• Marco's MeisterwerkFjäll voraus!

    29. Mai

    May 29, 2024 in Sweden ⋅ ☀️ 12 °C

    Die Nacht habe ich mit dem Innenzelt in der Hütte verbracht, da mir das Wetter zu wechselhaft aussah und ich keine Lust hatte, mitten in der Nacht umzuziehen. Am Morgen hängen schwere tiefe Regenwolken über dem See, eine Sache ist sehr auffällig: In der Hütte ist nicht eine einzige Mücke. Was ist hier los? Ich kann ganz normal Frühstück machen. Lediglich einzelne versprengte Widerständler zeigen sich kurz. Nachdem ich die Stube noch ordentlich ausgegefegt habe, verlasse ich gegen halb zehn diesen besonderen Ort. Kaum eine halbe Stunde hin erschreckt mich ein Kranich, der ziemlich nah am Weg steht. Als ich näher rankomme, sehe ich, dass er wohl am Bein verletzt ist, weil er stark humpelt und so wohl auch kaum einen Flugstart hinbekommt. Ich bleibe nicht allzu lange stehen, weil ich sehe, wie viel Angst er hat, und lasse ihn in Ruhe. Nach einer guten Stunde sehe ich an einer etwas freien Stelle im Wald im Westen das Fjäll, es ist das erste Mal, dass ich es so konkret sehe und auch als solches benennen kann. Von hier aus sind es nur 25 km Luftlinie bis dorthin, es sind Schneefelder zu sehen und macht mir ein ganz besonderes Gefühl.
    Ich bin übrigens auf dem Weg nach Sälbod. Auch ein nicht unbedeutender Ort, denn hier hat Marco, ein ehemaliger Kollege von der Telekom, schon in 1998 bei einem Sommerhaus einen kleinen Brunnen eingerichtet, an dem man trockenen Fußes Wasser holen kann. Seinerzeit wurde eine kleine Einweihung gefeiert und ein Holzschild mit entsprechender Inschrift aufgestellt. Das ist nun gut 25 Jahre her und Marco hat mich darum gebeten, doch mal nachzusehen, wie es dort so ist. Das tue ich natürlich mit großer Freude, ich war selbst einmal an diesem Ort und der Weg dahin ist zwar ein Umweg, aber es sind nur 2-3 Stunden, das werde ich durchaus schaffen. Er war übrigens neben Michael einer der zweien, die mich damals nach Gessi mitgenommen haben.
    Noch auf dem Weg nach Sälbod hält ein Auto an und ich komme mit Christina und Kurt ins Gespräch. Sie sind hier aus der Gegend, er ist Jäger, und sie bieten mir an, mich bis zum Brunnen mitzunehmen. Da es ohnehin ein Zusatzweg ist und es sich auf diesem Schotterweg hässlich laufen lässt, stimme ich zu. Vor Ort ist alles noch ziemlich genauso wie vor über 20 Jahren, lediglich das Holzschild steht nicht mehr am Pfahl, sondern liegt jetzt unten im Gebüsch, da die Schrauben weggegammelt sind. Während wir uns zusammen umschauen, erzählt mir Kurt, dass er mit der Wünschelrute besondere Fähigkeiten hat, nicht nur Wasser zu finden, sondern er kann das Alter von Bäumen bestimmen. Aber auch Spuren nachgehen, alte ehemalige Gebäude mit ihren Mauern aufspüren und er kann bestimmte Dinge erfragen. Ich sitze hinten im Auto, höre sehr gespannt zu und bekomme das Maul nicht mehr zu, merke ich doch, dass er nicht mit irgendwas rumprahlt, sondern ganz sachlich auch Geschichten dazu hat. Wirklich beeindruckend. Zwischendurch machen wir noch einen Abstecher tiefer in den Wald und kommen auf eine Anhöhe, zum einen gibt es dort besonders viele sehenswerte Findlinge oder auch Steine, die quadratmetergroße absolut plane Flächen haben, aber wir haben auch von hier einen tollen Blick zum Fjäll, auch bis weiter in den Norden Richtung Idre. Wir fahren sehr langsam und mit diversen Stops noch bis zur nächsten Straßenkreuzung, auf dem Weg erzählt er mir sehr viel über das Leben hier früher und heute. Von den alten Postrouten oder wie man vom Siljan bis Røros in Norwegen (gut 250km Luftlinie) früher per Pferd Waren transportiert hat, als es all die Wege durch die Wälder wie heute noch nicht gab. Das ging natürlich nur im Winter und mit „Schneeschuhen“ auch für die Vierbeiner. Und hat mal eben 3 Monate gebraucht. Es ist eine faszinierende und wundersame Begegnung. Kurt verabschiedet mich mit den Worten: „You made our day.“ Da geht mir doch das Herz auf, ich habe mal wieder nichts dazu beigetragen, als am Wegesrand Platz zu machen, sodass sie durchfahren können.
    Nachdem es sich den ganzen Vormittag und auch bis zu diesem Treffen trocken hielt, hat es in der Zwischenzeit angefangen zu regnen, so dass ich jetzt für die nächsten Stunden auf einer recht einsamen Landstraße entlang Richtung Westen marschiere. Zwischendurch ist es zwar auch mal wieder trocken und sogar sonnig, aber das hält heute nicht so lange an und so ist es später wieder am Regnen, als ich gerade in Nornäs bin. Dort sehe ich auf einer Anhöhe ein Slogbot und suche dort erst mal Schutz vor dem Regen, esse etwas und zwischendurch fallen mir auch immer mal wieder die Augen zu. Nach einer Dreiviertelstunde, es ist inzwischen halb sieben, ziehe ich weiter, schließlich bin ich von den letzten Tagen ausgeruht, dunkel wird es auch nicht und dort im Westen steht ein großer, teils verschneiter Magnet, der unheimlich anzieht.
    Und so komme ich gegen neun am Abend in Sörsjön an, ein Dorf, in dem es einen Supermarkt gibt, den ich morgen aufsuchen will. Recht unkompliziert finde ich nur 200 m davon entfernt ein Slogbot direkt an einer tollen Fluss-Auenlandschaft. In Summe habe ich heute gute 45km hinter mir, davon bin ich zwölf mit dem Auto gefahren. Und es fühlt sich für mich gar nicht an wie so lange gelaufen. In den letzten 2 Stunden waren die Mücken wieder deutlich aktiver, inzwischen gewöhne ich mich aber mehr und mehr an diese Umstände und als ich hier ankomme, ist es sogar ziemlich mückenfrei. Da alle Wiesen nass sind, entscheide ich mich, im Slogbot im Schlafsack zu schlafen, das einzige was am Ende rausguckt, ist der Kopf und das werde ich heute Nacht mal in probieren. Zum Einschlafen ist es allerdings mit der Ruhe nicht soweit her, einerseits natürlich durch das Konzert aller möglicher Wasservögel hier in der Nähe, dann höre ich in einiger Entfernung Schaflämmer und scheinbar gibt es ein Tierheim oder jemand hat eine ganze Reihe von Hunden. Wenn einer von ihnen anfängt, machen die anderen mit und es ist ein Gebell und Gejaule, was bis weit Richtung Mitternacht immer wieder zu hören ist.
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