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  • Dreifache Zeitreise

    August 1, 2018 in Poland ⋅ ☀️ 27 °C

    Um Mitternacht herum wache ich auf von einem Geräusch aus einer anderen Zeit. "Rängtengtengteng" macht es draussen vor dem Wohnmobil. Sind wir schon wieder in einen Zeitstrudel geraten, Trabis sind uns doch hier gar nicht begegnet? Ich schaue aus dem Fenster und tatsächlich, zwei Trabis oder auch "Zwickauer Rennpappe" genannt stehen dort. Trabant, DAS Auto der DDR - als Abgasskandale noch ein Fremdwort waren und Zweitaktmotoren das Mass der Dinge zumindest hinter dem eisernen Vorhang. Na gut, wir werden sehen morgen früh.
    Als ich mit meinem Becher Tee morgens heraus trete, sehe ich zwei Zelte und zwei Trabis aus Weissrussland dort stehen...
    Wir fahren los um Punkt acht Uhr, als die Schranke des Campingplatzes öffnet, denn wir haben eine ordentliche Strecke zu machen und wollen noch etwas besichtigen. Kurz vor der Grenze füllen wir noch mal preiswerten Diesel nach und tanken LPG, und auch ein Kaffee muss her zur "humanen Koffeinbetankung". Wir überqueren die Grenze nach Polen fast unmerklich, nur ein Grenzpfosten ganz versteckt und danach dann die grossen Tafeln mit den Geschwindigkeiten.
    Gleichzeitig passiert Zeitreise Nr. 2, indem wir die Zeitzone wechseln und eine Stunde gewinnen, weil wir die Uhr eine Stunde zurückstellen dürfen.
    Wir biegen bald danach ab zu den Masurischen Seen und sind kurz vor Rastenburg wie es früher hiess, bei Zeitreise Nr. 3 angekommen - der Wolfsschanze, dem bekanntesten "Führerhauptquartier" im 2. Weltkrieg. Dort, wo am 20. Juli 1944 das Attentat von Graf von Stauffenberg auf Hitler scheiterte...
    Ein skurriler Ort. Alles ist aus privater Hand organisiert. Der Parkplatz zum Bersten gefüllt, Reisebusse und sogar ein Wohnmobilstellplatz im dichten Wald. Nachdem man Eintritt bezahlt hat, kann man dann im Shop eine deutschsprachige Karte der riesigen Anlage erwerben, um einen Rundgang über das Gelände zu machen. Ein Bunker reiht sich an den anderen, 8m dicke Betonwände und Decken, aus deren Rissen Bäume wachsen und alles von Moos überzogen ist. Mit der Sonne, die durch die dichten Bäume dringt, eine mystische Stimmung. Dazwischen polnische Guides, die auf verschiedenen Sprachen ihren Gruppen Erklärungen abgeben. Nach Kriegsende hatte man vergeblich versucht, die Anlage zu sprengen, was aber angesichts der Betonstärke nicht gelang. In einer Halle dann eine Ausstellung zum Gedenken an die Opfer und am Ort des missglückten Attentats eine Platte und eine Inschrift sowie eine Tafel mit dem genauen Tagesablauf vom 20. Juli.
    Etwas sehr eigenartig mutet dann aber der Souvenirshop an, in dem "Gasmasken", Handgranaten- und Patronenhülsen-Imitate verkauft werden. Das passt eher in die USA als ausgerechnet nach Polen... die polnischen Touristen kaufen trotzdem begeistert ein...
    Also eine Mischung aus Gedenkort und sehr fragwürdigen Geschäften, zumal auf dem Parkplatz auch noch als Soldaten verkleidete Personen herumlaufen, die irgendwelche Touren mit alten Militärfahrzeugen anbieten.
    Uns zieht es weiter und wir wollen noch etwas Strecke machen, weil die morgige Etappe mit einem familiären Gedenkstopp nähe Lodz und vielen KM verbunden ist.
    Und fast vergessen: wir haben heute über den ganzen Tag verteilt mehr als hundert Störche gesehen, unglaublich!
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