und unter dem bunten Firlefanz hindurch. Nach der halben Umrundung des Sees sehen wir sie endlich, die Wahrzeichen Guilins, die beiden Pagoden auf einer kleinen Insel im Wasser, Sonne und Mond, Sonne in warmem Licht, der Mond in kaltem Weiss. Was für ein wunderschöner Anblick! Der nicht mehr ganz so starke Regen klärt die Farben noch zusätzlich.
Wir wechseln noch unsere Perspektiven auf die Pagode bis die Straße abgeht, die uns zum Nachtmarkt ein paar Straßen und Ecken weiter führt.
Das Problem nur, dass an diesem verregneten Abend kein Nightmarket stattfindet. Kein Streetfood, keine Händler, eine leere, regennasse Straße vor uns. Unsere Enttäuschung ist nicht zu verleugnen. Der Nightmarket wäre neben den Pagoden unser Guilin-Highlight gewesen. Jetzt stehen wir da wie bestellt und nicht abgeholt. Einen Plan B gibts nicht.
Laut MapsMe und PocketEarth sind wir dummer Weise in einer Ecke, in der es nicht besonders viel Gastronomie gibt. Die findet sich recht weit weg von uns und unser Hunger passt definitiv nicht zu dieser Entfernung. Also marschieren wir auf verdächtige Lichter los, um hoffentlich bald ein kleines Lokal dahinter zu finden. Fehlanzeige. Nicht alles was in China rot leuchtet ist essbar. Um den See herum sieht es schlecht aus, wir schwenken in Richtung Viertel mit der höheren Lokaldichte. Die ersten Restaurants leuchten auf, machen aber gerade schon zu, es ist erst Halbzehn. Guilin klappt die Gehsteige hoch, ist das möglich? Es ist langsam frustrierend für uns hier. Guilin ist sicher eine großartige Stadt mit vielen schönen Ecken, uns zeigt sie sich Heute leider beleidigt. Anscheinend haben wir ihr nicht genug Zeit und Aufmerksamkeit gewidmet, in der Planung nicht und bei unserem Besuch nicht, kann passieren.
Wir finden endlich ein kleines leeres Lokal, deren Inhaber wohl auch gerade überlegt haben, ob sie schließen sollen. Und jetzt kommen wir daher.
Wir bestellen Reis mit Gemüse mit einer Minimaldosis Fleisch. Schlecht ist das Essen nicht, günstig auch nicht. Trotzdem, das Launebarometer steigt merklich und wir laufen zurück zum Hostel, um uns weich zur Nacht zu betten.Read more
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- Day 12
- Tuesday, August 27, 2019
- ⛅ 30 °C
- Altitude: 107 m
ChinaXiacun24°47’13” N 110°33’32” E
FairylandUltra
August 27, 2019 in China ⋅ ⛅ 30 °C
Wir haben keinen Stress heute und können mal bis halbzehn schlafen. In bis jetzt jedem Zimmer gab es einen Wasserkocher und so konnte ich mir jeden Morgen einen Kaffee machen. Manchmal habe ich den eine halbe Stunde / Stunde vor dem Wecken der Kinder gemacht, ganz und gar Zeit nur für mich, mein Kaffee-Yoga.
So auch heute.
Zum Frühstück serviert uns das Hostel Toast! Yes! Mit Speck und Eiern, ein kleiner Früchteteller, O-Saft und Kaffee, der Hostel Frühstücks-Klassiker. Auch mal wieder gut nach all den morgendlichen ungewohnten kulinarisch-asiatischen Exkursionen.
Zur allgemeinen Freude und Erleichterung, Fynns Backe geht es eindeutig besser! Die Schwellung und wohl auch die Entzündung ist stark zurück gegangen.
Wir packen uns wieder zusammen, nach einer Nacht gibt‘s da noch nicht soo viel zu tun und ordnen, aber dennoch erstaunlich in welches Chaos ein Zimmer innerhalb von 12 Stunden versetzt werden kann.
Vom fließend Englisch sprechenden Rezeptionisten erfahren wir unseren Weg durch Guilin mit den Öffis zum Busbahnhof mit dem
Bus bach Yangshuo.
Ich habe mir sagen lassen, dass das Personal in chinesischen Hostels meist recht gut Englisch sprechen kann, auf jeden Fall besser als in Hotels. Auch lernt die junge Generation zunehmend Englisch, sehr subversiv, dennoch ist diese Fremdsprache noch ganz klar eher die Ausnahme.
Mit dem 99er Doppeldeckerbus unweit des Hostels fahren wir ordentlich lange bis in einen Vorort von Guilin, der Endstation der Linie, 7 km entfernt, keine Ahnung, wie der Ort heisst, ist auch egal jetzt.
Kaum erscheinen wir zum Aussteigen in der Tür unseres Busses, fuchteln Werber mit Tafeln vor unseren Gesichtern herum und krähen Yangshuo! Yangshuo! Yangshuo!
Ja, ja, ist ja gut, da wollen wir hin, richtig. Aber bitte erstmal aussteigen lassen und Frisur richten.
Und überhaupt, was kostet der Spaß denn so?
Frage ich irgendeinen beliebigen von den Herrschaften. Der genannte Preis stimmt in etwa mit den Empfehlungen vom Planet überein, also nicken wir und folgen dem erfreuten Akquisiteur zu seinem Bus, in dem nur wenige sitzen.
Ich mag diese Drückerbuben gar nicht, sei es Taxi, Hotel, Restaurant oder sonst was. Da nicht und hier nicht. Hier in China hören sie einfach nicht auf, auf einen einzureden, egal, ob man mit seinen eigenen Leuten spricht. Ein Nein überhören sie. Texttexttext, am Ende: Yes OKe or no OKe? Nach dem zehnten Drücker Wahnsinn hat man dann endlich jede Hemmung und Höflichkeit überwunden und geht einfach kommentarlos ohne weitere Reaktion dran vorbei. Und nahezu vor jedem Resto steht jemand mit Speisenkarte, wir lernen also schnell.
Abgesehen davon ist uns schon klar, dass es hart ist, so sein Geld verdienen zu müssen, hier wie da. Kein schöner Job.
Losgefahren wird, wenn der Bus voll ist. Da aber nicht mehr Passagiere zu erwarten sind, brummen wir nach ein paar Neuzugängen ab nach Yangshuo.
Schon Guilin ist eingebettet in diese pittoresken, unglaublichen Karstberge, für die diese Region berühmt ist, es ist das klassische Chinabild mit diesen Bergen, die aus dem Nebel ragen, Reisfelder, Wasserbüffel und Pagoden. Das mit den Pagoden stimmt nicht ganz, der Rest bestätigt einmal mehr das Klischee.
Knapp eineinhalb Stunden juckeln wir durch sehr sehr schöne Landschaften bis wir das kleine Örtchen Yangshuo erreichen. Örtchen sind in China in der Regel eigentlich Städte, das Straßenbild mit kastigen Häuserblocks, breiten Straßen mit kleinen bunten Läden unten und mit vielen Leuchtschildern oben an den Fassaden im chinesischen Einheitslook.
Hotelburgen statt Pagoden, Buslawinen statt Fahrradrikschas, Mördergehupe statt sanften Flötenklängen, Leuchtreklametsunamis statt rote Laternchen. Bäm mal wieder, China eben.
Plötzlich stehen wir mitten drin im innerörtlichen Busbahnhof Rummel, gestrahlt und etwas planlos. 3 bis 4 km wären es noch zu unserem Hotel. Ich zeige dem Busfahrer unsere Unterkunftsadresse - ein Extrascreen in Chinesischen Schriftzeichen, Danke Booking, das ist ne Supersache! - versuchen kann man’s ja mal. Der Busfahrer ruft daraufhin sofort ein Kerlchen herbei, der sich als Gelegenheitsraxler verdingt. 50 Yuan will er, bekommt er, € 6,40 sind das.
Ich habe unser Hotel Yingxiang Villa vorher auf PocketEarth markiert und verfolge unsere Fahrt jetzt auf dem Navi, vor allem und auch um mich zu orientieren.
Wir verlassen den Trubel und biegen auf eine Straße entlang dem Li River, dem Fluss durch die Stadt. Es wird immer ruhiger, immer grüner, immer schöner, wie schön! Aber wo ist unser Hotel? Mit suchendem Blick nach draußen, fährt unser Fahrer langsam die Straße ab und an unserer markierten Stelle vorbei, hoppala, immer weiter. Unser Chauffeur hat keinen Plan. Auch Fragen bringt ihn und uns nicht weiter, wonach immer er auch gefragt hat.
Wir drehen um, Straße nochmal von vorn. Bei meiner Markierung bitte ich ihn diesmal anzuhalten, bezahle und wir steigen aus. Der arme Kerl, Taxlerehre kaputt.
Wir laufen in die nächstbeste Einfahrt und eine junge Frau rennt freudig auf uns zu, als hätte sie uns erwartet.
Sie hat uns erwartet. Sie versucht meinen Namen auszusprechen und schafft es zumindest so, dass wir die freudige Erkenntnis haben dürfen, dass wir angekommen sind. Die deutschen eckigen Namen sind für Chinesen gleichermaßen Zungenbrecher, wie chinesische für uns, deswegen nennt sich Jackie Jackie und James James.
Check-in Prozedur, Schlüsselübergabe, Zimmer zeigen. Wir wohnen im ersten Stock, mit Blick auf den Fluss, dicke, hohe Bambusstauden am gegenüber liegenden Ufer und diese wunderbaren Karstberge rundum. Es geht nicht besser. Das Zimmer komplett in dunkelroten Ziegeln mit Panoramafenster über die gesamte Zimmerbreite, das minimalistische Bad hinter einer satinierten Glasscheibe vom Raum abgetrennt. Ich glaub, ich bin auf Bali.
Wir sind begeistert. Nur die Betten sind in ihrer Kapazität etwas knapp bemessen. Ein großes Kingsize und ein Queensize. Ins Kingsize passen keine drei große Kinder nebeneinander, ins Queensize kein Erwachsener und ein Kind.
Blöd. Bei Booking war das Zimmer als Familienzimmer mit einer Kapazität von drei Erwachsenen und zwei Kindern angegeben. Na ja. Ich hüpfe wieder in die Rezeption und frage nach einem größeren Zimmer. Das gibt es sogar, zwei Türen weiter. Gleiche Ausstattung, aber zwei Queensize und ein Doppelbett. Jetzt passt‘s. Ca. acht Euro mehr pro Nacht, also statt 31 jetzt knapp 40, inkl. Frühstück, supergünstig, echt. Das neue Zimmer hat ca 40 qm und den gleichen, herrlichen Blick.
Wir markieren das Zimmer mit unserem Chaos innerhalb zehn Minuten und dann treibt uns der Hunger nach unten ins Restaurant. Wir bekommen gebratene Nudeln mit Gemüse.
Während wir auf das Essen warten, macht mir die sehr lustige Dame am Empfang auf Nachfrage viele Vorschläge zu diversen Aktivitäten.
Als erstes mieten wir Fahrräder, die beste Art sich hier unabhängig zu bewegen.
Morgen wäre Markttag in Fuli Town, mit dem Rad ungefähr eine halbe Stunde von hier. Auf einer Karte zeigt sie mir den Weg und noch
hundert andere Routen und Ziele in radelbarer Entfernung. Wie gut dass wir hier vier volle Tage haben!
Nach dem Essen machen wir ein Päuschen, kommen an und richten uns ein.
Eine halbe Stunde später sind unsere Räder da. Eher Damenmodelle mit tiefem Einstieg, zwei in Rosa, zwei in Hellblau, nix Mountainbike. Klar muss ich ein Rosanes fahren, selbst die Chinesin kichert und Daumen hoch.
Mit maximal, aber immer noch zu niedrig herausgezogenem Sattel, machen wir uns gleich auf zur ersten Erkundung den Li River entlang.
Unser erster Eindruck: atemberaubend schön! Dichte, hohe Bambuswälder säumen den ruhig dahin fließenden Fluß, dahinter steigen viele viele karstige Zuckerhüte, Kuppeln und Säulen auf und bilden eine sehr zauberhafte, unwirkliche Kulisse, alles in sattem Grün, die totale Harmonie. Jetzt am späteren Nachmittag hat es immer noch weit über dreissig Grad, 35/36 könnten es schon sein, die Flora ist üppigst tropisch. Ein Hochgefühl sich in dieser Landschaft zu bewegen.
Auf dem Fluss tuckern Touristen auf Bambusflößen zurück Richtung Stadt, das Panorama öffnet sich immer mehr. Diese Berge sind wirklich umwerfend. An einem Aussichtspunkt direkt am Fluss steigen wir ab und setzen uns auf eine kleine Stufe am Ufer und staunen. Momente wie dieser, etwas Großartiges zum ersten Mal zu sehen, ist einmalig, jungfräulich, und nicht wiederholbar. So schön, dass wir den jetzt alle zusammen auskosten können. Denn den Kindern geht es nicht anders.
Nach unserem Augenblick fahren wir dann in die andere Richtung, in die Stadt. Hunderte E-Scooter, nicht ganz so viele hupende Autos, Busse, LKWs. Remmidemmi. Ich habe den Eindruck, Chinesen schauen nicht, wenn sie losfahren oder abbiegen. Man geht wohl davon aus, dass das die anderen, die die fahren, tun. Der Straßenverkehr ist nicht so schnell wie bei uns, die E-Scooter fahren, besser: schleichen, vielleicht maximal 30 km/h, man hört sie kaum, genauso wie die meisten Autos, vielleicht der Grund, warum so viel gehupt wird... Nur die Busse und LKWs sind unüberhör- und unüberriechbar. Gefahren wird rechts, wir als Radler ganz ganz rechts. Dadurch dass der Verkehr so entschleunigt ist, klappts richtig gut mit dem Radeln, viele Radler sieht man nicht, und wir fühlen uns einigermaßen sicher auf den Straßen.
Die Wahl des Restaurants für‘s Abendessen steht an. Vor vielen Restaurants sind Holzkohlegrills aufgebaut, auf denen dicke fette Bambusrohre auf dem Grillrost kokeln. Weils bei der unglaublichen Restaurantdichte egal ist, stellen wir unsere Räder vor dem nächstbesten ab, in dem viele Chinesen sitzen.
Über Ambiente muss man in dieser Stadt nicht sprechen, sind alle gleich hässlich.
Wir bestellen natürlich so ein Bambusdings vom Grill, dann gibt es auch in Blätter eingewickelte kleinere Bambusrohrstücke mit unbekanntem Inhalt, bestelllen wir auch, sowie auf dem Foto sehr appetitlich aussehende, rot glänzende Schweineschwarten in Scheiben, dazwischen etwas undefinierbares, ebenfalls in Scheiben. Surprise.
Im großen Bambusrohr wird Hühnersuppe serviert, eine sehr leckere. Die Hühnerfüße mit Krallen könnten zarte westliche Gourmetseelen vielleicht etwas irritieren. Zur Suppe gibt es noch Süßkartoffelblättergemüse. In den kleinen Bambusröhren befinden sich Reis und Hackfleisch. Der Bambus gibt diesem Gericht einen ganz eigenen, tatsächlich etwas holzigen Geschmack.
Die tatsächlich auch in Echt sehr gut aussehenden Schweinebauchscheiben wechseln sich mit einer knödelartigen Masse in gleich großen Scheiben ab. Wir finden heraus, dass es sich um Taro handelt, ein Wurzelgemüse, und es schmeckt gar köstlich, gerade in dieser Kombi.
Ein lokales Gelage also haben wir da vor uns und bald in uns. Mit dieser Menüauswahl haben wir dann fast schon alle Spezialitäten der Region probiert. Flussfisch, Beerfish genannt, und Flusskrebse stünden noch aus.
Pickepacke voll wir sind und denken über keine weiteren Füllsel mehr nach.
Bis wir einen Obststand finden, der reife Mangos in Mundgerechte Stücken anbietet. Bis wir in zehn Minuten Nachhause geradelt sind, passt die Mango sicher noch in uns rein. Drei Take away Boxen ordern wir.
Vor der Einfahrt probiert Fynn mit seinem hellblauen Damenrad einen gewagten Drift - heftig bremsen und das Hinterrad rutscht dabei zur Seite - und scheitert kläglich und der Preis ist hoch: es schleudert ihm leider eine der Mangoboxen aus dem Fahrradkörbchen.
Es bleiben aber noch mehr als genug Mangos für alle, die wir die Treppe runter zum Flussufer auf den Stufen genießen. Dazu, etwas flussabwärts, sehen wir die Lightshow und hören die mystisch-archaischen und romantischen Klänge der bunten, allabendlichen Tanzdarbietung auf dem Fluss, gerade mal 200 Meter weit von unserem Hotel entfernt, das Spektakel jedoch nur von hinten.
Nachdem wir den Airconturm im Zimmer endlich aus dem Kühlschrankmodus gebracht haben, rollen wir uns in unsere vielen Betten.Read more
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- Day 13
- Wednesday, August 28, 2019
- ☀️ 33 °C
- Altitude: 105 m
ChinaDutou24°47’14” N 110°33’30” E
InChinaEssenSieHunde
August 28, 2019 in China ⋅ ☀️ 33 °C
Wieviel schöner kann ein Tag noch beginnen?
Morgendliche Nebel ziehen zwischen diesen besonderen Bergen, lösen sich langsam auf und geben nach und nach die Bühne frei für die aufgehende Sonne, den ruhig dahin fliessenden Li, das üppige Grün des Bambus am Flussufer, dahinter diese unglaublich gefälligen Bergkuppen. Morning bliss.
Es ist der erste Blick aus dem Fenster und ein glücklicher Frieden um 6 Uhr morgens. Dazu ein Kaffee... und noch einen...
Die Kinder schnaufen noch so entspannt ihre Träume aus. Mit meinen Kindern eine solch besondere Reise zu machen ist einfach großartig.
Zeit zum wecken. Die Kinder sind darauf gefasst, dass heute Early Bird angesagt ist. Es ist immer wieder ein Schauspiel zu beobachten, wie jedes Kind auf seine ganz eigene Weise nach dem Aufwecker vom Schlafkoma in den Wachzustand findet. Die Aussicht auf den schönen Tag, der uns Heute erwartet, der Anblick der Berge, vom Bambus und dem Flusse im warmen Licht der Morgensonne, stimmt die verschlafenen Bagage etwas milder.
Besonders erfreulich ist, dass Fynns Entzündung komplett weg ist, keine dicke Backe mehr, keine Schmerzen. Was für eine Erleichterung, jetzt kann auch er wieder die Reise voll genießen.
Ohne Murren wird still die Morgenroutine durchgezogen bis wir kurze Zeit später gut gelaunt auf unseren Rädern sitzen. Heute ist Markttag in Fuli Town, in einem Dorf, ca eine gute halbe Stunde flussabwärts und auf der anderen Uferseite. Es ist noch kühl, soweit es das hier überhaupt sein kann, aber kühl genug um vergnügt durch traumhafte Landschaften zu radeln. Hellgrüne Reisfelder, grüne Berge, Riesenbambus, tropische Vegetation, Bauern, Büffel, Enten, Reiher und alles in diesem magischen Licht der Morgensonne, die Vögel zwitschern. Ich radle hinter meinen wunderbaren Kindern, absolutes Reiseglück.
Wir erreichen eine kleine Ortschaft, von der aus eine Fähre über den Fluss setzt. Die kleine Ortschaft ist ein richtiges chinesisches Dorf, genau so, wie man es sich vorstellt.
Kleine Häuser mit schweren Holztüren, Bauernhöfe, Hähne krähen, Enten watscheln, krumme Menschen mit ihrem ganzen Leben auf den Schultern, ein alter Mann rasiert einen alten Mann am Straßenrand, Gemüse werden geputzt, endlich ist es auch mal schön schmutzig, ein Idyll für uns Touristen. Wir werden sogar nett gegrüßt!
Eine Abzweigung führt hinunter zum Flußufer, wo der Anlegesteg für die Fähre ist, eher eine Betonrampe. Die kleine Fähre wartet noch auf uns, bis wir mit unseren Rädern an Bord sind.
Eineurofünfzig pro Nase kostet der Transfer mit Rädern, ein stolzer Preis für die kurze Passage von vielleicht hundertfünfzig Metern.
Die Fähre ist voll von alten huzligen Marktweibern, die tapfer ihr Joch mit zwei schwer beladenen Körben voll Gemüse und Eiern und Obst bis zum Boot geschleppt haben. Die Bauern tragen vorwiegend diese flachen Kegelhüte aus Bambus gegen Sonne und Regen, ziemlich essentiell für diese Menschen und für uns fotogene Dinger.
Aber wir sind mindestens genauso interessant für die Leute auf dem Boot. Mitunter fühlt es sich komisch an, ständig angestarrt, fotografiert und gefilmt zu werden, fast schon nervig. Chinesen kennen da entweder keine Scham und halten lustig drauf oder sie filmen heimlich aus dem Off und sind sichtlich peinlich berührt, wenn man sie dabei ertappt.
Das Schiff leert sich am Anleger auf der anderen Seite sehr schnell und der ganze Tross kennt eigentlich nur eine Richtung. Wir sperren unsere Räder am Pier ab, denn es geht erst einmal mehrere Treppen hoch in den Ort Fuli Town, durch Gassen, die mit Läden gesäumt sind, und dann wer weiss wohin.
Fächermaler, Kalligrafen, Töpfer, Antiquariate. Das hört sich jetzt vielleicht etwas romantisch an, aber auch wenn sich diese Geschäfte in netten, alten Häusern befinden, gründet ihre Existenz vermutlich auf der Karawane der Touristen, die alle paar Markttage durch den Ort zieht. Und trotzdem hat sich das ganze Ambiente etwas sehr authentisches bewahrt. Die Handwerker sind sicher echt, produzieren jetzt eben fleissig entsprechend dem Geschmack der Souvenirjäger.
Wir gehen in das Atelier eines Malers, der typisch chinesische Motive mit leichtem Strich gekonnt auf das Papier pinselt. Sind neben den Standards schon tolle Werke dabei.
Eineinhalb Kilometer sind es durch Gassen und über Plätze ungefähr zu gehen, das Treiben wird immer dichter, lauter und bunter und plötzlich sind wir mittendrin im Markttrubel und so wie‘s aussieht in der Gemüseabteilung. Der Markt ist ziemlich groß und offensichtlich ein regionales Großereignis, sein Zentrum bildet eine riesige Halle aus Eisen und Blech.
Ich habe ja schon viele Märkte besucht, aber dieser hier setzt noch einmal einen an Leben, Geschäftigkeit und Exotik drauf, absolut.
Beim Gemüse beeindrucken mich vor allem diese massiven Bambussprossen mit bis zu 15 cm Durchmesser, deren abgelöste Schalen über die Länge einer ganzen Gasse den Boden bedecken, dazwischen immer wieder kleine Stapel aus diesen dicken Dingern und einem Händler dahinter.
Der Markt ausserhalb der Halle spielt sich eh auf dem Boden ab. Viele sonnengegerbte Bäuerinnen mit ihren Ernten vor sich und ein paar Stahlzähnen im Mund und tiefen Falten im Gesicht. Ein lautes Geratsche und Getratsche, aber gelacht wird selten, stelle ich immer wieder fest.
Die Gemüsesorten kenne ich weitestgehend aus den Asiamärkten Zuhause, nur so manche Wurzel ist mir neu. Taro z.B. oder die Lotuswurzeln, die sehr häufig in Gerichten zu finden sind. Die Scheiben der Lotuswurzeln sehen aus wie Räder mit einem sehr charakteristischen Speichenmuster, sehr hübsch für‘s grafische Auge. Frische Wasserkastanien habe ich auch noch nie gesehen und verschiedene Pilzformen, verschiedenste Chilisorten, von Killing me softly bis Thors Hammer.
Vieles kommt uns aber auch sehr vertraut vor, wie Gurken, Chinakohl, Romasalat, der hier als Gemüse zubereitet wird, Karotten, Kartoffeln, Broccoli, Blumenkohl, usw.
An Obst gibt es die ganze Palette der exotischen Früchte. Wassermelonen gibt es auffallend viele, auch an den Straßenrändern als Snack, Honigmelonen, Mangosteen, Dragonfruit, grüne Datteln, sehr lecker, Papaya, und die Königin aller Früchte, dicke, fette, reife Mangos, tonnenweise, grüne Orangen, Bananen. Überraschend geschmeckt haben die Trauben, ganz eigen, seltsam angegoren vielleicht, aber lecker, nicht so knallesüß. Der zweite Traubentestkauf hatte den gleichen Geschmack. Nicht zu vergessen die heiss geliebte Stinkfrucht Durian, die fehlt in keinem Obstladen.
Kleiderabteilung. Meterweise Klamotten, chinesisch spießig oder einfach praktisch. Ich mit meiner Größe brauch da gar nicht anfangen zu suchen, es gab schon auch schön-schräges Zeug. aber nicht einmal die Mädels wurden fündig. Trashig rosa Handtücher mit roten China-Blumen gabs und lustige Kinderschuhe. Chemisch müffelnder Plastikgeruch über dem ganzen Bereich.
Ein Shoppingparadies ist China übringens nicht und nicht ganz billig noch dazu. Als Souvenirs sind bei den Chinesen offensichtlich Lebensmittel sehr beliebt, Kuchen und Süßigkeiten im besonderen, tütenweise im Handgepäck, oder lokale Schnäpse. Mit diesem und jenem gab es in jeder Stadt bisher viele viele Läden. Geschmacklosen Klüngel und trashiges Zeugs, so wie wir es lieben und suchen, gibt‘s einfach nicht, das wird anscheinend nur fürs Ausland produziert und exportiert.
Vor den kleinen Läden, die sich in den Gassen um die Markthalle herum befinden, sitzen auf den Bordsteinen immer wieder größere Gruppen von vor allem Männern, die einfach nur zusehen, rauchen, zocken, handeln, sich unterhalten. Kleinere Imbissküchen duften sehr einladend, der Hunger meldet sich, wir hatten vor lauter Staunen das Frühstücken ganz vergessen. Das holen wir jetzt nach, Halbelf ist es jetzt ca.
Wir schnappen und einen klapprigen Tisch in einer Suppenküche. Die über den anscheinend exotischen Besuch erfreuten Besitzer zeigen uns gleich ihr Angebot. Auf einem Tisch sind Reismedallions auf Blättern angerichtet, Blätter, damit sie nicht zusammenkleben, und aufgeblähte kleine Teigbälle. Probieren wir alles. Dazu gegessen wird eine Suppe mit Gemüseeinlage und knusprigen Teigerbsen.
Teil zwei: klassische Nudelsuppe mit Fleisch und Gemüse, zum Würzen stehen diverse Zutaten in Schüsseln bereit, Chili, Knoblauch, Kräuter, Erdnüsse, etwas Kimchi ähnliches, Soja, usw.
Die Reismedallions sind klebrig zäh und mit, ich tippe auf Hackfleisch mit Kräutern, gefüllt, die aufgeblähten Bällchen schmecken süßlich, mich erinnert der Geschmack an Kürbis oder Kichererbsen. Die Suppe köstlichst.
Getränke gibts wie immer selbstbedient aus dem Kühlschrank. Die Kinder haben Sojamilch für sich entdeckt und oft gibt es auch sehr leckere Kokosmilch aus der Dose.
Das ganze Menü hat für alle keine zehn Euro gekostet. Leider ist das die Ausnahme beim
Essengehen. Die durchschnittlichen chinesischen Restaurantpreise sind mit denen in Berlin vergleichbar, vielleicht einen Tick günstiger, für SO-Asien Preisverwöhnte ist das ziemlich teuer. Aber wer denkt bei dieser Kulinarik und ihren Geschmacksexplosionen schon ans Geld.
Die Karawane zieht weiter, Fleisch und Fischabteilung, oder besser die Alles, was bei drei nicht auf den Bäumen ist Abteilung. Heftige Sache. Flussfische und -krebse, Muscheln, fette Kröten, Hühner, Enten, Hasen und tatsächlich Hunde, alles lebendig. Geschlachtet und zerlegt wird on demand, live. Nur so ist alles immer maximal frisch, eine Maxime für die chinesische Küche.
Es wird fröhlich geschlitzt, gehauen, geblutet, gehackt und gehäutet, Nele ist auf diesen Anblick nicht vorbereitet, die Tränen schießen ihr in die Augen, die Arme, und wir verlassen das Schlachtfeld.
Durch das abgepackte Plastikfleisch zuhause ist uns das Töten für Essen fast komplett aus dem Bewusstsein genommen, umso erschreckender wirken die Bilder auf so einer Veranstaltung. Betrachtet man dieses Szenario aber aus einem anderen Blickwinkel, dann wachsen die Tiere, die auf diesem Markt angeboten werden, frei lebend auf, also absolut artgerecht, und geschlachtet werden sie nur dann, wenn sie auch gegessen werden, nicht für ein volles Kühlregal und dann mit abgelaufenem MHD ab in die Tonne. Es ist aber auch so, dass Chinesen nicht viel Respekt vor dem Leben haben und Tiere eher wie Gegenstände behandelt werden.
Natürlich muss man davon ausgehen, dass die Ernährung von bald 2 Mrd Menschen auf dieser Welt Massentierhaltung unumgänglich macht und es ist ja bekannt, wie nicht selten brutal die Tiere dort industriell behandelt werden. In chinesischen Supermäkten habe ich abgepacktes Fleisch in Kühlung nicht als Standard wahrgenommen, kleine Fleischereien am Straßenrand hingegen häufig, ebenso Läden mit lebenden Fischen und Krustentieren. Mein Eindruck mag mich vielleicht auch täuschen.
Es ist Neles erste sehr große Reise überhaupt, in ein Land mit einer ganz anderen Kultur und dann gleich China, na servas, da steigt sie schon ganz oben ein. Ich muss sagen, sie macht das echt klasse und ist wirklich hart im Nehmen, so umwerfend viele neue Eindrücke, es ist in diesem Land ja wirklich einiges komplett anders als bei uns, man könnte das fast schon Kulturschock nennen - und sie hat trotz Marktgemetzel nicht vor Vegetarierin zu werden.
Wir schlendern weiter über den Markt und kommen am Rand der Markthalle zu reihenweisen Imbissständen. Unsere nette Hotelfrau gab uns die Empfehlung da zu essen, beste lokale Kücke. Es wird gekocht, gedämpft, geklappert, geschlurft und - gehackt, auf der anderen Seite des Ganges, Fleisch wird zerlegt, dunkelrotes Fleisch, tatsächlich Hundefleisch.
Versengte, nackte Leiber, felllos, aufgeschlitzt, abgetrennte Gliedmaßen, mumienhaft gefletschte Zähne, und am Ende ist die zerteilte Anatomie von Wuffi hier auch nur metzgerfrische Produktauslage. Ein fieser Anblick für mich, der selbst mir, der ich ein sehr distanziertes Verhältnis zu Hunden habe, befremdliche Gefühle auslöst und ein leichtes Grauen. Also, wer immer schon einmal wissen wollte, wie des Menschen bester Freund so schmeckt, der lasse sich hier nieder und genieße. Und sich von den lebenden Genossen im Käfig gleich nebenan noch dabei zusehen lassen. Who cares, who dares?
Wir sehen zu, dass wir diese Art von Spezialität bald hinter uns lassen.
Ein symapthischer Franzose spricht mich an, etwa in meinem Alter, und wir kommen schnell ins Ratschen. Er ist mit seiner Frau und seinem Sohn hier unterwegs. Interessant dabei ist, dass er jedes Jahr mit seiner Familie begeistert Fuli Town besucht, weil seine Frau von hier stammt, mit der und seinem Sohn er jetzt bei Paris wohnt. Diese Liebesgeschichte hätte mich sehr interessiert. Aber die Kinder drängen weiter.
Nur eine Ecke weiter, stehen unter einem Baldachin mehrere Stühle, auf denen mehrere Männer sitzen, die sich von mehreren Barbieren rasieren und frisieren lassen. Es ist ein toller Anblick, diese roten Capes im Licht des Baldachins, die vielen schwarzen Hasre am Boden und wie geschickt die Rasiermesser über die Wangen gleiten. Eine Rasur wäre jetzt eigentlich nicht schlecht. Und schwupps sitze ich unter einem roten Cape unter dem Baldachin auf einem dieser Stühle und die Klinge gleitet über meine Wangen. Nicht aber ohne vorher meiner Barbierin erfolgreich mit Händen und Füßen vermittelt zu haben, dass ich meinen Bart gerne behalten möchte. Nicht nur die Kinder sehen neugierig und amüsiert zu, eine kleine Showeinlage beim Dorfbader. Der Spaß dauert nur wenige Minuten, kostet mich 80 Cent und ich sehe wieder etwas zivilisierter aus. Chinesen stehen nicht so auf Gesichtsbehaarung.
Mittlerweile ist es sehr heiss geworden, es ist nach Zwölf und die Frühaufsteherei macht sich bemerkbar, auch wird das Markttreiben merklich ruhiger. Wir holen uns etwas zu trinken und ruhen uns im Schatten aus. Eine Überlegung ist noch, einen anderen Weg zurück zu radeln und einen Stopp am Flussufer einzulegen, ein kühles Bad..., aber die Vorstellung über den unbekannten Weg dorthin lässt die Lust bei der Hitze schnell verdampfen, wir wollen allesamt nur Nachhause.
Als Proviant kaufen wir uns noch ein wenig Obst und schwitzen uns durch das jetzt komplett leere Dorf zurück zum Fähranleger. Fynn und ich nutzen dort die öffentliche Toilette und die damit verbundene Chance einen kleinen Tempel zu besuchen, hinter dem sich die WCs befinden, entzückend! Genauso wie der Ausblick auf den Fluss, den die Mädels beim Warten hatten.
Die Fahrräder werden wieder hinten auf der Fähre verstaut und nach wenigen Minuten sind wir wieder auf der anderen Seite. Eine anstrengende halbe Stunde Rückweg beginnt, mit jammernden Kindern und trotzdem schönster Landschaft. Bei 36 Grad darf man ja auch gerne jammern, nicht wahr. Diese tapferen Kinder.
Stöhnend und erleichtert erreichen wir unser Hotel. Duschen, sofort! Klimaanlage an, Pause, Bett, Zocken, Dösen, Marktrevue passieren lassen, was sonst jetzt. Schöön!
Ich habe mir für den Nachmittag noch eine kleine Radltour ausgedacht, durch ein Tal zu einem kleinen Dorf mit vielen Bergen drumrum... Wer möchte vielleicht mitkommen...? Eine rhetorische Frage.
Aber: Fynn mag! Ich freue mich sehr, hatte ich mich innerlich schon auf eine Solotour eingestellt. Auch mal Papa und Sohn allein unterwegs, ein schöner Gedanke! Halbvier schwingen wir uns mit Obstpicknick auf die Räder. Es wird nach links abgebogen, kurz ein Stückchen Straße entlang, bis dann ein kleiner Pfad... äh, Moment... bis dann eine, ahhm …Autobahn? beginnt... diese Beschreibung trifft es eindeutig besser. Eine Autobahn im Bau, zumindest eine große vierspurige Straße, mitten durchs Tal, das Navi wusste wohl noch nichts davon, das zeigt noch einen besseren Feldweg. Bis auf ein paar versprengte Autos sind wir die einzigen, die auf diesem mondänen Vierspurdings unterwegs sind. Man ist irritiert.
Im Verlauf ploppen dann immer mehr Baustellen mit unzähligen Kränen auf, wir geraten in ein Crescendo an Aktivitäten, Betonlaster brettern staubend über Schotterpisten, unzählige behelmte Ameisen hämmern, dröhnen, dengeln, flexen, schweißen, betonieren, bauen. Gebaut werden noch mehr Straßen, Häuser, Wohnanlagen, Hotelburgen, Einkaufszentren - hier entsteht schlichtweg mal eben eine neue Stadt. Einfach so, tschak, mitten ins Idyll. Diese monströse Verwundung inmitten schönster Natur tut weh, wir fassen es nicht, sind aber auch fasziniert von dieser Dynamik.
Trotzig folgen wir konsequent dem, was das unwissende Navi uns als Pfad vorgaukelt. Gelegentlich zweigen wir dabei auf kleinere Straßen ab, immer weiter ins Land, bis sie uns durch recht intakte und von der Großbaustelle unbeeindruckte Dörfer führen, fast unbeeindruckt zumindest. Denn da wo der weitere Verlauf der neuen Straße geplant ist, stehen halb abgerissene kleinere Wohnhäuser oder sie liegen schon zur Gänze in Schutt. Ein Gruselszenario, sehr gewalttätig und unerbittlich.
Stellt euch die Baustelle Potsdamer Platz in allerschönster Landschaft und harmonischster Bergkulisse vor, gnadenlos und brutal. Aus einem anderen Blickwinkel betrachtet: So werden neue Kapazitäten für einen für uns ungewohnten Massentourismus geschaffen, Wohnraum und Arbeitsplätze. In China wird nicht groß gedacht, sondern riesig.
Wir bremsen abrupt, denn ganz unerwartet hört die Straßenbaustelle, von der wir kommen, auf. Wir stehen oben auf einer Schuttrampe und blicken etwas hinab, wo eine größere, bereits schwer befahrene Straße den Weg kreuzt, unseren Weg einfach entzwei schneidet. Ganz drüben, unten, erkennen wir die Fortsetzung der unsrigen Straße. Über Umwege wursteln wir uns von der Schotterrampe hinab zur großen, staubigen Straße und überqueren die todesmutig, naja, ging schon ganz entspannt.
Auf der anderen Seite radeln wir tapfer weiter und genauso plötzlich, wie die Baustelle begann, endet sie auch. Idyll. Bäm.
Wir fahren auf einer kleiner netten Teerstraße an Bauernhöfen vorbei, in Bewässerungsgräben schwimmen Enten, Reisfelder, Tümpel mit Lotusblumen und rundherum diese verdammt hübschen Berge, balinös, aber doch ganz anders. Wir sind da, wo wir hin wollten. Am Wegesrand machen wir Pause, lassen die Blicke ins Grün schweifen, essen unser Obst und genießen die Ruhe und Ratschen. Wobei, ratschen tun wir eh die ganze Zeit.
Nach einem kurzen Stück endet der radelbare Weg, ein Pfad führt uns zu Fuß weiter. An einem
kleinen Wasserfall der Bewässerungskanäle plantschen lachende Kinder, die Mamas passen auf. Wir verschwinden weiter im hohen Grasbewuchs auf irgendwelchen Bauernpfaden. Bei einer großen Fels-Echowand drehen wir um, es dämmert langsam. Was für ein schönes Fleckchen Erde und wie schön es ist, genau da im Licht der untergehenden Sonne zusammen herumzulaufen!
Wir fahren zurück zum Baustelleninferno und erreichen die große kreuzende Straße. Von dieser Seite aus sieht alles irgendwie ganz anders aus und wir finden den richtigen Straßenanschluß auf der gegenüber liegenden Seite einfach nicht... blöd.
Nach ein bisschen Grübeln und Suchen und hin und her Fahren, entdecken wir zwischen Neubauten dann aber doch irgendwann die noch dunklen Geripppe der Straßenlampen der neuen Autobahn. Da müssen wir hin, wir sind ja ganz falsch... bald dann aber richtig. Im Abendlicht kommen wir Dank Fynns gutem Orientierungssinn schließlich und endlich wieder im Hotel bei unseren Mädels an. Die haben die letzten drei Stunden vor allem geschlafen, erzählen sie.
In der Dunkelheit radeln wir mit Stirnlampen ausgerüstet, nicht allzuweit in die Stadt und suchen uns ein Restaurant. Die Speisenkarten der Restos ähneln sich ja eh sehr, die Spezialitäten kennen wir jetzt auch schon. So setzen wir uns in eines von den vielen Lokalen, bestellen Auberginengemüse mit Hackfleisch, Gemüse aus diesen elend langen weissen Pilzen mit ganz kleinen Köpfen und wieder diese Taroscheiben mit Schweinernem dazwischen, deftig, heftig, alles lecker.
Bier in China ist übrigens sehr gut trinkbar, sagt der Conaisseur.
Mangos müssen es danach unbedingt wieder sein und die zwei obligatorischen großen Wasserflaschen.
Was für ein langer, langer und großartiger Abenteuertag! Jetzt sind wir aber richtig fertig.Read more
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- Day 14
- Thursday, August 29, 2019
- ☁️ 34 °C
- Altitude: 227 m
ChinaFenglou24°43’35” N 110°28’55” E
MuddyWaters
August 29, 2019 in China ⋅ ☁️ 34 °C
Was steht Heute an? Ausschlafen! Spät frühstücken, Toast mit Eiern, chillen. Um 14 Uhr wedelt der unternehmungslustige Reiseleiter von Papareisen mit seinem Knoblauchfähnchen wieder zum Aufbruch.
Aber erstmal Essen, logisch. Ein kleineres Familienlokal hat so nachmittäglich spät noch die Küche auf. Immer rein mit uns. Die Speisekarte kann kein Englisch, die Familie auch nicht. Das kann ja heiter werden. Wir googleübersetzen uns durch die teilweise abenteuerlichen Speiseinterpretationen. Es ist kompliziert, aber wir finden was.
Aber ganz ehrlich, keiner von uns kann sich mehr an das Essen erinnern, das wir bestellt haben. Es war sicher nicht schlecht, wie das Essen überhaupt in China.
Woran wir uns aber alle noch erinnern ist, dass der Knabe des Hauses uns das Essen mit Kippe im Mund serviert und bevor er uns die Teller lustlos auf den Tisch stellt, das Essen mit seinem Rauch beräuchert. Er ist sich über seine absolut dümmliche Respektlosigkeit wohl gar nicht bewußt - oder vielleicht doch? - egal, unser Wohlwollen hat er damit sofort verspielt, es gibt ja doch Grenzen. Wir essen lästernd und mit bösem Blick schnell und tschüss.
Schon heftig, dieses hirnlose Scheisserchen.
Tief durchatmen und weiter. Das Ziel ist der Moon Hill, ein Berg mit einem Loch im oberen Teil, das mit der Landschaft dahinter aussieht wie ein Halbmond.
Um auf die richtige Straße zu kommen, müssen wir erst einmal durch den verkehrsreichsten Teil der Stadt. Der ist gut und einigermaßen sicher zu bewältigen, weil es erstens keine Raser gibt, zum anderen läuft parallel zur großen Straße noch eine kleinere für Langsamere, wie wir mit Rad. Auf großen, belebten Straßen abbiegen ist uns sicherer über die Fussgängerampeln. Ein Stück noch auf der großen bis zu einem großen Tor, einem Kontrollpunkt. Ab hier dürfen keine Busse mehr fahren, ab hier beginnt der ruhige Teil und die Attraktionen. Viele Familien leihen sich hier teilweise sehr abenteuerliche E-Scooter und eiern sich damit ins Ausflugsglück, mit dem Rad sind wir schneller.
Links und rechts der Straße kleine Imbisskioske mit Kokosnüssen oder Melonen zu trinken.
Auch immer wieder Hotelkonglomerate mit schier unendlichen Kapazitäten. Links und rechts ist die Strasse auch immer wieder von touristischen Attraktionen gesäumt: Tropfsteinhöhlen, Kletterwänden, Tempel, sogar ein Erlebnisschwimmbad mit großen Rutschen. Die Attraktion, die ich eigentlich als erstes besuchen wollte, ist ein riesiger und uralter Banyanbaum. Das Ding ist, dass jede auch nur im Ansatz sehenswerte Option hier nicht frei zugänglich ist und Eintritt kostet, dazu ist so viel Kiosk-Souvenir-Selfie-Schnick-Schnack drumherum gebaut, dass man nach der eigentlichen Sehenswürdigkeit oft schon mal suchen muss. Aber um in China etwas zu finden, heisst es nicht selten, immer der Masse nach und sehen, wo die längste Schlange steht, da findet sich dann meist auch der Hotspot.
Für nen Baum, auch wenn er steinalt ist, sehe ich das jetzt aber nicht unbedingt, heisst es in unserem Fall doch immer gleich Eintritt mal Vier. Also lassen wir den links liegen und fahren weiter.
Eine Frau auf einem E-Scooter bremst bei uns und fragt, ob wir zur Golden Water Cave möchten und dafür günstigere Tickets bei ihr kaufen wollen. Diese Cave ist tatsächlich unser nächster Stopp, aber diese Ticketnummer klingt etwas zweifelhaft. Aber ich bin neugierig und so frage ich, wie das so sein kann, sie spricht recht gut Englisch. Die Antwort ist einleuchtend. Sie bekommt online Tickets zum Einheimischenpreis, die mit kleinem Aufschlag immer noch billiger sind, als Touristentickets. Das Geld ist erst fällig, wenn wir die Tickets in der Hand halten. Zehn Euro sind zehn Euro und ich lasse mich fangen.
Das Ganze ist offensichtlicher Betrug am Staat und das Aufsichtspersonal sieht zu. China.
Nach einer sehr seltsam anmutenden Prozedur haben wir die Karten und tatsächlich fast zehn Euro gespart. Der Zugang zur Tropfsteinhöhle erfolgt in Gruppen und wir werden an eine halbe Busladung dran geklebt, der wir dann in angemessenem Abstand folgen. Chinesen lieben bunte Lichter und so ist die gesamte Höhle knallebunt illuminiert. Die Höhle an sich und die Tropfsteinformationen sind großartig, blendet man das Lichtspektakel mal aus.
Warum wir aber eigentlich hier sind und was die Höhle zu etwas ganz besonderem macht, ist das bebadbare Schlammbad und heisse Quellen tief im Berg.
Vorher müssen wir aber noch an diversen Fotostationen vorbei und einer Halle, in der Perlenmuscheln erworben werden können, die dann geöffnet werden und deren Perle man dann bekommt, na super. Dann gabs noch eine Höhlenhalle mit fluoreszierenden Artikeln wie Armbändern usw., nerviger Weise ging das Licht da immer aus und an. Desweiteren wurde Schnaps mit eingelegten Schlangen vertickt, sowie Heilschlamm zu dem ein Moderator auf einer Bühne die heilende Wirkung angepriesen hat.
Was wirklich nervt in China, sind die omnipräsenten Verkäufer die, egal wo sie anzuteffen sind, entweder in ein Megafon oder in ein Mikrofon mit Verstärker plärren, im Ladengeschäft genauso wie am Straßenstand. Übel wird es dann im Kaufhaus, wenn von allen Seiten mehrere Verkäufer ihre Produkte megafon anpreisen - und Chinesisch ist jetzt nicht gerade die Sprache der Engel... nur raus hier!
Wir fliehen also durch den hinteren Teil der Höhle bis es wieder ruhig ist, unbunt und ziemlich dunkel. Fast hätten wir ihn übersehen, den Schlammpool zur Linken, null inszeniert oder angekündigt.
Eine Frau spült mit einem dicken Wasserschlauch verkleckerten Schlamm vom Boden und weist uns harsch zu den Umkleiden weiter hinten.
Wir haben unsere Badesachen dabei und ziehen uns um. Während wir in den Kabinen sind, zieht die halbe Busladung unserer Gruppe zügig durch diesen spärlich beleuchteten und feuchten Teil der Höhle, der eigentlichen Attraktion, mit der diese Höhle beworben wird.
Nur, nicht sehr einladend gestaltet, das Ganze. Das Becken ist fast menschenleer, nur noch zwei junge Damen aus den Niederlanden, die ebenfalls noch im Schlamm sitzen. Wir staksen und waten in das ungewohnte Element.
Das große Becken liegt unter einer niedrigen Felsdecke und wird nach Hinten immer finsterer. Im Raum ist es kühl, aber nicht unangenehm, da wir noch gut von draussen aufgeheizt sind. Der Schlamm fühlt sich seltsam an, oben ist er etwas flüssiger, zum Boden hin immer zäher und richtig schlammig. Das Becken ist vielleicht achtzig Zentimeter tief, eingefasst und zum Weg abgegrenzt durch eine Betonwand. Taucht man den Körper komplett unter, hat man das Gefühl von Schweben aber auch des langsamen Versinkens. Ich muss unweigerlich an diese Filme denken, in denen Menschen langsam im Moor versinken und bevor sie ganz versinken, die gekrampfte Hand aus dem Schlamm ragt, mit dem Goldschatz im letzten Griff, aber 80 cm Tiefe sind vollkommen OK und kein Grund zur Panik. Und einen Goldschatz gibts hier auch nicht.
Klar macht es Spaß im Schmodder herumzuturnen und lustige Dinge auf seinen Körper zu malen, bis uns dann doch langsam kalt wird. Gelegentlich kommen auch kleinere Grüppchen vorbei, die uns im Schlammbad etwas irritiert ansehen, wie so Zootiere, und sich wundern, wie man sich da freiwillig hinein begibt.
Es gibt als Duschen Wasserrohre mit Hahn in einer Nische, die einen ordentlichen Schwall raus lassen. Der ist auch nötig, denn der Schlamm sitzt überall.
Umfassend entschlammt und mit Haut, glatt wie ein Babypopo, durchschreiten wir weiter die Höhle. Wieder Becken zur Linken, diesmal sind es die heissen Quellen. Wenigstens halten wir die Füße rein. Ja, schön warm, wie ne Badewanne. Leider wird die Höhle bald geschlossen und uns bleibt keine Zeit für ein Bad. Immerhin sieht der Warmwasserbereich nicht ganz so spärlich aus und wird wenigstens von ein paar Lämpchen dezent coloriert. Kurz nach diesen Becken stehen wir wieder im Tageslicht. Es ist jetzt bewölkt, wie angenehm!
Nur ein paar hundert Meter noch und es befindet sich rechts der Zugang zum Moon Hill. Der Blick auf denselben wird uns von Eintrittscountern, Bäumen und Imbissbuden verwehrt. Den Eintritt würden wir uns dann schon leisten wollen, bekommen am Counter dann eine Absage, weil wegen des Wetters ließen sie keine Leute mehr auf den kleinen, wie immer konvenient betreppten Berg steigen. Aber wenn schon nicht hoch gehen, wenigstens einen kurzen Blick auf das Wunderwerk würden wir gerne werfen, also ein paar Schrittchen hinter die Schranke bitte...
Ich weiss immer noch nicht, was Nein auf chinesisch heisst, aber die Mimik der Counterdamen ist schon ausreichend. Kein Wille, kein Weg, keine Chance. Unflexibles und unlockeres Pack.
Also kehren wir um.
Es tröpfelt.
Es regnet.
Es schüttet.
Innerhalb von Sekunden total durchnässt hechten wir in einen Imbiss. Zum kleinen Hunger und zur großen Freude der Kinder trifft es sich hervorragend, dass hier Hamburger gereicht werden, ein guter Zeitvertreib. Bestellt, verspiesen, Regeninferno überbrückt.
Wir durchfahren erneut das Portal in die hupende und brummende und lärmende Stadt zurück. Es waren nur kleine Hamburger, mittlerweile dämmert es, Dinnerzeit, Hunger again. Am Strassenrand der großen, breiten Straße, die in die Stadt führt, fuchteln die Werber vor ihren hell erleuchteten Restaurants mit ihren Menükarten. Bleibste stehen, haste gleich ne Karte vor der Nase. Wir machen vor einem etwas weniger nach Touristenbude aussehenden Resto halt. Ein aufgeschreckter Ober sieht uns von Innen über den Gehsteig auf der Fahrbahn, sucht hektisch nach einer Karte und stürzt zu uns. Wir müssen jetzt schon mal grinsen, auch wenns gemein rüber kommt, aber das war jetzt schon filmreif.
Das Menü sieht gut aus, das Resto auch, die Preise auch, also warum nicht.
Die dicke und heftige Aircon über unseren Köpfen spüren wir sofort, wir sind nass, erst Regen, dann wieder schwitzen, plus Aircon, keine gute Mischung. Mit Wechsel T-Shirts, Tüchern und am Tisch Umsetzen versuchen wir die Wirkung zu dämpfen. In China ist es in Restaurants und Supermärkten schnell mal zu kalt, also immer was Warmes dabei haben, blöd nur, wenn das Zeugs feucht ist..
Na ja, jetzt geht‘s ja, und wir lassen uns Ente, Taro mit Speck und Rind mit Bambus schmecken.
Gut befüllt und auf gefühlte 10 Grad runtergekühlt freuen wir uns auf die warme Nachtluft draussen.
Zwischen den Lokalen gibt es kleine Lädchen mit Schnick Schnack. Die müssen natürlich durchgekämmt werden. Fynn und ich kaufen uns zwei Decks Ultraman Spielkarten in schickem Metallicdruck, die Mädels schauen nach Schreibwaren und Kleinkram. Auffällig ist das gegenseitig total genervte jüngere Ladenbesitzerehepaar mit zwei Kindern. Sie ist sauer, dass er nicht mithilft, die Lieferung einzuräumen und er, dass er nicht in Ruhe zocken kann, die beiden Kleinkinder schieben die kleineren Kisten durch den Laden und spielen Kisten Einräumen... fies. Ist aber nicht unser Krieg.
Zahlen, Bummeln, Niesen, nachhause Fahren. Noch’n schöner Tag!Read more
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- Day 15
- Friday, August 30, 2019
- ☁️ 30 °C
- Altitude: 108 m
ChinaFenglou24°44’46” N 110°27’58” E
DasLebenIstEinLangerRuhigerFluss
August 30, 2019 in China ⋅ ☁️ 30 °C
Ein bisserl Ausschlafen gönnen wir uns heute bis 9:00. Gefrühstückt wird das Frühstück heute mit Dach überm Kopf, es regnet, nicht schlimm, aber halt nass. Heute rüsten wir uns besser als gestern für die Feuchtigkeit von oben, man lernt ja schließlich dazu. Wechselklamotten in Tüten, Regenschutz über die Rucksäcke und Regenschirme. Dazu muss ich noch sagen, gestern hat uns der Regen überrascht, er war auf keiner Wetter-App angesagt. Egal, Heute ist heute. Als wir losradeln tröpfelt es nur noch, eine Viertelstunde später, als wir mitten in der Stadt sind, wieder Regen. Aber das Schicksal hat es gut mit uns gemeint und wir landen direkt unter der Markise von einem Regenmantelgeschäft, also in erster Linie ein Anglerladen, und zur Anglerausrüstung gehört natürlich auch, na?
Vier Plastikmäntel in schrecklichen Farben bitte!
Blau, Gelb, Pink, Pink. Und wer bekommt den zweiten pinken Mantel? Papa Clown, klar. Einer kostet nen Euro. Der bunte Radel Vierer erreicht nach bekannter Route durch die Stadt wieder das große Portal der Ruhe von gestern, vom Stadtlärm zur Stille der E-Scooter.
Vor der Brücke über den Yulong River und vor dem Ancient Banyan Tree biegen wir heute rechts ab statt gerade aus und folgen der kleinen Straße entlang dem Fluss.
Und das ist die Idee für heute. Entspannt immer den Fluss entlang, bis wir irgendwann auf der anderen Seite wieder zurück radeln.
Es regnet jetzt ordentlich, warm immerhin, wir radeln unverzagt und ohne Murren. Die nasse Landschaft im nassen Licht hat ihren ganz besonderen Reiz. Satte Farben, wenn auch trüb, Wolkenfetzen und Nebelschwaden verleihen der eh schon besonderen Natur noch mehr Mystik. Dazu die Stille, die den ruhigen Fluß begleitet. Very zen! Nur an den nassen Hosen klebt das Bewußtsein des Irdischen und halten meine Aufmerksamkeit in der Realität. Das ist gelegentlich auch besser so, denn immer wieder schleicht sich ein E-Auto an oder es donnert einer dieser LKWs vorbei, vollgepackt mit Bambusfloßen, mit denen später weiter flussaufwärts eine Passage inklusive Steuermann für diverse Etappen gebucht werden kann.
Ich stoppe häufig, um Fotos zu machen, den vergrößerten Abstand zu den vorneweg radelnden Kindern muss ich dann in einem kleinen Spurt wieder aufholen. Ich pedaliere mit Schirm statt Regenhaut, denn sonst würde ich darunter höllisch schwitzen.
Irgendwann warten die Kinder dann auf mich, mit diesen bestimmten Blicken: Nass, Hunger, Durst, Pause. 200 Meter zuvor war am Wegesrand ein Glashaus direkt am Reisfeld, das sehr einladend aussah und das nicht nur mir aufgefallen war. Einstimmig kehren wir um und ein.
Es ist ein Teehaus mit selbst gemachten, ausgefallenen Tees, Eis, Kakao und kleinen Gerichten, alles organic, ein Stück Individualität und modernes China. Die Getränke und die taiwanesischen Nudeln halten, was die Karte blumig versprochen hat. Es ist sehr schön bei Regen in diesem Glashaus zu sitzen, heisse, leckerste Getränke zu genießen und hinaus in die triefende Natur zu blicken und sich zu unterhalten. Die eineinhalb Stunden fliegen.
Der Regen hat nachgelassen und wir schwingen uns wieder auf die Sattel. Ein kleiner Weg zweigt links ab, den wir zunächst zu Fuß erforschen. Er führt uns durch Reisfelder und Bambuschwerk zum Flussufer. Hinter einen kleinen Brücke befindet sich dann ein kleinerer Weg, der direkt am Flussufer entlang führt.m, hier fahren keine Autos. Das ist es doch, wir holen unsere Räder.
An einer breiteren Stelle des Flusses steigen wir ab und zwischen Steinen herum und testen abwechselnd unsere zwei neuen Steinschleudern, die wir auf dem Markt gekauft haben, richtig coole Dinger. Die üppige Vegetation am Fluss ist fast tropisch, immer wieder Bambusinseln am Uferweg. Das Tal in dem wir gerade sind, ist ständig umgeben von diesen einzigartigen Kalkbergen, Harmonie pur.
Immer wieder gondeln diese schmalen Bambusfloße an uns vorbei, auf zwei Stühlen sitzen fotografierende Touristen, ein großer bunter Schirm schützt sie vor den Elementen und ein Steuermann hält das Floß mit langem Bambusstab auf Kurs. Manchmal geht es über kleinere Wasserfallstufen etwas rasanter, das ist die Challenge bei dieser Tour, es darf gekreischt werden, liebe Chinesendamen, und es darf heldenhaft beschützt werden, liebe Chinesenherren. So werden Helden gemacht und Herzen erobert.
Ein gepflasterter Weg führt uns im weiteren zu einem kleinen hübschen offenen Holzpavillion, ein Pagödchen, mit Bänken darunter. Was für eine Einladung! Eine Bank für jeden, nur sehr selten ein Spaziergänger, nur Schmetterlinge und leise kreischende Damen und es hat aufgehört zu regnen.
Diese Ruhe in dieser fantastischen Landschaft, das ist einfach zu viel der Harmonie, irgendwie döst irgendwann jeder einmal ordentlich weg oder schaut nur zufrieden in die Naturunde oder beschäftigt sich sonstwie mit allem, was da so kreucht und fleucht.
Wir verlieren das Zeitgefühl, ist das nicht schön?
Drei Stunden verchillen wir so. Das ist glaube ich das erste Mal, dass wir so richtig zur Ruhe kommen, und das ganz ohne omnipräsente chinesische Gesellschaft.
Wir beschließen den Uferweg so lange zu beradeln, bis er irgendwann aufhört. Bis dahin müssen wir die Räder immer wieder über hübsche, kleine Steinbrücken hieven, unter denen ein Bewässerungskanal in die zurzeit hellgrünen Reisfelder führt. Immer wieder und immer öfter ziehen Floße an uns vorbei, hier muss irgendwo win Bus sein... Insgesamt begegnen wir auch ganzen drei Hochzeitsshootings auf den Dämmen, die quer in den Fluss hineinragen und die begehbar sind. Die Landschaft ist natürlich eine atemberaubende Kulisse, mit Brautkleid und schwarzem Anzug mit Fliege, ein fast schon kitschiger Fotobackground. Sehr lustig, wie oft das Setting „Braut mit fliegenden Hochzeitskleid trifft auf schmalem Damm bei untergehender Sonne auf erwartungsvollen Bräutigam, mit offenen Armen laufend“ wiederholt werden muss, bis DAS Bild im Kasten ist. Ins Wasser gefallen ist immerhin keiner. Aber ungelogen und ganz neidlos, es ist eine nachvollziehbare Romantik, ein bisschen zu dick aufgetragen vielleicht. Ach, dieses poetische Volk. Auf dem Foto sieht es vielleicht auch noch so aus, als ob die Liebenden gerade über das glitzernde Wasser laufen, die beiden Hochzeits Klöpse in Zartrosa und schwarzer Wursthaut mit Fliege.
Da hat sie uns auch schon wieder, die Realität und die Endstation der Floßpassagen. Das Tal, die Reisfelder, der Bambus, der Fluss, die Berge, der Sonnenuntergang am Horizont, zum Niederknien, das geht ganz ganz tief rein ins Herz, sage ich euch.
Schwerst beeindruckt und entspannt radeln wir zurück in die Stadt, immer wieder verwundert über die Art und Weise, Bedürfnisse und die Ausprägungen des einheimischen Tourismus.
Beim Kletterfels zum Beispiel, sind bei allen Routen die Haken schon in der Wand und am Ende der Route hängen riesenhafte Teddybären, mitten am Fels, ein sehr schräger Anblick. Alles supersafe, convenient, gelenkt, strukturiert und absolut risikofrei, kurze, gepflasterte Wege, Treppenstufen, inszenierte Natur. Die wahre, wilde Natur sieht man an diesen touristischen Orten meist nur aus sicherer Entfernung. Besser so, bevor eine begeisterte Masse alles niedertrampelt. Es ist gar nicht so leicht und bedarf eines gewissen Aufwands, sich in diesem Land individuell spontan off the beaten track zu bewegen. Also das geht natürlich schon, aber ich zumindest bräuchte da einfach etwas mehr Zeit und Muße für Orientierung und Planung.
Es ist wie immer egal, in welches Restaurant am Ort man einkehrt, die Speisekarten sind wirklich nahezu identisch. Die Location macht oft nur den Unterschied. Wir suchen uns Heute Abend eines der Lokale in der Stadt direkt am Fluss aus. Eine unangenehme Dame mit rauher Stimme belabert uns prompt und penetrantest mit dem Menü eines der Restaurants, die sich hier aneinander reihen. Als wir nicht anspringen, versucht sie es mit diversen Rabattstufen.
Wir gehen unbeeindruckt in die Lokalität daneben, weil wir nämlich draußen dinieren wollen, auf der Terrasse über dem Fluss mit Blick auf Hafen und Stadt, das gibts im anderen Resto nämlich nicht. Kaum haben wir und gesetzt, kommt eine Bedienung und versucht uns im geschlossenen Gastraum zu platzieren, wo auch alle anderen Gäste sitzen, in Aircon unterkühltem Kaltlichtambiente. Wir wollen Terrasse, als einzige Gäste. Es ist wunderschön da draussen zu sitzen. Das Mückenargument lassen wir auch nicht gelten und sprühen uns demonstrativ ein. Der Ventilator über uns wird ausgeschaltet, wir wollen trotzdem Terrasse. Das Licht wird reduziert. Wir bleiben. Man ist anscheinend sehr besorgt um uns und es ist so gar nicht nachvollziehbar, warum wir gerne an der ungekühlten Luft zwischen diversen Insekten speisen wollen. Dann haben wir sturen Langnasen-Böcke auch schon unsere Gerichte ausgesucht und bestellen bei der resignierten Dame. Das Essen mundet einmal mehr sehr gut bis auf die Tatsache, dass gefüllte Bittergurken tatsächlich richtig bitter sind. Die waren so appetitlich fotografiert in der Speisenkarte.
Mit aufgestockten Wasservorräten und Knabberzeug kommen wir Zuhause an und verbringen die Zeit bis zum Schlafengehen mit zocken und schreiben und ratschen.
Wenn wir nachts auf dunklen Straßen mit den Rädern unterwegs sind, haben wir übrigens Stirnlampen an. Der letzte hat dann das Rotlicht am Hinterkopf. Beruhigend auch immer wieder die Tatsache, dass der Straßenverkehr hierzulande nicht sehr schnell ist.Read more
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- Day 16
- Saturday, August 31, 2019
- ⛅ 30 °C
- Altitude: 126 m
ChinaMushan24°46’6” N 110°30’23” E
ChefsDeChine
August 31, 2019 in China ⋅ ⛅ 30 °C
Die liebe Morgenroutine haben wir bis 9:30 gut erledigt, denn dann werden wir zu unserem Kochkurs abgeholt! Ich freu mich schon sehr drauf, den komplett mit allen Dreien zu machen.
Erst werden wir zum Markt gebracht, der gar nicht so klein ist, aber schwer zu finden, weil der nur über ein Doppeltor von der Straße aus betretbar ist. Eine kleine, rote, quirlige Dame namens Mandy - oh Mandy - stellt sich uns am Eingang als Kochcoach für die nächsten drei/vier Stunden zu vor. In Chenglish werden wir über den Markt gewirbelt, kleine Sachkunde, so einiges Unbekanntes bekommt einen Namen.
In der Fleischabteilung hat man nicht nur den Hunden das Fell über die Ohren gezogen, sondern auch den Katzen. Nele und ich haben uns das von Laura und Fynn nur berichten lassen, Nele hat die Besichtigung dieses Mal verweigert. Ich habe noch nie von einem Land gehört, dass dort Katzen gegessen werden, nicht einmal in Vietnam. Die haben da zwar alle verstümmelte Schwänze, aber sie sind häufiger anzutreffen als alle anderen Tiere.
Nach dem kurz gehaltenen Exkurs in die Welt der Rohstoffe und Zutaten werden wir in ein Dorf kutschiert, in dem sich die Kochschule befindet. Die Alternative Location für den Kurs wäre ein Restaurant namens Cloud 9 in der Fußgängerzone gewesen, ein Dorf schien uns aber viel romantischer, wenigstens authentischer als Kulisse. Und das ist es dann auch tatsächlich, die Arbeitsplätze in einem großzügigen, offenen Haus mit Holzdach und Hahnengeschrei vom Kräutergarten gleich nebenan, was ein inspirierendes Ambiente. Die rote Mandy - oh Mandy - verteilt blaue Schürzen. Mit von der Partie ist noch ein jüngeres amerikanisches Paar. Die arbeiten in der amerikanischen Botschaft in Peking und machen langes Wochenende in Yangshuo. Er groß, schlacksig, pickelig und nicht sehr redselig, sie eher eine Kurze, isst wohl gerne und kann sprechen.
Wir konzentrieren uns dann aber lieber mal auf‘s Kochen. Vor uns steht ein Brenner, Schneidebretter, Beilmesser, Gewürze, das vorbereitete Gemüse und das Fleisch.
Fünf Gerichte werden es sein, deren Zubereitung wir lernen. Aber nicht nur die, sondern auch die richtige Handhabe der Küchenutensilien samt die Deutung der Rauchzeichen zur richtigen Woktemperierung. Fünf Gerichte also.
Eierdumplings als Vorspeise, dann gedünstetes
Huhn mit Knoblauch, Knoblauchgrün und Datteln,
Süßkartoffelblätter Gemüse, Auberginen mit Ingwer und Knoblauch und zu guter letzt Gemüse mit Schweinefleisch. Ich werde die Rezepte jetzt aber nicht en Detail beschreiben, keine Sorge.
Mandy erklärt und führt jeden einzelnen Schritt vor, wie wir das Beilmesser richtig halten, wie wir diese kleinen, hübschen Gemüsestreifen damit zustande bekommen, wie Knoblauchzehen massenhaft schnellst zerkleinert werden, woran wir sehen, dass der Wok die richtige Temperatur hat und wieviel Spaß Kochen Lernen machen kann. Chinesisch Kochen geht so dermaßen ratzefatze, wenn man die Abläufe kennt und entsprechend vorbereitet hat, dass bevor man es sich versieht, fünf leckere Gerichte fertig gezaubert sind.
Die Eierdumplings waren mein persönliches Highlight, sowohl in der Zubereitung als auch als Gericht. Geschlagenes Ei wird in den Wok gegeben, in die Mitte des etwa Handteller großen Eierflecks wird ein wenig Fleischfüllung gegeben, dann wird das Ding in der Mitte geknickt und geschlossen, der halbkreisförmige Dumpling verklebt am Rand, noch ein wenig die Fleischfüllung garen, aufpassen dass nix verbrennt, fertig!
Das Hantieren mit dieser Wokschaufel und lenkenden Stäbchen geht überraschend gut dabei. Die Abfolge der Kochgänge geht recht zügig von statten und gemerkt hat sichs keiner so richtig, aber wir habens ja gefilmt.
Gegessen wird das Menu in großer Runde in einem offenen Raum gleich nebenan mit Gartenblick und wieder diesem Bergpanorama. Wir probieren unsere Kreationen natürlich gegenseitig und jedes schmeckt so ein bisschen anders, obwohl die gleichen Zutaten verwendet wurden.
Das Ami-Couple lässt das meiste von den Leckereien stehen und verdrückt sich dann ziemlich schnell. Seltsame Gesellen. Wir essen, genießen und palavern noch ein Weilchen. Zum Abschied gibts dann noch ein Zettelchen mit den Rezepten und ein freundliches Lächeln. Früher Nachmittag sind wir komplett abgefüllt wieder im Zimmer.
Der Nachmittag ist frei. Dösen, Zocken, Schreiben, Reden. Ich mag gerne noch ein bisschen mit dem Rad herumcruisen, an schönen Stellen verweilen und vielleicht Fotos machen. Dafür kann ich jedoch keinen gewinnen und zuckel alleine los.
Es hat was, auch mal ohne Anhang im eigenen Tempo unterwegs zu sein. Radeln, stopp, schauen, radeln, stopp, schauen, Foto, schauen, radeln, stopp... spätestens jetzt schon hätten die Kinder mich genervt von der Brücke gestürzt...
Das Nachmittagslicht hat schon immer wieder etwas besonderes. Es wärmt die Welt und das Herz und bringt so viel Freundlichkeit ins Ambiente. Ich atme tief durch. China duftet nicht, manchmal riecht es, aber es duftet nicht. Bali duftet, Indien duftet - oder stinkt bestialisch - und China? also ich rieche nichts. Selbst die Wäsche nach dem Laundryservice - nix. Noch in Malaysia haste gerade die frische Wäschetüte aufgemacht und warst dann gleich ein Weichspülerduftjunkie. So lecker. Oder in Indien, oder Little Indias diverse, die Jasminblüten in den Haaren der Frauen vor dir im Bus... ein Heiratsgrund. Und China? Essensduft vielleicht? Das könnte sein... hm, ich halte die Nase weiterhin offen.
Aber die Augen haben ordentlich was zu Schauen. Nur zu schnell gewöhnt man sich an den Anblick der chinesischen Besonderheiten, Ornamentik, Schriftzeichen, Exotik. Viele von uns tragen die Klischees in unseren Kopf herum, und sei es die vom Chinarestaurant oder die Chinatown von Bangkok, und so kommt mir diese chinesische Ästhetik fast selbstverständlich vor auf diesem Filmset hier und doch auch wieder sehr unwirklich. Aber es ist real, es ist echt echt und ich stehe mittendrin und es lebt, lärmt, bewegt sich und duftet gelegentlich zumindest nach Essen, und rauchenden Männer an Spieltischen. Zwickt‘s mi! Es ist einfach großartig! Reiseglück.
Ich erkenne den Eingang zur Markthalle wieder und ein paar hundert Meter weiter erspähe ich rechts die Fußgängerzone und beschließe mir dieses Ding einmal näher anzusehen. Ein bunter Laden neben dem anderen, eine Shoppingmall-Burg in Chinaarchitektur um einen sehr frei interpretierten Zen-Weiher herum drappiert. Starbucks, McDonalds, klar, gefühlt eh alle 150 Meter in China. Miniso der zehnte, hahnebüchen dekorierte Restaurants. In einem ertrinken die Gäste schier in einem Plastikblumenmeer aus nach Hilfe schreienden Farben. Viele Süßigkeitenläden. Vor einem stehen in folkloristischen blauroten Plasikkostümen zwei muskulöse Männer gegenüber an einem großen Pott, kreisen die Hüften in einem anderen Zyklus als die Arme, mit denen sie einen Schwengel halten und so tun, als würden sie irgendeine Masse umrühren. Dabei singen sie in ihre Headsets so etwas ähnliches wie „Backe, backe Kuchen“. In Dauerschleife, ohne Pause, stundenlang, live und echt. Was ein Job. Davor auf der Straße ein älterer Mann in einem nicht weniger albernen Kostüm, der sein Produkt anpreist und die Leute auf der Straße anlabert, ebenso verstärkt über sein Headset. Megatrashig, geil.
Und Schnickschnackläden und ich denke an meine Kinder und ich vermisse sie, weil das gefällt, amüsiert und unterhält sie sicher genauso wie mich, denke ich. Also 180 Grad gewendet und zurück ins Hotel.
Die Kinder sind jedoch nicht im Zimmer. Ich finde sie unten auf der Terrasse am Flussufer und sie beschnitzen kleine Bambusrohre, da sollen später mal Kugelschreiberminen rein.
Bald sind sie fertig, erfreut und willig und wir radeln erneut die zehn/fünfzehn Minuten zur Fussgängerzone.
Die ist jetzt schon etwas vollerbunterlauter als vor einer Stunde, der Abend dämmert auch schon und die Bonbonshows ungebrochen in vollem Gange. Die Läden saugen uns ein und spucken uns auch wieder aus, manchmal sogar mit einer kleinen Neuerwerbung. Zaubertrickringe kaufen wir uns von einem Straßenhändler, Fynn hat den Trick bald ziemlich gut raus. Es gibt bunte Keksbällchen mit Trockeneisrauch gefüllt. Sogar Modeläden mit sehr witzigen Designerklamotten. Wir lesen German Bratwurst neben dem Erdinger Weissbierlogo. Zwei Rot karierte Chinesendirndl kichern uns an. Der Wirt sieht deutsch aus, wir gehen hin und fangen an, mit ihm zu ratschen. Er und sein Partner kommen aus Rosenheim, gleich um die Ecke bei mir Zuhause, und seit sieben Jahren versuchen sie aus den chinesischen Nahrungsmittelangebot bayrisch schmeckende Schmankerl zusammenzu ...äh ...batzen. Die Fotos auf der Speisekarte sehen sehr abenteuerlich aus, die German Currywurst genauso wie die Schweinshaxn. Hätte ich mir meinen Abendessenhunger damit nicht versaut, würde ich‘s glatt mal probieren. Kuriose Sache. Nur, so richtig glücklich und motiviert klang er bayrische Expat jetzt nicht.
Im Laufe des frühen Abends machen auf der Fussgängezone immer mehr GoGo Clubs auf, so wie in Thailand, nur etwas keuscher, noch, aber mit schrilleren Outfits in noch schrilleren Bars, die da heissen Bad Panda Bar oder E.T. Space Bar. Also doch gar nicht so schlecht für‘s Amüsmoh, die Meile.
Der Verzicht auf Schweinshaxen hat nicht nur Heimat- sondern auch Hungergefühle geweckt. Dumm nur dass das Gastronomieviertel so ganz in der anderen Richtung der Altstadt liegt. Plötzlich allegemeiner Riesenhunger, Essen muss her, schnell. Der nächste Imbiss wird besetzt, Mama kocht. Zweierlei Dumplings und Schweinefleisch süßsauer werden serviert. Ach sooo, soo muss Schweinefleisch süßsauer schmecken! Dreimal die beste Wahl, so unglaublich lecker ist das. Mama eben.
Und wie‘s so ist nach dem Essen, die Müdigkeit überfällt uns gnadenlos. Wir müssen über die Fußgängerzone auch wieder zurück. Der Betrieb hat jetzt voll aufgedreht. Es ist ordentlich voll, aber noch kein Geschiebe, selbst die Bars füllen sich langsam mit Cowboys, auf die schon blonde Manga-Damen warten. Glitzer, glitzer, bling, bling, was ein Spektakel. Geplärre, Gezeter, Gestampfe und Gekaufe. Fynn mag noch einen Laserpointer erwerben und schlägt mit Laura für den Lichtstab einen guten Preis raus. Die letzten Meter zu unseren Fahrrädern sind geschafft, jetzt reichts dann auch.
Bald wird die Straße wieder still und irgendwann, bei einem roten Leuchtschild biegen wir ab in unser sehr geschätztes Hotel. Die Kinder gehen schon mal hoch, ich mache noch kurz das Taxi und die Zeiten für Morgen klar. Dann verschwinde auch ich im Schatten unseres dunklen Aufganges. Vor dem Schlafen müssen wir noch unser Gepäck flugtauglich packen. Danach sieht das Zimmer ja wieder richtig geräumig aus! Bis Morgen!Read more
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- Day 17
- Sunday, September 1, 2019
- 🌧 20 °C
- Altitude: 25 m
ChinaHuangpu31°14’11” N 121°28’27” E
HiShanghai
September 1, 2019 in China ⋅ 🌧 20 °C
Wir müssen Heute einen Flieger erwischen, unsere nächste Etappe heißt Shanghai.
Um 7:30 sollte es Frühstück geben, gibt‘s aber nicht. Alles schläft und der Esstisch ist noch unberührt. Das ist tendenziell ungünstig. Ich gehe zur Küche, wo immerhin schon jemand vor sich hin dengelt. Die Englischkenntnisse der Küchenhilfe reichen immerhin soweit, dass sie unsere Problematik versteht, zumindest schaltet sie dei Gänge hoch, alarmiert eine weitere Dame und die Herdfeuer werden angeschmissen. Zehn Minuten später kommen Kaffee, Eier mit Speck und Toastbrot auf den Tisch. Geht doch.
Unsere Belange sind offensichtlich bekannt, denn uns wird unaufgefordert das für 8 bestellte Taxi bestätigt. Oder war vielleicht die Panik in meinem Blick Anlass für diese beruhigende Information?
Die nette Lady vom Empfang, die uns sonst so nett zur Seite steht, trudelt dann auch irgendwann während des Frühstücks ein. Sogleich werden auch von ihr noch einmal die Abläufe für unsere Weiterreise wiederholt und bestätigt. Es war einfach irritierend, in ein morgendliches Szenario zu geraten, das jetzt nicht vermuten ließ, dass wir rechtzeitig im fernen Guilin erscheinen würden, um einen bestimmten Flieger zu erwischen.
Kurz vor Neun schließen wir dann aber letztendlich die Taxitüren und brummen los, mit dem Ziel internationaler Flughafen Guilin.
In chinesischen Großstädten gibts ja gerne mal zwei Flughäfen oder zwei Bahnhöfe, können auch gut drei sein, ganz zu schweigen von mindestens drei Busbahnhöfen, mindestens. Den Terminal sollte man in Großstädten besser auch wissen oder bei Zweifeln gegebenenfalls gleich noch eine halbe Stunde Transferzeit dazu rechnen.
Guilin International hat Gottseidank nur zwei Terminals und die liegen erfreulicher Weise gleich nebeneinander.
Es ist Sonntag und der Verkehr low, so erreichen wir trotz der morgendlichen Verzögerungen nach einer guten Stunde Fahrt, entspannte zwei Stunden vor Abflug den Airport.
Und die zwei Stunden Vorlauf vor Abflug braucht man als Ausländer auch in China. Den Check-In Schalter suchen ist die erste Challenge. Der Flughafen ist groß und nur gelegentlich „international“, zumindest soweit das die Beschilderung angeht. Das macht den Einstieg in die Prozedur etwas unübersichtlich, aber die eingespielten China-Haudegen finden natürlich die richtigen Schalter recht bald.
Unsere Rucksäcke haben auf wundersame Weise ziemlich an Gewicht zugenommen, sagt die Waage. In meinem Rucksack reist jetzt aber auch der 1,5 Kilo Lonely Planet Schinken mit, nur so nebenbei erwähnt.
Die erste Station, die die eingecheckten Gepäckstücke durchlaufen ist ein großer, grauer Kasten mit einer Lampe drauf, in dem sie verschwinden, ein Scanner. Ist alles in Ordnung, dann leuchtet die Lampe normaler Weise Grün.
Meine Lampe blinkt Gelb. Die adrette Politesse ist sogleich zur Stelle, ich muss mit ihr mitkommen, ohje.
Gepäckkontrolle im Gitterzimmer gleich hinter den Gepäckbändern, bitte Rucksack öffnen.
Aber, äh, wonach suche ich jetzt genau? Meine Feuerzeuge habt ihr doch schon... Lange Politessenaugen wühlen interessiert in meinem Verhau mit... ähhm, vielleicht... ist... es... ja... mein Messer ...?
Nicht? ...o ...hm... ah, jetzt, ja! Moment, Idee! Ich krutschtl meine Box mit lauter so praktischen Reisedingen gefüllt, hervor, öffne die Kiste und umgehend strahlen mich zufriedene Behördenaugen an. Yeeees, die Batterien! Da haben wir’s! Nicht ein Päckchen, nicht zwei Päckchen, nein! Ganze drei Päckchen Batterien habe ich im Rucksack, und ganz schön schwer eigentlich, nebenbei bemerkt... Die Behördendame ist‘s zufrieden und deutet mir, dass ich diese Art von Batterien durchaus mitnehmen darf und sie wieder einpacken kann. Falscher Alarm, das wars dann, vielen Dank der Herr.
Jetzt darf ich den Rucksack noch einmal aufs Band legen, er verschwindet in der Röhre, das Licht bleibt Grün und wir bekommen endlich unsere Reisepässe wieder zurück.
Jetzt geht‘s zur Security, zur richtigen. Die eingehende Prozedur flutscht wieder und wir finden uns bald im Flieger sitzend.
Von Guilin nach Singapur sind es nur 1.200 km, für den Direktflug sind aber ganze 3:45 h angesetzt, verwunderlich lang für diese Strecke.
Des Rätsels Lösung ist ein Zwischenstopp in einer Stadt, deren Name wir nicht verstehen und kennen und auch nicht kennen müssen. Wir bleiben in der Maschine sitzen, einige Leute steigen aus, andere ein. Während der guten Stunde Flug zur Stadt ohne Namen wurden in Windeseile Getränke und gar nicht so schlechtes warmes Essen verteilt und die Reste umgehend wieder eingesammelt. Respekt.
Am frühen Nachmittag landen wir in Shanghai. Eigentlich sollten wir erst spät abends landen, mit einer anderen Maschine, aber die wurde wenige Tage vor Reisebeginn von der Fluglinie ersatzlos gestrichen. Und hier muss ich Trip.com erneut begeistert lobend erwähnen. Nicht nur, dass man äusserst zuverlässig und unkompliziertest über die App Züge und Flüge innerhalb Chinas unbürokratisch buchen und bezahlen kann, und seien es noch so provinzielle Verbindungen, nein, man kümmert sich beim Kundenservice bei Stornierungen extrem bemüht um Alternativen. Und wenn das bedeutet, dass direkt mit der chinesischen Fluglinie telefoniert, verhandelt und bestätigt werden muss. Ein unglaublich toller Service und sehr beruhigend!
So führte sie Stornierung dazu, dass wir ein paar Flüge früher in Shanghai ankommen und uns somit quasi der ganze Nachmittag als ein Mehr an Zeit in dieser Stadt geschenkt wurde.
Die haben wir dann auch gebraucht, um mit der U-Bahn in die City zu kommen und unser Appartment zu finden. Das Ding war nämlich, dass die Straße, in der unser Appartment liegen sollte von keinem der Navis korrekt lokalisiert werden konnte. Die GPS Koordinaten von Booking waren falsch und die Markierung wurde in der einen wie anderen Karte schlichtweg falsch gesetzt. Die Gegend hat zwar gestimmt, aber an den markierten Stelle war kein Hotel, sondern ein Stadthighway oder eine Bank. Super, und das in voller Montur mit schweren Rucksäcken.
Weiteres Herumirren und Straßensuchen. Irgendwie haben wir dann die gesuchte Straße über Lauras Handy doch noch gefunden, in einer ganz anderen Ecke und Richtung. Eine murrende und etwas angesäuerte Karawane tippelt entlang breiter Straßen und im Schatten hoher Hochhäuser, hoffnungsvoll in die Richtung anderer Hochhäuser.
Wir sind ganz nah, fast ganz nah, denn ein Eingang, wo der Cursor auf der Karte blinkt, ist nicht zu finden. Der einzige Zugang in der Nähe in ein bewohntes Haus, ist der zu einem Hotel, in dem wir aber definitv nicht gebucht haben, wir haben ein privates Appartment gebucht.
Ratlos gehen wir zur Rezeption des Hotels und zeigen eine kryptische Nummer, die bei der vagen Adressangabe wohl die Nummer des Appartments sein sollte, vermuten wir zumindest. Große Augen des Rezeptionisten, in denen wir große Fragezeichen erkennen können. Aber er bestätigt, dass die Adresse dieses Hotel ist, er diese Nummer jedoch nicht kennt. Er zeigt auf die Aufzüge. Ein Teil der Aufzüge fährt von Stock 25 bis 49, der andere von 1 bis 24. Unsere Nummer 1724. Also versuchen wir es so: 17. Stock, Zimmer 24. Gespannt laufen wir durch barock tapezierte Gänge mit dazu passendem, dick gepolsterten Teppichboden, vollkommen hässlich. Und plötzlich stehen wir vor einer Tür mit der Nummer 1724. Aber um hineinzukommen benötigt man eine Keycard und so etwas haben wir nicht. Also wieder runter zur Rezeption. Wir zeigen dort nochmals unsere Daten, die wir von Booking zu diesen Appartment bekommen haben. Eine Telefonnummer wird angerufen und es meldet sich tatsächlich jemand, die Besitzerin! Sie sagt, wir würden mit einem Code ins Appartment kommen, den sie uns per SMS schickt, nicht mit einer Keycard, und schön, das wir’s gefunden haben! Aber wo Bitteschön soll man diesen Code eingeben, wenn da nur dieses Schloß an der Tür ist? Also wieder rauf in den 17. und zur Tür. Und kurz fühle ich mich wie Gandalf im Herr der Ringe, der Stunden lang versucht die Tür zu Minastirith aufzuzaubern, aber einfach nicht auf den richtigen Zauberspruch kommt, wo doch die Lösung so nahe lag. Und so geht es eben uns vor der Tür mit der Nummer 1724. Die einfache und naheliegende Lösung ist die, dass man das vermeintliche Keycard-Schloss nur kurz berühren musste, um eine blau leuchtende Touchscreen Tastatur zu aktivieren. Meiomeiomei! Code rein und klicke-di-klick, eine lange Odyssee endet glücklich und erleichtert in einen kleinen Appartment mit atemberaubenden Ausblick vom 17. Stock auf Shanghai.
Es ist also so, dass ein Teil des Hauses vom Hotel belegt ist, zwischen den Hotelzimmern aber Privatappartments gestreut sind. Warum hat die Besitzerin nicht gleich als Adresse den Namen vom Hotel angegeben? Man weiß es nicht.
Promt klingelt Lauras Telefon, die Besitzerin ist dran. In sauberem Englisch gratuliert sie uns zu unserer bestandenen Challenge und kündigt an, das gleich ihre Putzkraft kommt und das Sofa in ein zweites Bett umbaut und auch gleich die Miete kassiert. Derweil machen wir uns im Zimmer breit und frisch und drängeln uns im Fenstererker mit dem atemberaubenden Blick hinunter auf die Straße und dem weiten Blick über die Stadt. Das Appartment ist recht klein, aber ausreichend und gemütlich, mit Kaffeekocher und Bad mit Dusche, was will man mehr! Die Laune steigt massiv, die chinesische Putzdame baut und bezieht Bett, kassiert und verschwindet wieder. Shanghai, wir kommen!
Es dämmert, als wir zum Orientierungslauf aus dem Hotelbau treten. Die Straße um die Ecke blickt am Ende direkt auf den bunt leuchteten Oriental Pearl TV Tower, das Wahrzeichen Shanghais. Der ist noch ein gutes Stück weg, dennoch beginnen wir in diese Richtung zu gehen. Auf dem Weg registrieren wir gleich mehrere Restaurants nebeneinander, die keinem von uns mehr nach ein paar hundert Metern Laufen aus dem Kopf gehen wollen. Wir haben allesamt Hunger, der TV Tower kann warten.
Ein hübsch dekoriertes Lokal bietet Hotpot an, genau das richtige für uns jetzt, denn in Shanghai hat es gerade mal etwas über 20 Grad und wir frieren fast nach den 34 Grad im Süden.
Ein nettes Kerlchen gibt uns die Karten, alles auf Chinesisch! Kurz überlegen wir wieder zu gehen, aber das Essen am Nachbartisch sieht einfach zu lecker aus. Also kämpfen wir uns mit der ÜbersetzerApp durch die Karte, aber nicht allein. Die junge Bedienung zückt ihr Handy und leitet uns mit der englischen Übersetzung seiner Texte an. Erst bestellen wir eine einfache Brühe, dann das hauchdünn geschnittene Fleisch, Lamm und Rind, dann diverse Gemüse und Dips. Der ganze Vorgang zieht sich durch die geduldige Tipperei und Abstimmerei mit dem Kellner zwar etwas, aber das, was wir dann auf den Tisch bekommen ist ein Fest! So unglaublich fein und lecker, wir schlemmen bis kein Fitzelchen mehr in uns hineinpasst. Richtig richtig gut, und zu guter Letzt die allerfeinste Brühe, die wir aus dem Hotpot löffeln. Der ganze Spaß kostet am Ende keine 50 Euro. Ein unerwartetes Finale und eine großartige Belohnung für diesen schönen, aber anstrengenden Reisetag von Yangshuo nach Shanghai!Read more
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- Day 17
- Sunday, September 1, 2019
- 🌧 20 °C
- Altitude: 9 m
ChinaPootung Point31°14’20” N 121°29’24” E
SwimmingInTheRain
September 1, 2019 in China ⋅ 🌧 20 °C
Papa planlos muss Heute schon um Sieben aufstehen, Pläne machen, vorher aber Kaffee, unbedingt. Zwei Tage unbekanntes Shanghai wollen angemessen bespaßt sein. Der Planet widmet der Metropole und ihren vielen Möglichkeiten natürlich mehrere Seiten und macht die Wahl nicht gerade leicht und ich habe einiges zu lesen und zu filtern und an Maps und Beschreibungen abzufotografieren.
Das alte Shanghai und das moderne würde ich gerne kennenlernen, das geschäftige Shanghai der Wolkenkratzer und der jungen, dynamischen Szene und das alte Shanghai mit Tempeln, Gärten und der Französischen Konzession. Unweigerlich muss ich bei Shanghai auch an Tim & Struppi in China, Opiumhöhlen und schmuddelige Gassen denken, den Hafen, die Skyline mit dem charakterstiftenden Oriental Pearl TV Tower, mit seinen gleich zwei Kugeln noch alberner als der Fernsehturm in Berlin - oder schicker.
So wie’s in der Theorie aussieht, lassen sich die vier vielversprechendsten Viertel mit ihren Sehenswürdigkeiten mit der dicht vernetzten U-Bahn und Laufen gut in zwei Tagen schaffen.
Halbneun beginnt der Tag auch für den Rest der Reisegesellschaft. Frühstücken müssen wir ausserhalb. Unser Appartmenthotelhaus liegt supergünstig, nur 2 km vom Bund und nur ein, zwei Häuserblocks von der großen Einkaufsstraße und Fußgängerzone Nanjing Road entfernt, der Peoples Square und Opernhaus sind um die Ecke, die U Bahn haben wir nach nur zehn Minuten erreicht. Gut gemacht, Reisepapa.
Ich muss eh sagen, dass wir mit unseren Unterkünften ein gutes Händchen hatten. Wir hatten uns im Vorfeld zusammen auch fast ein ganzes Wochenende mit der Auswahl beschäftigt, verglichen und abgewogen. Bis auf Peking, würde ich unsere Unterkünfte glatt noch einmal buchen. Wie ich anfangs schon berichtet hatte, gibt es in Peking charmantere Viertel, in denen man logieren könnte. Aber wir waren ja in der Planungsphase froh, dass wir überhaupt eine Bleibe gefunden haben, aus der uns der Staat nachträglich nicht rausgeschmissen hat, und die final gebuchte hatte schließlich verkehrstechnisch eine perfekte Lage. Also, Meckern gilt nicht.
Direkt vor dem Gebäude reihen sich der Straße entlang mehrere kleinere Lokale aneinander. Eines davon ist das Hotpot Restaurant von gestern abend, ein anderes bietet Wantans an, gedämpft oder in Suppe. Gestaltet - und das ist schon einmal ein erster augenfälliger Unterschied zu Peking - sind die Restaurants allesamt sehr geschmackvoll und stylisch, fast schon designig, sehr schön! Selbst chinesisch rustikal kann hier schick sein, der Prenzlauerberg lässt grüßen.
Es ist schon immer ein Act bis sich ein jeder unserer illustren Runde für seine Bestellung entschieden hat. Wer teilt was mit wem und was wird eifersüchtig nicht geteilt, das ganze mit etwas Morgenmuffel gewürzt.
Die Teigtaschen mit ihren verschiedenen Füllungen und Dips schmecken großartig.
Als wir auf die Straße treten, regnet es und es ist frisch, frische 20 Grad dann, wenn man aus tropischen 34 Grad kommt. Wir sind für einen langen Tag im Regen eindeutig zu dünn und wasserdurchlässig bekleidet, vor allem Nele.
Also ist erst einmal Shoppen angesagt.
Die Neugier auf die mondäne Shoppingmeile Nanjing Road war eh und so haben wir unser erstes Ziel voraus.
In diversen Läden erstehen wir Socken, T Shirts, warme Jacke, Regenjacke. Die Läden heissen
Miniso, H&M, Giordano, Uniclo, Bershka, die üblichen Verdächtigen, ein, zwei chinesische Fashionstores werden ebenfalls gescannt. Roter Kapitalismus.
Eindeutig angemessener gekleidet laufen wir die restlichen Meter zum Bund, der berühmten und reichen Promenade am Fluss mit ihren historischen Gebäuden alter Banken und Handelshäuser, gegenüber die Skyline des modernen Shanghai.
Zumindest können wir sie erahnen. Die hohen Häuser stecken tief in den Wolken. Nur manchmal blitzt die zweite Kugel oder gar die Spitze vom TV Tower durch. Wir müssen uns heute zunächst mit dem Wissen zufrieden geben, dass Shanghai die Stadt mit der zweithöchsten Wolkenkratzerdichte der Welt ist, dass das zur Zeit zweithöchste Gebäude mit seiner bemerkenswerten Architektur direkt vor unserer Nase steht, nur das Burji Kalifa in Dubai ist höher, genauso wie andere architektonische Highlights und Kuriositäten.
Es schüttet. Es schüttet wie aus Eimern und unsere Schuhe sind komplett nass, nach einer Stunde unterwegs sein. Das wird ja noch lustig heute. Squitsch, squatsch - wir haben Schirme und Pullis, aber wieviel Spaß macht es, wenn die Füsse nass sind. Wir gesellen uns unter einer Arkade zu anderen begossenen chinesischen Leidensgenossen. In einem Kiosk decken wir uns mit ein paar tröstenden Snacks ein und diesen dünnen, bunten, rettenden Regenmänteln.
So warten wir geduldig unter der Brücke bei Chips, Redbull, Sojamilch und Pissgeruch auf Wetterbesserung.
Wie auch immer der chinesische Petrus heisst, er erhört unsere genervten Sprüche und drosselt den Regen auf ein erträgliches Maß. Weiter geht‘s, wir suchen unseren Weg Richtung Altshanghai mit den als Must See vielgerühmten Yuyuan Gärten samt Tempel des Stadtgotts.
Es war mir bekannt, dass auf dem Weg ein Bazar ähnliches Gassengewirr mit vielen lustigen Ramschläden liegt, ein Magnet für ausgehungerte Shoppingqueens. Ramschläden! Es gibt sie doch! Wir bleiben gnadenlos kleben im Bazar, verlieren uns immer tiefer in den Gassen, jeder Klüngel bekommt seine Aufmerksamkeit. Diese durchsichtigen Regenschirme, die viele hier benutzen, sind eine Begehrlichkeit, die wir einkaufen. Bis auf ein Plüschtierchen sind die Damen und Herren aber erfreulich zurückhaltend, ist halt doch viel Schrott, und 16 Uhr mittlerweile. Die Kassen vom Garten schließen um 16:30, wir beeilen uns, kommen aber aus einer ungünstigen Richtung und müssen nahezu komplett um die ummauerte Anlage wandern.
In einem Gewirr von großen, mehrstöckigen, aber traditionell-historisch anmutenden chinesischen, renovierten oder neu erbauten - man weiß es nicht - Häusern folgen wir den Kassenschildern. Auf jeden Fall befinden sich in den Häusern hochwertigere und hochpreisigere Souvenirläden und Geschäfte. Wenn es denn in Altshanghai mit diesen Häusern einmal so ausgesehen hat, dann war es schon sehr hübsch, wenn es eine Disneyland ähnliche Fiktion ist, ist es gut gemacht. Man kläre mich auf!
Wir passieren das landesweit bekannte Teehaus, das über einem Gewässer stelzt. Erreicht wird dieses über eine lange steinerne Brücke, die im Zickzack angelegt ist. Wären nicht so viele Menschen auf ihr, wäre auch die sehr schön!
Wir erreichen den Eingang zum Garten und die Kassen, 16:31 Uhr. Plöd jetzt, is aber so. Ein paar Spitzchen der Bäume und Pagoden im Garten hinter der Mauer erhaschen wir noch bei unserer Kehrtwende.
In der renovierten Altstadt tummeln wir uns in einem Laden mit ausgesprochen schönen Chopsticks und suchen die schönsten für die Lieben daheim aus, welche aus weißem Porzellan mit blauer Zeichnung.
Diese romantische Altstadtinszenierung hinter uns bummeln wir durch das wahre alte Shanghai.
Ganz anders als Peking mit den niedrigen Hofhäusern. Shanghai baut in die Höhe, aber bedingt nur in der Altstadt. Eigentlich sehen die ein/zweistöckigen alten und teilweise ranzigen Häuser genauso aus, wie man sich chinesische alte und ranzige Altstadthäuser vorstellt. Stein, dunkles Holz, rote Laternen, kleine Lädchen, sehr pittoresk und filmkulissig. Es macht viel Spaß hier durchzuspazieren - es regnet kaum noch.
In der Dämmerung erreichen wir wieder den Bund, die Skyline von Pudong, dem Wolkenkratzernest auf der anderen Seite des Flusses, schaltet gerade ihre Lichter an. Bunt es ist, sehr bunt, in wechselnden Farben, da in Pudong, auf unserer Uferseite gülden leuchtend dagegen der Bund, schön anzuschauen. Besonders auch, weil sich die Lichter nicht nur im Fluss spiegeln, sondern auch im regennassen Asphalt, die wilden Wolkenfetzen sorgen für eine sehr theatralische Kulisse.
Die befremdliche Bezeichnung Bund kommt übrigens vom Hindustani Wort Band, Deich, Damm bedeutend, und das im weitesten Sinne wurde bei den Engländern in China zur Bezeichnung für Kai, The Bund, mich hat der Name zunächst irritiert. Aber schön isser, der Bund, wir fotografieren begeistert und posen wie bescheuert in den zwei Kulissen, einerseits die Partylichter von Pudong und hinter uns die alten ehrenwerten Banken- und Hotelgebäude eindrucksvoll in goldenem Licht inszeniert, eine beeindruckende und gelungene Inszenierung, wie ich finde.
In dieses goldene Lichtermeer der Bankenpromenade tauchen wir ein, um langsam zurück zur Nanjing Road zu gelangen, von der aus wir unsere große Runde heute Mittag begonnen haben.
So manche Überlegung über heute Vormittag in diversen Läden Erspähtes, ist über den Tag zu einem Kaufwunsch heran gereift. Und weil wir wieder dadorten sind, gehen wir diesem Begehr nach und suchen die glitzernden Orte der Verheissung und der Erfüllung noch einmal auf. Vielleicht ist es doch keine so gute Idee, mit Teenagern unweit einer solch glanzvollen Einkaufsmeile zu wohnen.
Auf diese Schnickschnack Jagd hat Fynn keine Lust mehr und trollt sich dezent genervt in unser nahes Hotel. Alleinsein und Zocken, zwei gute Gründe.
Die Damen und ich hingegen lassen uns wieder im glitzernden Lichtstrom treiben und erstehen die eine oder andere Handyhülle und anderen habenwill Kleinkram. Man könnte den Eindruck gewinnen, dass wir uns gerne in ordinären Fussgängerzonen aufhalten. Dem ist nicht so. Wir sind immer noch unübersehbar in Asien, in China, und so ist der Gesamteindruck des hiesigen Lebens ein besonderer, ein exotischer, selbst in den Fußgängerzonen mit den weltweit üblichen Shops. Es ist etwas anderes, wie hier Geschäfte gemacht werden. Hunderte in Aircon unterkühlten Läden gelangweilt herumstehende Fashiongirls, die sich im Sturzflug auf herein tröpfelnde Kunden werfen und mit Kleidungsvorschlägen zuballern. Süß aber: Hilfe! Oder sie tuscheln kichernd zwei Kleiderständer weiter, während sie das Einkaufsverhalten westlicher Teenies beobachten. Oder sie laufen zwischen Warenpyramiden herum und preisen über ihr Headset verstärkt die Vorzüge ihrer Offerten. Sehr komisch, aber laut: Hilfe!
So manches Geschäft manchmal ein Museum: In einem mehrstöckigen Kaufhaus gibt es ausschließlich getrocknetes Essen. Sehr schräg, zwei Stockwerke mit mumifizierten Lebensmitteln, die platt gehauenen halben Schweinsköpfe haben nachhaltig beeindruckt.
In Anbetracht des erschlagenden Angebots sind wir jedoch äusserst zurückhaltend, schließlich muss jeder seinen Rucksack am Ende selbst tragen.
Blingbling Schauen macht hungrig. Eine Suppenküche in unserer Hotelstraße suchen wir uns aus. Wer mag Pansen und Rinderfett? Und Chili? Es gibt auch milde Versionen ohne die fiesen Einlagen. Am Nachbartisch fängt ein Mann im Muscleshirt an zu weinen, seine Freundin reicht ihm besorgt Tücher - ich bin sehr froh, dass ich das Chili weggelassen habe.
Was ist das für ein schönes Gefühl, wieder alle Kinder um sich zu haben und die Füße nach so einem eindrucksvollen Tag hochlegen zu können!Read more
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- Day 18
- Monday, September 2, 2019
- 🌧 23 °C
- Altitude: 9 m
ChinaHuangpu31°13’45” N 121°29’16” E
Shanghighlight
September 2, 2019 in China ⋅ 🌧 23 °C
Shanghai. Von der ersten Minute an hat uns diese besondere Stadt gefallen, über dieser Stadt liegt etwas Besonderes. Schon bei der Suche nach unserer Bleibe haben wir ihren Charme und Dynamik wahrgenommen. Im krassen Gegensatz zum fast schon beschaulichen und bürgerlichen Peking, fängt uns diese Stadt sofort, mit ihrem Leben, dem Charme von alt und neu, traditionell und modern, schnell und langsam, überwältigend und beschaulich, designig und dem völlig normalen asiatischen Siff, den wir in Peking fast schon vermisst haben. In Peking standen auch auffällig viele Besen an jeder Ecke herum, sehr suspekt. SH ist die größte Stadt Chinas, mit 23 Millionen Einwohnern in der Metropolregion, wusste ich auch nicht.
Viele gefärbte Haare, gut gekleidete Leute, Fashion, Urbanität, Streetart, Design, die Kultur einer bewegten, modernen Großstadt. Ein Vergleich mit New York wird mir von Wissenden mit einem Kopfnicken bestätigt - ich selbst war da noch nie und kenne die Stadt nur aus Filmen.
So freuen wir uns auf Tag zwei in dieser Stadt.
Und ich mich vorher über meine ruhige Stunde, die ich wie so oft, mit Planungen und geweisstem Nescafe verbringe, bevor ich mich um 8:30 wieder bei meinen Mitreisenden unbeliebt mache.
Ein Motivationszuckerl habe ich jedoch: es regnet nicht, es ist nur angenehm bewölkt.
Dampfendes Dim Sum steht auf der spannenden Frühstückskarte. Wir mixen zum alles Probieren.
Die drei lachenden Wantan Schweinchen wieder und ein größerer Teigbeutel gefüllt mit heisser Suppe und Krebsfleisch sind die Frühstücksstars, intensiver Krebsgeschmack zum Frühstück allerdings eher irritierend, toll anzusehen aber diese kunstvolle, wabbernde Teigblase, also rein damit. Gut dass ich bei einem Streetfood Vlogger auf Youtube gesehen habe, wie man diese Dinger isst, ohne sich den Mund dabei zu verbrennen.
Die Auswahl der heutigen Highlights ist groß. Fynn will Wolkenkratzer, ich will Garten, die Mädels beides, wir alle die ganze Stadt.
Also starten wir Richtung Pudong, das auf der anderen Seite des Flusses liegt, der übrigens Huangpu heisst, und gut mit der U Bahn - natürlich - zu erreichen ist. Wir fahren die Rolltreppen hoch und von jetzt an gehen unsere Blicke nur noch nach oben, weit oben, bis unsere Nacken knacken. Eine große Runde beeindruckend hoher Gebäude um uns, unten lustige riesige Verkehrsblumen und Streifen, geformt aus großen Straßenschleifen und geschwungenen Wegen, auf denen sich um die Gebäude herum bewegt wird.
Eines der Gebäude sieht mit seinem Durchblick in den obersten Stockwerken aus wie ein Flaschenöffner, das Shanghai World Financial Center, das zweithöchste Gebäude der Welt, der Shanghai Tower, ist leicht gedreht wie ein Korkenzieher, der Fernsehturm mit seinen zwei Kugeln, Oriental Pearl TV Tower offiziell, wie eine sehr eigenwillige Science Fiction Vision aus den Siebzigern, obwohl der erst Mitte der 90er gebaut wurde.
Das bemerkenswerteste Gebäude ist der Shanghai Tower, architektonisch aussen wie innen, und mit der höchsten Aussichtsplattform der Welt. Das wollen wir uns geben, zwar 20 Euro pro Nase, aber allein der Aufzug wird schon als Erlebnis beschrieben.
Aber wie meine Formulierung vielleicht schon ahnen lässt, aus unserer Skyscraper Experience wird leider nix. Es regnet zwar nicht, aber Wolken verhüllen penetrantest das obere Viertel des Towers. Bringt ja dann nichts, also lassen wir‘s, durchaus ein wenig enttäuscht.
Aber der TV Turm, der ist wolkenfrei und nah und für eine Fotosession hervorragend. Wir gehen ganz nah dran und er ist bei all seiner zweikugeligen Lächerlichkeit aus der Ferne, aus der Nähe groß und beeindruckend, aber immer noch schräg. Tja, Berlin, the Shanghai TV tower has got two balls, sorry.
Hier setzen wir auch unsere Selfiemodel Strichliste fort, sogar ich bekomme mein drittes Shooting. Der Turm ist als Selfie Hintergrund einfach zu schön. Nele, unser liebes, strahlendes Blondchen, liegt in der Beliebtheit unbestritten vorn. Wir haben Spaß.
Ein besonderer Anblick ist ein Gruppe buddhistischer Mönche in ihren rot-orangen Gewändern und Ledersandalen, die in dieser Betonwelt über Brücken schreiten und mit ihren Mobiles Fotos machen, nicht weniger beeindruckt als wir, was ein Kontrast.
Nächstes Ziel: Der gestern verschlossene Yuyuan Garten, Papas Wunsch. U Bahn fahren, straight zum Eingang hoppeln, ohne Shopping Stops.
Tja, der Garten. Den hat sich Seinerzeit eine reiche Familie als Ruhezone mitten in die Stadt bauen lassen, heute ein touristisches Highlight. Die renovierte Altstadt drumherum, das Teehaus, der Teich, die Zickzack Brücke - der Garten komplettiert das ganze Bild vom historischen Shanghai, und als Kulisse zu dieser Oase, die Wolken kratzende Skyline der Stadt.
Ja, er ist schon schön, der Garten, aber... Aber wir haben schon schönere gesehen, sagen wir‘s so.
Das Idyll ist umfriedet von einer hohen Mauer, dadurch wirkt der Ort auf mich eher beengt, auch wenn er eine größere Fläche einnimmt. Ich empfinde ihn als sehr zugebaut, zu gut gemeint, durchzogen von bekiesten Wegen, vorbei an diversen Pavillions mit ihren geschwungenen Giebeln, immer wieder Durchgänge in kleinere Nischen mit kleineren Wasserstellen, Orte der harmonisierenden Kontemplation, und dieser typischen chinesischen, arrangierten Steindeko überall plus Bepflanzung. Diese Löchersteindeko soll wohl die Atmosphäre der bergigen Landschaften Chinas schaffen. Sehr verspielt, typisch chinesisch, meine Harmonie ist es nicht.
Es gibt einen größeren Teich voll mit Koi Karpfen, grünes Wasser mit leuchtendem Orange, hübsch.
Den Teich kann man auf einem Steg überqueren. Die vielen, vielen Kois, so leuchtend, so neugierig, so hungrig, so groß, so tumb, was auch immer, und so nah und dicht an der Wasseroberfläche, dass man sie anfassen kann. Weit geöffnete Mäuler drängeln sich uns schlurzend entgegen, stumme Schreie nach Brot und Liebe. Das beschäftigt uns eine Weile. Immer wieder stehen wunderschön traurige Trauerweiden am Wasser und die liebe ich ja sehr. In China sehr oft zu sehen, schon in Peking und an diversen Flussufern, mit Bank, zum Sitzen, Sein und Nachdenken. Eine Freude, eine mal wirklich schöne Ecke in diesem Garten, wie ich finde. Sehr schön auch runde Mauerdurchgänge von Abteilung zu Abteilung, ach, kuck mal ...hallo Herr Frodo! Von den Mauern drohen gelegentlich große, sich schlängelnde, schwarze Drachenfiguren und mit dem
Blick über die Mauern, Shanghais Skyline.
Wir essen in all der Harmonie ein Eis, Fengshui für den Gaumen, Eis in China ist ein Must! Es gibt hier so dermaßen leckeres Steckerleis, so viel haben wir noch nie gegessen, Milcheis, aber auch Fruchteis aus frischen Früchten, ich sage nur: Mango, ein Traum, Melone, mmmh!
Was auch noch lecker ist für Zwischendrin und sehr populär und überall zu haben, sind diese weissen, süßen Trinkjoghurts. Jedes Geschäft hat sie, meist ungekühlt, trotzdem lecker und Energiespender. Auch von denen haben wir viele getrunken. Der richtige Pusher jedoch ist asiatischer Red Bull, nicht so ein kraftloser Schlabber wie in Europa. Wenn gar nichts mehr geht, der richtet einen wieder so richtig auf, sagt der Koffein resistente Kaffee Junkie.
Ja ja, der Garten, der hat schon durchaus was, da wollen wir mal nicht so sein - und auch einen Ausgang. Schnell ist man wieder mitten in der Altstadt, also der echten, bewohnten, lebendigen, der, die hinter den Souvenirläden liegt. Wir beschließen die im Zickzack zu durchstreifen bis wir in das Tianzin Viertel gelangen. Real Life, Tim und Struppi sind ganz nah. Kleine Sträßchen, kleine Häuser, kleine Lädchen, kleine Männchen. Es wirkt ungewohnt, in einem Laden unzählige Schüsseln am Boden stehend zu sehen, aus Plastik und Metall, in denen Luftschläuche blubbern, um verschiedenste Arten von Muscheln und Krustentieren lebendig zu halten, dahinter noch neonbeleuchtete Regale mit Schuhen im Angebot, mitten in der Großstadt. Es ist ein ungewohnter Anblick, endlose Berge von türkis-pastellig schimmernden Enteneiern hinter trüben Holzfenstern zu entdecken, man gewöhnt sich an diese Haushaltwarenläden mit ihren neonschrillen Plastikeimern, Bürsten, Besen und so weiter, Man gewöhnt sich nicht an die immer wieder patroullierenden Behördeninspizienten, was immer die inspizieren. Gemüselädchen an der Ecke, ein offener Fleischer, gackernde Hühner, duftende Küchen, Kleinstwagen und E-Roller, trocknende Wäsche, Stromkabelverhau an den Masten, öffentliche WCs und rennende Kinder, die dringend dahin müssen, schlurfende Alte. Straßenleben eben. Vergesst nicht, euch die chinesischen Schriftzeichen dazu vorzustellen. Gemalt, geprägt, Werbebanner, gedruckt, verblasst, shabby, bunt vor stadtergrauten Fassaden, ein Fest für grafische Augenblicke. Für uns lateinische Buchstabenleser sind diese Schriftzeichen immer noch mehr dekorativ als informativ und sehr exotisch.
Wir sind in echt in China, hallo, wie geil! Manchmal wachen wir auf in diesem Film.
Ein Kiez, ein Kleinstadtidyll, drumherum Wohnblocks, die sich immer näher schieben. Ganze Straßenzüge sind schon geräumt, die Läden und Türen vernagelt und warten auf die Abrissbirne. Hier wird von den Inspektoren inspiziert, dass ja niemand mehr die verbarrikadierten Läden wiederbelebt.
Wir stehen wieder an einer großen Straße, mit Bäumen, belebt, bunt, Restaurants, viele Menschen. Das Tianzin Viertel. Von der großen Straße weg gehen lauter kleine Gassen, schön bunt, irgendwie anders. Viele kleine Läden, Boutiquen mit ausgefallenerem, eher jungem Design, Schickschnack, Streetart, trendige Bars und Cafés, kurzum, eine Art Künstlerviertel, das versucht nicht mainstreamig zu sein.
Im Gewirr der Gassen finden wir ein Resto, das DIY Suppen und anderes anbietet. Wir sind früh nachmittags etwas ausserhalb der chinesischen Essenszeiten und so quasi allein in diesem SB Ding, das so umwerfend leider nicht ist.
Das leckere Joghurteis am Stiel in unseren Händen begleitet uns hinaus aus dem Tianzin Viertel zur französischen Konzession, auch ein beliebtes Viertel. Es könnte auch New York, Berlin oder London sein irgendwie, sehr westlich. Von Laubbäumen - ich tippe auf Platanen - übertunnelte Alleen, links und rechts Wohnhäuser. Schön ist es hier, ganz anders wieder einmal, ein freundliches Licht, Shanghai hat so viele Gesichter. Schon jetzt ist klar, zwei Tage sind viel zu kurz für diese großartige Stadt. Wir gerne würde ich hier mehr entdecken. Wir schlendern diese charmanten Straßen entlang, die gut eine Filmkulisse für eine Romcom sein könnten.
Unser Ziel in der Konzession ist ein Massagestudio, das im Planet wegen Qualität, Preisen und der hübschen Damen lobend erwähnt wurde. Das Ambiente der Räumlichkeiten ist eher nüchtern und pragmatisch.
Wir haben großes Glück, dass gerade vier Plätze im Double Rainbow frei sind. Eine Stunde chinesische Massage, genial, und wir haben uns die echt verdient. Die letzte hatte ich in Dubai und die wirkte wahre Wunder. In Shanghai gibt es viele Massagesalons, tendenziell eher gehobener Standard und entsprechend teuer, dieser hier ist wirklich erschwinglich für einen Papa mit drei Kindern.
Am Ende schwärmt jeder von uns, bei jedem wurden die Triggerpunkte intensivst bearbeitet, was zeitweise etwas unangenehm sein kann, aber im Ergebnis totale Entspannung bedeutet. Das einzige Ding ist, dass der Planet neben der Qualität und den günstigen Preisen, die exotische Schönheit der Massagedamen gepriesen hatte. Das mit der Qualität und den Preisen stimmt durchaus…
In Realität waren die exotischen Damen jedoch eher ältere, eher schräge Herrschaften, die größtenteils blind sind - aber eben einen genialen Job machen. Ein etwas überraschendes Szenario, wir haben den Witz vom Planet vielleicht nicht richtig verstanden, egal, ein bisschen Lachen mussten wir dann aber schon.
Als wir den Salon verlassen, ist es bereits dunkel. Wir beschließen die U-Bahn Nachhause zu nehmen, auf viel Laufen hat keiner mehr Bock.
Fynn mag noch schnell eine Hose kaufen, die er Gestern in einem Shop auf der Fussgängerzone entdeckt hatte.
Zu Essen soll es Heute Ente geben. Laura und ich hatten am Vorabend ein Schild von einem Entenrestaurant direkt neben unserem Hotel entdeckt. Also stehen wir jetzt davor und versuchen herauszufinden, wo wir da jetzt genau hin müssen. Der Übersetzer muss einmal mehr ran. Die Botschaft ist ernüchternd: Auf dem
Schild wird für eine Vorbestellung für ein Entenmenü zu irgendeinem Feiertag im Herbst geworben, nix Ente jetzt also, vier mal berechtigt enttäuschte Gesichter mit Flunsch.
Eine angemessene Alternative zu Ente muss schnell her.
Hot Pot again, der vom letzten Mal, der könnte durchaus trösten. Und er tut es. Dieses Mal werden wir von der Chefin selbst in bestem Englisch beraten. Unser Buffet in großer Hunger Größe kann sich sehen lassen. Es schmeckt wieder leckerst, Hot Pot is einfach ne dolle Sache.
Ich staune, wieviel in so Kinder rein geht, wenns richtig schmeckt.
Zuhause müssen wir noch Snacks kaufen und die Rucksäcke packen, denn Morgen geht es leider schon wieder weiter, zurück nach Peking.Read more
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- Day 19
- Tuesday, September 3, 2019
- ☀️ 30 °C
- Altitude: 50 m
ChinaPeking39°53’35” N 116°23’23” E
VonDreibeinigenFröschen
September 3, 2019 in China ⋅ ☀️ 30 °C
6:00 Uhr Wecken, gnadenlos, wir müssen schließlich wieder einen Zug erwischen, ein letztes Mal auf dieser Reise.
Der Bahnhof für die Hi-Speed-Trains befindet sich eine U-Bahnstation hinter dem Flughafen, auf dem wir von Guilin gelandet sind, also eine ziemliche Strecke, erfreulicher Weise ohne Umsteigen.
U-Bahn fahren können wir. Morgens um diese Zeit sind die Züge voll, Rush Hour. Unsere prall gefüllten Rucksäcke stöhnen unter dem Shoppingfluch, also ihre Träger stöhnen, denn Sitzplätze gibts keine, nur höflich genervte und morgendlich missgelaunte Mitfahrer, die zum x-ten Mal von einem dieser dicken Dinger angebumpt werden und bei ihrem Mobile Morgengruß gestört werden. Die Köpfe bleiben zwar gesenkt, aber sie müssen uns hassen.
Es ist ein Riesenbahnhof. Was sonst. Das Wo-ist-der-Ticketcounter-Spiel erreicht das nächste Level, wenn dieser gigantische Bahnhof nicht sogar der Endboss aller chinesischrn Bahnhöfe ist, er hat mehrere Etagen. Und wieder einmal sind englische Hinweise Fehlanzeige. Online Tickets hier, Online Tickets da, aber kein Ticketcounter mit einem Mensch drin. Immerhin wissen wir, von welchem Gleis unser Zug geht. Gleis 1. Dann gehen wir doch mal wenigstens in diese Richtung.
Tatsächlich entdecken wir ein Schild mit dem Symbol für Ticketservice mit lebendem Organismus inside. Dritter Stock, wir müssen in den dritten Stock, das wissen wir jetzt, nachdem
wir die Schnitzeljagd im ersten und zweiten Stock erfolgreich absolviert haben.
Dritter Stock. Die Rolltreppe wirft uns am
Anfang, nein, eher am Ende der ewigen Halle raus, nämlich da, wo gefühlt die Gleisnummern 1.099 bis 999 liegen. Wir müssen Gleis 1, wir haben Proviant für drei Tage, das sollte reichen.
Der Marsch beginnt. Die müden Augen erspähen endlich den gelobten Ticketschalter. Nur, der ist zu. Immerhin klebt ein Pfeil drauf, zum nächsten, ca eine Tagesreise entfernt. Die Karawane zieht weiter, die Massagen gestern nur noch eine wehmütige Erinnerung. Schalter zwei, auch zu, Pfeil, weiter. Gleis 19 bis 11, wir haben es fast geschafft. Ein Leuchten, eine Schlange, Schalter Nummer drei ist offen. Yes! Aber muss ja, eigentlich. Die Ticketprozedur ist nur noch ein routiniertes Kinderspiel und Gleis 1 am Horizont in Sicht.
Wir sind da. Erleichterung, Pause, Frühstück, Milchbrötchen und Bananen, Klo, warten.
Egal wie routiniert man sich in China fühlt, in größeren Städten immer zusätzliche Zeit und Proviant für Orientierungsläufe einplanen, das ist mein heisser Tipp!
Das Gate zu Gleis 1 öffnet sich, wir wackeln zu unserem Wagen, unseren Plätzen, 1.300 entspannte Gleiskilometer liegen vor uns.
Ich kann jedem Zugfahren in China nur empfehlen, statt Übernachten im Hotel lieber eine Nachtfahrt über eine weite Strecke.
4 Stunden 35 Minuten später sind wir wieder zurück in Beijing. In dieser Zeit schafft die Bahn in Deutschland gerade mal die Strecke München - Berlin und ist noch stolz drauf. Unser Hostel ist nicht das, wo wir zu Beginn unserer Reise gewohnt haben, für die letzte Nacht wohnen wir im Three Legged Frog Hostel, unweit des Tiananmen Platzes und der Verbotenen Stadt.
Das Hostel mit dem lustigen Namen liegt inmitten von einem Hutong, in einem Hofhaus, von der U-Bahn ist es ein ordentlicher Hatscherer, aber ein schöner. Verwinkelt nähern wir uns Gasse für Gasse im chinesischen Alltag unserer Bleibe.
Der Empfang ist superherzlich und in bestem
Englisch, eine Wohltat. Über den hübschen Innenhof geht es quer rüber zu unserem riesigen 5-Bettzimmer. Tatsächlich lungern ein paar versprengte Backpacker im Hof herum.
Schön ruhig ist es, sehr chinesisch, aber dennoch im typischen internationalen Hostellook. Fünf Uhren mit den Zeiten der Welt an der Rezeption, Flaggen, Postkarten, Heisswasserspender, Bookexchange und Lümmelecke mit Beamer, ein Zuhause in der Welt.
Wir wollen erstmal nix mehr bis zum Abend ausser chillen, Kaffee trinken, das riesen Zimmer im schönen Hof genießen, die Rucksäcke ganz leer räumen, ausmisten und final packen, denn Morgen ist tatsächlich unser letzter Tag.
Abends haben wir ein Date, mit Jackie, in Huas Restaurant. Ihr erinnert euch? - der vom Anfang der Reise! Er arbeitet da heute wieder und er hat uns einen Tisch reserviert auf Halbacht.
Heute Abend gibt‘s noch einmal fette Pekingente, yeah, yeah!
Vor dem Resto ist eine Warteschlange. Aber mit dem Zauberwort ‚Jackie‘ sind wir auch schon gleich drin. Er hat uns schon erwartet, nach einer für Chinesen herzlichen Begrüßung führt er uns zu dem hammer Tisch, den er uns freigehalten hat. Dieses Mal sitzen wir im Erdgeschoß, direkt vor der Bühne, inmitten dieses tollen, quirligen, schmatzenden, duftenden und geschäftigen Treibens, zwischen allerlei lebendigem Angebot und zubereitetem Getier, mit einer sehr verlockenden Menükarte vor der Nase.
Wir bestellen Heute zwei Enten, Jackie empfiehlt uns eine davon als Babyduck zu bestellen. Um die Wartezeit zu verkürzen, ordern wir noch eine mittlere Portion Clayfish, Krebse in einem
Sud zum Niederknien. Ich staune immer wieder über die Kinder, wie begeistert sie sich an unbekanntes Essen wagen. Ausserdem bestellen wir Heute auch gleich eine ganze Karaffe mit dem Wundergetränk, von dem Fynn beim ersten Mal so begeistert war.
Serviert werden dann drei Enten, eine reguläre und zwei mal Babyduck, dazu wieder Entensuppe.
Die Enten sind ein Gedicht! Vorallem die Babyducks. So knusprig, so zart, so entig, so saftig, so lecker, so viel, so satt, so schade. Schande, aber irgendwann ist dann Schluss mit Platz im Bauch. Nur Fynn isst und isst und isst.
Zwischen Reispapier rollen, dippen, schmatzen und genießen werden auf der Bühne fast direkt vor unserer Nase chinesisches Allerlei Varieté zum besten gegeben.
Nudelakrobatik zum Beispiel. Ein tänzelnder junger Koch macht erst den Robodance und dehnt und fügt dann einen Teigklumpen verspielt zusammen und zieht ihn wieder auseinander und fügt ihn wieder zusammen und dehnt ihn erneut und fügt... bis er schließlich ein Gebilde aus hunderten filigranen Nudelsträngen dem staunenden Publikum vor die Nase hält. Ta-dää.
Wirklich toll finde ich aber die Dame, die Arien aus einer chinesischen Oper vorträgt. Für unsere Ohren eine ziemlich schrill-schräge Angelegenheit, aber irgendwie sehr faszinierend und fesselnd. Nach ihr tritt ein Opern-Dämon auf und vollführt dämonische Tänze, großartig! Das nächste Mal: Pekingoper, ganz klar.
Jackie überreicht uns zum Abschied im Namen des Restaurants noch hübsche Chopsticks in einer hübschen Box und wir verabreden uns für Morgen Abend zum Essen. Auf eine Weise ist Jackie sehr herzlich, warm und verbindlich, auf der anderen Seite ist er sehr nüchtern und distanziert. Diese Zweigesichtigkeit irritiert mich immer wieder, ich muss noch viel über die chinesische Art lernen. Vielleicht ist es auch einfach nur Unsicherheit.
Dicke dicke Bäuche sitzen rechtzeitig vor Betriebsschluss in der U-Bahn und lassen sich Nachhause rollen, zickizacki durch die Hutonggassen geeiert und dann leuchtet und das zum Dreibeinigen Frosch Hostel einladend entgegen mit unseren wunderbaren Betten. Nachts in den Hutongs, das hat eine ganz besondere Ausstrahlung, etwas beruhigendes, geborgenes. Wir fühlen uns doch nicht etwa wohl?Read more
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- Day 20
- Wednesday, September 4, 2019
- ⛅ 0 °C
- Altitude: 51 m
ChinaPeking39°53’46” N 116°23’47” E
HimmlischerFrieden
September 4, 2019 in China ⋅ ⛅ 0 °C
Und heute, ja heute, ist ein großartiger Tag, ein Tag, an dem sich ein Kreis schließt, ihr kennt das Gefühl, wenn ihr das letzte Puzzleteil einsetzt, das Gefühl haben wir heute, himmlischer Frieden für unsere Reiseseelen.
Ich weiss jetzt gar nicht, ob ich das vorher schon erzählt habe, nämlich, dass während der letzten zwei Wochen, die wir herumgetingelt sind, Jackie uns Tickets für die Verbotene Stadt online geschossen hat, jawohl, wir sind drin! Und er hat sie sogar vorfinanziert, richtig nett, und deshalb haben wir gestern das Angenehme auch mit dem Nützlichen verbunden und ihm die Eintrittsgelder plus dicken Tip übergeben.
Übrigens heisst der Kaiserpalast offiziell Palastmuseum, soll ja schließlich keine romantische Sehnsucht nach den alten Zeiten und ihren Herrschern geweckt werden.
Aber erstmal muss der Tag leider mit Ärger beginnen. Und der geht so: Ich stehe eine Stunde vor den Kindern auf, um unsere Flüge für Heute Nacht einzuchecken. Obwohl ich direkt am
Counter vom Hostel sitze, arbeitet die KLM App per VPN sehr zäh. Als ich endlich durchkomme und unsere Daten eingegeben habe, rattert die Kiste ewig und es kommt schließlich der Hinweis, dass wir die Strecke mit China Southern fliegen und wir deshalb jetzt auch über China Southern einchecken müssen. Na servas. Also China Southern App laden. Bitte warten.... bitte warten... alles auf Chinesisch... na super... intuitiv finde ich den Schalter für Englisch: Bitte warten... Bitte erst Account anlegen... Mach ich glatt... Bitte warten... Account per Mail bestätigt... Login... bitte warten... bitte warten... VPN beendet.... nochmal alles von vorne.... nach dem zweiten Versuch ist es nicht besser... bitte warten... bitte warten... VPN crash... dritter Versuch, ich bin drin... Hello China Southern... Leude!...
Ich schaffe es sogar die Flüge aufzurufen, aber Check-in nicht möglich, die Meldung sagt nicht wirklich warum, es geht halt nicht... noch ein Versuch... bitte warten... bitte warten... geht nicht... über die App gehts einfach nicht... ich gebe auf.
Nächster Besuch auf der offiziellen China Southern Website. Alles in Chinesisch... nix Englisch... echt jetzt?... vergiss es... ich habe jetzt glatt zwei Stunden damit vertan... Die Kinder sind seit ner Stunde wach, fertig geduscht, gestriegelt, gepackt, reisefertig und frühstückshungrig... und geduldig, noch.
Ich wende mich schwer frustriert an die eloquente Dame an der Rezeption und bitte sie um Hilfe.
Sie versucht es an ihrem Rechner gleich auf der Southern Seite - und sie bekommt die gleiche Meldung wie ich: Die Flüge sind auf uns gebucht, aber Check-in nicht möglich. Sie puzzelt eine weitere Weile auf der Website herum, schließlich ruft sie direkt bei der Fluggesellschaft an.
Noch eine Stunde weg. Jetzt ist es schon halbelf, um neun wollten wir eigentlich los. Mit unseren Onlinetickets für den Palast sind wir in einem Zeitfenster mit Eintritt vor 12 Uhr gebucht, und dann ist es doch noch eine gute Strecke bis zum finalen Gate: Erst durch den Hutong zum Tiananmen Platz, den überqueren, unter der breiten Straße durch, zum Tor des Himmlischen Frieden - da wo Maos riesiges Portrait drüber hängt, wer kennts nicht... - dann den großen Vorplatz vom Palast durchqueren bis ganz hinter zu den Gates, die Dimensionen und Strecken dieser Orte durften wir ja schon erfahren, ganz zu schweigen von den diversen Kontrollposten zum Platz des Himmlischen Frieden und den Umleitungen zur Unterführung der großen Straße. So eine ganz leise Panik fühle ich in mir dann doch aufsteigen, es könnte eng werden. Und, ach ja, frühstücken, das war doch was...
Die nette Rezeptionistin weiss um unser Vorhaben und bietet uns mit dem
Blick auf die Uhr und hochgezogenen Augenbrauen an, dass sie den Check-in für uns erledigen würde. Knutschen könnte ich sie!
Die Situation mit unseren Flügen ist nämlich die, stellt sich heraus, dass wir für den Check-In nicht freigeschaltet sind, weil wir einen der vorangegangenen Flüge, also von Deutschland nach China, laut System nicht wahrgenommen haben sollen, wir sind also gar nicht in China.
Ähhhm, Moment...
Die Situation zu klären dauert. Die Fluglinie wird sich in einer halben Stunde wieder melden.
Die Nette notiert unsere Daten, Passnummern, etc und schickt uns auf die Piste, sie macht das jetzt. Wie unglaublich nett ist das!
Was bin ich erleichtert und schwupp steigt meine Laune ganz nach oben. Die Kinder dagegen sitzen unter einer dunklen Wolke von Ungeduld und Hunger. Nur noch unser Gepäck im Storage Room verstauen und raus, ein schnelles Frühstück suchen und dann Spurt.
Raus in die Hitze. Das letzte Mal in Peking gabs strömenden Regen, heute knalle Sonne, 36 C, danke Petrus.
Frühstück, dringend, jetzt! Ein kleiner Stand auf dem Weg, mit einer kleinen, lächelnden Frau in einer Box mit einem großartigen Rezept, es gibt eine Mischung aus Crêpes und Döner: Auf einem salzigen Crêpes wird ein Ei verstrichen, Huhn, Gemüse, Salat, Saucen, bäm! So lecker! Dazu Trinkjoghurt. Streetfood at its best, dieses Frühstück versöhnt uns wieder mit allem.
Ausser mit Chronos, dem Herrn über die Zeit, der uns im Genick sitzt. Wir spurten. Damned, vor dem Tiananmen Platz eine lange Warteschlange - Polizeikontrolle, Schleuse, jeder einzelne wird gefilzt, die Taschen, der Körper, Ausweise her! Viermal alles Ok, warum auch nicht, großer, paranoider Bruder.
Die Zeit, die liebe Zeit, die Kinder sind toll dabei, laufen mit, schauen dabei zwar etwas angespannt, aber der Kaiserpalast ist schließlich auch ihnen wichtig. Meine hammer tapferen Reisekinder, ich bin ja so stolz!
Erfreulicher Weise gibt es heute keine Kontroll-Schikanen an der Unterführung. Hello again! Herr Mao lächelt erneut vom dem Tor des Himmlischen Frieden auf seine braven Schäfchen herunter, wir schlängeln uns elegant durch die zum Eingang drückende Herde, über alle Plätze, bis ganz hinter zu den Gates.
Es ist Zehn vor Zwölf.
Hui. Schwitz.
Unsere online registrierten Pässe sind auch unsere Eintrittskarten, check in, wir sind drin, wie geil.
Total verschwitzt, total durstig, in der Steinwüste. Grün oder Bäume? Fehlanzeige, nur Stein, soweit das Auge reicht. Als erstes suchen wir am Rand des ersten Hofes rettenden Schatten, fallen in uns zusammen und trinken all unsere Flaschen leer. Diese Hatz hätte es jetzt echt nicht gebraucht.
Wieder regeneriert, fast getrocknet, und motiviert betrachten wir den Lageplan der Verbotenen Stadt und bestimmen unsere Route. Dieses ganze Palastdings ist... na? - ja genau! ...es ist riesig, riesengroß, gigantisch! Es gibt Stimmen, die behaupten, man hätte die ganze Schose in zwei Stunden abgeradelt. Das halten wir für unschaffbar, vielleicht, wenn man komplett durch rennt. Die armen Reisegruppen im Schweinsgalopp.
Bevor wir so richtig starten, leihen wir uns Audioführer, die in einem sehr putzigem Deutsch die Abschnitte der Anlage erklären und nette Geschichten dazu erzählen. Leider geben bald zwei davon ihren Geist auf. Die Guides sehen aus wie iPhones, aber set up in China halt. So lauscht erst der eine von uns und erzählt es dann dem anderen. Fynn macht das richtig profimässig. Die Kisten starten bei Überschreiten von Checkpoints an erwähnenswerten Gebäuden automatisch ihre Ausführungen, das ist zwar tricky, aber auch etwas lästig, weil nicht stoppbar.
Der erste große Platz ist der, den wir aus ‚Der Letzte Kaiser‘ kennen. Der Minikaiser spielt kichernd mit großen wehenden Tüchern und rennt dabei aus der großen Halle, die Tücher lichten sich und vor ihm kniet auf dem riesengroßen Platz unterwürfigst der ganze Hofstaat. Ein tolles Bild und wir sind jetzt mittendrin, in der Geschichte, schon aufregend, wir in Kaiserperspektive. Die gesamte Anlage und ihre Geschichten sind großartig, riesengroß und als Lebensraum für ein ganzes Leben doch so klein. Steine, Steine, Steine, kein Grün, in seiner Großartigkeit auch bedrückend und beklemmend.
Ich werde hier jetzt nicht durch die vielen himmlischen, harmonischen und westlichen und östlichen Gebäude und Tore führen, treppauf, treppab, das bestaunt ihr dann besser mal selbst oder lest einen Kulturführer darüber, wie auch immer.
Erwähnenswert aber auf jeden Fall die flankierenden Museen mit all ihren Kronen, Juwelen, Gegenständen, Kostümen, Pracht und Prunk, unglaubliche Handwerkskunst und Reichtum, sehr schön inszeniert.
Immer wieder sehen wir Chinesinnen in historischen Outfits, die vor den Bauwerken für Fotos gegenseitig posieren, ganz für sich privat, für Insta, für ihr Karma, whatever, auf jeden Fall nicht für Touristen, das macht unsere Zeitreise perfekt.
Erwähnenswert auch die Geschichte der Konkurbine, die im Audioguide bei einem Brunnenschacht in einem bestimmten Garten startet.
Sie war die Lieblingskonkurbine vom Kaiser, die Frau, die er wohl richtig geliebt hatte, er hatte ihr einen eigenen Teil des Palastes mit eben diesem Garten eingerichtet und die Kaiserin hat sie dafür gehasst. Solange der Kaiser anwesend war, wurde sie von ihm beschützt. Als er aber wegen eines Krieges fliehen musste, gab die Kaiserin promt den Auftrag, die vorerst zurückgebliebene Geliebte verschwinden zu lassen, genau in diesem Brunnen. Platsch. Drama, Baby. Sind das Geschichten?
Das Buhlen um Gunst, Macht und Vorteile diverse muss am chinesischen Hof ein großer Zeitvertreib gewesen sein. Intrigen, Verrat und Mord, dann noch die Eunuchen... bestimmt gibt es darüber zig Filme.
Die Hitze macht uns fertig. Viele viele Pausen, literweise Wasser, die Weitläufigkeit der ausgesetzten Plätze, das ist definitiv anstrengend - und fesselnd zugleich.
Am von uns aus hinteren Ende der Palastanlage erreichen wir die kaiserlichen Gärten. Gärten, naja, Kieswege, ein paar krumme Gehölze, ein paar Bäume, Pavillons, Steinhaufen, die einmal mehr die prominentesten Gebirge des Landes darstellen sollen, große Vasen, Steine, Steine und Steine. Nix Grün.
Auf dem Rückweg bestaunen wir die Schlafgemächer der kaiserlichen Familie und das Bett des Kaisers selbst. Möbel, Interieur, das ist es, was wir sonst in den Hallen und Räumen vermisst haben. Die ausgestatteten Räume haben gleich eine ganz andere Ausstrahlung, sie werden lebendig irgendwie.
Es ist jetzt schon späterer Nachmittag und wir laufen auf einer anderen Route zurück zu unserem Eingangsbereich. Das Gelände ist richtig leer jetzt, keine Reisegruppen mehr, kein Trubel, späte Nachmittagssonne. Die roten Wände der Paläste, die bunten Dächer, die weissen Treppen, alles beginnt in wärmsten Tönen zu leuchten. Eine wunderbare Ruhe liegt über allem, eine unglaubliche Stimmung. Von manchen erhabenen Palästen können wir die ganze riesige Kaiserstadt überblicken. Innehalten, genießen, wow. Himmlischer Frieden. Wir sind einer Meinung, egal wie anstrengend das bisher war, der Palast ist ein absoluter Höhepunkt.
Leise Töne irritieren uns plötzlich. Aus der Ferne klingt: Blasmusik, eindeutig. Gebt euch das. Chinesischer als chinesisch geht es gar nicht und dann bayrische Blasmusik in der Luft. Wie geil. Natürlich versuchen wir der Quelle näher zu kommen, durch die Mauer, das Tor, hinter dem die Kapelle mutmaßlich aufspielt, werden wir aber nicht mehr durchgelassen. Das Gelände wird Schritt für Schritt zum Feierabend gesperrt und die Besucher rausgeschoben. Wie schade, eine schräge Sache das.
Schnell sind wir dann draussen und wieder vor den Toren der Verbotenen Stadt. Nicht da, wo wir rein sind, nein, an irgenddeinem Ausgang an der Seite. Was bedeutet, ca drei Kilometer aussenrum zurück zum Tiananmen Platz hatschen. Wähh. Und wenn‘s nicht so interessant wäre, in diesem Land zu flanieren, könnten wir jetzt glatt jammern. Aber der Weg ist das Ziel und viel zu spannend.
Tiananmen Platz, in der Abenddämmerung, grandios irgendwie, aber auch paranoider Parade- und Überwachungswahnsinn. Emsig werden auf und um den Platz die Aufbauten für die 70-Jahrfeier der Staatsgründung zusammengeschraubt. Was auffällt, ist die Beflaggung der großen Laternen- und Überwachungsmasten auf unserem weg zur U-Bahn. Neben der chinesischen Flagge hängt nämlich auffälliger Weise jeweils eine deutsche.
Eine wartende Menschenmenge entlang von Absperrgittern verhindert unseren Weg weiter zur U-Bahn. Wir Ahnungslosen wundern uns langsam, Blasmusik, Deutschlandfähnchen, Absperrgitter... wir sind neugierig. GoogleApp übersetze bitte: „Entschuldigen Sie bitte, worauf warten Sie hier?“ Der dritte befragte Chinese zückt sein Handy und lässt uns wissen: „Ein Politiker kommt gleich, sieben Uhr“ - und macht ein Foto von uns.
Es ist jetzt halbsieben, wir beschließen zu warten und gesellen uns zu den anderen am Absperrgitter, die Mädels ganz vorne. Schließlich kann es sich bei einem so großen Bohei um sicher keinen ganz unbedeutenden Politiker aus Deutschland handeln.
Hinter der Absperrung sehen wir ein Podest mit Podium und Mikrofonen, daneben einen ewig hohen Fahnenmast mit chinseischer Flagge.
Bis sieben vertreiben sich die Chinesen die Zeit mit Deutsche Mädels filmen, die sich wiederum die Zeit damit vertreiben Chinesen zu filmen, die deutsche Mädels filmen. Ein lustiges Spiel. Scheiß Sprachbarriere.
Und dann öffnet sich das Tor des Himmlischen Frieden - das Tor unter Maos Portrait - und im Stechschritt marschieren Soldaten aus dem Kaiserpalast in maximaler Synchronität auf das Podest zu. Respekteinflößend und beängstigend hallt der harte Takt der Stiefel unisono über den Platz. Dazu hallen die lauten Befehle der Offiziere. Gespenstisch. Ich habe so etwas noch nie miterlebt und bin auch nicht traurig darüber. Auch die Kinder sind komplett gefesselt und fasziniert. Eine gefährliche Magie.
Im Ergebnis der Parade wird das Podest mit der Fahne von den Militärs geometrisch umstellt, die Fahne fürchterlich umständlich vom Mast eingeholt, zusammengefaltet und begleitet von der ganzen Militärmischpoke, etwas zügiger in wieder den Palast zurück getragen. Nu sind se alle wieder weg. Und die Politiker? Nichts, das Podest bleibt leer. Keine Frau Merkel oder bayrischer Ministerpräsident oder sonstwer.
Die Menge raunt und kommt in Bewegung. Und jetzt kommt das, was mich wirklich beeindruckt. Wie schnell die Versammlung aufgelöst wird!
Einzelne Personen treiben, wie Hirtenhunde eine Schafherde, die Menschen von den Absperrungen weg Richtung der Ausgänge vom Platz, Fahrzeuge von weiter Aussen mit großen Schiebern nehmen der Menge immer mehr Freiraum, engen sie ein, nicht aggressiv aber unaufhaltsam. Offensichtlich ist das Volk dieses Treiben hier gewöhnt, trottet artig davon, und innerhalb kürzester Zeit ist keine Menschenmenge auf dem Platz mehr vorhanden, in Luft aufgelöst. Irre. Dann trollen halt auch wir uns.
Wir haben nämlich noch eine Verabredung mit Jackie, im Hostel, ganz privat, wir wollen zusammen zum Abschied Essen gehen.
Natürlich müssen wir aufgrund von weiteren Absperrungen um den Platz wieder einen Umweg gehen, vorbei an der hübsch illuminierten Parteizentrale, auffällig unauffällige kleinere Trupps von Geheimpolizei marschieren an uns vorbei, wir tauchen ein in das Gassengewirr der Hutongs.
Es ist jetzt dunkel, die Restaurants und Shops und Boutiquen und die erwartungsvoll flanierenden Menschen zaubern eine sehr schöne Stimmung auf unserem Heimweg.
Jackie wartet schon auf uns, er ist mit dem Fahrrad gekommen. Er hat uns ein typisch Pekinger Restaurant ausgesucht, ganz traditionell. Da gibt es also die Küche, die wir von den Chinesen bei uns so kennen, wir sind gespannt.
Jetzt haben wir endlich die Chance, uns mit einem Einheimischen zu unterhalten und Antworten auf alle unsere Fragen zu bekommen.
Und wir nutzen sie und fragen und reden und er erzählt, ganz unspektakulär, ganz alltägliches und superinteressant.
Als Geschenk hat er uns Tee mitgebracht. Viele kleine Portiönchen von verschiedenen Teesorten, die er uns ausführlich erklärt, er liebt Tee und ein Freund hat einen entsprechenden Laden, aus dem er absortiert hat.
Bevor unsere Essensbestellung serviert wird, bekommen wir ein paar dieser Teesorten zubereitet. Besonders gut schmeckt mir der weisse Tee, schon mal probiert? Entgegen meines Wissens lässt man in China wohl viele Sorten nur sehr kurz ziehen, um das beste Aroma zu bekommen.
Selbstverständlich sitzen wir an einem großen runden Tisch mit Drehscheibe. Denn jeder möchte von den Auberginen mit Schwein, dem Lamm mit Zwiebelgrün, den frittierten Shrimps im Teigmantel, den Datteln und der Yamswurzel mit Morcheln und Gemüse probieren. Ein Festessen, ein würdiges Essen zum Abschied. Jackie erklärt uns geduldig und sehr bemüht seine Kultur und die Küche und die Gewohnheiten seiner Landsleute. So ein Glück, dass wir ihn kennenlernen durften.
Um 21:30 beginnt dann der Countdown unserer Heimreise. Wir laufen komplett mit Essen befüllt zurück zum Hostel, holen unsere nicht weniger prall gefüllten Rucksäcke und marschieren zur nächsten größeren Straße zum Treffpunkt mit dem Flughafentaxi, das uns Jackie organisiert hat, irgendein Verwandter wohl, eh klar. Lach.
Zeit von unserem netten Kumpel Abschied zu nehmen, herzlich, aber doch chinesisch distanziert.
Um 23:00 erreichen wir den Flughafen. Auf den Toiletten machen wir uns frisch und ziehen uns für den Flieger um.
18 kg wiegt mein Rucksack jetzt, viele Kilo Souvenirs und Mitbringsel. Und tonnenweise Erinnerungen und Gedanken im Kopf und Emotionen im Herzen, gerade wiegen sie sehr schwer, die Freude, die Melancholie und der Abschied. Erleichterung aber auch, dass wir bald wieder freie Menschen sein dürfen, raus aus der Kontrolle und Überwachung, raus aus der Matrix.
Ein letztes Mal piepen meine Batterin beim Securitycheck, ich werde aber von der Polizei durchgewunken, wir flutschen durch die Immigration, Visa ausgestempelt - wir sind offiziell raus aus China.
Todmüde Warterei am Gate, bis wir den mächtigen A380 endlich beboarden dürfen.
Um 1:40 heben wir ab, es geht wirklich wieder Nachhause. Und ich sage wie es ist, wie wir uns jetzt alle fühlen: zufrieden und satt und irgendwie auch seltsam erleichtert, wieder frei, wieder privat.Read more
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- Day 21
- Thursday, September 5, 2019
- ☁️ 0 °C
- Altitude: 521 m
GermanyHof See47°55’18” N 12°22’42” E
EndTitles
September 5, 2019 in Germany ⋅ ☁️ 0 °C
Nachtflug, wie angenehm, wir haben tatsächlich geschlafen, mehr oder weniger. Der Anschluss in Amsterdam klappt super, noch eine gute Stunde im Flieger, übernächtigt, reiseversifft und still, mit lauter Schwarz gewandeten Business Leuten und wir sind wieder in München, das Gepäck rutscht bald komplett auf unseren Trolley. Der Parkservice bringt uns brav zum Parkplatz im Umland vom Flughafen und ich muss jetzt Autofahren, igitt, eine ganze Stunde noch und dann noch eine.
Es ist Vormittag als ich die Kinder in ihrem
Zuhause auslade. Ein harter Abschied. Nach drei so intensiven Wochen mit so viel Nähe. Es ist sehr still auf meinem Weg zu meinem Haus. Zeit für viele Gedanken.
Wie wars jetzt eigentlich so? So in China, drei Wochen mit drei Kindern und auf eigene Faust?
China ...also. Die Reise war bisher die nachhaltigste und beeindruckendste Reise, die ich unternommen habe. Die Erlebnisse, die Bilder, die Gefühle, auch nach Wochen ploppen die unglaublich intensiv klar und vollständig im Geiste auf. Das Gefühlspendel bewegt sich mit allen Zwischentönen in Extremen von fasziniert bis genervt, von glücklich bis frustriert, von mega entspannt bis gestresst. Ein Abenteuer.
Eine Reise nach China beginnt schon mit den intensiven, umfänglichen und teilweise sehr nervigen Vorbereitungen, im Land selbst bleibt man konzentriert, es wird viel von individual Reisenden gefordert. Reisen in China ist sicher kein Urlaub, dennoch überwiegen eindeutig die guten Momente, der Aufwand und die Umstände lohnen sich unbedingt.
Wenn wir von unserem Reisen in diesem Land erzählen, dann zuerst von den Restriktionen, der Reglementierung, der Überwachung, der Schikane, von der schwer erfassbaren Gesellschaft und dem ungewohnten Verhalten der Menschen, den unausweichlichen Massen. Das alles kennen wir Freiheit verwöhnte und selbstbestimmte Menschen nicht, umso mehr wiegt es in der Erinnerung und prägt die Eindrücke einer Chinareise wesentlich.
Nach dem Luft holen kommt dann aber auch unmittelbar das, was mich noch viel tiefer berührt, diese unfassbar schönen Landschaften, die eigenwillligen und großartigen Städte, die Kultur, das leckere Essen, die überraschenden, regionalen Küchen, das angenehme Fortbewegen, das sich zu 100% erfüllende Klischée, die komplett unerwarteten Entdeckungen und Aussergewöhnlichkeiten, die kleinen, unzähligen Szenarios des Alltagslebens, diese ganz andere Welt.
China ist so riesengroß und hat so unglaublich viele Facetten und wir haben nur einen Bruchteil davon gesehen. China ist überwältigend, beeindruckend und eine Lebenserfahrung.
Mir kamen bei Gesprächen auch viele Vorbehalte zu einer Reise in dieses kommunistische Land mit seinem totalitären Regime zu Ohren, „ausgerechnet China...“
Meine Meinung dazu ist, gerade deshalb auf eigene Faust zu den Menschen in diesen Ländern zu reisen, als Europäer mittendrin, im Alltag, teilnehmen, wahrnehmen, die Kultur und die Kunst wertschätzen, respektieren, Rucksack zeigen, da sein, eigenständig, zuhören, wenn es denn mal möglich ist. Und wenn die Reise dazu dient, am eigenen Leib zu erfahren, wie wichtig Freiheit ist, was es bedeutet selbstbestimmt und frei zu sein, in einer Demokratie zu leben, Privatsphäre zu haben, zu erfahren, was Überwachung und ständige Kontrolle bedeutet, wie sich die anfühlt und zu wissen, wie schnell man aus dem Raster fällt und staatlicher Willkür ausgesetzt sein kann. Was immer man für sich aus dieser Erfahrung macht, gerade deshalb auch China.
Ich bin mir sicher, dass auch wir mit unseren Rucksäcken Eindrücke und Gedanken hinterlassen haben. Wer weiss, welchen Samen wir damit gesät haben und wozu das einmal gut sein wird.
Und ja, ich würde wieder nach China reisen, jetzt weiss ich ja wie es geht.Read more
























































































































































































































